Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Lucas Cranach der ältere

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Textdaten
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Autor: Ludwig Bechstein
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Titel: Lucas Cranach der ältere
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aus: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen, S. 75–76
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Georg Wigand's Verlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Lucas Cranach der ältere.
Geb. 1472, gest. d. 18. Oct. 1553.


Dieser große und berühmte deutsche Maler war ein Stolz seines Vaterlandes; gleich ausgezeichnet durch hohe Künsterbegabung, wie durch Biedersinn und Treue, brachte er seinen Namen ruhmreich auf die Nachwelt und die von ihm noch erhaltenen zahlreichen Meisterwerke sind ebenso viele sprechende Zeugen seines Ruhmes und seiner Kunst.

Die ostfränkische Stadt Kronach oder Kranach, nach welcher Lukas sich nannte, war des Meisters Geburtsort. Sein Vater unterrichtete ihn in der Kunst, so weit er dieß vermochte; dieser Vater soll Müller geheißen haben, eine völlig irrige Annahme, weil man in alten Akten Moler statt Maler las, andere nennen ihn Sunder, Sünder, und das letztere hat insofern eine größere Wahrscheinlichkeit für sich, als der Familienname Sünder-maler noch heute im Frankenlande begegnet. Auch als ein Schüler Matthäus Grünwald’s von Aschaffenburg wird Lukas genannt, vielleicht war er diesem Künstler blos befreundet.

Des Meisters Jugendleben und die Geschichte seiner künstlerischen Ausbildung liegen sonach im Dunkel, er scheint sich frühzeitig auf Reisen mit der Ausübung seiner Kunst beschäftigt zu haben, denn in Oesterreich malte er Trauben auf einen Tisch, nach denen die Vögel flogen, ein ächter deutscher Zeuris. Um 1504 findet er sich wieder in der fränkischen Heimath und in Coburg beschäftigt, wo er einen Jagdsaal der alten Veste mit täuschender Kunst malte und Hirschgeweihe so plastisch natürlich an die Wände zauberte, daß Menschen und Hunde sich täuschten, indem sie dieselben für wirkliche hielten. Dorthin auf ihre Burg kamen die fürstlichen Brüder Kurfürst Friedrich III. zu Sachsen und Herzog Johann öfters der Jagden halber, schenkten dem Künstler-Jüngling ihre Gunst und nahmen ihn mit sich nach Sachsen, wo er nun auf den fürstlichen Schlössern zu Torgau, Lochau u. a. fortfuhr, zunächst im Thiermalen seine Kunst zu üben und seine Gebieter selbst auf die häufigen Jagden begleitete, bis er in andere Kunstsphären überging. Auf der Reise nach Palästina 1494 begleitete Cranach seinen Gebieter nicht, obschon dieß vielfach behauptet wurde, und es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß er nicht vor 1504 oder 1505 an den Wittenberger Hof kam. Als Hofkünstler gleich mit 100 Gulden Besoldung wiewohl nicht fest angestellt, zeichnete sich Cranach besonders durch schnellmalen aus, nebenbei beschäftigte er sich mit der Holzschneidekunst [Ξ] und trat gleich so fertig und vollendet in derselben vor die Welt, daß seine Holzschnitte dem Kenner die größte Achtung vor dem Künstler abnöthigen. Auch im Kupferstiche versuchte er sich und lieferte einige zum Theil sehr geschätzte und ihrer Seltenheit halber sehr gesuchte Blätter, doch kennt man deren nicht über 8, während die Zahl seiner Holzschnitte überaus groß ist. Die Mehrzahl der Cranachschen Bilder und Blätter ist mit des Künstlers Malerzeichen, einer geflügelten schwarzen Schlange, die einen Ring im Maul hält, versehen und nebenbei mit dem Kur- und Herzogwappen Sachsens. Ersteres Sinnbild war ihm und seinen Nachkommen eigens in einem förmlichen Wappenbrief vom Kurfürsten verliehen, daher auch der Sohn, der jüngere Lukas Cranach, sich dessen bediente; es ist aber wieder irrig behauptet worden, daß durch diesen Brief und weil der Künstler darin völlig sprachrichtig Lukas von Cranach genannt wird, jener in den Adelstand erhoben worden sei.

Neben der Kunst, welcher Meister Lukas mit treuem Fleiße oblag, verschmähte er nicht deren praktisch-bürgerliche Uebung, übernahm Zimmermalereien und Vergoldungen, legte einen Buch- und Papierhandel an, kaufte eine Apotheke, erwarb Ländereien, und war so gleichsam eine Art Industrieller seiner Zeit. Im Jahre 1509 wurde Cranach mit einer Sendung in die Niederlande betraut, auf welcher Reise er die niederländischen Meister kennen lernte und vor allen Lukas von Leiden sich zum Vorbild nahm. Mit Luther war Cranach innig befreundet, dieser nannt ihn Gevatter und schrieb auf der Reise von Worms an ihn, wo er von seiner bevorstehenden Aufhebung schon unterrichtet war, erbat auch später selbst Cranach’s Pathenschaft für eines seiner Kinder. Ebenso war Cranach mit Melanchton befreundet, wie mit andern der hervorragenden Lehrer Wittenbergs, und seine Stellung wurde eine immer bedeutendere, wie sein hoher Künstlername, der an jenen Albrecht Dürer’s fast heranreichte, weiter und weiter bekannt und genannt wurde.

Nach dem Ableben Kurfürst Friedrich III. diente Cranach mit gleicher Treue dessen Bruder und Nachfolger, wie des letzteren Sohne, Kurfürst Johann Friedrich dem Großmüthigen, der vorzugsweise Kunstfreund war und Cranach auch bei Bauten fürstlicher Schlösser und deren künstlerischem Ausschmuck vielfach beschäftigte. Eine Menge fürstlicher Familienbilder mußte Cranach zu Geschenken malen, mindestens zeichnen. Seinen talentvollen ältesten Sohn Johannes, der auf einer Künstlerreise zu Bologna starb und über dessen Verlust die bekümmerten Aeltern zu trösten Luther selbst in Cranach’s Haus kam, verlor Cranach 1536. Der Wittenberger Stadtrath, dessen Mitglied Cranach schon 1519 als Raths-Cämmerer geworden, wählte ihn 1537 zum Bürgermeister, welches Amt ihm mit der Würde auch eine Bürde mehr brachte. Neuen Schmerz für den biedern Künstler brachte der Tod seiner Lebensgefährtin Barbara, geb. Brengbier aus Gotha, welche 1541 starb, nicht minder des theuern Luther 1546 erfolgten Tod. Noch härteren Schicksalsschlag erlebte der nun schon bejahrte Mann, als sein geliebter Fürst in der Schlacht bei Mühlberg geschlagen, verwundet und gefangen wurde. Mit Mannesmuth und edler Treue trat Cranach vor Kaiser Karl V., der ihn hatte rufen lassen und über Bildnisse, namentlich über eine kleine Tafel, auf welcher der Künstler den Kaiser als Knaben zu Mecheln treffend gemalt hatte, sich äußerst gnädig mit ihm unterhielt – und bat kniefällig um Gnade und Schonung für seinen unglücklichen Herrn.

Die Geschichte zerstört eine schöne Sage, daß nämlich Cranach sogleich seinem Kurfürsten in die Gefangenschaft gefolgt sei, daß er beim übernachten im Anker zu Saalfeld, als den hohen Gefangenen eine unsägliche Angst befallen habe, den Kaiser gebeten, seinem Herrn zu erlauben, frische Luft zu schöpfen, und daß gleich nach gegebener Erlaubniß und deren Benutzung die Decke den gewölbten Zimmers eingestürzt sei.

Cranach blieb noch 2 Jahre nach der Gefangennehmung des Kurfürsten in Wittenberg wohnen, und war wohl nicht in Saalfeld. In Gotha und in Weimar tragen zwei stattliche Häuser des Künstlers Wappen. Beide Häuser gehörten dem Kanzler Christian Brück, Cranach’s Schwiegersohn, der sein und seiner Hausfrau Wappen über den Thoren anbringen ließ. Der Schwiegervater lieferte von seinem Schwiegersohn ein Brustbild als trefflichen Holzschnitt, welches bisweilen für das Bild Gregor’s von Brück ausgegeben worden ist.

Im Jahre 1550 begab sich Cranach von Wittenberg zu seinem gefangenen Gebieter, der ihn zu sich berief und ihn bis zu seiner Befreiung im Jahre 1552 zu seiner zerstreuenden Unterhaltung bei sich behielt. Cranach theilte, an des geliebten Herrn Seite sitzend, Triumph und Freude der Rückkehr, empfing ein neuen bindendes Anstellungsdecret mit dankbar ausgesprochener Anerkennung seiner Treue, und beschloß nun, da der gewesene Kurfürst Residenz und Hofhalt in Weimar aufschlug, im Hause seiner Tochter sein thätiges und ruhmvolles Leben als 81 jähriger Greis. Auf dem Jacobsfriedhof fand er seine letzte Ruhestätte; sein Denkstein steht noch an der Außenwand der Kirche. Sein schönstes Denkmal in Weimar aber ist sein künstlerisches Schwanenlied, sein großes und berühmtes Altargemälde in der Stadtkirche, für dessen sorgfältige Erhaltung dem Sachsen-Weimar’schen Fürstenhause anerkennender Dank zu sagen ist, und darauf Cranach sein höchst würdiges und ausdrucksvolles Bildniß selbst anbrachte.

Was Lukas Cranach als Künstler war, ist vielfach gewürdigt und ausgesprochen worden; Dürer, Cranach und Holbein gelten als die hervorragendsten deutschen Maler ihrer Zeit; fast alle Gemäldegallerien und Kupferstichkabinette rühmen sich Cranach’scher Oelgemälde, Aquarellen und Handzeichnungen; die Privat-Sammler sind stolz, mindestens Kupferstiche und die besten seiner Holzschnitte zu besitzen. Er soll auch der Erfinder den mehrfarbigen Plattendrucken (Clairobscur) 1506 geworden sein, einer Kunst, die in Dürerˈs Christuskopf und Varnbühler ihren Gipfelpunkt fand.