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Zwanglose Blätter/Landwirthschaftliches

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Titel: Landwirthschaftliches
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 284 a–b
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Beilage: Zwanglose Blätter, Nr. 3 (zu Heft 17)
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[284 a]

Zwanglose Blätter. Beilage zur Gartenlaube Nr. 17, 1883.



Landwirthschaftliches.

Nur ein Versuch!

Für eine leichte Arbeit, die nebenbei verrichtet werden kann und kaum länger als einen Monat dauert, und mit einem geringfügigen Aufwande an Geld sich eine jährliche Einnahme von 60 bis 100 Mark zu sichern, das dürfte Vielen, die über ein kleines Stück Land verfügen, recht erwünscht sein. Sehr Vielen, denn das Stückchen Land braucht nur einige Quadratruthen zu umfassen, und es giebt wohl Tausende, welche so viel Land besitzen, ohne zu wissen, was sie darauf bauen sollen. Obst- und Gemüsezucht lohnen sich nicht auf demselben und werden nur in geringem Maßstabe für eigenen Hausbedarf getrieben. Eine Wanderung durch unsere Dörfer und kleinere Städte kann uns zu jeder Zeit von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen. Sehen wir uns nur die kleinen Gärten der Dorfschullehrer an, werfen wir nur einen Blick auf die längs der Eisenbahnlinien zerstreuten Häuschen der Bahnwärter, wie viel Land finden wir dort, das vom wirthschaftlichen Standpunkte aus als todter Grund und Boden betrachtet werden muß!

Ist es nicht wünschenswerth, nach dieser Richtung hin eine Wandlung zum Besseren herbeizuführen, neue Quellen des Wohlstandes der breiten Schicht des Volkes zu erschließen? Jeder wird solches Unternehmen billigen und gern unterstützen wollen. Und in der That, die Lösung dieser Aufgabe ist nicht schwer! Versuchen wir dies nur an einem Beispiele zu beweisen.

Was sollen die kleinen Leute anfangen, welche der Zufall zu zeitweiligen Herren über ein kleines Stück Land erhoben hat? Wir antworten:

„Mögen sie Seide bauen!“

„Nun, das ist nichts Neues!“ wird man uns erwidern. „Die Zucht der Seidenraupen ist seit lange in Deutschland eingeführt, und wenn sie bis jetzt keine allgemeine Ausbreitung fand, so hat dies seinen guten Grund, den wir nicht abändern können. Die Seidenraupe ist gar wählerisch in ihrer Nahrung. Sie frißt nur frisches Grün von dem weißen Maulbeerbaum, und dieser Baum ist selten in Deutschland. Will man also Seide bauen, so muß man zunächst Maulbeerbäume pflanzen oder säen, und ehe diese heranwachsen, um das nöthige Grünfutter zu liefern, vergehen wohl zehn oder zwölf Jahre. Das ist ein Wechsel auf gar lange Sicht, mit dem ein ‚kleiner Mann‘ sich nicht befassen darf. Er lebt ja aus der Hand in den Mund, und seine Arbeit muß sich rasch bezahlen.“

„Du hast Recht, du ‚kleiner Mann‘,“ können wir antworten. „Um dich kümmert sich der Staat weniger, als um deinen ‚armen‘ Bruder. Du bist auf die Arbeit deiner Hände und auf die Selbsthülfe angewiesen, und kannst unmöglich zwanzig Mark ausgeben, die erst in zehn Jahren Zinsen tragen sollen. Aber in einem Punkte irrst du. Es ist nicht wahr, daß man nach dem Aussäen des Samens des Maulbeerbaumes zehn Jahre warten muß, um mit seinem Laube die Seidenraupen zu füttern. Pflanze oder säe nur in diesem Frühjahr Maulbeerbäume, und ich verspreche es dir sicher, daß du schon im nächsten Sommer mit der Seidenzucht wirst beginnen können.“

Viele von unseren Lesern dürften wohl ungläubig den Kopf schütteln ob dieses gewagten Versprechens, und doch ist die Sache sehr, sehr einfach, nur leider, wie so viel Gutes, gar wenig bekannt. Auch ich dachte lange Zeit ebenso. In meinen jungen Jahren trieb ich zum Vergnügen Seidenbau. Einige Maulbeerbäume unseres Gartens lieferten die nöthigen Blätter. Die Sache ging gut vor sich, aber an eine Erweiterung des Betriebes, an eine Ausdehnung desselben in der Umgegend war nicht zu denken. Ich hatte keine Lust, auf erpachtetem Grund und Boden Bäume zu pflanzen, die vielleicht nach Jahren ein Fremder unbenutzt stehen lassen würde. Es war wohl egoistisch. Aber ein wenig Egoismus spricht allemal mit, wenn es sich um geschäftliche Unternehmen handelt.

Da fiel mir vor Kurzem ein Büchlein in die Hand, betitelt: „Der Seidenbau, eine Quelle des Volkswohlstandes und Nationalreichthums“ von W. Brinckmeier (Leipzig, Gustav Hoefler 1882. Preis 1 Mark 50 Pfennig); ich blätterte in demselben, und siehe da, eine neue Anschauung ging mir auf. Zu spät freilich für mich selbst: denn ich arbeite nun mit der Feder, aber wahrlich nicht zu spät für tausend Andere. Aus dem Saulus in Seidenbauersachen bin ich zum gläubigen Paulus bekehrt worden, und darum möchte ich auch Alle, die der Meinung sind, aus guten Gründen sich mit dem Seidenbaue nicht befassen zu dürfen, recht herzlich bitten, den Gegenstand noch einmal prüfen zu wollen. Sie werden es wahrlich nicht bereuen.

Doch zur Sache! Es handelt sich zunächst um einen Versuch, zu dem wir nur eine Quadratruthe Land und zwanzig Gramm Samen brauchen. Wahrlich eine geringfügige Capitalanlage. Man säe (wir folgen hier den Angaben des obengenannten Seidenzüchters) den Samen reihenweise, lasse die aufgegangenen Pflanzen bis zum Herbste (wo dieselben eine Höhe von 1 bis 11/2 Fuß erlangt haben werden) ungehindert fortwachsen, stutze dann aber, sobald sie die Blätter abgeworfen haben, ihre Spitzen mit einer Heckenscheere so weit ab, daß alle so ziemlich eine gleiche Höhe bekommen, und bedecke die Pflanzen vor Eintritt des Frostes mit Stroh, Tannenreisig oder sonst einem Material.

Im nächsten Frühjahr treiben diese Pflanzen, nach Abnahme der Winterdecke, das dickste Laub, mit welchem dann Ende Mai die Fütterung der Raupen begonnen wird.

Für die Benutzung verfährt man nun folgendermaßen: Man schneidet die Pflanzen reihenweise, und zwar immer so viel, als man Blätter bedarf, mit der Heckenscheere eine Hand hoch über der Erde und zwar so ab, daß an jedem Stämmchen noch 2 bis 3 Augen übrig bleiben; und im Wesentlichen ebenso verfährt man auch im folgenden Jahre mit den indessen neu gewachsenen Trieben, wo die Pflanzen jedoch, da sie schon fest genug bewurzelt sein werden, allenfalls mit einer scharfen Sense abgemäht werden können, ohne daß ein Herausgerissenwerden derselben zu befürchten stände. Indeß ist auch dann noch das Abschneiden mit der Heckenscheere vorzuziehen.

Es wird auf diese Weise schon im ersten Jahre eine große Menge Futtermaterial, genügend für einen Versuch, gewonnen, der wahrscheinlich einen hinreichenden Ertrag liefert, um ein größeres Stück Land pachten und den Versuch ausdehnen zu können. Es sind Fälle bekannt, wo auf diese Weise vier, ja fünf Jahre lang Seidenraupen gezogen und ohne Krankheit zum Einspinnen gebracht wurden, welche jedes Jahr eine Seide von der vorzüglichsten Qualität lieferten.

Aber bei dieser Benutzung kann man nicht nur schon im ersten Jahre mit der Seidenzucht beginnen, sondern bekommt auch so viele Pflanzen, daß man davon schon im ersten Frühjahr ohne Schaden gewiß den zehnten Theil aufheben kann, um damit die nöthigen Hecken-, Busch- und Baum-Anzuchten in so großer Ausdehnung, als man will, vorzunehmen. Und die Anzucht von Bäumen und Hecken ist, wo der Seidenbau auch für die Folge gesichert sein soll, durchaus nothwendig.

Das ist ein leichtes und schon vielfach erprobtes Verfahren, welches rasch den Seidenbau fördern kann, selbst in Gegenden, wo kein Maulbeerbaumblatt vor einem Jahre zu finden war. Die Ausgaben sind so gering, der Nutzen ist voraussichtlich so groß, daß wir sicher hoffen, es werden Viele diesen ersten Schritt wagen.

Mit dieser Anregung ist auch unsere Pflicht erfüllt. Wer diesen Versuch machen will, der kaufe sich das genannte Büchlein, er wird darin genaue Anleitung finden, die Bezugsquellen für Samen und Pflanzen des Maulbeerbaumes und für Eier des Seidenschmetterlings erfahren und auch Mittel und Wege kennen lernen, wie er die gewonnene Seide in günstiger und leichter Weise absetzen kann. v. J.     




Ein selbstthätiges Brutnest.

Seit Jahren beschäftigt die Frage der künstlichen Brütvorrichtungen alle betheiligten Kreise, und dem erfinderischen Scharfsinn der Menschen ist es auch gelungen, auf diesem Gebiete recht bedeutende Fortschritte zu erzielen. Das Ideal einer Brutmaschine ist zwar bis jetzt nicht erreicht worden, und es bleibt noch der Zukunft vorbehalten, nach dieser Richtung hin wesentliche Verbesserungen herbeizuführen. Wenn wir trotzdem auf einen derartigen Apparat heute die Aufmerksamkeit unserer Leser lenken, so geschieht dies vor Allem darum, weil derselbe keine große Capitalanlage erfordert, überall aufgestellt werden kann und schließlich mit dem geringsten Aufwand von Mühe gehandhabt wird. Wir meinen damit Ad. Storbeck’s verbessertes selbstthätiges Brutnest, welches in letzter Zeit vielfach angepriesen wurde.

Geben wir zunächst ein kurze Beschreibung dieses einfachen Apparates. In einem metallenen Ständer hängt das aus haltbarem Korbgeflecht gefertigte, mit feinem Stroh oder Heu gefüllte, wohl Jedem bekannte Hühnernest, welches zur Aufnahme der Bruteier bestimmt ist. Zu diesem Neste, das getreu der Natur nachgebildet ist, hat die Außenluft von allen Seiten freien Zutritt. Außerdem befindet sich in demselben eine mit Wasser gefüllte Glasröhre. Durch die Brutwärme wird das Wasser allmählich in Dunst verwandelt, sodaß den Eiern außer der Luft auch die nöthige Feuchtigkeit zugeführt wird. Das Nest selbst wird durch einen runden Holzdeckel verschlossen, welcher einen metallenen, mit der Wärmemasse gefüllten Apparat enthält. Er vertritt die brütende Henne, denn sein Inhalt giebt den im Neste liegenden Eiern die nöthige Wärme.

Soll nun die Brütung beginnen, so werden zunächst je nach der Größe fünfundzwanzig bis dreißig Eier in das Nest gelegt. Dann nimmt man den verschlossen bleibenden metallenen Apparat heraus und stellt ihn etwa fünfzehn Minuten lang in mäßig kochendes Wasser. Inzwischen füllt man die erwähnte Röhre mit Wasser, fügt dann den metallenen Apparat wieder ein und verschließt das Ganze.

Die Abwartung des Nestes ist sehr einfach. Nach Ablauf von je achtzehn bis vierundzwanzig Stunden legt man einen zweiten in Reserve stehenden Apparat wiederum circa fünfzehn Minuten in mäßig kochendes Wasser und fügt ihn sodann an Stelle des bis dahin benutzten in den Deckel des Brutnestes ein. Gleichzeitig ist frisches Wasser in die Röhre nachzugießen, und nach je vierundzwanzig Stunden muß man die Eier wenden.

Sind nun lebenskräftige Kückel aus den Eiern hervorgegangen, so bringt man sie in einen zweiten Apparat, den der Erfinder die künstliche Glucke nennt. Dieselbe besteht aus einem runden, hölzernen, mit einer [284 b] Seitenthür versehenen Kasten, der oben mit einem ähnlichen Deckel, wie der des Brutnestes, zugedeckt wird.

Die Wände sind mit Flanell ausgekleidet und inwendig hängt in dem Kasten an einem entsprechend starken Faden ein Federbüschel, welcher die Glucke in seiner seitlichen Ausdehnung fast ganz ausfüllt. Eine Beschwerung desselben bewirkt einen gewissen Widerstand, den bekanntlich die Kleinen vom Anfang ihres Daseins an beim Unterkriechen lieben und suchen, während der Faden, an welchem der Federbüschel hängt, nach oben oder seitlich nachgiebt. Diese Vorrichtung kann je nach der Größe der Kückel höher oder niedriger gehängt werden.

Mit Hülfe dieser Apparate ist es, wie uns von mehreren Seiten versichert wird, thatsächlich gelungen, Eier auszubrüten und lebenskräftige Kückel groß zu ziehen. Freilich muß auch die Behandlung dieser einfachen Maschine gelernt sein, denn je nach der Wärmebeschaffenheit der äußeren Luft ist auch die Wärme im Brutneste zu reguliren.

Unsere Leser werden aber neugierig fragen, welches geheimnißvolle Mittel in dem metallenen Apparate des Deckels die brütende Wärme der Glucken ersetzt. Der Erfinder unterließ in seinen Prospecten die Nennung dieser chemischen Substanz, aber wer einigermaßen mit der Physik vertraut ist, kann das Räthsel außerordentlich leicht errathen.

Schon im vorigen Jahre theilten wir mit (vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1882, S. 72), daß man mit Hülfe des essigsauren Natrons neue Wärmflaschen herzustellen wußte, die alle anderen bisher bekannten in ihrer Leistungsfähigkeit weit übertrafen. Wir riefen damals unseren Lesern folgendes Capitel aus der Naturlehre in’s Gedächtniß zurück, das wir hier in aller Kürze wiederholen, um auch denjenigen, die unsern damaligen Artikel nicht gelesen haben, das Verständniß der Storbeck’schen Wärmvorrichtung zu erleichtern.

„Bekanntlich verbrauchen feste Körper, wenn sie in flüssige Form verwandelt werden, eine gewisse Wärmemenge, welche sie ihrer Umgebung entziehen. So kühlt z. B. Eis, während es schmilzt, die dasselbe umgebende Luft ab. Aber das aus dem Eise entstandene Wasser besitzt zunächst nur die Gefriertemperatur, das heißt 0° Wärme. Der schmelzende Körper hat also in diesem Falle eine gewisse Wärmemenge in sich aufgenommen, ohne selbst, im gewöhnlichen Sinne des Wortes, wärmer geworden zu sein, und nur mit Hülfe derselben seinen Aggregatzustand verändert: er ist aus einem festen ein tropfbar-flüssiger geworden. Die Wärme aber, die er verschlungen hat, ist nicht verloren gegangen, sondern bleibt in dem Körper gebunden, und sobald derselbe aus dem flüssigen in den festen Zustand übergeht, strahlt er diese Wärme wieder aus.

Dieses Naturgesetz bildet nun die Grundlage der neuen Erfindung, nach welcher die Wärmefähigkeit unserer Wärmflaschen bei ihrer Anwendung im Haushalte, in den Eisenbahncoupés etc. bedeutend erhöht wird. Bis jetzt wurden diese Wärmapparate mit erhitztem Wasser oder Sande gefüllt. Im vorigen Jahre aber schlug der französische Ingenieur Ancelin vor, zur Füllung derselben essigsaures Natron zu verwenden, ein Salz, welches schon bei 59° C. schmilzt. Der Vortheil dieser Neuerung liegt nach dem Obengesagten klar auf der Hand.

Füllt man eine Wärmflasche mit diesem Salze an und erhitzt dieselbe in der Weise, wie man es mit der Wasserwärmflasche thut, so wird das essigsaure Natron mehr Wärme ausstrahlen, als dies unter gleichen Umständen dieselbe Menge Wasser vermöchte; denn während das Salz beim Erkalten allmählich fest wird, giebt es auch die in ihm gebundene Wärme an seine kältere Umgebung ab.“

Die künstliche Glucke unseres Apparates ist jedenfalls nur eine derartige Wärmflasche, und damit wäre auch das Räthsel, welches Viele zu Anfragen an uns veranlaßte, gelöst. Es steckt weder Schwindel noch Hexerei dahinter.

Zum Schluß nur noch einige Worte über die Bezugsbedingungen des neuen selbstthätigen Brutnestes! Herr Ad. Storbeck, Berlin SO. Reichenbergerstraße 112, verkauft Brutnester je nach der Eleganz der Ausstattung zu dem Preise von 32 bis 36 Mark und künstliche Glucken für 21 und 26 M. Jedem Brutneste ist ein Reserve-Apparat beigelegt.




Ein Stiefkind des deutschen Reiches.

Wie viel auch seit Anfang dieses Jahrhunderts für das Aufblühen der einzelnen Zweige der Landwirthschaft in Deutschland geschehen ist, ein Zweig derselben, und sicher nicht der unwichtigste, hat, trotz sehr großer fördernder Entdeckungen und Erfindungen auf dem speciellen Gebiete, nicht die allgemeine Ausbreitung gefunden, die er von rechtswegen verdient hat und die ihm ohne Zweifel auch zu wünschen ist, ja er ist in dieser Beziehung eher zurück als vorwärts gekommen. Es ist dies die Bienenzucht.

Legen wir auch weniger Gewicht darauf, daß die Bienenzucht die Poesie der Landwirthschaft genannt wird; sehen wir sogar davon ab, welch einen hohen sittlichen Einfluß das fleißige, reinliche, gesellige Insect als Vorbild für seine Verehrer hat: so müssen wir doch einen sehr hohen Werth darauf legen, daß die Biene mit den übrigen Honigsammlerinnen bei dem Sammeln des Nectars die Befruchtung der Pflanzen durch die Uebertragung des Blüthenstaubes von einer Blüthe auf die andere bewirkt. Manche Pflanzen tragen sogar nur allein dann erst Samen oder setzen Früchte an, wenn die Bienen die Blüthen in angegebener Weise befruchtet haben, alle aber werden durch die Arbeiten der Honigsammlerinnen samen- oder fruchtreicher. Hierbei fällt nun noch ganz besonders in’s Gewicht, daß gerade durch diese Insecten, besonders aber die Bienen, der so nachtheiligen, ja schädlichen Inzucht, welche bei den Pflanzen so gut wie bei den Thieren zur Degeneration führt, erfolgreich vorgebeugt wird, wie das Darwin und andere Forscher so schlagend nachgewiesen haben.

Sollte dieser so bedeutungsvolle Nutzen der Bienen nicht allein schon dafür sprechen, die Bienenzucht möglichst zu verbreiten und, um dies zu können, diesem so nützlichen Insecte denselben Schutzbrlef auszustellen, den eine gesunde und vernünftige Anschauung sogar den Vögeln in der Jetztzeit bereitwilligst ausstellt, deren Nutzen für uns oft zweifelhaft erscheinen kann? O sicher, die Biene verdient diesen Schutz, denn sie nützt nicht allein indirect, wie eben nachgewiesen, sondern auch direct. Ihr Fleiß ist sprüchwörtlich, und durch ihn erschließt sie ihrem Züchter eine reichlich lohnende Erwerbsquelle, indem sie rastlos Honig sammelt und Wachs bereitet, Tausende von Bienenzüchtern verdanken ihr dadurch behäbigen Wohlstand oder eine beträchtliche Zubuße zu ihrem sonstigen Einkommen. Viele Millionen Pfund Honig und Wachs kommen durch die Bienen im deutschen Reiche in den Handel, und doch sind alle diese Schätze nur ein Bruchtheil von dem, was durch sie gesammelt werden könnte, aber größtentheils ungenützt, zum Nachtheil unseres Nationalwohlstandes, in den Blüthen verkommen muß, weil die Bienenzucht heutzutage noch nicht auf dem Standpunkte der Ausbreitung steht, auf dem sie stehen könnte und müßte. Wäre dies der Fall, dann könnten wir nicht nur den nöthigen Bedarf an Honig und Wachs selbst decken, sondern wir wären auch im Stande, an die Ausfuhr unserer Bienenproducte in größerem Umfange zu denken, und hätten nicht nöthig, Millionen Mark dem Auslande in den Schooß zu werfen.

Der Hauptgrund, weshalb sich die Bienenzucht in Deutschland nicht in erwünschter Weise ausgebreitet hat, nicht ausbreiten kann, liegt in dem absoluten Mangel jeglichen Rechtsschutzes, dessen sie aber dringender bedarf, als mancher andere Zweig der Landwirthschaft.

Seit mehr als hundert Jahren geschah für den gesetzlichen Schutz der Bienen so gut wie gar nichts. Bedenkt man nun, wie bei dem übermäßigen Streben der Gegenwart nach materiellem Gewinn oft ohne Gnade das freundnachbarliche Einvernehmen getrübt wird, weil man das Zerknicken eines Grashalms für eine Schädigung am Eigenthum auffaßt, in dem von einer durch den Wind verschlagenen Biene verursachten Fleckchen eine Beschmutzung des Wohnhauses erblickt und in dem Umherschwirren einer Biene eine Lebensgefahr wittert: so darf man sich auch nicht wundern, wenn dergleichen Vorkommnisse aus Unwissenheit oder wohl gar verwerflichen Beweggründen benutzt werden, dem nachbarlichen Imker mit dem Gespenst eines Processes zu drohen oder letzteren wohl gar in Scene zu setzen.

Kein Wunder daher, wenn in der Jetztzeit die Zahl der anhängig gemachten Bienenprocesse in erschreckender Weise sich steigert und die polizeilichen Maßregelungen der Bienenzüchter überhand nehmen. Soll hier überhaupt Wandelung geschafft werden, und sollen die Bienen nicht hinter den Vögeln an Schutz zurück stehen; wollen wir des indirecten wie directen Nutzens derselben voll und ganz zu Theil werden; wollen wir nicht Unsummen für Honig und Wachs in’s Ausland senden; soll das von den Regierungen alljährlich für die Bienenzucht ausgeworfene Capital die letztere zweckentsprechend fördern; wollen wir die großen Schätze unserer Flora mehr und mehr zum Besten des Nationalwohlstandes heben: so müssen wir endlich in Deutschland ein Bienenschutz-Gesetz[1] haben, das einerseits als ein Bollwerk gegen Dummheit, Unwissenheit und Bosheit dienen kann und andererseits eine Schutzwand zwischen Publicum und Bienenzüchtern nach jeder Seite hin bildet.

Wer daher ein warmes Herz für das Aufblühen der vaterländischen Bienenzucht hat, wird gewiß wünschen und, falls er dazu berufen ist, auch mit allen Kräften dazu beitragen, daß ein zeitgemäßes Rechtsschutz-Gesetz bald möglichst in Kraft tritt, damit die Bienenwirthschaft aufhört, ein Stiefkind des deutschen Reiches zu sein. C. J. H. Gravenhorst.     




Hebung der Obstverwerthung und des Obstbaues nach den Erfahrungen durch die nordamerikanische Concurrenz. Von Heinrich Semmler in San Francisco. Mit einem Vorwort herausgegeben von E. Wilbrandt-Pisede. (Wismar, Hinstorff’sche Hofbuchhandlung.)

Seit einigen Jahren ist Nordamerika zum Schreckensgespenst unserer Landwirthe geworden, und nur allzu oft hört man die Meinung, daß wir der amerikanischen Concurrenz unterliegen müssen. Die meisten dieser Klagen dürften in hohem Maße auf reiner Uebertreibung beruhen, und die Bestrebungen aller Derjenigen, welche durch sachgemäße Darstellung beruhigend auf die Gemüther einwirken und das Selbstbewußtsein unserer Landwirthe heben, sind auf das Freudigste zu begrüßen.

Namentlich gilt diese Ansicht für die Obstzucht, da gegenwärtig amerikanische Conserven aller Art in Deutschland großen Absatz finden und unsere Obstzüchter in der falschen Vorstellung befangen sind, daß das nordamerikanische Klima für die Obstcultur günstiger sei, als das deutsche. Dies ist aber keineswegs der Fall. Im Gegentheil arbeitet der Nordamerikaner oft unter viel schwierigeren Bedingungen, und er erzielt seine allerdings staunenswerthen Erfolge hauptsächlich durch die weit fortgeschrittene und äußerst praktische Verwendung des Obstes zu den verschiedenartigsten Conserven. Wir brauchen daher nur nach dieser Richtung hin unsere bisherigen Verwerthungsmethoden auf Grund bereits erprobter Anleitung zu reformiren, und es wird uns ohne Zweifel gelingen, die nordamerikanische Concurrenz aus dem Felde zu schlagen und den Nationalwohlstand um viele Millionen zu bereichern.

Dieses wichtige Ziel verfolgt der bekannte volkswirthschaftliche Schriftsteller Heinrich Semmler in seinem oben genannten Werke, welches gegenwärtig im Erscheinen begriffen ist und dessen erste Lieferungen uns vorliegen. Wir finden in demselben eine solche Fülle überraschender Thatsachen und praktischer Winke, daß wir es für unsere Pflicht erachten, die Aufmerksamkeit aller betheiligten Kreise auf diese neueste Erscheinung der Fachliteratur zu lenken. Jeder Obstzüchter, der sich auf unsere Veranlassung dieses Werk anschafft, wird uns entschieden für diese gewissenhafte Empfehlung zu Danke verpflichtet sein.



Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Ein derartiger Gesetzentwurf ist bei dem Reichstag bereits eingegangen und wird durch eine Petition von 16,000 Imkern unterstützt. Glück auf! D. Red.