Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Christoph Friedrich Perthes

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Christoph Friedrich Perthes
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 289–290
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
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Christoph Friedrich Perthes.
Geb. d. 20. April 1772 , gest. d. 18. Mai 1843.


Dieser mit Ruhm und Ehren genannte ächt deutsche Mann, eine der ausgezeichnetsten Zierden seines Standes wurde zu Rudolstadt geboren, wo sein Vater fürstlich Schwarzburgischer Steuersekretär war. Dort besuchte der Sohn, der früh des Vaters durch den Tod beraubt ward, unter die Obhut eines Oheims und dessen Schwester gestellt war, und von dem Geschwisterpaare vom siebenten Jahre an mit Liebe gepflegt wurde, das Gymnasium, machte aber in den Wissenschaften, die dasselbe lehrte, keine wesentlichen Fortschritte; dafür las er desto mehr Bücher, wie sie sich ihm gerade boten, und erbaute sich eine Welt des Phantastischen und Idealen, die noch genährt wurde durch den schon längere Zeit vergönnten Aufenthalt auf dem romantischen Schlosse Schwarzburg; dann wurde er zum Buchhändler bestimmt, und fand 1787 eine Lehrlingstelle in Leipzig. Da für ihn Lehrgeld nicht bezahlt wurde, so wurde contraktlich festgesetzt, daß er sechs Jahre lernen sollte. Die Lehrzeit war streng und mit allem Druck verbunden, der altherkömmlich war, doch ging Perthes durch eine gute Schule und bildete sich zunächst zu einem praktisch brauchbaren Gehülfen aus, nebenbei suchte er sich Kenntnisse und Ausbildung durch gute Bücher anzueignen. Sein Prinzipal schenkte ihm ein halbes Jahr seiner Lehrzeit und empfahl Perthes an den Buchhändler Hoffmann in Hamburg, der ihn nach der Ostermesse 1793 gleich mit sich nahm. Dort gefiel Perthes sich äußerst wohl, obschon der Arbeit fast eben so viele war, wie in Leipzig; er trat mehr in das große gesellige Leben ein, das voll neuer Bewegungen war durch die französische Revolution, durch die zahlreich dort sich zusammenfindenden Emigranten und andere Fremde; das warf manchen zündenden Geistesfunken in die Seele des Jünglings. Er gewann neue Weltanschauung, neue Freunde, denen er lieb wurde, wie sie ihm, und im Jahre 1797 trat Perthes aus Hoffmanns Geschäft um ein eigenes selbständiges Geschäft und zwar als bloßer Sortimentsbuchhändler zu beginnen, was noch gar nicht Brauch war im deutschen Buchhandel. Er verheiratete sich mit Caroline Claudius, der Tochter des beliebten Wandsbecker Boten, hatte manche Geldverlegenheit zu überwinden, welche in [Ξ] Folge der politischen Verhältnisse Hamburgs, namentlich im Jahre 1799 über ihn hereinbrach, bis er in Johann Heinrich Besser, welcher sein Schwager wurde, einen liebevollen Freund und einen äußerst geschäftskundigen und thätigen Theilnehmer fand. Das Geschäft hob, vergrößerte, erweiterte sich, freilich nicht stets ohne manche dringende Sorge, es konnte ein Haus am Jungfernstieg gekauft werden, und der Laden wurde der schönste und reichhaltigste vielleicht in ganz Deutschland. Nun wendete sich das Geschäft dem Verlage zu und überdauerte auch das unheilvolle Jahr 1806, während Perthes mit den bedeutendsten literarischen Persönlichkeiten regen Verkehr unterhielt und nicht minder auch lebhaften Antheil an dem nahm, was die Zeit bewegte und was sein deutsches Gemüth nicht ohne Schmerz sah, jene Hinneigung zu Napoleon dem Tyrannen, und zwar von denselben Männern, die vorher der die Ketten der Tyrannei zu brechen verheißenden Revolution ihr Hosiannah gesungen hatten. Perthes hielt die ehrenhafte deutschvaterländisch gesinnte Richtung fest, die sich nimmer blenden ließ von all der französischen Gaukelei und dem Geschmeichel um den gräulichen Despoten, der in Hamburg noch Bewunderer fand, während er Hamburg zertrat. Auch Perthes verlor alles Erworbene, rang sich aber wieder kräftig empor und galt bald wieder als der erste Buchhändler Deutschlands, die gewaltige erregte Zeit bildete ihn zu einem politischen Charakter aus; als solcher wirkte er, wie er immer konnte, für deutsche Gesinnung, und that dieß namentlich durch die Gründung des mit dem Jahre 1810 beginnenden deutschen Museums. Leider mußte dasselbe bald aufgegeben werden, und auf das buchhändlerische Geschäft legte sich der furchtbare Druck der willkürlichen und kenntnißlosen französischen Tyrannei, die nur Perthes Geist theilweise zu umgehen und zu täuschen verstand. Als Hamburg endlich im Jahre 1813 aufzuathmen begann und Hoffnungen sich am Brande Moskaus belebt hatten, trat Perthes an die Spitze heimlich beabsichtigter Bürgerbewaffnung, um sich so oder so ihrer französischen Peiniger zu entledigen – es brachen Aufstände aus, gleichwohl geschah nicht das große und rechte; die Franzosen zogen ab, Kosacken zogen ein – dann wurde Hamburg beschossen, und das schwerste Verhängniß brach über die unglückliche Stadt durch Davoust herein. Perthes flüchtete zuerst die Seinen nach Wandsbeck, dann floh er selbst – was er in Hamburg besessen, verlor er alles; die Buchhandlung ward vernichtet, sein Name geächtet – dennoch verlor er nicht den treuen Muth – er schloß sich der hanseatischen Legion an, die im Nordwesten Deutschlands gegen Frankreich die Waffen trug, und half in Frankfurt als Mitabgeordneter der Hansestädte deren neue Freiheitsacte ausarbeiten. Bald konnte das Geschäft mit Bessers unermüdlicher Hülfe aufs neue beginnen, und zugleich trat Perthes thätig handelnd zum Besten der nothleidenden Handwerker und Armen Hamburgs auf, und widmete sich mit aller eifrigen Liebe dem Gemeinwesen. Vielerlei Reisen und mannichfache Geschäfte, wie ein reger Briefwechsel mit zahlreichen Gelehrten, Staatsmännern und Freunden füllten sein Leben aus; endlich fand er sich bewogen, 1822 nach Gotha zu ziehen, welche Uebersiedelung am 20. März erfolgte, nachdem sein langjähriger Freund und Geschäftstheilhaber Besser und dessen Schwiegersohn L. J. W. Mauke die Handlung allein zu führen übernommen, welcher fortan die Firma Perthes, Besser und Mauke blieb. Kurz vor dem Hinweggang nach Gotha entriß der Tod Perthes seine treue Lebensgefährtin. Er selbst wirkte auch am neuen Wohnort mit reichem Segen, beförderte durch den Verlag gediegener Werke die Wissenschaft, förderte den deutschen Buchhandel auf vielfache Weise, wirkte mit für die Begründung des buchhändlerischen Börsenvereins, dessen Vorsteher er wurde, und den Bau der Buchhändlerbörse in Leipzig. Seit dem Tode des berühmten und in Wahrheit verdienten Mannes setzt sein Sohn Andreas das Geschäft in Gotha mit allem Eifer fort.