Topographia Braunschweig Lüneburg: Bardewik

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Topographia Germaniae
Bardewik (heute: Bardowick)
<<<Vorheriger
S. Andreasberg
Nächster>>>
Bardorff
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1654, S. 45–47.
[[| in Wikisource]]
Bardowick in der Wikipedia
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du unter Hilfe
Link zur Indexseite


[T8]
[45]
Bardewik.

Ist jetzo ein offener Flecken / ein vierteil Weges von der Statt Lüneburg belegen / vor Zeiten aber eine grosse Statt gewesen / vnd wofern der gemeinen Rede Glauben beyzumessen / die älteste Statt in gantz Sachsenland. Soll erbawet seyn 2885. Jahr nach Erschaffung der Welt / vor Christi Geburt 990. Jahr. Wie solches erwiesen werden will mit etlichen Versen / so über der Thüre der Domkirchen daselbst annoch angeschrieben stehen / vnd also lauten:

Abram dum natus mox Treveris incipit ortus
Hinc annis Barduic mille sex X. quoque quinque
Post Barduic Roma duo C. cum quinque triginta
M. C. post Nat. junctis octoginta novemque
Dum Brunsuicensis dux Henricus Leo dictus
Simonis in festo Barduic subvertit ab alto.

Den Nahmen soll die Statt bekommen haben / wie Cranzius Saxoniae lib. 7. cap. 2. et Vandaliae lib. 3. cap. 6. schreibet / von ihrem fundatore Bardone. Meibomius aber / in historia Bardevici, widerleget denselben / vnd hält davor / daß die Barden / ein Mitternächtisch Volck / ihr den Nahmen geben haben Bardewick / als wolte man sagen / der Barden Wick / oder Burg. Es liget dieser Flecken in ebenem Felde / vnd fleusset nach dem Morgen werts die Elmenau vorbey. An der einen seiten ins Westen / liget ein stück erhabener Erden / Mannes hoch / in gestalt eines Walles / vnd wird davor gehalten / daß es noch ein stück von den alten Wällen sey.

Der Vmbkreiß dieses Fleckens ist zimlich weit / vnd weiter als der Statt Lüneburg / daher die grösse der vormahligen Statt abzunehmen. Wie sie noch in ihrem Wolstande gewesen / hat sie neun Kirchen gehabt / von welchen die Domkirche noch anjetzo im Stande ist / vnd der Gottesdienst darin verrichtet wird. Nebenst dem stehet noch die Kirche S. Viti zum theile / Capella B. Mariae virginis, der alte Thurn auff S. Johannis Kirchhoff / vnd ein alter Thurn auff S. Willehadi Kirchhofe / worauff die Leute noch begraben werden. So werden auch noch die Stellen gezeiget / da die Kirchen S. Stephani vnd Mariani gestanden / der übrigen zwey Kirchen stellen aber weiß man nicht mehr. Ist also Meibomius etwas vngleich berichtet / wann er geschrieben / adhuc novem templa superesse.

Wie die Statt noch im Stande gewesen / hat sie / gleich andern grossen Stätten / viel Handel vnd Wandel getrieben / vnd sich der Schifffahrt auff der Elbe vnd See / sonderlich nacher Dennemarck / vielfältig gebrauchet. Anjetzo bestehet der Einwohner grösseste Nahrung im Gartenbaw / dazu ihnen dann die vielen grosse in dem Flecken vorhandene ledige Plätze gar bequem fallen / Inmassen sie dieselbe mit Kohl / Rüben / Zwiebeln vnd dergleichen / in grosser menge besaamen vnd bepflantzen / vnd solche Gewächse nach Lüneburg / auch zu Schiffe die Aue hinab / nach Hamburg zu kauffe bringen.

Es ist sonst Bardewick in alten Historien zimlich bekant / vnd / im fall den historicis Glaube beyzumessen / das Evangelium Christi frühezeitig allda geprediget worden. Henricus Hervordiensis, vnd andere / die ihm gefolget / schreiben / S. Aegistus, einer auß den siebentzig Jüngern deß HErrn Christi / sey auff deß Apostels Petri Befehl in Teutschland kommen / vnd habe sich / sampt dem diacono Mariano, nach Bardewick begeben / daselbst das Evangelium geprediget / vnd der Kirchen vorgestanden / wären aber beyde von den barbarischen vnd vnglaubigen Völckern endlich vmbgebracht. Von Mariano wird in einem Chronico manuscripto diese Erzehlung / jedoch ohn meldung deß Autoris, woher sie genommen / eingeführet: Devotus Marianus evangelium Christi in [46] ecclesia Bardewigae, quae per unum discipulorum S. Petri est erecta, cottidie praedicando inserviebat, ac populo loci ipsius et circumjacentibus gentilibus verbum Dei praedicabat, sed persequebantur eum adeò, ut fugere à civitate cogebatur. Ambulante verò eo ab Ecclesia in qua praedicabat cottidie, ac veniente supra fluminis pontem Elmenau prope civitatem Bardowik apprehenderunt eum, ac gladiis et aliis armis occiderunt. Es gehet sonsten noch die gemeine Rede / daß bey der Elmenau an der Brücke / allwo vor Zeiten eine Capelle / D. Mariani genant / gestanden / ein Stein gesetzet gewesen / mit dieser Auffschrifft / D. Marianus hic in ponte martyrisatus.

In erwehntem manuscripto wird auch vnter anderm vermeldet / daß Hertzog Wedekind zu Sachsen / nach dem er sich zum Christlichen Glauben bekehret / in der Statt Bardewick / Anno 790. ein Collegium fratrum vel praedicatorum gestifftet / vnd begabet / welches aber kurtz darauff / Anno 793. nacher Verden versetzet worden.

Anjetzo ist daselbst noch ein Domstifft / worin acht Canonici residentes, sampt dem Decano, auch etlichen Vicarien. Von Anrichtung der Dechaneye werden in dem Chronico manuscripto folgende Worte angeführet: Anno 1168. 12. Cal. Junii Decanatus erectus Domino Adriano Sanctae Romanae sedis beatissimo Antistite. Imperatore Frederico Romani imperii habenas flectente, Henrico Juniore, jam Saxoniae, quondam Bavariae ducatum tenente.

Die Statt Bardewick ist vor Alters den Sachsen zuständig gewesen / deren Hertzog / Keyser Otto der Grosse / hat sie Herman Billingen / dem newen Hertzogen zu Sachsen / nebenst andern Orten / erb- vnd eigenthumblich übergeben / bey dessen Nachkommen sie auch verblieben / vnd nach Hertzog Magni Todt / auff Hertzog Heinrich den Stoltzen / vnd dessen Sohn / Hertzog Heinrich den Löwen / kommen. Was gestalt von demselben diese herrliche Statt mit Macht eingenommen / vnd zu[1] grund zerstöret / ist zwar bey andern / als dem Crancio, Buntingo, insonderheit Meibomio, außführlich zu lesen / wird jedoch nicht vnzeitig seyn / es mit wenigem zu erzehlen. Als Hertzog Heinrich der Löwe auß Engelland / dahin Er von Keyser Friederich dem Ersten / zum andern mahl ins Elend verwiesen worden / wieder zurück in seine Lande kommen / hat Er sich mit bey sich habenden Grafen / Edlen / vnd einem grossen Kriegesheer / vor seine Statt Bardewick gemachet / vnd sich einzulassen begehret / auch nach beschehener dessen Verweigerung / sich mit gewalt den Weg zu öffnen gedräwet. Die Bürger vnd Einwohner haben Ihn nicht allein trotziglich abgewiesen / sondern ihrer theils böse Buben sich auff die Mauren gemachet / vnd ihrem Herrn die entblössete posteriora (sit venia dicto) gezeiget. Durch welche Schmach der Hertzog / vnd alle die bey Ihm gewesen / der gestalt erbittert worden / daß sie sich mit einem Ayde verbunden / mit der Belagerung nicht ehe einzuhalten / biß Sie die Statt erobert / vnd sampt ihren Einwohnern zu grunde vertilget. Haben demnach die Belagerung mit hefftigem Eyfer fortgesetzet / also / daß Sie die Statt am dritten Tage erobert / da sie dann alles / was sie in Waffen gefunden / niedergemachet / die Weiber vnd Kinder aber von dannen an andere Orte weg geschaffet / vnd nach dem alles außgeplündert / Thüren / Thore / vnd Mauren niedergerissen / vnd die Häuser angezündet / also daß ausserhalb der Kirchen / in kurtzer Zeit alle Gebäwe im Rauch auffgangen / vnd die Statt zu einem wüsten Steinhauffen gemachet. Diese Zerstörung ist geschehen am Tage Simonis et Judae, im Jahr Christi 1189.

Weiln aber das Dom-Stifft vnd Collegium Canonicorum allda noch geblieben / so seyn zu deren Wohnung / vnd sonsten nach gerade etliche Häuser / jedoch nicht förmlich / nach der Riege wie in Stätten / sondern bald hie / bald da eines / wieder auffgebawet. Massen dann vermeldet wird / daß Hertzog Magnus mit der Ketten / im Jahr 1369. nacher Bardewick [47] kommen / vnd daselbst über 60. Häuser / worunter fast aller Domherren vnd Vicarien Höfe / abgebrant.

Die reine Evangelische Lehr ist zeitig daselbst angenommen worden. Im Jahr 1529. am dritten Sontage nach Ostern / hat Gosman Tunder / Schulmeister vnd Cantor / zum letzten mahl die Messe auff Päbstische Art daselbst gehalten / vnd gesungen. Dann bald darauff / am Sontage nach Johannis / ist Hertzog Ernst zu Braunschweig Lüneburg / dahin kommen / vnd hat durch Matthaeum Ginderich / Evangelischen Predigern / eine Predigt in der Kirchen daselbst halten lassen. Welcher auch darauff in Bestallung genommen worden / vnd bey 30. Jahr lang der Gemeine vorgestanden.


  1. Vorlage: zu zu