Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Johann Friedrich der mittlere, Herzog zu Sachsen

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Johann Friedrich der mittlere, Herzog zu Sachsen
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 201–202
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Johann Friedrich der mittlere, Herzog zu Sachsen.
Geb. d. 8. Jan. 1529, gest. d. 9. Mai 1595.


Fromm und treu, bieder und edelsinnig und im Unglück still und standhaft, verdient dieser Fürst Bewunderung und Theilnahme der Nachwelt, wenn er auch mehr als leidender, denn als ein handelnder Held durch die Geschichte schritt, und von manchem das Geschick, welches ihn ob seiner Standhaftigkeit und Freundestreue traf, einzig auf ihn als Folge eigener Verschuldung gewälzt ward.

Johann Friedrich wurde, der älteste von drei fürstlichen Brüdern, als Sohn des hochherzigen Kurfürsten Johann Friedrichs zu Sachsen, der ihm ein Vorbild im Leben und Leiden war, zu Torgau geboren. Da der Vater ihm noch 25 Jahre lebte und der jüngste Bruder dieselben Vornamen auch bekam, so wurde dem Herzog Johann Friedrich der Beiname der mittlere zu Theil, der eigentlich mittelste von den Söhnen des Kurfürsten hieß Johann Wilhelm.

Diese drei hoffnungsvollen Sachsenprinzen erhielten eine treffliche und wissenschaftliche Erziehung; schon früh übte sich Johann Friedrich im ausarbeiten und halten lateinischer Reden, ja er lernte sogar hebräisch und erfaßte die Lehren des Evangeliums wie das ganze Lutherthum mit der größten Glaubensinnigkeit und Gemüthswärme.

Des Vaters Unglück und Gefangenschaft 1547 in der Schlacht bei Mühlberg, aus der sich die zwei älteren Söhne nicht ohne Gefahr retteten, beraubte den jungen Herzog seines Erbrechts an die Kur Sachsen und gab ihm im 18. Lebensjahre die Zügel der Regierung über die dem entsetzten Kurfürsten gelassenen Lande in die Hand, bis der Vater aus seiner Gefangenschaft zurückkehrte; dann, nach des Vaters 1554 erfolgtem Tode, regierte er erst allein, später mit seinem Bruder Johann Wilhelm und im Namen des jüngsten, bald aber früh verstorbenen Bruders. Zu Herzog Johann Friedrich’s ersten Regierungshandlungen gehörten die Gründung der Hochschule zu Jena 1548, Anordnung einer Kirchenvisitation, mehrere Erbverbrüderungen mit Kur-Sachsen, Kur-Brandenburg, Hessen und Henneberg. Er vermählte sich 1555 mit der Wittwe des Kurfürsten Moritz, Agnes von Hessen; doch zerriß ihr Tod noch in demselben Jahre dieses Ehebündniß.

[Ξ] Als im Jahre 1558, 2. Februar, die durch den Kaiser hingezögerte Inauguration der Hochschule Jena endlich erfolgen konnte, feierte der Herzog diese in eigener Person durch eine lateinische Rede. Noch in demselben Jahre schloß Johann Friedrich ein neues Eheband mit Elisabeth von der Pfalz, die der gute Stern und Engel seines Lebens wurde.

In diese Zeit fällt schon die Befreundung des Herzogs mit dem geistvollen fränkischen Edeln Wilhelm von Grumbach, der bald als tapferer Parteigänger an der Spitze geworbener Heerhaufen stand, bald als kluger und einsichtvoller Staatsmann in diplomatischen Sendungen sich gebrauchen ließ und nicht ohne Antheil bei der neuen Verbindung des Herzogs geblieben war. Daher war es kein Wunder, daß Grumbach, als er sich und die seinen auf eine schändliche und widerrechtliche Weise von seinen Gütern gedrängt und mißhandelt sah, sich dahin Schutz suchend wandte, wo er auf ein dankbares Gemüth rechnen konnte, und indem der Herzog ein reiches und edles Gemüth besaß, das mehr in ihm vorwaltete, als der berechnende Verstand, schlug ihm das Schicksal unsichtbar das dunkelste Netz über dem Haupt zusammen. An Kraft zum entschiedenen Handeln fehlte es jedoch dem Herzog keineswegs; diese bewies er unter andern in theologischer Angelegenheit, indem er eine Schaar widersetzlicher und streitsüchtiger Geistlicher entfernte, und noch ungleich stärker trat diese entschiedene Kraft hervor, als es galt, sich ehrenhaft, charakterfest und freundestreu zu erweisen.

Nach dem im 28. Jahre erfolgten Tode des jüngsten Bruders, der als Studirender zu Jena 1565 starb, theilten die Herzoge Johann Friedrich und Johann Wilhelm ihre Lande; der letztere übernahm den Weimarischen, der erstere den coburgischen Antheil, zu welchem damals wie in der Neuzeit wiederum auch Gotha mit reichen Aemtern gehörte, und in letzterer Stadt schlug nun Johann Friedrich, in Weimar Johann Wilhelm die Residenz auf.

In dieser Zeit war Wilhelm von Grumbach erst des Bischofmordes beschuldigt, dann durch das äußerst rechtlose Verfahren gegen ihn zum Landfriedensbruch genöthigt worden und suchte dann, ein geächteter, bei Herzog Johann Friedrich Schutz und Fürsprache. Auch der Herzog empfand in tiefinnerster Seele den Schmerz widerrechtlicher Verdrängung von Land und Erbe, von angeborenen Würden und von hoher Stellung im Rathe der Kürer des Reichsoberhauptes; auch er ersehnte glühend, wieder zu erlangen, was ohne seine Schuld verloren war. Revolutionskeime schlagen in allen Zeiten Wurzeln, streben stets zum gedeihlichen Wachsthum; sie abzuknicken zu rechter Zeit ist die beste Weisheit und Kunst der Machthaber, wollen sie anders nicht selbst abgeknickt werden. Zu Herzog Johann Friedrich’s Zeit wogte stiller Kampf der Fürstenmacht gegen die Kaisermacht, der Adelsmacht gegen die Fürstenmacht, gern verbanden sich zwei Mächte so oder so gegen die dritte, um sie zum unterliegen zu bringen.

Die Staatsweisheit jener Zeit sprach durch Grumbach’s Mund zum Herzog, daß der Kurhut ihm, dem geborenen Kurfürsten, gehöre, wieder gehören könne und werde; die geheime Weisheit zeigte prophetische Gesichte, günstiger Gestirne Stand und Einfluß, und Johann Friedrich vertraute seinem Sterne, wie hundert Jahre später Wallenstein dem seinen. Er wollte die große, oft zum Glück führende Lehre üben, die in neuester Zeit eine Kaiserkrone erwerben ließ: harren und dauren.

Der Blitz der Reichsacht flammte; Gotha und dessen Burg Grimmenstein wurden befestigt und auf Jahre mit Vorräthen aller Art versehen, die das reiche Land in Fülle bot. Tapferen Kriegsmännern, einem Stein, Mandelslohe, Brandenstein u. a. wurde die Vertheidigung anvertraut, kluge Räthe: Grumbach, Christian Brück, der Kanzler des Herzogs, Baumgarten, standen dem Herzog zur Seite. Der mit Vollstreckung der Reichsacht beauftragte Kurfürst August zu Sachsen nahte mit dem Belagerungsheer und schloß Stadt und Burg ein. Lange dauerten die Stürme, wie die Vertheidigung; Aufruhr und Verrath, nicht der Sieg des Feindes, übergaben die Schlüssel. Der Herzog und seine Familie, Grumbach und seine Genossen wurden gefangen; noch im Kerker tröstete mit erhebender eigenhändiger Zuschrift der edle Herzog den greisen Schützling und Freund über die ihm von einem fanatischen Pfaffen zu theil gewordene Verweigerung des heiligen Abendmahls. Schrecklich war die Rache an Grumbach und Stein und andern. Der Herzog wurde gefangen, nach Wien abgeführt, die Herzogin begab sich mit ihren zarten Söhnen auf Schloß Wartburg, wo sie in der gleichnamigen Ahnherrin ein hohes Vorbild im Leiden und Dulden fand. Vielfache Fürbitten und Verwendungen für den unglücklichen Herzog waren und blieben vergebens, mit Noth ward erlangt, daß seinen Prinzen einiges Land und Erbe blieb. Die treue Herzogin erlangte nach unsäglichem bemühen, dem geliebten Gemahl in die Gefangenschaft folgen zu dürfen. Sie reiste 1572 dahin und half ihm 22 Jahre lang Kummer und Schmerzen tragen. Ihre Liebe und die Schwingen wehmuthvoller Poesie erhoben ihn und ließen ihn ausharren. Endlich ging 1594 Elisabeth ihm im Tode voran; ein Jahr später folgte Johann Friedrich der treuesten Frau nach. Beide ruhen auch im Tode vereint in der St. Moritzkirche zu Coburg. Des Herzogs Symbol waren die Buchstaben: A. E. I. O. V. »Allein Evangelium Ist Ohn Verlust«; jenes der Herzogin: H. H. H. H. »Hilf Herr Himmlischer Hort!«