Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Karl Friedrich Schinkel
Dieser als Architekt, wie als Maler mit Ruhm genannte
Meister deutscher Kunst wurde zu Neuruppin
geboren, wo sein Vater Superintendent war. Da
Schinkel als Knabe von sechs Jahren schon seinen Vater
durch den Tod verlor, und seine Mutter den Aufenthalt
in Neuruppin 1795 mit dem in Berlin vertauschte,
so mußte auch der junge Schinkel das Gymnasium
seiner Vaterstadt, das ihm die erste Bildung
gab, verlassen, und eines der berliner Gymnasien beziehen.
Neigung und Talent führten ihn dem Baufach
zu, dem er sich, nachdem er den Gymnasialunterricht
bis zur ersten Klasse empfangen, unter dem geheimen
Oberbaurath Gilly widmete. Der Sohn des
Genannten, Bauinspector und Professor Gilly, gewann
große Zuneigung zu Schinkel, nahm sich dessen Unterrichts
mit aller Liebe an und erkannte die sich rasch
entwickelnden Fähigkeiten seines Schülers so sehr an,
daß er diesen, indem er sein Ende nahe fühlte, mit
der Leitung und ferneren Ausführung mehrerer ihm
selbst übertragenen Privatbauten betraute. So bildete
sich Schinkel, welcher fortdauernd die Bauacademie besuchte,
theoretisch und praktisch aus und trat nach vollendeten
akademischen Studien wissenschaftliche Reisen an,
die er in den Jahren von 1803 bis 1806 nach Italien
und Frankreich ausdehnte. Da in jener auch für Preußen
so trüben und schweren Zeit alle Lebenskräfte stockten,
jede Kunst in ihrem Aufflug gehemmt war, und
weder an öffentliche noch Privatbauten gedacht wurde,
so bildete sich Schinkel zum Maler aus, und zauberte
in höchst gelungenen Panoramen-Decorationen mit dem
Pinsel die Paläste auf die Leinwand, die in der Wirklichkeit
aufzuführen sich ihm zur Zeit noch versagte.
Er einte dabei auf ebenso sinnige als geistvolle Weise
die Architecturmalerei mit der Landschaftmalerei, und
es brachte Gunst oder Zufall einige seiner Entwürfe
in die Hände der Königin Luise, die nun bemüht war,
ihm den Weg zu bahnen, den er später mit so großem
Ruhme wandelte. Schinkel wurde 1810 der neuerrichteten
Baudeputation zu Berlin als Assessor zugesellt,
wurde im darauf folgenden Jahre ordentliches Mitglied
der Akademie und nach fünf Jahren schon Geheimer
Oberbaurath. Im Jahre 1819 trat er in das Königl.
[Ξ] Ministerium als Mitglied der technischen Deputation für
Handel, Gewerbe und Bauwesen ein, und wurde 1820
Professor an der Akademie der Künste, wie auch Mitglied
des akademischen Senates. Schinkel’s Einfluß auf
die bedeutenden Neubauten Berlins war von großer
und dauernder Wirkung; er schuf gleichsam eine neue
architektonische Schule und verpflanzte seinen Styl auch
in andere Städte. Dieser Schinkel’sche Styl zeichnet
sich durch große Regelmäßigkeit, angemessene Verwendung
passender Ornamente und wohlüberdachte Verhältnisse
der Gebäude im Innern und Aeußern aus,
dagegen fehlt den Gebäuden das romantische, phantasiereiche
und mannichfaltige, was die Straßen mancher
süddeutschen Stadt so anziehend und malerisch macht.
Sehr bedeutende Bauwerke zeugen von dem Geist, mit
welchem Schinkel baute; die Königswache zu Berlin
(1819), das neue Schauspielhaus (1821), das neue
Museum (1828). Schinkel entwarf auch die Risse und
Pläne zum neuen Universitätsgebäude in Leipzig, wie
jene zum Königsschlosse in Athen, und führte zahlreiche
Privatbauten aus, deren Grundaufrisse zum Theil nebst
seinen verdienstvollsten Arbeiten in den von ihm herausgegebenen
23 Heften »Architektonische Entwürfe, Berlin,
1829 bis 1835« enthalten sind. Im Königl. Museum
zu Berlin wirkte Schinkel auch als Maler, zeichnete
Cartons zur Kulturgeschichte der Menschheit und führte
ein großes Gemälde »Die Kunstblüthe Griechenlands«
aus – Vorwürfe, welche freilich in neuerer Zeit
durch Kaulbach’s Meisterhand überboten worden sind.
Der verdienstvolle und hochbegabte Schinkel hätte noch lange freudig wirken können, wenn nicht ein grausame Geschick es über ihn verhängt hätte, daß sein Geist sich im Jahre 1810 verdüsterte. Er fiel in unheilbare Lethargie und völlige Geistesabwesenheit und lebte in diesem traurigen Zustande noch 15 Monate, ohne daß ärztliche Kunst vermochte, diesen zu ändern. Schinkel’s Bauten bestehen als seine dauernden Denkmale und ehrenhafte Zeugnisse seiner Wirksamkeit.