Berliner Ateliers

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Autor: Max Ring
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Titel: Berliner Ateliers
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 516–518
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Berliner Ateliers.
I.0 Eduard Hildebrandt.

Eduard Hildebrandt.

Einer freundlichen Einladung folgend, treten wir in das Atelier des bekannten Landschaftsmalers Eduard Hildebrandt. Wir finden den fleißigen, liebenswürdigen Künstler an der Staffelei mit der Vollendung eines größeren Bildes beschäftigt, umgeben von unzähligen Skizzen, welche seine Meisterhand verrathen. Persische Teppiche, welche den Boden des Zimmers bedecken, seltene Gefäße und Curiositäten aller Art, in Glasschränken zierlich aufgestellt, erinnern uns an seine weiten Reisen. Die Büste von Alexander Humboldt, der von jeher dem Maler ein väterlicher Freund gewesen, begrüßt uns von ihrem Piedestal wie ein freundlicher Schutzgeist. An den Wänden hängen einige ausgezeichnete Bilder älterer Meister. Mitten in dieser anmuthenden Häuslichkeit empfängt uns der Künstler, der trotz seiner Jugend einen europäischen Ruf genießt.

Eduard Hildebrandt wurde im Jahre 1819 in Danzig geboren und verrieth frühzeitig eine bedeutende Anlage für seine Kunst; dennoch kam er erst spät, als ein fast zwanzigjähriger Jüngling, nach Berlin in das Atelier des bekannten Marinemalers Professor Krause. Hier machte er so überraschende Fortschritte, daß die Kunstfreunde auf das Talent des Schülers aufmerksam wurden und er manchen einflußreichen Gönner fand. Ein ihm angeborener Drang zum Reisen führte ihn schon damals nach Dänemark, Norwegen, Schottland und England, von wo er nach Paris ging, um sich unter Anleitung des berühmten Isabey weiter auszubilden. Hier blieb er bis zum Jahre 1843, wo er dann im Auftrage des Königs von Preußen, dem er von Humboldt empfohlen war, nach Brasilien und Nordamerika ging. Diese größere Reise war entscheidend für die Richtung seines Talents; der Anblick großartiger Naturscenen, des südlichen Himmels mit seiner Farbenpracht und der herrlichen Vegetation weckte und entwickelte seinen angeborenen Farbensinn und seine Vorliebe für glänzende und überraschende Lichteffecte. Zugleich erweiterte sich sein Gesichtskreis; die Wunderwelt der Tropen mit ihrem magischen Zauber erschloß sich ihm und fand in ihm einen unübertroffenen Darsteller.

Mit reichen Schätzen beladen kehrte er nach Berlin zurück, wo er die Kunstkenner durch seine Studien und Skizzen aus dem Süden überraschte und erfreute.

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Die Festungswerke im Hafen von Funchal auf Madeira.
(Originalzeichnung von E. Hildebrandt.)

[518] Im Jahre 1847 sehen wir ihn in Gesellschaft seines geliebten Bruders Holland, England, Schottland und Irland durchwandern, überall zeichnend und Studien nach der Natur vornehmend. Ein Ausflug nach Madeira und den Kanarischen Inseln, den er auf die Westküste Afrika’s ausdehnte, machte den vorläufigen Beschluß. Ueber Spanien und Portugal trat er die Rückreise nach der Heimath an, wo er wohlbehalten anlangte.

Aber seine Reiselust, die mit seinem künstlerischen Interesse zusammenfiel, war noch nicht gebüßt. Einige Jahre später zog es ihn mit Macht nach Asien; über Italien eilte er nach Egypten und den Nil hinauf bis Nubien, dann von Kairo über Suez durch die Wüste, wo er ein interessantes Abenteuer mit räuberischen Beduinen bestand, nach Jerusalem, Damaskus, hin zu den Cedern des Libanon und dann wieder über Beirut, Constantinopel, Griechenland nach Hause.

Hier stellte er das Resultat seiner Reisen in einer Reihe von Aquarellen aus, welche die höchste Bewunderung erregten, und die, abgesehen von ihrer künstlerischen Vollendung, einen dauernden wissenschaftlichen Werth als die treuesten ethnographischen Bilder jener fremden Gegenden haben. Besonderes Aufsehen machten die Skizzen aus dem „gelobten Lande“, seine Zeichnungen von Jerusalem und den andern heiligen Oertern durch ihre wunderbare Treue und poetische Auffassung, sodaß der Künstler vom König Friedrich Wilhelm III. den Auftrag erhielt, mehrere derselben in Oel auszuführen.

Bisher hatte Hildebrandt sich mit Vorliebe dem Süden zugewendet; sein Drang nach Belehrung führte ihn im Jahre 1856 dem Norden zu, dessen eisige Majestät und schauerliche Beleuchtung er mit demselben Natursinn auffaßte und wiedergab, wie den strahlenden Himmel und die Gluth der heißen Zone. Unter großen Beschwerden drang er bis zu den Marken unserer Erde, zu dem verödeten Nordcap vor, von wo er über Drontheim und Stockholm nach Berlin zurückkehrte. Eine neue Folge von Aquarellen, in denen er mit derselben Meisterhand die Wunder der vom Nordschein und dämmernden Zwielicht beschienenen Regionen in seltener Vollendung der Natur nachschrieb, erhöhte nur noch seinen bereits feststehenden Ruf.

Im Sommer 1858 rief ihn der Tod eines geliebten Bruders, der ebenfalls ein ausgezeichneter Maler war, nach Rom, wo er das Grab des theueren Anverwandten besuchte und seinem tief wurzelnden Familiensinn genügte.

So große und schnell aufeinanderfolgende Leistungen mußten auch die entsprechende Anerkennung finden. Die Akademie der Künste in Berlin ernannte Hildebrandt zu ihrem Mitgliede und beehrte ihn mit dem Titel eines Professors; dasselbe that die Akademie zu Amsterdam. Bei Gelegenheit der Pariser Ausstellung erhielt er den Orden der Ehrenlegion; außerdem zieren noch eine Menge heimischer und fremder Orden seine Brust.

Als Künstler zeichnet sich Hildebrandt vor Allem durch die Genialität aus, womit er die Farbe zu behandeln weiß; er hat der Natur ihre geheimsten Lichterscheinungen abgelauscht; der Himmel und die Luft mit ihren mannichfachen wunderbaren Tönen und Tinten sind sein eigentliches Element. Nicht ganz mit Unrecht hat man ihn den „Liszt“ der Malerei genannt, der vor keiner Schwierigkeit, vor keinem Wagestück seiner Kunst zurückschreckt. Aber Hildebrandt ist kein bloßer Virtuose; er ist ein Künstler, der die vollendetste Technik nur zu höheren Zwecken benutzt; mit seiner Herrschaft über die Farbe verbindet er eine wahrhaft poetische Naturanschauung; selbst in den Verirrungen seines kühnen Pinsels erkennt man noch ein besseres Streben. Durch seine weiten Reisen hat er den beschränkten Kreis der Landschaftsmalerei durchbrochen und den Horizont derselben erweitert, worin mit sein Hauptverdienst besteht. Die meisten seiner Kunstgenossen übertrifft Hildebrandt durch seinen Fleiß; er gönnt sich keine Ruhe, und nur dieser Umstand erklärt die große Menge seiner Gemälde. Abgesehen von den zahllosen Aquarellen, hat er in schneller Folge eine Reihe trefflicher Landschaften in Oel geschaffen. Wir erinnern nur an seine herrliche Winterlandschaft im Besitze der Königin von Preußen, an Jerusalem und den Deich von Bethesda, auf Bestellung des Königs gemalt, an das reizende Bild „am Weiher“, an sein neuestes Bild „ein Sonnenblick“, das er soeben erst vollendet hat.

Die beifolgende Skizze, welche der Künstler eigens für die Gartenlaube gemalt, stellt die Festungswerke im Hafen von Funchal auf Madeira vor; sie entbehrt freilich den Hauptreiz Hildebrandtscher Kunst, die Farbe, welche selbst der beste Holzschnitt nicht wiederzugeben vermag.

Max Ring.