Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Hermann Conring

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Hermann Conring
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 71–72
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Hermann Conring.
Geb. d. 9. Nov. 1606, gest. d. 12. Dez. 1681.


Dieser berühmte Universalgelehrte wurde zu Norden in Ostfriesland geboren, wo sein Vater ein Predigtamt bekleidete. Spät und langsam, durch Siechthum gehemmt, entwickelten sich während des jüngern Conring’s Knabenjahre die Gaben, die später als glänzende von der ganzen Gelehrtenwelt bewundert wurden; dennoch erwachte mit dem Eintritt in das Jünglingsalter ein frischer Geist in ihm, und ein poetisches Jugendproduct, eine Satyre auf die gekrönten Dichter, wurde Anlaß, ihn schon im 14. Jahre auf die Hochschule nach Helmstädt zu senden. Dort widmete er sich mehrfachen Studien, der Philosophie, den alten Sprachen, der Geschichte und Geographie, nicht minder aber auch der Rechtswissenschaft, der Theologie und Medizin. Mit Recht hätte er auf sich die Worte anwenden können, mit denen Goethe’s Faust beginnt, zumal nachdem er vom Jahre 1625 auch in Leyden fünf Jahre lang studirt hatte. Bald bot sich dem hochgelehrten Polyhistor eine Stelle als Arzt in Paris an, allein seine Neigung bestimmte ihn, sich für das Amt eines academischen Lehrers zu entscheiden, und so kehrte er nach Helmstädt zurück, das zwar vor dem Ausbruch des 30jährigen Krieges sich weiten Rufes und hoher Blüthe erfreut hatte, aber im Jahre 1650 war auch dieser Musensitz entvölkert und verödet und schwer heimgesucht von den Kriegsgewittern, die immer wilder durch Deutschland rasten. Mit dem Muthe eines Mannes jedoch, den kein äußeres Begegnen schreckt, wagte Conring seinen Gang anzutreten, wurde 1632 Professor der Physik, zwei Jahre später Licentiat der Medicin und erwarb im Jahre 1636 den ärztlichen und philosophischen Doktorhut; zugleich gewann er die Gunst des Landesherrn, Herzog August’s von Braunschweig-Wolfenbüttel im hohen Grade, und sein Wirken war ein so ausgezeichnetes und von Glück gekröntes, daß sein Ruhm sich schnell und weit verbreitete. Im Jahre 1649 berief ihn eine Gräfin von Ostfriesland und im darauf folgenden Jahre selbst die Königin Christine von Schweden; von beiden fürstlichen Frauen empfing er den Titel ihres Leibarztes. Es hing nur von Conring’s Willen ab, sich am königlichen Hofe zu Stockholm eine glänzende Stellung zu sichern, allein er [Ξ] liebte Helmstädt und seinen Landesherrn zu sehr, um seine Heimath verlassen zu können. Der Herzog vergalt ihm diese Treue und Anhänglichkeit wieder mit seiner vollsten Gunst und ernannte Conring, indem er mit scharfem Blick wahrnahm, daß dem Manne noch ganz andere Begabung innewohnte, als die eines Physikers und Philosophen, zum Professor der Politik. Jetzt erst war Conring auf dem Felde einer Wirksamkeit, für die er geboren war, er wurde durch und durch Staatsmann, theoretischer wie praktischer, er wurde der erste Begründer des deutschen Staatsrechts auf wissenschaftlicher Grundlage, wie der Statistik und cameralistischen Geographie. Von edlem Freimuth der Gesinnung beseelt, hielt Conring doch am Bestehenden fest. Von allen Seiten her ward er um Rath in wichtigen Staatsangelegenheiten gefragt und seine diplomatischen Aussprüche galten für Orakel. Er legte durch seine Vorträge zuerst den Grund zur Diplomatik als einer geschäftlichen Kunst; sein Staatsrecht fußte zwar auf Hugo Grotius, dem berühmten Vorgänger, allein es enthielt des selbstständigen und brauchbaren eine Fülle, obschon es nicht ohne Bekämpfung blieb. In seinem deutschen Privatrecht verwirrte er das deutsche mit dem römischen Recht zu langnachhaltigem Schaden, da viele Nachfolger auf ihn als eine Autorität getrost weiter bauten. Lange erhielt sich Conring’s Ansehen als Staatsmann, und sein Einfluß am braunschweiger Hofe; politische Verhältnisse, die zu ändern nicht in seiner Macht stand, und ein Hinüberneigen des Hofes nach Frankreich scheinen auch Conring bestimmt zu haben, dem Zuge zu folgen, so sehr er Deutschland liebte und diese Liebe durch sein berühmtes und bedeutendes Werk: «de finibus imperii» dargethan hatte. Conring sah in einem Bündniß seines Herrn mit Ludwig XIV., der ihn hochschätzte und dem Colbert eine politische Denkschrift widmete, Heil für sein Vaterland, das er keineswegs, wie übel Unterrichtete behauptet haben, gegen eine Pension, die das Ministerium Colbert ihm von Frankreich auswirkte – verrieth. Auch der König von Dänemark ernannte Conring zum Rath.

Dem bedeutenden Manne fehlt es nie und nirgend an Hassern und Neidern, auch Conring hatte sich deren zu erfreuen. Sie untergruben seinen Ruhm, sein Wissen und Wirken konnten sie nicht untergraben; aber seine Politik ward ihm verargt, und er überlebte seinen Einfluß um so mehr, als sein Gönner, Herzog August, früher starb, was Conring manche Klage abnöthigte. Er verfaßte zahlreiche Schriften und machte sich niemals Auszüge aus andern; was er schrieb, schöpfte er aus dem Born seines eigenen gründlichen Wissens; seine Schriften, meist juridischen Inhaltes, füllen sechs Foliobände. Er starb hochbetagt als Senior aller Fakultäten der Universität Helmstädt im 75. Lebensjahre und in guten Verhältnissen. Conring hinterließ auch zwei geistig begabte Töchter, Elisa Sophia und Maria Sophia. Die erstere schrieb Gedichte, brachte Salomo’s Buch der Weisheit in deutsche Verse, übersetzte theilweise den holländischen Poeten Cats und offenbarte viele Liebe für die Natur und deren Geschöpfe, die sie ebenfalls poetisch zu verherrlichen suchte. Die zweite Tochter Conring’s übersetzte Boccaccio, dichtete eine dramatische Alerandrëts, und beschenkte nebenbei Deutschland mit einem guten Kochbuche, wie mit einer Anleitung, Confitüren zu bereiten, Wissenschaften und Künste der Töchter, die freilich denen des Vaters sehr fern standen, gleichwohl auch ihre Geltung behaupten.