Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Leopold Freiherr von Buch
Dieser berühmte und bedeutende deutsche Physiker, Geognost
und Geolog wurde zu Schloß Stolpe in der
Uckermark geboren, und entschied sich früh für das
Studium der Naturwissenschaften. Er begann im
Jahre 1790, als er noch kaum das sechzehnte Lebensjahr
erreicht hatte, seine höhern Studien auf der Bergakademie
Freiberg und war dort einer der fähigsten
und fleißigsten Zuhörer und Schüler Werners, knüpfte
auch dort bereits den Bund der Freundschaft mit Alexander
von Humboldt. Nach einem dreijährigen Aufenthalte
in Freiberg begann v. Buch ein ausgedehntes
wissenschaftliches Wanderleben, dem er treu blieb bis
zu seinen Greisenjahren, auf welchen er mit Bienenfleiß
die der Wissenschaft zu Gute gekommenen reichen Erfahrungen
dieses Lebens sammelte, und dieselben in
gediegenen Schriften niederlegte. Das ganze deutsche
Alpenland, die Apenninen, die schottischen Hochlande,
die niedrigen Bergzüge Englands, wie die Pyrenäen
bestieg und überwanderte der unermüdliche Fußreisende,
und spähte überall mit kundigem Blick nach den Gestaltungen
der Formationen der Gesteine und Gebirgsarten,
nach ihren Schichten, nach den Gründen ihrer Erhebungen
oder Senkungen, wie nach jenen mannigfaltigen
Ueberresten organischer Gebilde aus den verschiedenen
Perioden der Urzeit des Erdballes. Auf diesem anziehenden
Gebiete widmete v. Buch zunächst den Ammoniten
gründliche Untersuchung und tiefeindringende
Forschung, dann den Terebrateln, und andern noch vor
ihm nicht so klar enthüllten Versteinerungen ur- und
vorweltlicher Conchyliengattungen und Arten. Ueber
die Gebilde im deutschen Jurakalk, über die Bildung
der Kreidegebirge und Kreideformationen Europa’s und
Nordamerikas, wie über die Braunkohlenformationen
mit der Fülle ihrer pflanzlichen Ueberreste verdankt ihm die
Wissenschaft eben so überraschende, als scharfsinnige
Aufklärungen. Leopold von Buchs Geist umfaßte mit
überwiegender Kenntniß die ganze deutsche Gebirgswelt,
auch die, zu welcher ihn seine Wanderschaft nicht persönlich
trug. Er bestimmte die Gesteinarten eines Landstrichs
durch Combination. So schrieb er, um davon
ein Beispiel anzuführen, an einen Bekannten, der das
Rhöngebirge geognostisch zu bereisen und zu untersuchen
[Ξ] beabsichtigte: „Westlich der Sinn ist schwerlich etwas
anderes als rother Sandstein, es sei denn, daß man
von Obersinn gegen Orb gehe. Dann wäre Ihnen
vielleicht ein kleiner Abstecher nach Arnstein und Umgebung
nicht unmöglich. Ist vielleicht der Gramschatzer
Wald ein sandiger Wald wie Lichtenfels
und der Hauptmoorwald? Ist der Sandstein roth, der
an diesen Punkten bearbeitet wird, wie der von Gambach
unter Carlsstadt? Wie liegt der Gyps von
Opferbaum? Erobern Sie diese Provinz, sie ist
Ihrer Untersuchung würdig, denn diese ist nicht leicht.
Wie gern liefe ich nicht an Ihrer Seite, allein wenn
ich bedenke, daß ich fast von hier (der Brief ist 1821
in Eichstädt geschrieben) nicht loskomme, und welches
Feld von Untersuchungen noch vorliegt, so treibt es
mich vorwärts, südlich.“
An einer andern Stelle äußerte Buch: Ich war nie vorher in Muggendorf; denken Sie, wie ich zusammenfuhr, als ich sahe, daß alle Höhlen in diesem körnigen Gestein liegen (wie das des Staffelberggipfels zwischen Lichtenfels und Bamberg), welches man dort Quacke nennt, und welches ich seitdem auch immer so nenne. Im Kalkstein befindet sich nicht eine dieser Höhlen. Diese Quacke ist aber wahrscheinlich Dolomit. Um darüber Belehrung zu erhalten, reise ich nach München. Hier finde ich dieß Gestein immer wieder. Zwischen Baireuth und Nürnberg bildet es die höchsten Kuppen, ausgezeichnete Spitzen und Thürme; auch hier sind seine Formen noch ebenso abenteuerlich kühn, wunderbar, aber seit der Nähe des Altmühlthals liegt oben darauf die Fisch- und Krebsformation, die man gar leicht vom unterm Kalkstein unterscheidet. Man kann daher ohne Mühe vorausbestimmen, wo Fische und Krebse vorkommen, oder nicht etc.
Der große Geognost vollbrachte seine Wanderungen meist allein, ohne lästiges Gepäck, in leichter, ihm bequemer Tracht, und da er unverheirathet geblieben war und keiner Familie angehörte, mit der wünschenswerthesten Unabhängigkeit. Sein Wohnort war Berlin, aber auch seine Umgebung und seine Freunde erfuhren häufig nicht sein nächstes Wanderziel. Er ging ohne zu sagen wohin, einmal von Berlin hinweg und reiste nach den kanarischen Inseln. Er bestieg den Pic von Teneriffa, wie er den Gipfel des Aetna besuchte. Da er über ein schönes Vermögen gebot und einfach lebte, blieben ihm dennoch reichliche Mittel zur Unterstützung wissenschaftlicher junger Talente.
Ein öffentliches Amt nahm von Buch nie an, doch war er königlich preußischer Kammerherr und durch mehrere Orden ausgezeichnet. Ob er jemals den Kammerherrndienst am Hofe wirklich ausgeübt, dürfte zu bezweifeln sein. Er war nicht ohne Eigenthümlichkeiten, Grillen und Schroffheiten, wie sie so leicht selbstbewußter Männer und zumal alleinstehender Hagestolze sich bemächtigen. So fuhr er, wenn er sich zu fahren veranlaßt fand, nie mit der gewöhnlichen Post, um sich nicht der Rücksichtslosigkeit der Tabackraucher auszusetzen, die sich wahlberechtigt glauben, den Mitreisenden mit ihrem Stänkerqualm beschwerlich fallen zu dürfen, selbst gegen das Postgesetz, und that daran, da seine Mittel ihm jede Bequemlichkeit und Extraposten erlaubten, sehr wohl. Ein gewisses barsches Wesen wurde als Zeichen des herangenahten Alters und vielleicht persönlicher übler Laune besonders bei der Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte in Gotha im Herbst 1852 an ihm bemerkt. Er schien es da u. a. sehr ungern zu hören, wenn man ihn nach dem Befinden A. v. Humboldts fragte; wahrscheinlich wiederholte sich ihm diese Frage in lästiger Weise zu oft, und er schnurrte die unbedacht Fragenden nicht wenig an. Vielleicht auch drückte ihn ein Vorgefühl des nicht mehr fernen Todes, bei welchem ein nervös gereizter Zustand vorherrschte; doch litt der Sterbende nicht lange. Sein Andenken ward in Berlin wie in Freiberg durch würdige Feierlichkeiten geehrt, seine irdische Hülle wurde nach Stolpe in der Gruft seiner Ahnen beigesetzt. Wenig Begüterte weihen sich wie L. v. Buch mit so ausdauerndem Eifer dem fortgesetzten Anbau der Wissenschaft, setzen an sie ihre ganze Zeit, ihre ganzes Leben; ihnen lohnt dann aber auch, gleich ihm, die Ausdauer mit glänzenden Erfolgen und bleibendem Nachruhm.