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Zu dieser paßte ja auch tadellos das Verhalten Blenkners mir gegenüber. Er fürchtete eben, ich könnte hinter den wahren Sachverhalt kommen, und wollte, so glaubte ich, durch Bollschwing hier schnell alle Spuren beseitigen lassen, die die beiden und ihre Tauchtätigkeit hätten verraten können. Des Grafen Lippstedt scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber die Lichterscheinungen im See hatte ich mir wieder so ausgelegt, daß er sehr wohl den ganzen Zusammenhang zwischen dem Diebstahl und dem Seeleuchten ahnte, daß er aber aus alter Anhänglichkeit an Blenkner, den er geradezu geliebt haben soll, die Sache ihren Gang gehen ließ. Als er mich, den Liebhaberdetektiv, nun hier in der Maske des Leiermannes zu erkennen glaubte, hat er wohl ähnlich gedacht wie Blenkner, das heißt gefürchtet, ich könnte wirklich alles aufdecken. Deshalb wollte er mich für einige Zeit – kaltstellen, bis sein Neffe eben die nötigen Vorkehrungen getroffen hätte, mir jeden Erfolg unmöglich zu machen. – Sie sehen, lieber Schraut, – nein, lieber Schüler, daß diese Theorie viel Bestechendes an sich hatte. Doch – jetzt ist sie für mich erledigt, wenigstens in dem Hauptpunkt, dem Suchen nach dem Schmuck. – Sie fragen: weshalb erledigt? – Denken Sie doch mal nach. Wenn der Graf, wie ich annahm, die Dinge laufen lassen wollte, wie sie liefen, wenn er seinen Neffen bei der Taucharbeit nicht stören wollte, dann – dann wäre er doch niemals so und so oft mit seiner Frau, die den Schriftsteller förmlich zu hassen scheint und die ihn somit sicher nicht geschont, die der Graf aber aus diesen Gründen auch nie in seine Ansicht von dem See-Geheimnis eingeweiht haben würde, in dunklen Nächten gerade auf dem See umhergerudert – nein, niemals! – Ich bin hier auf falscher Fährte gewesen – auf ganz falscher. Aber – wo finde ich die richtige?“

Er versank in Nachdenken, rauchte schweigend eine zweite, dritte Zigarette, starrte zu der silbern glänzenden Mondscheibe empor und schien Schrauts Gegenwart völlig vergessen zu haben. Dann sprang er plötzlich auf. – „Kommen Sie, Kollege, ich muß mich mal auf Blenkners Grundstück näher umsehen,“ sagte er. „Der Gastwirt besitzt ein Rad. Es steht im Flur. Holen Sie es. Ich habe mir das des Amtsrichters

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)