Ein Fest des deutschen Buchhandels in Leipzig

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Autor: C. Siegfried
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Titel: Ein Fest des deutschen Buchhandels in Leipzig
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 423, 424
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein Fest des deutschen Buchhandels in Leipzig.


Am Sonntage Cantate, dem 23. Mai d. J., bewegte sich ein Festzug durch die Straßen Leipzigs. Trotz der sengenden Sonnenhitze marschirten die 4000 Theilnehmer freudig, mit sichtbarem Stolze inmitten der fahnengeschmückten Häuserreihen. Waren es doch zumeist Buchhändler oder Freunde des Buchhandels, die nach der Oststadt hinauszogen, um dort den Grundstein zu einem neuen deutschen Buchhändlerhause zu legen. Wer die Bedeutung des Buchhandels „in seiner Ehrenarbeit für des Vaterlandes Gesittung, Wissenschaft und Kunst“ zu würdigen weiß, dem wird auch die Bedeutung dieser Feier nicht entgangen sein, und er wird in ihr ein sichtbares Zeichen der erfreulichen Entwickelung eines der edelsten Zweige unserer Nationalindustrie erblicken.

Auf dem weiten Augustusplatze, welchen der Zug durchschritt, herrschte gerade das Meßgewühl, standen die bunten Buden der Verkäufer, ein Stück Vergangenheit, welches aus früheren Jahrhunderten sich noch in die Zeit des Dampfes hinübergerettet, und zugleich die sinnreichste Dekoration für den imposanten Zug. Unwillkürlich mußte man bei diesem Anblicke daran denken, daß in diesen Messen einst die Wiege des deutschen Buchhandels stand, und mit aufrichtiger Freude die Thatsache wahrnehmen,

Das neue deutsche Buchhändlerhaus in Leipzig.
Nach dem preisgekrönten Entwurf der Architekten Kayser und von Großheim.

daß, während das Meßwesen früherer Zeit altersschwach geworden ist und einem neuen mächtigeren Verkehre weichen muß, der deutsche Buchhandel gleichfalls mit der Zeit fortzuschreiten wußte, mit Jahrzehnten und Jahrhunderten erstarkte und heute so lebenskräftig auftritt, wie noch niemals in der Kulturgeschichte unseres Volkes.

Langsam nur brach sich die „schwarze Kunst“ Gutenberg’s am Ende des 15. Jahrhunderts Bahn. Der Handel mit Büchern, eine seltsame Neuerung, mußte sich an den gewöhnlichen Weg des übrigen Handels und Wandels halten und an dessen Stapelorten sich ein bescheidenes Plätzchen zu erringen suchen. Und so kamen denn die Leute, welche Bücher druckten oder drucken ließen, mit ihrer gelehrten „Waare“ zur Messe wie die anderen Kaufleute. Hier tauschten sie ihre „Neuigkeiten“, neu verlegte Werke, mit ihren Standesgenossen aus und zogen reich beladen mit den Schätzen der Weisheit nach allen Richtungen der Windrose in ihre Heimath, um dort als vermittelnde Kräfte in der Ausbreitung der Aufklärung zu wirken.

Anfangs ließ man sie gewähren, und so zogen sie alljährlich mit Vorliebe nach der alten Krönungsstadt Frankfurt am Main, wo der Mittelpunkt geistiger Regsamkeit und nationalen Lebens sich befand. Aber die Zeit der Prüfung kam schneller, als man es erwartete. Die „schwarze Kunst“ erschien gefährlich und mußte beobachtet werden. Man setzte in Frankfurt am Main eine kaiserliche Bücherkommission ein, welche den Auftrag hatte, alle Buchläden in Frankfurt zu untersuchen, verbotene Bücher wegzunehmen und von jedem neuen Werke sieben Exemplare zu reklamiren – eine lästige Polizei, gegen welche wiederholte Beschwerden nichts fruchteten.

Da vernahmen die nach Frankfurt ziehenden Buchhändler, daß in Kursachsen ein milderer Geist herrsche, daß auf den Leipziger Messen dem Buchhandel größere Freiheiten eingeräumt würden, und sie beschlossen, Frankfurt zu meiden und Leipzig zu besuchen. Allmählich gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts vollzog sich diese Wandlung, die für den deutschen Buchhandel dort von großem Nutzen begleitet war, denn die Leipziger nahmen die Vortheile dieser für sie so erfreulichen Wandlung wahr und setzten Alles daran, um für den Buchhandel in ihrer Stadt einen wichtigen Centralpunkt zu schaffen.

Zu diesem Zwecke rief der Buchhändler Philipp Erasmus Reich im Jahre 1765 den ersten deutschen Buchhändler-Verein ins Leben, dessen Statuten von 59 Buchhandlungen unterzeichnet wurden. Der Verein sollte zur Kräftigung des deutschen Buchhandels beitragen und war namentlich gegen den Nachdruck gerichtet, welcher in jener Zeit, wo nur in einem einzigen Staate, in Sachsen, gesetzlicher Schutz dagegen bestand, den Büchermarkt unsicher machte.

Aus der Schöpfung Reich’s ging nach den Stürmen der napoleonischen Kriege der Börsenverein der deutschen Buchhändler hervor, welcher im Jahre 1825 in Leipzig begründet wurde. Man darf ohne Zweifel behaupten, daß durch diesen Verein der deutsche Buchhandel ungemein gehoben wurde und jene feste Organisation erhielt, welche seine Leistungsfähigkeit zu dem erstaunlichen Umfang gesteigert hat, welchen er heut zu Tage zum allgemeinen Nutzen entwickeln kann. Die Betheiligung an dem Börsenverein wuchs so schnell, daß man schon in dem nächsten Jahrzehnt an den Bau eines eigenen Heims denken konnte, und in der That wurde am 26. April 1836 die deutsche Buchhändlerbörse feierlich eingeweiht. Zu jenem Jahre zählte der Verein schon 570 Mitglieder, „welche“, wie der damalige Vorsteher des Vereins hervorhob, „nicht nur über Deutschland, sondern von der Themse bis zum Ursprung des Rheines, von der Seine bis zur Newa sich erstreckten.“

Aber mit der zunehmenden Bildung der Nation, mit dem gewaltigen Aufblühen der Kunst und Wissenschaft wuchs auch der Buchhandel an Macht und Größe; ja er beschränkte sich nicht mehr auf die Vermittlerrolle zwischen dem Schriftsteller und seinem Publikum, sondern er begann selbst Anstoß zu neuen litterarischen Schöpfungen zu geben und dadurch mächtig auf die weitesten Volkskreise zu wirken. Zahlreiche hervorragende Mitglieder des deutschen Buchhandels schufen Unternehmungen, welche die Vereinigung vieler wissenschaftlicher und künstlerischer Kräfte erforderten, riefen illustrirte Zeitungen ins Leben, gaben Konversationslexika heraus, stellten Volks- und Jugendbibliotheken zusammen oder wußten den Werth der Werke durch reichen Schmuck prachtvoller Kunstblätter zu erhöhen. Immer fühlbarer wurde der Einfluß des Buchhandels im nationalen Kulturleben, das Kapital, mit dem er arbeitete, immer größer, zu Millionen wurden endlich die Summen, mit welchen alljährlich auf der Leipziger Ostermesse die Buchhändler mit einander abrechneten.

[424] Die Zahl der Börsenvereinsmitglieder wuchs auf 1610 heran, und da wurde das alte Heim zu eng, zu unscheinbar; man beschloß, einen neuen Bau aufzuführen, und bewilligte zu diesem Zwecke die Summe von 900 000 Mark. Aus der Konkurrenz, die für den Plan des monumentalen Gebäudes ausgeschrieben wurde, gingen die Berliner Architekten Kayser und von Großheim als Sieger hervor, und nach ihren Entwürfen wird in der nächsten Zeit das neue deutsche Buchhändlerhaus auf dem Grund und Boden errichtet werden, welchen die Stadt Leipzig dem deutschen Buchhandel als Ehrengeschenk überlassen hat.

Unter solchen Auspicien, in der pietätvollen Erinnerung einer ruhmreichen Vergangenheit und in der frohen Zuversicht einer glücklichen Zukunft, wurde die Feier der Grundsteinlegung in herkömmlicher Weise abgehalten. Und wenn die Festfreude auch schnell verrauscht ist, lange noch werden in den Herzen der Theilnehmer als ernste Mahnung die Worte erklingen, welche den Schluß der Urkunde, die nunmehr in Leipzigs Boden ruht, bilden, die Worte, die auch als Weihe bei den ersten drei Hammerschlägen gesprochen wurden:

„Gott schütze das neugeeinte Reich, Gott schütze dieses blühende Land Sachsen und die gastliche Hauptstadt des deutschen Buchhandels, Er schirme diesen Bau, die Bauleute und die Bauherren, Er segne unseren Buchhandel in seiner Ehrenarbeit für des Vaterlandes Gesittung, Wissenschaft und Kunst.“ C. Siegfried.