Zur Bestimmung der Lichtstärke bei Erzeugung photographischer Bilder

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Annalen der Physik und Chemie
Band LXIII, Heft 10, Seite 348–350
Alexander Lipowitz
Zur Bestimmung der Lichtstärke bei Erzeugung photographischer Bilder
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VIII. Zur Bestimmung der Lichtstärke bei Erzeugung photographischer Bilder; von A. Lipowitz.

In Dingler’s polytechnischem Journal, Bd. XCIII Heft 1,[WS 1] findet sich ein Abdruck aus dem Gewerbeblatt für’s Königreich Hannover, woselbst Dr. Heeren ein Verfahren angiebt, durch Chlorsilberpapier die jedesmalige Lichtintensität des Lichts zu erfahren, oder eigentlich die Zeit, welche der Daguerreotypist bedarf, um die Platte in der geöffneten Camera obscura zu lassen. Das Verfahren von Dr. Heeren ist bekanntlich weder neu noch probat, denn dasselbe ist erfolglos von Mehreren und auch von mir versucht worden; insbesondere ist dasselbe beim Portraitiren durchaus unpractisch. Mir ist es nie gelungen, in dem schwachen Lichte und der kurzen Zeit, welche ich zur Erzeugung photographischer Portraits bedarf, eine bemerkbare und bestimmte graue Farbe des Chlor-, Jod- oder Bromsilberpapiers hervorzubringen; es dürfte auch jedem wirklich geübten Daguerreotypisten schwer werden.

Nothwendige Bedingungen zur Erzeugung von Lichtbilder-Portraits nach der vervollkommneten Methode Daguerre’s[1] sind die, daß die abzubildende Person keinem starken Lichte ausgesetzt wird und dennoch nur kurze Zeit sitzen darf. – Je größer mithin die Fertigkeit des Künstlers in Behandlung der Platten und die Kenntniß der dazu verwendeten Substanzen, um so sicherer wird er beiden Bedingungen entsprechen, und satte Bilder mit ausgezeichneten plastischen Details erhalten.

Hr. Dr. Heeren tadelt nun das von mir angegebene Verfahren, wonach ich die jedesmalige Pupillengröße [349] zur Messung der Lichtintensität anwende[2], und er sagt:

„allein schon bei jenen Helligkeitsgraden, welche dem Photographen am bequemsten sind, ist der Durchmesser der Pupille eines gesunden Auges so klein, daß eine auch nur annähernd genaue Messung, wenigstens auf die angegebene Art mittelst des Spiegels, wie sich ein Jeder durch einen Versuch überzeugen wird, fast zu den Unmöglichkeiten gehört.“

Dem muß ich widersprechen. Bei einem Bilde, welches den Ausdruck des Gesichts unverändert, nicht verzerrt wieder geben soll, muß nothwendigerweise das Auge in seinen Details vorhanden seyn; wie sollte dieses erscheinen, wenn die Person in einem Lichte sitzt, welches so stark, daß man nicht einmal die Pupillengröße eines gesunden Auges im Spiegel beobachten kann? Wohl nur ein Anfänger oder ein Dilettant der Daguerreotypie braucht ein so scharfes Licht, der fertige Arbeiter sucht sich’s zu mäßigen, und bringt dadurch Ruhe und den richtigen Ausdruck in’s Bild. Leider finden wir aber diese Eigenschaften so selten in den Bildern, weil die Arbeiter aus Unerfahrenheit und geringer Uebung schlechte Bilder liefern, und sie durch die nachherige Fixage oder durch Staffage dem Auge angenehm machen.

Ich arbeite nur im vollen Schatten, des Sommers zur Mittagszeit nie; meine Pupillengröße darf nie kleiner als 1 Millim. und selten 2,5 Millim. groß seyn. Die Zeit, welche ich sitzen lasse, wechselt zwischen 10 bis 40 Secunden, und niemals höre ich Klage über schwieriges Sehen, so wie meine Bilder den Ausdruck der Wahrheit im offnen, nicht gekniffenen Auge tragen. In jedem Bilde, selbst bei denen, wo der Kopf kaum die Größe eines Silbergroschens hat, kann man die Pupille mit bloßem Auge wahrnehmen, und der Lichtpunkt fehlt in keinem Bilde; bei Bildern, wo die Köpfe kaum Erbsengröße [350] haben, sieht man mit bewaffnetem Auge deutlich die Pupille angedeutet.

Somit glaube ich Hrn. Dr. Heeren’s Ansicht widerlegt zu haben, denn meine Bilder zeigen im verjüngten Maaßstabe, was Hr. Dr. Heeren im natürlichen nicht sehen konnte, ein Zeichen, daß ihm die nöthige Uebung zur Erlangung guter photographischer Portraits fehlt, denn von diesen kann nur die Rede seyn.

Nicht jeder Maler ist ein Künstler, und nicht Jeder, der Farben präparirt, kann malen; eben dasselbe gilt vom Daguerreotypisten. Um in der Photographie Gutes zu leisten, muß man Meister im Präpariren der Platte seyn, sich sein Licht zu wählen wissen und genau seinen Apparat kennen; durch lange fortgesetzte Uebung kommt man denn endlich zu Sicherem. Dem geübten Daguerreotypisten wird dann die Beobachtung der Pupillengröße ein sicheres Maaß der Zeit zum Sitzen angeben, so wie ein Urtheil über das Gelingen der Bilder.

  1. Womit jedoch nur die Verbesserungen und Erfindungen gemeint sind, welche von Andern gemacht wurden.
  2. Poggendorff’s Annalen, Bd. LXI S. 140.[WS 2]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Heeren: Ueber Photographie. In: Polytechnisches Journal. Bd. 93 (Jg. 1844). Herausgegeben von Johann Gottfried Dingler und Emil Maximilian Dingler. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart, S. 47–49 Dingler Online
  2. A. Lipowitz: Die Lichtstärke für photographische Zwecke schnell und möglichst richtig bestimmen zu können. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 137, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1844, S. 140–144 Quellen