Zwanglose Blätter/Landwirthschaftliches/Ein selbstthätiges Brutnest
Seit Jahren beschäftigt die Frage der künstlichen Brütvorrichtungen alle betheiligten Kreise, und dem erfinderischen Scharfsinn der Menschen ist es auch gelungen, auf diesem Gebiete recht bedeutende Fortschritte zu erzielen. Das Ideal einer Brutmaschine ist zwar bis jetzt nicht erreicht worden, und es bleibt noch der Zukunft vorbehalten, nach dieser Richtung hin wesentliche Verbesserungen herbeizuführen. Wenn wir trotzdem auf einen derartigen Apparat heute die Aufmerksamkeit unserer Leser lenken, so geschieht dies vor Allem darum, weil derselbe keine große Capitalanlage erfordert, überall aufgestellt werden kann und schließlich mit dem geringsten Aufwand von Mühe gehandhabt wird. Wir meinen damit Ad. Storbeck’s verbessertes selbstthätiges Brutnest, welches in letzter Zeit vielfach angepriesen wurde.
Geben wir zunächst ein kurze Beschreibung dieses einfachen Apparates. In einem metallenen Ständer hängt das aus haltbarem Korbgeflecht gefertigte, mit feinem Stroh oder Heu gefüllte, wohl Jedem bekannte Hühnernest, welches zur Aufnahme der Bruteier bestimmt ist. Zu diesem Neste, das getreu der Natur nachgebildet ist, hat die Außenluft von allen Seiten freien Zutritt. Außerdem befindet sich in demselben eine mit Wasser gefüllte Glasröhre. Durch die Brutwärme wird das Wasser allmählich in Dunst verwandelt, sodaß den Eiern außer der Luft auch die nöthige Feuchtigkeit zugeführt wird. Das Nest selbst wird durch einen runden Holzdeckel verschlossen, welcher einen metallenen, mit der Wärmemasse gefüllten Apparat enthält. Er vertritt die brütende Henne, denn sein Inhalt giebt den im Neste liegenden Eiern die nöthige Wärme.
Soll nun die Brütung beginnen, so werden zunächst je nach der Größe fünfundzwanzig bis dreißig Eier in das Nest gelegt. Dann nimmt man den verschlossen bleibenden metallenen Apparat heraus und stellt ihn etwa fünfzehn Minuten lang in mäßig kochendes Wasser. Inzwischen füllt man die erwähnte Röhre mit Wasser, fügt dann den metallenen Apparat wieder ein und verschließt das Ganze.
Die Abwartung des Nestes ist sehr einfach. Nach Ablauf von je achtzehn bis vierundzwanzig Stunden legt man einen zweiten in Reserve stehenden Apparat wiederum circa fünfzehn Minuten in mäßig kochendes Wasser und fügt ihn sodann an Stelle des bis dahin benutzten in den Deckel des Brutnestes ein. Gleichzeitig ist frisches Wasser in die Röhre nachzugießen, und nach je vierundzwanzig Stunden muß man die Eier wenden.
Sind nun lebenskräftige Kückel aus den Eiern hervorgegangen, so bringt man sie in einen zweiten Apparat, den der Erfinder die künstliche Glucke nennt. Dieselbe besteht aus einem runden, hölzernen, mit einer [384 b] Seitenthür versehenen Kasten, der oben mit einem ähnlichen Deckel, wie der des Brutnestes, zugedeckt wird.
Die Wände sind mit Flanell ausgekleidet und inwendig hängt in dem Kasten an einem entsprechend starken Faden ein Federbüschel, welcher die Glucke in seiner seitlichen Ausdehnung fast ganz ausfüllt. Eine Beschwerung desselben bewirkt einen gewissen Widerstand, den bekanntlich die Kleinen vom Anfang ihres Daseins an beim Unterkriechen lieben und suchen, während der Faden, an welchem der Federbüschel hängt, nach oben oder seitlich nachgiebt. Diese Vorrichtung kann je nach der Größe der Kückel höher oder niedriger gehängt werden.
Mit Hülfe dieser Apparate ist es, wie uns von mehreren Seiten versichert wird, thatsächlich gelungen, Eier auszubrüten und lebenskräftige Kückel groß zu ziehen. Freilich muß auch die Behandlung dieser einfachen Maschine gelernt sein, denn je nach der Wärmebeschaffenheit der äußeren Luft ist auch die Wärme im Brutneste zu reguliren.
Unsere Leser werden aber neugierig fragen, welches geheimnißvolle Mittel in dem metallenen Apparate des Deckels die brütende Wärme der Glucken ersetzt. Der Erfinder unterließ in seinen Prospecten die Nennung dieser chemischen Substanz, aber wer einigermaßen mit der Physik vertraut ist, kann das Räthsel außerordentlich leicht errathen.
Schon im vorigen Jahre theilten wir mit (vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1882, S. 72), daß man mit Hülfe des essigsauren Natrons neue Wärmflaschen herzustellen wußte, die alle anderen bisher bekannten in ihrer Leistungsfähigkeit weit übertrafen. Wir riefen damals unseren Lesern folgendes Capitel aus der Naturlehre in’s Gedächtniß zurück, das wir hier in aller Kürze wiederholen, um auch denjenigen, die unsern damaligen Artikel nicht gelesen haben, das Verständniß der Storbeck’schen Wärmvorrichtung zu erleichtern.
„Bekanntlich verbrauchen feste Körper, wenn sie in flüssige Form verwandelt werden, eine gewisse Wärmemenge, welche sie ihrer Umgebung entziehen. So kühlt z. B. Eis, während es schmilzt, die dasselbe umgebende Luft ab. Aber das aus dem Eise entstandene Wasser besitzt zunächst nur die Gefriertemperatur, das heißt 0° Wärme. Der schmelzende Körper hat also in diesem Falle eine gewisse Wärmemenge in sich aufgenommen, ohne selbst, im gewöhnlichen Sinne des Wortes, wärmer geworden zu sein, und nur mit Hülfe derselben seinen Aggregatzustand verändert: er ist aus einem festen ein tropfbar-flüssiger geworden. Die Wärme aber, die er verschlungen hat, ist nicht verloren gegangen, sondern bleibt in dem Körper gebunden, und sobald derselbe aus dem flüssigen in den festen Zustand übergeht, strahlt er diese Wärme wieder aus.
Dieses Naturgesetz bildet nun die Grundlage der neuen Erfindung, nach welcher die Wärmefähigkeit unserer Wärmflaschen bei ihrer Anwendung im Haushalte, in den Eisenbahncoupés etc. bedeutend erhöht wird. Bis jetzt wurden diese Wärmapparate mit erhitztem Wasser oder Sande gefüllt. Im vorigen Jahre aber schlug der französische Ingenieur Ancelin vor, zur Füllung derselben essigsaures Natron zu verwenden, ein Salz, welches schon bei 59° C. schmilzt. Der Vortheil dieser Neuerung liegt nach dem Obengesagten klar auf der Hand.
Füllt man eine Wärmflasche mit diesem Salze an und erhitzt dieselbe in der Weise, wie man es mit der Wasserwärmflasche thut, so wird das essigsaure Natron mehr Wärme ausstrahlen, als dies unter gleichen Umständen dieselbe Menge Wasser vermöchte; denn während das Salz beim Erkalten allmählich fest wird, giebt es auch die in ihm gebundene Wärme an seine kältere Umgebung ab.“
Die künstliche Glucke unseres Apparates ist jedenfalls nur eine derartige Wärmflasche, und damit wäre auch das Räthsel, welches Viele zu Anfragen an uns veranlaßte, gelöst. Es steckt weder Schwindel noch Hexerei dahinter.
Zum Schluß nur noch einige Worte über die Bezugsbedingungen des neuen selbstthätigen Brutnestes! Herr Ad. Storbeck, Berlin SO. Reichenbergerstraße 112, verkauft Brutnester je nach der Eleganz der Ausstattung zu dem Preise von 32 bis 36 Mark und künstliche Glucken für 21 und 26 M. Jedem Brutneste ist ein Reserve-Apparat beigelegt.