Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Menno Simonis
Der Begründer der Religionsgesellschaft der nach diesem
Manne sich Mennoniten nennenden Wiedertäufer
oder Taufgesinnten. Menno wurde in Wikmarsum,
einem Dorfe in Friesland geboren, und widmete
sich dem Dienst der Kirche. Er war schon
Priester, als der Wiedertäuferische Aufruhr in der westphälischen
Stadt Münster sich erhob und nach allen
Richtungen Sendboten verschickte, für das neue tausendjährige
Reich Anhänger und Gläubige zu gewinnen.
Auch Menno Simonis, der schon durch Lesen
Geschmack an der Wiedertäuferischen Lehre gefunden haben
mochte, wurde 1536 für dieselbe durch einen jener
Boten, Namens Ubbo Philippi, gewonnen, und sie gewann
an ihm, den durch Philippi wieder getauften,
eine mächtige Stütze. Sein Charakter war der volle
und reine Gegensatz zu jenen fanatischen Schwärmern,
die der Lehre von der Wiedertaufe, oder eigentlich von
der Taufe der Erwachsenen nach Christi eignem Vorbild,
einen so schlimmen Namen gemacht hatten – zu
einem Thomas Münzer, Johann Bockholt (Jan von
Leiden), Knipperdolling u. A. Menno war fromm,
sanft, friedfertig, sittenstreng, von tadellosem Wandel.
Als Lebensaufgabe stellte sich Menno nach seiner eignen
Wiedertaufe die Ausbreitung der von ihm als wahr
und seligmachend erkannten Lehre, und da die endliche
Niederschlagung des gräuelvollen Münsterschen Aufruhrs
die Taufgesinnten nach allen Richtungen hin
zerstreut hatte, so suchte Menno die Zerstreuten wieder
in Gemeinden zu vereinen und sie dahin zu bringen,
daß sie sich überall in friedlichem Gehorsam den Geboten
der Obrigkeiten fügten. Auf diese Weise durchzog
Menno läuternd und lehrend ganz Holland, das
eigne Vaterland, die Nord- und Ostseeküstenländer. bis
nach Liefland, und breitete, so weit er konnte, seine
Lehre aus. Da sie den Bewohnern dieser Landstrecken
meist neu war, und Menno in seiner Persönlichkeit als
ein würdiges Vorbild eines Religionslehrers erschien,
so blieb sein Name an der Lehre haften, welche er
vortrug. Gleichwohl entging Menno der Verfolgung
nicht. Es wurden Preise auf seinen Kopf gesetzt, in
Westphalen wurde sogar jedem Missethäter, welcher
Menno tod oder lebendig einliefere, Gnade und überdieß
[Ξ] eine Belohnung zugesichert; aber die Hand Gottes
schirmte ihn, daß er den Gefahren, mit denen die religiöse
Unduldsamkeit seiner Zeit ihn bedrohte, entging.
Menno’s Lehre von der Taufe stützte sich auf die
biblische Ueberlieferung, Christus habe sich erst als
erwachsener Mann taufen lassen; selbst habe er nie
getauft; die Kindertaufe sei von Christus nicht eingesetzt worden; wenn Christus sie gewollt, würde er
sie eingesetzt haben, da er ein liebevoller Kinderfreund
gewesen; das Urchristenthum habe die Kindertaufe ebenfalls
nicht eingeführt; sie sei eine Erfindung des Kirchenvaters
Augustin und von der katholischen Kirche sanctionirt
worden; die Reformatoren hätten sie nicht beibehalten
sollen.
Menno neigte sich auch in seinen Glaubensansichten der kalvinistischen Lehre von der Gnadenwahl zu, daher er den freilich mißlichen Grundsatz aufstellte, nur für Weltmenschen sei die Obrigkeit, für die gerechten und innerlich erleuchteten Auserwählten sei dieselbe nicht von nöthen. Der Moral und Kinderzucht, welche Menno lehrte, legte er die schönen und erhebenden Lehren der Bergpredigt zum Grunde.
Menno’s Lehre fand in Holland am meisten Eingang und dauernde Begründung; außerdem verbreitete sie sich über Holstein nach Preußen, nach Rußland, in das südliche Deutschland, nach Thüringen, Franken, Bayern, wo die Wiedertäufer durch das abweichende ihrer Kleidertracht und Kopfbedeckung noch immer an niederländische Landleute erinnern, zumal sie der Mehrzahl nach Landwirthe sind – bis nach Ungarn und Siebenbürgen, in die Schweiz und nach Nordamerika. Die Sitteneinfachheit, die Strenge der Religionsgrundsätze und eine musterhafte Haltung im bürgerlichen Leben verschafften den Mennoniten die verdiente Duldung, doch blieb auch diese Religionsgemeinschaft nicht ohne innere Spaltung. Den Eid und die Kriegsdienstleistung verwarfen sie gleich den Quäkern, allein der letzteren haben sie aufgehört sich zu entziehen. Menno Simonis starb zu Oldesloe, einer Stadt zwischen Lübeck und Hamburg.