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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

durch harte körperliche Arbeit. So geschah es denn, daß Garfield im Frühjahr 1849 die sogenannte Geauga Akademie in der Stadt Chester mit 17 Dollars in der Tasche bezog, eine Summe, die er von seiner Mutter und seinem Bruder Thomas erhielt. Dieses Lehrinstitut stand unter der Obhut eines gewissen Daniel Branch, dessen Frau die Abtheilung für weibliche Schüler leitete; und hier war es, wo Garfield seine spätere Frau, Lucretia Rudolph, die nur wenig jünger als er war, kennen lernte. Die Geauga Akademie hatte eine kleine Bibliothek von nahezu zweihundert Büchern, die Garfield mit Eifer benutzte. Obschon er mit dem größten Fleiße seinen Studien oblag, so war er doch, um sich Kost und Wohnung zu verdienen, bald gezwungen, dem Zimmermann Heman Woodworth bei dessen Berufsarbeiten am Sonnabend und in den sonstigen Freistunden hülfreiche Hand zu leisten, aber für die Sommermonate, wo Ferien waren, kehrte er zu seiner Mutter zurück und unterstützte dieselbe durch Farmarbeiten, wo und wie er nur konnte. Nach zwei Jahren verließ er die Geauga Akademie und trat im August 1851 in eine höhere Schule ein, die erst kürzlich in dem Städtchen Hiram in Portage County gegründet war, und nun wollte es der Zufall, daß er hier abermals mit Lucretia Rudolph zusammentraf, da deren Eltern nach Hiram gezogen waren. Gegenseitige Neigung verband bald die beiden jungen Herzen, und sie beschlossen, ein Paar zu werden, sobald Garfield das College absolvirt, das Examen bestanden und einen festen Lebensberuf ergriffen habe.

In Hiram war es auch, wo Garfield im Jahre 1850 sich taufen ließ, doch ohne sich einer bestimmten Secte anzuschließen. Er bewahrte sich seine freie religiöse Meinung und blieb im Wesentlichen den Campbelliten, in deren Kirchen er später wiederholt Vorträge hielt, getreu. Während Garfield fleißig weiter studirte und im Winter, wo auf der Lehranstalt in Hiram kein Unterricht gegeben wurde, zu Warrensville für achtzehn Dollars den Monat als Schulmeister fungirte, hatte seine Braut Lucretia in Cleveland eine Anstellung als Lehrerin gefunden.

Endlich, im Jahre 1854, war Garfield in seinem Wissen so weit fortgeschritten, daß er das Williams-College in Neu-England, an dessen Spitze Dr. Hopkins stand, besuchen konnte. Er hatte sich durch den Unterricht, den er in Warrensville ertheilt, eine kleine Summe erspart und erhielt durch die Verpfändung der Police einer Lebensversicherung, in die er sich mit Hülfe seines Bruders und eines gewissen Dr. Robinson eingekauft hatte, eine weitere Summe, sodaß er den Cursus auf dem Williams-College, ohne zu sehr in Noth zu gerathen, bei weiser Sparsamkeit zu absolviren im Stande war.

In: August 1856 bestand er mit Auszeichnung sein Examen. Er hatte die alten Sprachen, das Lateinische und Griechische, ziemlich gut inne, auch konnte er sich im Deutschen gewandt ausdrücken und war wohlbewandert in Goethe’s und Schiller’s Werken, während er von den englischen Schriftstellern, außer Shakespeare, vornehmlich Dickens, Thackeray und Tennyson liebte. Geschichte gehörte zu seinen Lieblingsfächern, und bei den Debattirübungen, die häufig auf dem College vorgenommen wurden, zählte er zu den gefürchtetsten Gegnern. In der letzten Zeit seines Aufenthaltes auf dem Williams-College gewann er auch ein lebhaftes Interesse für politische Fragen; er war ein begeisterter Anhänger von John C. Fremont, dem ersten Präsidentschafts-Candidaten der republikanischen Partei, zu der ihn vornehmlich sein Haß gegen das Institut der Negersclaverei hinzog.

In die Heimath zurückgekehrt, wurde Garfield von seinen Freunden und Bekannten mit großer Liebe empfangen. Man war dort seit einiger Zeit bemüht gewesen, eine höhere Lehranstalt unter dem Namen „Hiram Eclectic Institute“ zu errichten, in der eine mehr classische Bildung auf religiöser Grundlage zu möglichst niedrigen Preisen gewonnen werden könnte, und so war es natürlich, daß man seine Aufmerksamkeit auf den mit guten Zeugnissen von einem renommirten College des Osten heimkehrenden Landsmann lenkte und denselben für die neue Anstalt zu gewinnen suchte. In der That erhielt der fünfundzwanzigjährige Garfield eine Anstellung an dem erwähnten Institut als Lehrer der lateinischen und griechischen Sprache, und da er sich in dieser Stellung rühmlichst hervorthat, so wurde er schon nach einem Jahre zum Präsidenten der Anstalt gewählt. Diese für einen so jungen Mann seltene Auszeichnung war nun Garfield bemüht durch verdoppelten Fleiß und gewissenhafte Amtsführung zu verdienen, und er hatte das Glück, die seiner Leitung anvertraute Schule kräftig emporblühen zu sehen. Allein seine umfassende Lehrerthätigkeit hinderte ihn nicht, sich eifrig juristischen Studien hinzugeben; denn es war schon zu der Zeit, wo er sich mit Lucretia Rudolph, verlobte, sein Lieblingswunsch gewesen, dereinst ein tüchtiger Rechtsanwalt zu werden. Seine Stellung als Präsident des Hiram-Instituts hatte es ihm unterdessen ermöglicht, seine Braut als Gattin heimzuführen, und diese ist ihm stets eine verständnißvolle Begleiterin und eine treue Stütze in seinem vielbewegten Leben gewesen.

Der Präsidentschaft-Candidat der republikanischen Partei John C. Fremont war zwar bei der Präsidentenwahl im Jahre 1856 seinem demokratischen Gegner James Buchanan gegenüber unterlegen, aber der „unabwendbare Conflict“, der zwischen dem Norden und Süden der Union, zwischen den beiden Arbeitssystemen, dem der freien Arbeit und dem der Sclavenarbeit, bestand und in seinen Folgen bis in die neueste Zeit fortgedauert hat, hatte seine Lösung nicht gefunden. Die blutigen Kansas-Nebraskawirren warfen dunkle Schatten auf die sociale und staatliche Fortentwickelung der Vereinigten Staaten, und der Sclavenaufstand des alten John Brown, des „Helden von Osawatomie“, erregte die Gemüther aller denkenden Bürger in der nordamerikanischen Union. In der Gebirgsschlucht von Harper’s Ferry ertönten am 17. Oktober 1859 einige Musketensalven, denen bald der laute Donner des Secessionsgewitters antworten sollte. John Brown unterlag bei seinem Befreiungsversuche und erlitt am 2. December den Tod eines Verbrechers am Galgen. Sein Tod erlöste den Norden der Vereinigten Staaten von dem verderblichen, aber leider mächtigen politischen Zauber, womit die herrschsüchtigen Sclavenhalter des Südens den sonst so klaren Sinn der nördlichen Unionsbürger nur zu lange gefangen gehalten hatten. Die Trauer, welche durch das erschütternde Ende des alten Freiheitskämpfers in den verschiedensten Bevölkerungsschichten wachgerufen wurde, verwandelte sich bald in Begeisterung für die Sache, für die er sich zum Opfer gebracht hatte, und das schlichte, aber ergreifende Lied:

„Im Grabe modert John Brown’s Leib;
Sein Geist geht uns voran –“

führte nach zwei kurzen Jahren Tausende und aber Tausende in den blutigen Entscheidungskampf, welcher die Macht des rebellischen Südens brach und die Negersclaverei vernichtete.

Auch James A. Garfield konnte sich der eben geschilderten Bewegung nicht entziehen. Während der Jahre 1857 und 1858 nahm er lebhaften Antheil an allen politischen Fragen des Tages, sodaß sein Ansehen stieg, und im Jahre 1859 wurde er in den Senat der Gesetzgebung von Ohio gewählt. Hier zählte er bald zu den einflußreichsten Vorkämpfern für die nationale Einheit und Freiheit der Union, und als der Sturm des Secessionskrieges losbrach, griff auch er zu den Waffen. Freiwillige eilten massenhaft, sich einreihen zu lassen in die Schaaren der Kämpfer gegen die südlichen Rebellen, und in Hiram bildete sich eine Compagnie, die fast ausschließlich aus Schülern Garfield’s bestand; er selbst wurde zum Obersten eines Freiwilligen-Regiments erwählt und im December 1861 nach dem östlichen Kentucky commandirt. Wir müssen darauf verzichten, seine Soldatenlaufbahn hier genauer zu verfolgen, so ruhmreich sie auch für ihn war. Sein Sieg über den Rebellenführer Humphrey Marshall bei Piketon und Prestenburg verschaffte ihm den Rang eines Brigadier-Generals; er kämpfte mit unter Grant bei Pittsburg Landing, nahm Theil an der Belagerung von Corinth an der Grenze der Staaten Tennessee und Alabama, und war Mitglied des Kriegsgerichts, das über den General Fitz John Porter urtheilte. Im Januar 1868 wurde er vom Präsidenten Lincoln zum Stabschef der Cumberland-Armee ernannt, die unter dem Befehl des Generals Rosecranz stand, zu dessen intimsten Freunden und Rathgebern er gehörte, und in der äußerst blutigen, aber für die Unions-Armee nicht gerade glücklichen Schlacht bei Chickamauga zeichnete er sich so sehr aus, daß er zum Generalmajor befördert wurde.

Während aber Garfield sich als Soldat ruhmreiche Lorbeeren pflückte, vergaßen ihn seine Landsleute in der Heimath nicht. Derselbe Congreßdistrict, welcher so oft den edlen Freiheitsvertheidiger Joshua R. Giddings, den Freund des früheren Präsidenten John Quincy Adams, in die Bundesgesetzgebung gesandt, wählte im Sommer 1862 James A. Garfield zu seinem Vertreter im Repräsentantenhause des Congresses. Lange Zeit schwankte Garfield, ob

er bis zum Ende des Krieges in der Armee bleiben oder dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_100.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)