Zimmerische Chronik/Band 2/Kapitel 55

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Autor: Froben Christoph von Zimmern
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Titel: Wie ain große irrung sich zwischen der Reichenow und herr Gotfridt Wernhern freiherren zu Zimbern von wegen der collatur der pfarr Geggingen enthalten und letzstlich vertragen worden, auch von andern sachen.
Untertitel:
aus: Zimmerische Chronik Band 2. S. 558–562
Herausgeber: Karl August Barack
Auflage: Zweite Verbesserte Auflage
Entstehungsdatum: 16. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck)
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Erscheinungsort: Freiburg und Tübingen
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Quelle: Digitalisat der UB Freiburg
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Wie ain große irrung sich zwischen der Reichenow und herr Gotfridt Wernhern freiherren zu Zimbern von wegen der collatur der pfarr Geggingen enthalten und
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letzstlich vertragen worden, auch von andern sachen.
Von etlichen jaren here sein spenn und nachpurliche missverstendt gewest zwischen den epten der Reichenow und dann der herrschaft Zimbern von wegen der nomination und presentation eins pfarrers zu Geggingen, und vermainte
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ieder thail, die collatur und das jus patronatus selbiger pfarr zu haben. Begab sich nach abstandt herr Conrat Kissling, pfarrers daselbst, der geen Buchen an Federsee kam und die pfarr dem apt het resignirt, das herr Gotfridt Wernher freiherr zu Zimbern solche pfarr widerumb verleihen wolte,

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[559] derhalben er ain priester bei bischof Haugen von Landenberg uf die pfarr presentirte. So baldt das abt Marxen von Knöringen[1] anlangte, wolt er das nit zugeben, sonder de facto und mit der that conferirte er die pfarr eim
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priester, genannt herr Hanns Schleihe. Derselbig pfarrer, als er vom abt nominirt und presentiert, ward er von dem bischof Haugen uf die pfarr confirmirt und bestettiget. Wiewol nun herr Gotfridt Wernher ab solchem des abts gewaltigen und thetlichen ingriff ein groß misfallen, so ließ
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er doch den pfarrer, herr Hanns Schleihen, warnen, mit dem gnedigen rath, das er nit ufziehen sollte, dann er würde in als den, so durch unrechtmeßigen gewalt in die pfarr intrudirt, nit gedulden; wellte ine auch in trewen warnen, uf kein unwillen zu ziehen. Solchs alles mochte bei dem
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pfaffen nit verfahen; dann wiewol er zimlich gelert, ließ er sich doch zuvil uf den abt, sein collatorem, zoge uf die pfarr und wardt von des abts bevelchshabern ingefiert und installiert. Darneben ließ er sich vil stolzer und hochmüetiger reden vernemen, uf mainung, er fragte der
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weltlichen obrigkait nichs nach, im wer conferirt und rechtmeßigclichen gelihen, die pfarr welte er besitzen und niemands darum ansehen. In solchem unwert und unwillen besas der pfaff die pfarr etwas mehr, dann ain jhar, und trueg herr Gotfridt Wernher nit ain geringe beschwerdt ab des pfaffen
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bösen worten. Dieweil im aber nit gepürn wolte, den pfaffen offenlichen zu straffen oder von der pfarr zu vertreiben, warde desshalben mit herr Schweikharten von Gundelfingen ein heimlicher verstandt gemacht, und uf ain zeit, als der pfaff, [593] ganz aller sorgen frei, mit vollem
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seckel seinen gescheften nachrit, warde er unversehenlich gegen aubents uf dem weg von etlichen unerkannten reutern verkuntschaft und ufgefangen, uf ain ross gebunden, ein kappen angestreift, biß in die nacht in den helzern durch vil abweg gefüert. Letzstlich kamen sie mit ime umb
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miternacht uf die Alb zu aim hochgericht, nit ferr von Habspurg[2] gelegen; sie füerten in mit dem ross under das hochgericht, thetten im ab die kappen, legten im dargegen ain

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[560] strick an hals, mit ainer ceremoni, als ob sie in gleich henken welten, mit austrückenlichen worten, sie welten im also hiemit possess uf die pfarr zu Geggingen geben. Dem pfarrer war die pfeifen in die eschen gefallen und row in
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übel der hochmüetigen reden, so er hievor mehrmals getriben; kunte wol bedenken, das im hiemit nit unrecht beschach. Derhalben patte er sie ganz demüetigclichen, im zu verzeihen und sich seiner zu erbarmen, mit dem verhaißen, die pfarr Geggingen innerhalb monatsfrist zu
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verlassen. Darneben gab er inen freies willens also par ein hundert guldin, die bei im in ainem wetschger verkuntschaft waren. Also erbarmbten sich die gueten, magere reuterle des pfaffen, namen das[3] gelt und sein erpieten mit guetem willen an. Sie füerten in verbutzet und vermumpt in
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helzern biß gegen tag, do ließen sie in in dem Geginger waldt wider ledig. Het gleichwol vil gueter jegerstraich darzu ingenomen, und war im wol geschrepft worden. Er blib hernach ein kurze zeit zu Geggingen, dann ime war sein trutz und freche weis vergangen und wolte sich seins abts
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vertröstungen weiter nit verfieren lassen. Er zog ganz unverzogenlich ab und kam uf ain andere pfarr under den Hailigenberg, wolt kainer sollichen schlapp mere erwarten. Hernach ist der spann zwischen der Reichenow und der herrschaft Zimbern desshalben vertragen worden, und das
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ie ain tail umb den andern die nomination und collatur der pfarr zu Geggingen haben soll. Dessen sein baide herrn wol zufriden gewesen, ist auch also biß anhere gehalten worden. Nachdem nun der strittig, hochmüetig pfaff von
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Geggingen verscheucht, do kam ain pfaff dahin, ein seltzamer abenteurer, hieß pfaff Naßhanns. Der versahe die pfarr interim, biß man sich ains andern pfarrers vergliche. Mitlerweil starb der Giltlinger, war forstmaister zu Sigmaringen. Als man dem sein opfer zu Sigmaringen halten, war pfaff
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Naßhanns nit der wenigest im kartenspill, der dem schlamp auch nachwandlet. Nun war aber Franz Scherer amptman und würt dozumal zu Geggingen. Der het den pfaffen selbigs morgens, ehe er geen Sigmaringen kam, zu der morgensuppen geladen, und nachdem der pfaff wol gefietert, rit er
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hinüber geen Sigmaringen uf das opfer und hielt mess, wie

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[561] andere priester. Do volgt im der Franz nach und opfert im, sprechendt: »Herr, thon beschaidt!« dann der pfaff war im noch ain schuldig bliben zu der morgensuppen. Der wardt am altar schamrott, erschrack und macht fort.
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Hernach prediget er uf sant Blasis tag den pauren zu Geggingen die legendt des lieben hailigen und die miracula und wunderzaichen, von ime beschehen. Daran hankt er am letzsten, die bauren megten glauben, was sie wölten, er glaubts aber bei Got nit alles, oder der teufel söllt ine hinfüeren. Er
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blib über ain jar nit zu Geggingen, do kam er geen Hülzingen und war ain rechter pfarrer zu solchen underthonnen. An sein stat kam geen Geggingen herr Hanns Mock, war herr Conrade Mocken, burgermaister zu Rotweil, brueder. Der erlangte die pfarr seim brueder [594] bei herr Gotfrid
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Wernhern und dem abt in der Reichenow, das es mit aller baider thail gueten willen zugienge. Beschach anno 1529. Der ist darnach vil jar pfarrer alda gewesen und erst anno 15 . . gestorben. Es gemanet mich der pfaff Mauser an diesen Naßhannsen fast, der war pfarrer in der Weitnow
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in der herrschaft Hocheneck und prediget uf ain zeit seinen pauren: »Ir pauren, ewer wesen soll nichs also, schicken euch anders in die sach, oder ich wills euch bei dem leiden Gotz nit lenger vertragen, darnach megen ir euch wol richten!« Ein solche predig wer dem obgemelten pfaff
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Naßhannsen auch nit zu vil gewesen, insonderhait so er darvor ein gesatlete morgensuppen het gehapt. Es mecht ainer der zeit nit unbillich gesagt haben, wie doctor Hanns Kaisersperg einest im tum zu Straßburg predigte, sprechendt, vor vil jaren seien guldin priester und helzin kelch in
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deutschen landen gewesen, iezmals aber hab es sich umbgekert, es seien allenthalben in der kirchen guldin oder silberin kelch und mehrtails helzin priester. Bei meinen zeiten waren in Gallia mehrtails helzin oder zinin kelch und hilzin priester darzu. Wie gat es dann iezo, da die Hugenoten schier
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allenthalben überhandt genommen? Das hat auch der lieb hailig s. Antonius bei seinen zeiten wol erfaren, als er in einem gesicht im gaist in alle ort der welt gesehen, das schwein ob dem maisten tail deren altarien gestanden, so die allerhailigisten sacramenten administrirt und gewandlt.
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Es haben vor jaren die Barfüeßer zu Überlingen die gerechtigkait uf etlichen heusern zu Mösskirch gehapt, das sie ire herbrigen alda und das man sie daselbs, so sie ter-

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[562] minirt oder sonst iren gescheften nachgangen, übernacht enthalten müesen. Nun hat sich in diesem 1529 jar begeben, das derselbigen fratres zwen von Überlingen, ex ordine minorum, der regel sine observantia, uf dem landt
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darafter gestraift, auch air, kes, flaisch, schmalz und anders erbetlet, und demnach sie villeucht ir regel im closter streng halten müeßen und aber als jung leut ganz unrüebig und unrain, haben sie uf dem landt zwo jung nehernen ufgelesen; dieselbigen luder haben sie geen Mösskirch in deren
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obbesagten heuser eins, darin domals ain kessler, genannt maister Leonhart . . ., gewonnet, zu ainer zeit, als sie gewist, das der guet alt man nit verhanden gewesen, beschaiden, und als sie über etlich stundt hernach kommen, haben sie gezecht und alles, was der brief inhelt, gehandtirt, auch
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mit den nehernen von und wider zu der zech gegangen. Und wiewol die fraw im haus ab solchem der münch bubenleben wenig gefallens, iedoch muest sie das selbigs mals ungeenderet bleiben lassen. Aber uf den abent spaat kam der alt maister Leonhart unversehenlich ins haus, und als
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er diese kirchweihe und prass ersicht, konte er die unweis lenger nit erleiden, sonder ohne ainiche präfation oder sonder ceremoni so nimpt er den ainen münch sampt der ainen huren und würft die die treppen hinab. Also waren sie daniden und begerten nit mehr hinauf. Der ander frater
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mit seim gespann, als er sicht, was für ain process vorhanden, traffen sie selbs die hausthür, die dorft inen niemands zaigen. Also packten sich huren und buben mit ainandern darvon; die sein darnach nimmermehr geen Mösskirch kommen. Es ist auch hernach biß uf dise zeit
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dasselbig maister Leonharts, oder auch die ander heuser, darin die gerechtigkait, wie oblaut, gewesen, von deren münch oder hengst keinem mehr besucht worden, und sein iren gleichwol abkommen. Aber von solcher loser buben wegen sollt darum ain ganzer orden oder vil frommer, andechtiger
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leut geschmecht oder veracht werden? Es hat die herrschaft noch heutigs tags in denselbigen heusern die gerechtigkait, das die inwonner oder besitzer deren ainer herrschaft durchs jar ain außgerüste und beraite bettstatt erhalten müesen und handtwerker oder werkleut [595] müeßen legen, nach
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verordnung ainer herrschaft. Ob das also von alter herkomen, oder die herrschaft den fratribus minorum hiemit succediert, mag ich nit wissen.



  1. Knöringen] der letzte abt, unter dem das kloster im jahre 1540 dem bisthum Constanz einverleibt wurde; s. Schönhuth, Chronik des ehemaligen Klosters Reichenau s. 280 ff., Mone, Quellensammlung I, 198 ff.; Oheim, Chronik von Reichenau s. 194.
  2. Habspurg] d. i. Habsberg bei Emerfelden in Sigmaringen.
  3. des] hs. sich des.