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Zwei ungedruckte Sonette Friedrich Rückert’s

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Textdaten
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Autor: Conrad Beyer
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Titel: Zwei ungedruckte Sonette Friedrich Rückert’s
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 749
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Zwei ungedruckte Sonette Friedrich Rückert’s.

Rückert’s Sonettenkranz „Amaryllis“ ist für Würdigung dieses Dichters namentlich in psychologischer und literar-historischer Beziehung von einschneidender Bedeutung. Er liefert uns höchst werthvolle, mehr aus Wahrheit, als aus Dichtung fließende Aufschlüsse zur Erkenntniß des inneren, wie des äußeren Lebens Rückert’s, „welcher lebte, was er sang, und sang, was er lebte“, und erscheint so mehr oder weniger als ein werthvolles poetisches Bild von des Dichters damaligen Erlebnissen und Empfindungen, wie sich diese in der rückblickenden Erinnerung in seiner Seele gestalteten. Zugleich zeigt er uns den Weg, welchen Rückert gehen mußte, um zur Höhe seiner Lyrik im „Liebesfrühling“ aufzusteigen.

Auf Grund authentischer Mittheilungen, actenmäßiger Forschungen und persönlicher Untersuchungen an Ort und Stelle hat der Unterzeichnete auch den Nachweis über die Entstehung dieser Novelle in Liedern zu liefern gesucht.

Die Amaryllis-Sonette besingen Rückert’s jugendliches Liebesverhältniß zur schönen und naiven Maria Elisabetha Geuß, der Tochter des Wirthes auf der idyllischen Specke bei Ebern in Franken, wo noch bis zum heutigen Tage das Zimmer unverändert erhalten wurde, in welchem sich der Dichter im Sommer 1812 längere Zeit aufgehalten hatte.

Rückert’s Verhältniß zu „Marielies“, die ihm den Namen tauschen mußte in Amaryllis formosissima (Rückert’sche Ges.-Ausg. I. 321), war ein ähnliches, wie das von Goethe zu Friederike von Sesenheim, – eine ländliche Liebesidylle, die sich durch das Bewußtwerden des Unterschiedes in Bildung, Sitte und Bedürfnissen wieder löste. Es währte nur einen Sommer (1812). Ein Jahr später „schämte“ sich der Dichter und Gelehrte dieses Verhältnisses und gab seiner Stimmung in sechs Sonetten Ausdruck, deren Manuscript sich in den Händen einer hochstehenden Persönlichkeit in Gotha befindet, die uns dieselben behufs Veröffentlichung mit zuvorkommender Freundlichkeit übergeben hat.

Das zweite, dritte, vierte und fünfte dieser Sonette ist als Nr. 44, 45, 46 und 47 in Rückert’s „ländlichem Gedichte Amaryllis“ bereits gedruckt. (Vgl. Ges.-Ausg. I. S. 305 u. 306.)

Die beiden noch ungedruckten Sonette lauten also:

 Entzauberung

     zum zweiten Sommer der Amaryllis.     1813.

Ihr Amorn und ihr Grazien, welch’ ein Schwindel
War euch gefallen auf die klaren Sinnen,
Als ihr, die ihr sonst schwebt auf goldnen Zinnen,
Mir folgtet hier zum Dach von schlechtem Schindel?

5
Wolltet ihr Seide spinnen von der Spindel,

Der bäurischen, die nur für grobe Linnen?
Die Spul’ ist voll, des Irrthums werd’ ich innen;
Wir müssen abziehn, auf und schnürt die Bündel.

Die Hütte, die durch euch zum Zauberschlosse

10
Verwandelt war, sei nackte Hütte wieder,

Und wieder Magd sei, die durch euch war Nymphe.

Wir spielten eine lächerliche Posse;
Jetzt ist sie aus. Schwingt, Grazien, eu’r Gefieder,
Und tragt sammt euch mich weg von unserm Schimpfe.






Nun Musen, eh’ mit euerem Poeten
Ihr jetzt von hinnen fahrt auf weiter Reise,
Bitt’ ich euch, daß ihr pflücket Ihr zum Preise
Noch eine Blum’ aus euren Sternenbeeten! –

5
Du warst ein Stern, der schönste der Planeten

Warst du, dich drehend im gemessnen Gleise
Um Liebe, deine Sonne, still und leise;
Ich kam dir nach gleich störendem Kometen.

Zum Glück traf dich nicht nah’ genug mein Flammen,

10
Zum Glück warst du so fest in deinen Tiefen,

Daß du nicht wanktest, und nun geh’ ich weiter.

Geh’ deines Weg’s, wir gehen nicht zusammen;
Du gehst in deinem Kreis, ich geh’ durch Schiefen,
Ich Gluth in Dunst, du Venus ruhig heiter.

Dr. C. Beyer.