Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Daniel Nicolaus Chodowiecki

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Daniel Nicolaus Chodowiecki
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 67–68
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Daniel Nicolaus Chodowiecki.
Geb. d. 16. Oct. 1726, gest. d. 7. Febr. 1801.


Ein hochbegabter vielseitiger Künstler, Zeichner und Maler, Radierer und Kupferstecher, welcher Genie und Fleiß auf das glücklichste paarte, und der bewunderte Liebling seiner für Kunst empfänglichen Zeitgenossen wurde. Die zahlreichen Werke seines Grabstichels wurden und blieben bis auf den heutigen Tag der Stolz und die Freude der Sammler.

Chodowiecki wurde in Danzig geboren und war eines jener Talente, denen vom Schicksal geboten wird, sich mühsam durch eigene Kraft emporzuringen. Sein Vater war Kräuterhändler und bestimmte auch den Sohn für sein Geschäft. Da ersterer zu seinem Vergnügen in Miniatur malte, so unterwies er in dieser Kunst seine Söhne Daniel und Gottfried ebenfalls, und der letztgenannte jüngere Bruder blieb bei derselben, malte auch in Email und war zum öftern später für seinen Bruder helfend thätig.

Daniel sollte nach des Vaters Willen Kaufmann werden, und trat, nach des Vaters frühem Tode, bei einem Gewürzkrämer in die Lehre, hielt aber die Lehrzeit wegen gänzlichen Sinkens des Geschäfts in Danzig nicht aus, sondern vollendete seine Lehrjahre in Berlin bei einem Oheim, zu dem er im Jahr 1743 gesendet ward. Dieser beutete des Lehrlings Talent für Miniatur- und Emaillemalerei aus und ließ ihn fleißig Dosendeckel malen, und so prangt in mancher Sammlung wohl dieses und jenes Rococo-Emailledöschen mit Erstling-Bildern des begabten Chodowiecki, ohne daß die Eigner wissen, welches anziehende Kunstalterthum sie besitzen, wenn auch in künstlerischer Beziehung noch mancher Mangel diesen Gebilden anhaftete. Der junge Künstler bemühte sich mehr und mehr, richtig zeichnen zu lernen und aus dem Tempelvorhof der Kunst in das innere Heiligthum zu gelangen. Chodowiecki erwarb sich Kenntniß vom Radieren, wie von der Oelmalerei, und bewies an seinem »Abschied des Calas von seiner Familie«, daß er in einem wie dem andern dieser Kunstzweige es schon zu einer anerkennenswerthen Vollendung gebracht. In allem was Chodowiecki nun in rascher Folge und mit erstaunlichem Fleiße leistete, trat Originalität, gründliches Natur- und Charakterstudium und eine äußerst gefällige technische Behandlung in [Ξ] erfreulichster Harmonie zu Tage, und bald wurde der Künstler so beliebt und gesucht, daß er sich mit Arbeiten überhäuft sah. Alles gelang ihm, man sah in ihm den physiognomischen Scharfblick eines Lavater, den satyrischen Geist eines Hogarth und die idyllische familienfriedliche Richtung eines Geßner auf das glücklichste vereinigt. Seine Blätter wurden gesucht, bewundert und gut bezahlt, und erreichten eine höchst bedeutende Zahl, über 3000. Die großen Blätter, noch immer Zierden manches Zimmers, wie z. B. Calas Abschied, Ziethen vor seinem Könige, Friedrich II. Heerschau, gefangene Russen, Tod Herzog Leopold’s von Braunschweig u. a. beurkundeten des Künstlers Fleiß und Begabung; dennoch erscheint er noch größer in den kleineren Blättern, wo er sich als vollendeten Charakteristiker, als treuesten Seelenmaler kundgab, und gleichsam eine neue Kunstgattung schuf, welche man die psychologische Illustration nennen könnte. Humor und Laune, Ernst und Strenge, Wahrheit und Sittlichkeit sind in Chodowiecki’s oft äußerst feinen und niedlichen Küpferchen ausgeprägt; sie waren treue Spiegel seiner Zeit, durch und durch neuzeitlich. Alte Vorbilder hatte der Künstler nie gehabt, wohl kaum gesehen, es war für sie auch just zu seiner Zeit fast aller Sinn erstorben, daher erinnert durchaus nichts in Chodowiecki’s Bildblättern an die alten herrlichen Kleinmeister, als vielleicht die fertige Technik, die feine Führung der Nadel; er war ganz Original.

Fort und fort thätig illustrirte der Künstler meist mit zusammenhängenden Folgen zahlreiche Taschenbücher, illustrirte die Werke oder Dichtungen Basedow’s, Lavater’s, Meißner’s, Voltaire’s, Gotter’s, Bürger’s, Gellert’s, Müller’s, Veit Weber’s, Langbein’s, gab Folgen aus Don Quichote, Minna von Barnhelm, Sebaldus Nothanker, zum Landprediger von Wakefield, aus Schiller’s Räubern, aus Voß’s Luise, schuf Portraits, physiognomische Studien, einen Todtentanz u. s. w. und half durch seine verklärende Meisterhand gar manchem an sich dürftigen Buche zu vermehrtem Absatz und neuen Auflagen. Dabei schmückte den Künstler ein sittenreiner, fleckenloser Charakter, Edelmuth und Wohlthätigkeitssinn, wahre Bescheidenheit und eine glückliche Heiterkeit. Einige Reisen bereicherten ihn mit lieben Freundschaften und Erweiterungen seiner Kenntnisse. Er war glücklich verheirathet und hatte die Freude, in seinem Sohne Wilhelm einen ihm würdig nachstrebenden Kunstgenossen sich heranzubilden, der ihm die Last der Arbeitaufträge, mit denen er überbürdet wurde, erleichterte, wodurch freilich manches Blatt mit Chodowiecki’s Namen in die Sammlungen kam, auf dessen Darstellung der Sohn vom Vater zeugt; Wilhelm überlebte aber den Vater nur drei Jahre. Chodowiecki war viele Jahre hindurch Vicedirektor der Akademie der bildenden Künste zu Berlin, und trat nach Rode’s Tode 1798 als wirklicher Direktor an deren Spitze. Daher auch des Künstlers patriotische Richtung; er schuf mit Vorliebe Blätter zum Ruhme des preußischen Königshauses, Bildnisse der königlichen Familie; sein Griffel verewigte geschichtliche Ereignisse des Vaterlandes, und so blieb er thätig und nimmermüde, unterstützt durch Gesundheit, Kraft und heitern Sinn, bis die Natur endlich auch von ihm den Tribut heischte, dem alles Leben verfallen ist. Er starb im 75. Lebensjahre. Viele strebten ihm nach, keiner erreichte ihn, zum mindesten gelang keinem mit so viel Ausdauer, Glück und Unerschöpflichkeit künstlerisch fort zu wirken, wie es ihm vergönnt gewesen war. Vollständige Sammlungen aller Blätter Chodowiecki’s sind sehr selten, und werden als wahrhafte Kunstschätze betrachtet und gewürdigt.