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Lippstedt ebenfalls immer den Gleichgültigen gespielt hat. Das wirft meine Theorie über den Haufen – schade! Sie war so schön – alles paßte so gut ineinander, sogar der romanmäßige Schatz hatte sich dabei verwenden lassen. Und ich war sehr stolz auf diese Theorie, die mir geradezu zugeflogen kam, als Mörner den Diebstahl erwähnte und die Gerüchte, Blenkner wäre derjenige, welcher –. Blenkner ist ein Mann in sehr bescheidenen Verhältnissen. Und der Schmuck gehörte seiner Tante, der Gräfin Hildegard, der ersten Frau, und war gräflich Hersfeldsches Familieneigentum, das er dann in einer schwachen Stunde, um es der neuen Gräfin zu entziehen, die ihn doch mit ihrem Gatten zu entzweien verstanden hat, geraubt und – in den See geworfen haben konnte. Nachher, so hatte ich weiter gefolgert, tat ihm dieses übereilte Versenken der Juwelen leid, und er suchte sie mit Hilfe Bollschwings wieder – im Taucheranzug und mit einer elektrischen Laterne bewaffnet herauszufischen.“

„Ah – Taucheranzug!“ entfuhr es Schraut. „Sehr richtig. Das erklärt dann auch das Leuchten auf dem Seegrund.“

„Sie sind ja so überrascht, Kollege?! – War Ihnen denn nach meinen naturwissenschaftlichen Bemerkungen auf der Chaussee über leuchtendes Holz, Leuchtkäfer und so weiter nicht sofort klar geworden, daß hier nur ein Mann im Taucheranzug mit elektrischer Lampe und ein zweiter, der die Luftpumpe bediente, in Betracht kommen konnten? – Mir kam dieser Gedanke schon in Berlin, und auch Holzmüller hat an diese Erklärung gedacht, wie er mir sagte. Ich wußte nur nicht, was die Betreffenden auf dem Seeboden suchten. Erst Mörners Mitteilungen ließen die Vermutung in mir aufsteigen, Blenkner und Bollschwing hätten hier als Taucher gearbeitet, was technisch durchaus möglich ist, da der See nur acht Meter Tiefe hat und da man einen beliebig langen Luftschlauch als Verbindung zwischen der an Land befindlichen Luftpumpe und dem Taucherhelm benutzen kann. Ich sage: an Land befindlichen Luftpumpe, – denn diese ließ sich hier im Walde leicht ganz versteckt aufstellen, so daß die beiden Verbündeten nicht nötig hatten, ein Boot zu benutzen. – Doch – zurück zu meiner – leider verfehlten – Theorie.

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/73&oldid=- (Version vom 1.8.2018)