Zum Bild und Gedicht von der Wartburg
[353]
Das erste Wartburgfest bricht an!
Wie dröhnt vom scharfen Rosseshufe
Der Felsweg! Auf das Thor gethan!
Da sprengt herein des Bergs Bezwinger,
Grüß Gott, Herr Ludewig, der Springer!
Und Euren Eingang segne Gott!
Und wieder klirrt’s herauf von Eisen.
Zum Junkerschrecken wird der Stuhl
Er kommt vom Schmiede in der Ruhl!
Und hinter ihm, in Kriegeswettern,
Die Lanze hoch, das Schwert gezückt,
Des Barbarossa tapfre Vettern,
Horcht auf! Vom Thal welch’ Harfenklingen!
Es zieht herein der Sänger Kreis,
um für die Minne zu erringen
Im Wartburgkrieg der Palme Preis.
Geht still herauf Elisabeth,
Im Arm der Armuth Korb voll Rosen,
Die fromme Seele voll Gebet.
Gleich frommer Ehre hat die Rechte
Wie glänzt die Wartburg als die echte
Herberge der Gerechtigkeit!
Von Thüringen bebt bis zum Rheine
Die Raublust, als sein Kriegeszug
Um seines Krämers Esel trug.
Trübt sich der Tag? Der untreu fröhnig
Wird das Geschlecht. Wer zieht heraus?
Sieh’, Raspe ist’s, der Pfaffenkönig!
Wozu das Thor noch? Schmach und Trauer!
Die Blide wird der Treue Lohn –
Und dort, ach, flieht, steilab die Mauer,
Die Mutter vom gebissnen Sohn.
Zum Thore der Gebissne ein. –
Weit hin von Siegesehren breitet
Sich seines Lorbeers Zauberschein.
Und höher noch im Sohne blühen
Recht wie der Berg im Abendglühen
Ausleuchtet, eh’ er sinkt in Nacht.
[366] Zum Bild und Gedicht von der Wartburg. (Seite 353.) Unsere Illustration stellt den inneren Thorgang der Burg mit seiner Umgebung dar, zur Rechten ein Stück der „Letzen“, des überdachten Vertheidigungsganges auf hoher Mauer, der den Burgfried mit dem Thor- und Ritterhaus verbindet, und zur Linken dieses selbst, im Volk berühmter als „Lutherhaus“. Die „Gartenlaube“ hat zwar auch das Geschichtliche der Burg in verschiedenen Artikeln behandelt; um aber dem Leser das Nachschlagen zu ersparen, fügen wir alles zum Verständniß des Gedichtes Nöthigste gedrängt hier an: Das Thüringische Königshaus ging 528 mit Hermanfried zu Grunde: Burg-Scheidungen an der Unstrut sah den letzten Kampf. Kaiser Konrad schuf die neue „Grafschaft“ Thüringen mit dem Löwenwappen um 1048; die Gründung der Wartburg geschah 1067. Den Beinamen „der Springer“ erhielt Ludwig allerdings erst in Folge seiner angeblichen Flucht vom Giebichenstein. Die Sage vom Landgrafen Ludwig, der aus einem Schwachen ein Eiserner ward, nachdem der Ruhlaer Schmied ihm sein „Landgraf, werde hart!“ zugerufen, ist allbekannt. Dieser und sein Sohn Ludwig der Milde waren ihrem Vetter, dem Kaiser Friedrich Barbarossa, auf dessen Kriegs- und Kreuzzügen gegen die heidnischen Polen und in’s Gelobte Land gefolgt; Letzterer starb auf Cypern 1190. Der poetische Wartburgkrieg zwischen den berühmtesten Minnesängern jener Zeit fand unter dem Landgrafen Hermann dem Ersten und seiner Gemahlin Sophie 1206 und 1207 statt. – Die Kaiserkriege zwischen Hohenstaufen und Welfen hatten auch Thüringen verwüstet, ehe Ludwig der Dritte die ungarische Königstochter Elisabeth auf die Wartburg brachte, die wegen ihrer Frömmigkeit und Wohlthätigkeit nachmals heilig gesprochen worden ist. Die Legende erzählt: „Als Elisabeth einstmals nach Eisenach ging und unter ihrem faltigen Gewand einen Korb mit Brod trug, um es den Armen zu spenden, trat ihr der Landgraf mit der barschen Frage entgegen: Was birgst Du unter dem Mantel? Erschrocken antwortete Elisabeth: Ich trage Blumen zur Stadt. Und siehe, als sie auf Ludwig’s Begehren den Mantel zurückschlägt, duften ihm frische Rosen entgegen.“ – Ludwig folgte dem Kaiser Friedrich dem Zweiten 1227 zum Kreuzzug und starb in Otranto. Sein Bruder Heinrich Raspe, zum Vormund bestellt, stieß Elisabeth mit ihren Kindern in’s Elend, riß ihr Erbe an sich, ließ sich von der Clerisei zum Gegenkönig gegen den gebannten Kaiser krönen und fiel 1247 in der Schlacht gegen ihn, trotzdem der Papst Jedem einen zweijährigen Ablaß verhieß, der für denselben beten würde. Das ist heute über sechshundertsechsundzwanzig Jahre her, und seitdem sind Millionen noch keinen Schritt weiter von dem alten Wahn gekommen. –
„Die Blide ward der Treue Lohn.“ Mit Raspe war der Mannsstamm der Thüringer Landgrafen ausgestorben. In dem Erbfolgekriege hielt das Volk, voran die Stadt Eisenach, zu den Nachkommen der heiligen Elisabeth gegen Heinrich den Erlauchten von Meißen, der die Wartburg behauptete. Da ward der Rathsherr Heinrich von Velsbach im Kampfe gefangen und mittelst einer Wurfmaschine (Blide) von der Burg geschleudert. Noch in der Luft fliegend soll er ausgerufen haben: „Das Land ist doch dem Kinde von Brabant!“ An der Stelle, wo er niederfiel und den Geist aufgab, steht am steilen Rasengehänge ein schiefer Stein. – „Der Gebissene, Friedrich, Sohn Albrecht’s des Entarteten und Margarethens, der Tochter Kaiser Friedrich’s des Zweiten, die, um der Mörderhand ihres Gemahls zu entgehen, mittelst einer Strickleiter aus der Wartburg entfloh, nachdem sie im Mutterschmerz beim Scheiden von ihren drei Söhnchen Friedrich in die Wange gebissen. Danach sein Beiname in der Geschichte und der ihn verherrlichenden Sage und Poesie. Unter seinem Sohne Friedrich dem Ernsthaften gedieh Thüringen zu seiner höchsten Macht. Der letzte Landgraf, der auf der Wartburg wohnte und 1406 starb, war Balthasar. Sein Nachfolger, Friedrich der Einfältige, starb 1440 in Weißensee. Es folgten die Wettiner, die längst andere Fürstensitze besaßen. Martin Luther verweilte aus der Wartburg vom 4. Mai 1521 bis zum 3. Mai 1522. Die 1815 von den zum großen Theil aus den Befreiungskriegen heimgekehrten Studenten in Jena gegründete deutsche Burschenschaft erhielt auf der Wartburg 1817 ihre Weihe; der kleine Rest der Greise feierte mit einigen Hundert Bundesgenossen alle späteren Jahrgänge des Wartburgfest-Jubiläums am 18. October 1867. Schon drei Jahre später ging der große Traum ihrer Jugend und der Wunsch ihren Lebens in Erfüllung. Niemand hat das ungeheure Erlebniß so verdient, wie sie, und so gewürdigt.