Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung/Vierzehntes Buch

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Vierzehntes Buch.
Denkungsart der Athenienser über Liebe zu den Weibern und die Verbindung mit ihnen bis zu den Zeiten Alexanders des Großen.


Erstes Kapitel.
Einleitung.

Die Denkungsart der Athenienser über den Gegenstand, der mich in diesem Werke beschäftigt, verdient meine ganze Aufmerksamkeit. Sie hat den größten Einfluß auf die Denkungsart der nachfolgenden Jahrhunderte gehabt: sie gehört dem aufgeklärtesten Volke an, von dem uns die Geschichte Nachrichten aufbewahrt hat, und zum Glück für uns sind diese Nachrichten vollständiger, als wir sie von irgend einem Volke der älteren Zeit besitzen. Um aber das Verhältniß der Geschlechter zu einander und die davon abhängenden Begriffe über Geschlechtsverbindung und Liebe besser zu beurtheilen, muß ich einige Bemerkungen über die Art vorausschicken, wie die Athenienser über Menschenwerth und Menschenvortrefflichkeit dachten.

[50] Athen war eine Republik: Patriotismus war die erste unter den Pflichten und Tugenden, die ihre Einwohner kannten. Das höchste Verdienst bestand darin, den Wohlstand des Vaterlandes und sein Ansehn bey den Barbaren und den benachbarten Griechen zu vermehren. Weisheit, Muth, Geschicklichkeit, in Beziehung auf den Stand des handelnden Bürgers, machte eigentlich das Edle und Schöne nach der Denkungsart des größeren Haufens aus. Der Grundsatz: befördre durch weise Beherrschung deiner Triebe deine eigene Glückseligkeit und Ruhe auf die Dauer! war zwar in Athen, so wie überall, derjenige, der sich durch seine Faßlichkeit und allgemeine Anwendbarkeit am meisten empfahl. Inzwischen forderte Bürgerpflicht und Bürgerruhm zu mancher Aufopferung dieser eigenen Glückseligkeit auf, und die Athenienser verschmähten keines der Mittel, wodurch der öffentliche Geist unterstützt werden konnte. Ehrgeitz war die edelste der Leidenschaften: Der Vorzug, an der Spitze der Republik und ihrer Bürger im Krieg und Frieden zu stehen, der rühmlichste Zweck des Lebens, und da nichts so vortheilhaft für den Staat ist, als die schwärmerische Anhänglichkeit, mit der jeder einzelne Bürger an der mystischen Person der Republik hängt, so legte man einen hohen Werth auf die Begeisterung überhaupt, und besonders auf diejenige, welche zu Aufopferungen des partikulären Interesses für das öffentliche anfeuert.

So dachte der Athenienser im Ganzen: oder vielmehr, es war gute Sitte in Athen, so zu denken. Man verkannte dabey nicht den Werth solcher Tugenden, die den Menschen für sich, oder als Mitglied [51] einer Familie, oder im Verhältniß zu der Menschheit überhaupt zieren und beglücken. Aber sie waren den Bürgertugenden untergeordnet, und wenn der große Haufe von Adel und Schönheit sprach, so verstand er darunter Weisheit, Muth, Mäßigkeit und Geschicklichkeit, wie sie in einem thätigen, dem Wohl des Staats unmittelbar gewidmeten Leben erfordert werden, um sich darin als Bürger auszuzeichnen. [1]

Hieraus ergiebt sich sogleich, daß der Athenienser, ohne gerade das Weib zu verachten, ihm doch denjenigen Werth, den er auf den Mann als handelnden Bürger legte, nie zuschreiben konnte. Das eigentlich Edle und Schöne paßte nicht auf das zärtere Geschlecht nach ihren Begriffen. Aber eine Weiberverachtung, eine Verkennung ihres moralischen Werthes, als Menschen, und Mitglieder der Familie und der größern örtlichen Gesellschaft: eine Abneigung gegen die Ehe, als ein zwangvolles, bloß pflichtmäßiges Verhältniß, läßt sich daraus keinesweges folgern. Man kann vielmehr beweisen, daß die Athenienser zu den Zeiten ihres Flors den Gattinnen einen hohen moralischen Werth, und der Verbindung mit ihnen einen großen Anspruch auf Beglückung des Mannes beygelegt haben.

Um aber in dieser höchst bestrittenen Materie zu einer richtigen Erkenntniß zu kommen, muß man [52] nothwendig die verschiedenen Klassen der Weiber, und dann die verschiedenen Gesichtspunkte von einander unterscheiden, aus denen das Gesetz, oder die Regel für den großen Haufen, dann die gute Sitte, oder die Regel für den gebildeteren Athenienser, und endlich der Philosoph, oder der ausgezeichnete Selbstdenker, das zärtere Geschlecht betrachtet haben.


Zweytes Kapitel.
Denkungsart der Gesetzgeber und Staatsmänner über diese Materie.

Die Weiber in Athen lassen sich, in so fern sie hier in Betracht kommen, unter drey Klassen bringen. Sie waren entweder freye, eingeborne Töchter, Schwestern, Gattinnen der Staatsbürger; oder Fremde, Freygelassene, Töchter von Freygelassenen; (eine Klasse, woraus die sogenannten Freundinnen, Hetären, Freudenmädchen, hergenommen wurden,)[WS 1] und endlich Sklavinnen, die oft zu Beyschläferinnen dienten.

Die letzten liegen ganz außer dem Zwecke meiner Untersuchung. Nur die Matrone und die sogenannte Freundin werden meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich will zuerst den Geist der atheniensischen Gesetzgebung und Politik in Ansehung der Matronen etwas näher zu entwickeln suchen.

Die Gesetze des Solon [2] über die ehelichen und Familien-Verhältnisse deuten auf Ueberbleibsel eines [53] patriarchalischen Regiments hin. Daher die Heyrathen zwischen Personen in der Familie selbst: [3] daher das Recht der Väter, der Brüder, der Vormünder, die Töchter nach Gutbefinden zu verloben: Daher das Recht der Väter, über Leben und Tod neugeborner Kinder zu entscheiden, und sie der Familienrechte zu berauben: [4] Daher besonders das Recht der Verwandten, die reichen Erbinnen nach dem Grade der Blutsfreundschaft gerichtlich zur Gattin auszuklagen; ein Gesetz, das durchaus seinen Grund in der Sorge gefunden haben muß, die Güter nicht aus der Familie kommen zu lassen. Man vindicierte eine Erbin, wie man ein Legat vindicieret: starb der erste Mann ohne Kinder, so ging sein Recht auf die hinterlassene Gattin an den nächsten Anverwandten über. War aber der vindicierende Gatte unfähig zu dem Zwecke der Ehe, so durfte sie sich mit demjenigen Anverwandten, der nach ihm der nächste war, verbinden. [5]

[54] Alles dieß läßt auf keine Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes nach dem Geiste der Gesetze des Solon schließen, und man muß es sagen: unbekümmert um die Erziehung des Mädchens, und die innere Lage der Gattin zu ihrem Manne, [6] hat er nur dahin gesehen, dem Hausvater seine Eigenthumsrechte, und seine häusliche Ruhe zu sichern. Ueberall bemerkt man, daß sich die Gesetze des Weibes nur in so fern annehmen, als es mittelst des Mannes mit dem Staate zusammenhing. Die Matrone stand allerdings unter dem Schutze des Staates: aber hauptsächlich in so fern sie den Beleidigungen oder der Verführung fremder Männer ausgesetzt war, oder als ihre Lage gegen den Gatten und die Gesellschaft der Population und den Sitten nachtheilig werden konnte. Der Weiber-Raub, und die schändliche Gewinnsucht der Gelegenheitsmacher, waren mit scharfen Strafen verpönt. Töchter und Schwestern, die auf einer unehrbaren That ertappt wurden, konnten von ihren Eltern und Brüdern wie Sklavinnen verkauft werden. Der beleidigte Gatte durfte den Ehebrecher umbringen, und Verführung ward noch härter [55] bestraft als Gewalt. Nur ein einziges frey- und eingebornes Weib ward als rechtmäßige Gattin anerkannt; nur die Verbindung mit ihm war Ehe, und Kinder, die nebenher gezeugt wurden, theilten weder die Pflichten noch die Vortheile derjenigen, welche das Gesetz als Repräsentanten der Familie ansah. Aber diese Matronen waren auch an eine große Eingezogenheit und an eine große Sorgfalt für den äußern Anstand, wenn sie öffentlich erschienen, gebunden. Der Mann war ihr Richter daheim: sie fanden nur bey den Anverwandten Schutz gegen seine üble Behandlung. [7] Wollten sie zur Scheidung schreiten, so mußten sie den Scheidebrief selbst vor Gericht überliefern, und ihre Schamhaftigkeit erlaubte ihnen nur selten, von diesem Mittel Gebrauch zu machen. Die Gesetze banden den Mann nicht ausdrücklich an Treue: die Ausschweifungen, die er mit ungebundenen Mädchen beging, galten nicht für Ehebruch. Solon errichtete sogar der Venus Pandemos einen Tempel, und behandelte andere unnatürlichere Ausgelassenheiten mit Nachsicht. [8]

Aus allem diesem erhellet so viel, daß die Gesetze sich nur in so fern mit der Gattin beschäftigt haben, als sie zur Gewinnung einer rechtmäßigen Nachkommenschaft wie ein unentbehrliches Werkzeug erschien. „Nimm“, sagte Solon, „ein einziges eheliches Bürgerkind zum Weibe, um Kinder zu zeugen!“ Dieß liegt [56] ganz in dem Geiste einer republikanischen Gesetzgebung, und vorzüglich der ältern, wornach das partikuläre Wohl des einzelnen Bürgers in keinen besonderen Betracht gezogen, sondern seiner eigenen Sorge und den Sitten überlassen wurde. Der Gesetzgeber und sein Nachfolger, der Staatsmann, glaubten zufrieden seyn zu können, wenn sie den Staat durch rechtmäßige Bevölkerung erhalten, und die öffentliche Ruhe und Sicherheit durch Sittenlosigkeit der Gattinnen, durch Frechheit der Buhlen, und durch lautgewordene Mißhelligkeiten der Familien nicht gestört fänden. Ihre Verfügungen hielten den Pöbel unter allen Ständen zu derjenigen Ordnung an, ohne welche der Staat gar nicht bestehen konnte. Sie sahen in den engeren Verbindungen unter beyden Geschlechtern nur das Wesentlichste, Unentbehrlichste zur Wohlfahrt des allgemeinen Besten. Und so kann man es sich denn erklären, wie Demosthenes sagen kann: „die Ehefrau sey ein Mittel, um rechtmäßige Kinder zu gewinnen, und das Hauswesen in Ordnung zu erhalten;“ oder wie Thucydides behaupten mag: „diejenige Gattin verdiene das größte Lob, von der man außer Hause weder Gutes noch Böses höre.“ Der Staatsmann muß so sprechen, weil er von den Weibern im Ganzen nicht mehr verlangen kann, und die Republik bestehen mag, wenn nur alle Weiber ohne Unterschied diesen Zweck erfüllen, und auf diesen Ton gestimmt sind.

Das war die Regel für die Denkungsart des großen Haufens.

[57]
Drittes Kapitel.
Fortsetzung: Begriffe und Grundsätze der guten Sitte über diesen Punkt.

Aber die gute Sitte, oder die Denkungsart des wohlerzogenen und gebildeteren Haufens unter den Atheniensern, ist gewiß bey diesen eingeschränkten Forderungen des Gesetzgebers an die Matrone nicht stehen geblieben. Sie hat von der Gattin verlangt, daß sie eine gute Hausfrau seyn solle: sie hat ihr Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden eingeräumt, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise seiner Familie und in seinen Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann; ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke, und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet.

Ich suche die Beweise dieser Behauptung bey den Schauspieldichtern auf, die uns aus den Zeiten des Flors der Athenienser übrig geblieben sind.

Von den Komikern hat sich der einzige Aristophanes erhalten. Sein Zweck ging nicht dahin, die gute Sitte darzustellen; er suchte vielmehr überall die schlechte auf, um Lachen zu erregen. Wer auf so etwas ausgeht, ist überhaupt kein gültiger Zeuge für den Werth oder Unwerth seiner Mitbürger: er ist es aber um so weniger, wenn er mit sich selbst nicht überein stimmt. Der nehmliche Spötter des zärteren [58] Geschlechts, der ihm die gröbsten Laster und die niedrigste Verworfenheit Schuld giebt, greift den Euripides wegen seiner Weiberfeindschaft an. Wir werden gleich sehen, mit welchem Rechte. Genug! Ein Komiker wie Aristophanes nimmt die Sitten einzelner hervorstechender Individuen für Sitten eines ganzen Standes und Geschlechts an, und übertreibt die Farben, um die Wirkung, die er beabsichtigt, zu erhöhen. Ich glaube nicht, daß man aus seinen Darstellungen etwas Zuverlässiges über die Denkungsart der gebildeteren Klasse in Athen in irgend einem Stücke folgern könne.

Die Werke der Tragiker scheinen mir eine wichtigere Quelle zu seyn, um daraus Kenntnisse über den Werth der Frauen, der engeren Verhältnisse zwischen ihnen und den Männern, und über die Liebe nach den Begriffen der Athenienser zu schöpfen. Aber man muß sie mit Behutsamkeit nutzen.

Der Tragiker schildert ausgezeichnete Menschen, Menschen, die sich über das Gemeine an Tugenden, Lastern, und Schicksalen erheben: er nimmt seine Helden, und die Lage, in die er sie versetzt, gemeiniglich aus der Vorzeit, und oft aus der Geschichte benachbarter Länder. Er sucht das Interesse des gebildeteren Haufens seiner Zuschauer zu erwecken. Alle diese Rücksichten entfernen ihn um etwas von den lokalen Sitten des größern Haufens, und selbst von denen der guten Gesellschaft. Man kann also schlechterdings nicht behaupten, daß alle atheniensische Weiber den dargestellten geglichen haben: man darf durchaus nicht annehmen, daß die Ausdrücke von Hochschätzung oder Verachtung gegen das zärtere [59] Geschlecht, welche einzelnen Personen, besonders unter gewissen Lagen beygelegt sind, auf Gesinnungen schließen lassen, die zur guten Sitte in Athen gehörten. Ja! man kann nicht einmahl mit völliger Zuversicht behaupten, daß die Begriffe über Anstand, in den Verhältnissen der beyden Geschlechter gegen einander, völlig die nehmlichen auf dem Theater und im gemeinen Leben gewesen, und daß alle Weiber der Bürger in Athen so behandelt worden sind, wie die Könige in Argos oder Theben ihren Gattinnen, Schwestern und Töchtern auf der Bühne begegnen.

Inzwischen ist es mir sehr wahrscheinlich, daß die Tragiker sich mehr an die Sitten ihres Zeitalters und ihrer Stadt, als an die der Vorwelt und benachbarter Länder gehalten, daß sie folglich ihre Helden möglichst athenisiert haben. Denn bey der Vergleichung der Sitten dieser Helden mit denen, die ihnen Homer beylegt, findet sich zwischen beyden noch ein merklicher Abstand. Dieser Abstand äußert sich sogar bey der Vergleichung der Darstellungen, die uns die Tragiker von den Sitten ihrer Helden liefern, indem man beym Euripides eine Ausbildung derselben findet, die auf eine fortgeschrittene Kultur der Zuschauer seit den Zeiten des Aeschylus schließen läßt. Wären die Dichter den Traditionen aus der Vorzeit genau gefolgt, so würden sich die Sitten völlig gleich geblieben seyn. Endlich ist es ganz im Geiste der griechischen Künstler überhaupt, sich möglichst an die lokale Denkungsart des Staats und der Zeit zu halten, auf die sie zunächst wirken wollten.

Gesetzt aber, ich irrte mich hierunter, so darf ich wenigstens für gewiß behaupten, daß die Tragiker [60] sich nie so weit von der herrschenden Denkungsart und den Sitten der gebildeteren Klasse ihrer Zuschauer haben entfernen dürfen, um die Helden und Heldinnen, die sie auftreten ließen, als Geschöpfe aus einer ganz fremden Welt erscheinen zu lassen. So etwas würden wir nicht leiden, und der Athenienser litt es gewiß noch weniger. Die dargestellten Personen mußten so denken, so empfinden und so handeln, daß der Zuschauer ihre Existenz bey und neben sich als möglich ahnen konnte. Wenn wir daher die Frau in einem Zustande von orientalischer Erniedrigung dargestellt finden sollten; so dürften wir gewiß glauben, die gebildete Klasse von Athen sey daran gewöhnt gewesen, das Geschlecht im gemeinen Leben mit Verachtung behandelt zu sehen. Fänden wir hingegen, daß die Frau auf der Bühne das Publikum durch Tugenden hätte interessieren können, die kaum auf dem Theater von Paris in einem höhern Lichte erscheinen; so dürften wir eben so wohl sicher glauben, daß die gebildetere Klasse der Athenienser diesen moralischen Werth nicht unvereinbar mit dem zärteren Geschlechte gehalten habe, und in diesem Glauben durch einzelne, der Heldin auf der Bühne sich annähernde Beyspiele im gemeinen Leben, unterstützt sey.

Sicher können wir ferner annehmen, daß die Betrachtungen über dargestellte Charaktere und Handlungen, welche den Chören in den Mund gelegt werden, gemeiniglich nach der Denkungsart der Zuschauer und nach ihren lokalen Sitten eingerichtet sind. Das Chor hat oft die Bestimmung, die entfernten Begebenheiten auf die jetzigen Verhältnisse der Zuschauer zurück zu führen. Wir dürfen daher besonders [61] diejenigen Gesinnungen, die ihm beygelegt werden, in den meisten Fällen für die Denkungsart und die Stimmung der guten Gesellschaft in Athen halten.


Viertes Kapitel.
Denkungsart des Aeschylus in diesem Punkte.

Beym Aeschylus erscheint die Gattin bereits als Matrone: Sie ist Genossin des Mannes im Hause, und außerhalb geehrt.

Im Prometheus räth das Chor den Weibern, „auf Gleichheit des Standes in der Ehe zu achten, und sich an keinen reichern, vornehmern Gatten zu verheyrathen.“ Ein Beweis, daß eine gewisse Freyheit und Gleichheit der Rechte zwischen beyden Ehegatten schon damals zum Glück der Verbindung nöthig gehalten wurde!

In den sieben Helden vor Theben[WS 2] erscheint ein Chor junger Weiber, die während der Belagerung der Stadt aus Patriotismus und Furcht die Götter für das Wohl des Vaterlandes anrufen. Eteokles der Tyrann setzt sie darüber zur Rede: er tadelt es, „daß sie durch ihr Geschrey und Gebet die Gefahr vergrößern, und den Muth der Bürger schwächen. Möge ich“, sagt er, „weder im Glück noch im Unglück ein Genosse des Weibes seyn! Uebermüthig oder kleinmüthig, richtet es nichts als Unheil im Hause und in der Stadt an. – Das Weib muß gehorchen, schweigen, und daheim bleiben!“

[62] Gehört die Härte dieser Rede der guten Sitte in Athen, oder der besondern Situation und dem individuellen Charakter des Eteokles? Offenbar dem letzten. Eteokles wird in dem ganzen Stücke als ein rauher, unbiegsamer Mann, als ein Verächter der Götter geschildert, der den Fluch des Vaters auf sich geladen, und seinen Bruder um die Regierung betrogen hat. Dagegen verräth das Chor, das aus Weibern besteht, die frömmsten und sittlichsten Empfindungen. Antigone erscheint bereits mit dem edeln Stolze und der sich aufopfernden Geschwisterliebe, die sie auch bey den nachfolgenden Tragikern auszeichnet.

In den Persern wird der Atossa, der Mutter des Xerxes, die größte Ehrfurcht von den Vornehmsten unter dem Volke bezeugt, die sie auch nicht bloß durch ihren Stand, sondern auch durch ihren Charakter verdient. Bey der Nachricht von der Niederlage ihres Sohns zeigt sie Fassung, Ergebung in den Willen der Götter, und zugleich mütterliche Zärtlichkeit. Freylich! sie war eine Königin, eine Perserin! Aber das Publikum in Athen konnte doch einen solchen Charakter und solche Verhältnisse interessant finden. Sie können ihm daher nicht ganz fremd gewesen seyn.

In den Choephoren wird Elektra eben so großherzig und muthig, und minder grausam als beym Sophokles und Euripides geschildert. Im Agamemnon begegnet das Chor der Klytemnestra mit Ehrerbietung. „Es ist billig“, sagt es, „die Gattin des Königs zu ehren, wenn er gleich fern von ihr ist.“ Die Königin wünscht, daß die Griechen die Götter nicht beleidigen, und sich dadurch die Rückkehr in ihr Vaterland erschweren mögen. „Dieß“, sagt sie, [63] „sind die Gedanken eines Weibes!“ Aber das Chor erwiedert: „daß sie mit männlicher Klugheit gesprochen habe.“

Klytemnestra giebt in der Folge die frohe Erwartung zu erkennen, die sie hat, ihren Gatten wieder zu sehen. Sie rühmt sich ihrer Treue. Sie hat, wie sie vorgiebt, während seiner Abwesenheit kein Vergnügen genossen, keinem unanständigen Antrage Gehör gegeben, keinen Kranz um ihr Haupt gewunden. Der Herold sagt ihr: „ein edles Weib habe Recht, sich einer solchen Aufführung zu rühmen!“

Agamemnon erscheint: Klytemnestra drückt ihm ihre Freude über ihre Wiedervereinigung hauptsächlich durch Erinnerung an die Leiden und Besorgnisse aus, die sie während seiner Abwesenheit empfunden hat. Diese Schilderung ist erheuchelt, aber sie ist nach dem Bilde einer wahren Zärtlichkeit geformt. Agamemnon stimmt nicht in diesen Ton ein, er sucht nur mit Bescheidenheit die Ehrenbezeugungen abzulehnen, die ihm Klytemnestra bereitet, und empfiehlt ihr die Kassandra, die er als Sklavin mitgebracht hatte. In der That wird diese auch von der Königin mit verstellter Freundlichkeit aufgenommen. Aber sie, als Seherin, ahnet den Tod des Agamemnon und ihren eigenen. Muthig geht sie diesem entgegen, und das Chor rühmt ihre „Weisheit und ihren Muth.“

Agamemnon ist von der Hand der Klytemnestra gefallen. Diese erscheint wenigstens nicht als eine gemeine Sünderin. Sie rühmt sich ihrer That, und als das Chor ihr seinen Beyfall versagt, setzt sie sich über Lob und Tadel hinaus. Sie glaubt eine gerechte Rache ausgeübt zu haben: „Agamemnon hat ihre [64] Tochter Iphigenia geopfert. Der unnatürliche Vater mag jetzt in der Unterwelt in ihre Umarmungen eilen!“

Das Chor droht einen Aufruhr zu erregen. Aeghisth will gewaltsame Mittel gegen die Griechen, die das Chor ausmachen, brauchen, aber Klytemnestra ermahnt ihn, „ihre leeren Drohungen zu verachten.“

In den Eumeniden kommt ein gerichtlicher Streit zwischen den Furien und dem Apollo vor, worin der Gott die Rolle des Advokaten des Orestes übernimmt. Dieser, der seine Mutter umgebracht hatte, wird von den Eumeniden für viel sträflicher gehalten, als Klytemnestra, die ihren Gatten mordete, weil sie mit ihm durch keine Bande der Blutsfreundschaft zusammen hing. Apollo behauptet dagegen, „der Mord eines Königs und Heerführers könne mit dem eines Weibes, das nicht wie die Amazonen zum Kriege geschickt sey, nicht verglichen werden. Ohnehin sey die Mutter nicht Zeugerin, sondern nur Aufbewahrerin und Nährerin des Kindes.“ – Die Sache wird durch einen Vergleich beygelegt.

In den Supplikantinnen beruht das Interesse auf der Abneigung, welche die Töchter des Danaus gegen die Ehe mit den Söhnen des Aegyptus, ihren Vettern,[WS 3] hegen. Merkwürdig ist es, daß sie zum Grunde dieser Abneigung den Umstand angeben, „daß sie nicht Sklavinnen der Nachkommenschaft des Aegyptus werden, und ihre Vettern nicht als Herrn anerkennen wollen.“ Es scheint sich inzwischen dieß auf ein besonderes Verhältniß zwischen dem Danaus und seinem Bruder Aegyptus, oder auf eine ägyptische [65] Landes-Sitte zu beziehen. [9] Daß die Weiber in Athen ihre Männer allgemein als Herren betrachtet hätten, läßt sich daraus nicht folgern. Uebrigens werden diese Danaiden als muthige Weiber geschildert, die den Tod weniger, als eine verhaßte Verbindung fürchteten. Sie finden Schutz bey den Argivern. Ihr Vater Danaus ermahnt sie, ihre Unschuld dem Leben vorzuziehen, und sie weihen sich gern der keuschen Diana, wenn sie nur vor[WS 4] einer gezwungenen Heirath bewahrt bleiben können.

Dieß sind die Züge, die ich aus dem Aeschylus ausgehoben habe, um seine Denkungsart, die ich zugleich für die der gebildeteren Klasse seiner Zuhörer halte, näher zu bestimmen. Rohe Größe war der Charakter dieses Zöglings der Natur und seines Zeitalters. So leicht diese zum Uebermuth gegen das zärtere Geschlecht führen kann, so findet sich doch davon keine Spur in seinen Werken. Es erscheint vielmehr die Matrone bey ihm mit wahren Tugenden, oder wenigstens mit einer Seelenstärke ausgesteuert, die ihr die Achtung, oder doch das Interesse der Zuschauer sichert. Nirgends wird sie von den Rechten der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen, und bis zur Sklavin, oder bis zum eingekerkerten Familienmitgliede herabgewürdigt. Sie erscheint frey und selbständig, aber freylich dem Manne untergeordnet, und weniger als er geschätzt.

Die Geschlechtsliebe hat dem Aeschylus kein Süjet zu einem von denjenigen Trauerspielen dargeboten, die uns noch von ihm übrig sind. Aber eine große [66] Menge von ihnen ist verloren gegangen, und wer steht uns für dasjenige ein, was diese enthielten? So viel zeigt sich allenthalben, und besonders aus dem Beyspiele der Klytemnestra, daß die Zeitgenossen des Aeschylus einen hohen Werth auf eheliche Treue und zärtliche Anhänglichkeit des Weibes an dem Manne legten. Es scheint aber zugleich, nach eben diesen Beyspielen zu urtheilen, daß ein Mangel an wechselseitiger Zärtlichkeit von Seiten des Gatten sie nicht beleidigt habe.


Fünftes Kapitel.
Denkungsart des Sophokles in diesem Punkte.

Sophokles nutzt den Edelsinn der Weiber und ihre Liebe zum Manne bereits mehr wie Aeschylus, um das Interesse der Zuschauer zu erwecken. In den Trachinerinnen erscheint Dejanira als ein höchst liebendes und nur durch die Liebe fehlendes Weib.

Wie zärtlich drückt sie gleich anfangs ihre Sorgen für den abwesenden, immer gefahrvollen Unternehmungen ausgesetzten Gatten aus? Und dennoch sendet sie ihren Sohn nach ihm aus, ihn aufzusuchen, und die Gefahr mit ihm zu theilen. „Wir leben“, sagt sie, „wenn dein Vater lebt, und sterben wenn er stirbt!“ Welche Freude, als sie endlich die erste Bothschaft erhält, daß Herkules als Sieger heimkehre! Sie bejammert das traurige Loos der gefangenen Weiber, die er ihr zusendet. Edel und zugleich weiblich zeigt sich [67] ihr Charakter in folgender Stelle: „Wie sollt’ ich mich nicht freuen, daß mein Gemahl eine gerechte That glücklich vollbracht hat: ich habe Antheil an diesem Ruhme, und doch hör’ ich nicht auf, mich zu ängstigen! Wie nahe grenzt Glück an Unglück! Ich leide beym Anblick dieser Schar unglücklicher Gefangenen! O Zevs! laß nie ein ähnliches Loos meinem Geschlechte bestimmt seyn!“ u. s. w. Bald erfährt sie die Untreue des Herkules, und daß ihre Nebenbuhlerin Iola unter den Gefangenen in ihrem Hause sey. Weit entfernt, in wilde Wuth überzugehen, fühlt sie nur die Furcht, ihren Gatten unwiederbringlich verloren zu haben. Sie erkennt, daß ihre Nebenbuhlerin seine Neigung verdiene. „Ihr Auge ist seelenvoll“, spricht sie, „und Wuchs und Geberde sind edel!“ Zwar kommt etwas von dieser Resignation auf Rechnung der Gewohnheit, ähnliche Beleidigungen zu ertragen. „Herkules“, spricht sie, „ist vieler Weiber Mann. Aber unerträglich ist es doch, mit derjenigen zusammen zu hausen, die mit uns die Rechte der Ehe theilt.“ Rächen aber will sie sich nicht: nein! nur die Liebe des Herkules will sie wieder gewinnen. Nur darum sendet sie ihm das verderbliche Geschenk zu, dessen wahre Wirkung sie nicht kennt. Aber kaum fängt sie an zu ahnen, daß es dem Geliebten schädlich seyn könne, so geht sie zur Verzweiflung über. „Sinkt er dahin“, ruft sie, „so sterbe ich mit ihm! Kein edles Weib duldet ein Leben, das mit Verbrechen befleckt ist!“ Bald darauf beladet sie ihr Sohn Hyllos mit den schrecklichsten Vorwürfen, und ohne sich zu entschuldigen, ohne ihm das Willenlose der That zu entdecken, eilt sie fort, und macht ihrem Leben ein Ende. –

[68] Es ist unmöglich, einen weiblichen Charakter in dieser Lage interessanter und zugleich liebender erscheinen zu lassen. Es ist keine Empfindung in dieser Darstellung, die wir nicht dem beleidigten Weibe auf unserm Theater verzeihen, es sind mehrere Gesinnungen darunter, die wir bewundern würden. Um desto abstechender von unsern Sitten ist dagegen das Betragen des Herkules. Als er ihren Tod erfahren hat, bedauert er nur, daß sie nicht von seiner Hand gestorben sey, sie, die er doch zuerst beleidigt hatte. Er erfährt nachher, daß sie schuldlos gewesen ist, daß das Zaubermittel, das ihm den Tod zuzieht, in der Hoffnung angewandt war, seine Liebe wieder zu gewinnen. Aber er denkt nur an sich selbst, und erwähnet der Gattin nicht weiter. – Eher begreiflich, aber doch von unsern Begriffen über den Anstand abweichend, sind die harten Vorwürfe, mit denen der Sohn seine Mutter überhäuft. Am allerauffallendsten aber ist der Befehl, den Herkules diesem Sohne giebt, seine Beyschläferin zu heyrathen. Hyllos sträubt sich zwar anfangs, aber bloß weil sie Schuld an dem Tode seiner Mutter, und mittelbarer Weise auch an dem seines Vaters war. Endlich willigt er doch ein.

Billig fragt man nun: läßt sich aus dem Betragen des Herkules gegen Dejanira auf eine in Athen herrschende Denkungsart schließen, nach welcher dem Manne keine Pflicht der Treue oblag, nach welcher er, bloß um sich selbst bekümmert, ihrer Liebe keine Erwiederung, keine Dankbarkeit schuldig war? Unstreitig nicht! Der Dichter hat sich hier offenbar in den Charakter seines Helden und seines Zeitalters hinein versetzt. Der Befehl des Vaters an seinen Sohn, [69] seine Beyschläferin zu heirathen, eine Sitte, die in Athen zuverlässig nicht angenommen war, setzt dieß außer Zweifel. Allein auf der andern Seite erscheint doch aus der Freiheit, die der Dichter hatte, solche Gesinnungen aufs Theater zu bringen, und aus dem ganzen Betragen Hyllos gegen seine Mutter, das von dem gegen den Vater so sehr absticht, daß es die guten Sitten nicht beleidigte, wenn die Frau dem Manne nachgesetzt, und als für ihn geschaffen dargestellt wurde.

Eben dasjenige, was ich aus den Trachinerinnen gefolgert habe, scheint auch der Ajax des Sophokles zu bestätigen. Die Athenienser interessierten sich für die Liebe der Frauen gegen ihre Männer, ohne sich durch den Mangel einer zärtlichen Erwiederung von diesen empört zu fühlen. Tekmessa, die Beyschläferin des Ajax, erscheint eben so liebend als edel in diesem Stücke. Er hat sich selbst umgebracht: sie sieht mit ihrem Sohne der Knechtschaft entgegen: sie ahnet die Freude seiner Feinde über seinen Tod; demungeachtet bricht sie in die wahrhaft edeln und liebenden Worte aus: „Mich schmerzt sein Tod mehr, als er sie erfreuet. Doch ist er erwünscht für ihn! Was spotten sie des Helden? Er hat den Tod, das Ziel, das er selbst erwählt hatte, erreicht. Er ist hin! und hat seine Leiden mir hinterlassen!“

Ajax erscheint dagegen ganz gleichgültig gegen die treue Freundin. Er nimmt Abschied von seinen Eltern und von seinem Vaterlande. Aber ihrer erwähnt er mit keinem Worte.

In der Antigone schildert der Dichter zwey der edelsten weiblichen Seelen. Antigone selbst als heftig, [70] vordringend, muthig, Gefahr und Tod verachtend. „Meinen Bruder unbegraben zu lassen“, ruft sie, „das wäre schmerzhaft; der Tod ist es nicht!“ Die Schwester Ismene ist dagegen sanft und schüchtern, duldend, aber nicht minder edel. Ihre Schwester soll die Uebertretung des Gesetzes mit dem Tod büßen, und sie, die die Schuld nicht getheilt hat, giebt sich als Theilnehmerin an, und will mit ihr sterben.

Sonderbar! Antigone ist mit Haimon, Kreons Sohne, versprochen, aber die Liebe zu dem Bruder erfüllt dergestalt ihr Herz, daß sie auch des Geliebten nicht einmahl erwähnt, und, ohne ihm ein Nachsehnen zu schenken, muthig dem Tode entgegen eilt. Haimon übernimmt die Vertheidigung seiner Braut bey dem Vater. Er nennt sie die Würdigste ihres Geschlechts, sucht sich jedoch mehr durch Liebe zur Gerechtigkeit und zu dem Vater, als durch Liebe zur Braut beseelt zu zeigen. Aber als der Tyrann sie vor des Sohnes Augen umbringen lassen will, ruft er aus: „Wie! vor meinen Augen, an meiner Seite sollte sie sterben? Nimmermehr! Du wirst mich nicht wiedersehen! Wüthe unter deinen Knechten!“ – So spricht Haimon. Aber was thut er? Ergreift er die Waffen gegen den Vater, um die Geliebte zu erretten? Nein! Antigone war lebendig in eine Felsengruft eingesenkt, wo sie eines langsamen Todes sterben sollte. Hier sucht sie Haimon auf, erdrosselt sie, um ihre Leiden zu enden, und zuckt nunmehr erst das Schwert gegen den Vater, der sich ihm nähern will, um ihn aus seiner Lage heraus zu locken. Bald aber kehrt er dieß Schwert gegen sich selbst, durchsticht sich, und drückt, so lange noch sein Leben dauert, sein Herz [71] an der Geliebten Brust, und athmet seinen letzten Hauch auf ihrer blassen, blutbedeckten Wange aus.

Hier wirkt unstreitig Leidenschaft zum Weibe, und man darf sagen, liebende Leidenschaft, weil Haimon seine Antigone tödtet, um ihre Leiden zu beendigen, und nur durch kindliche Pflicht abgehalten wird, mehr für sie zu thun. Aber eben dieß, daß der Dichter die Gattenliebe der Ehrfurcht gegen das ungerechte Urtheil des Vaters so ganz unterordnet, daß der fromme Haimon auch nicht einmahl den Versuch wagt, die Geliebte zu retten; – ja! was beynahe noch sonderbarer ist, der Umstand, daß Antigone einzig und allein mit der Sorge des Begräbnisses eines geliebten Bruders beschäftigt, des Bräutigams auch nicht mit einem Worte erwähnt; – Alles dieß giebt einen deutlichen Beweis, daß das Interesse, welches Gattenzärtlichkeit bey den Atheniensern erweckte, demjenigen untergeordnet war, auf welches kindliche und Geschwisterliebe Anspruch hatten.

Im Oedipus Koloneus erscheint die Liebe zum Vater in der schönsten Gestalt an den beyden edeln Töchtern, und wir sehen den Vater diese mit voller Zärtlichkeit erwiedern.

In der Elektra macht die Geschwisterliebe einen Hauptzug in dem Interesse aus, welches dieses Meisterstück erweckt, und sie zeigt sich mit gleicher Stärke bey dem Bruder und bey der Schwester. Hält man nun die schönen Darstellungen wechselseitiger Aeußerungen der Eltern und Geschwisterliebe unter Personen von verschiedenem Geschlechte mit dem gänzlichen Mangel an ähnlichen Auftritten, welche die Gattenliebe so leicht herbey geführt haben könnte, zusammen; so wird [72] man darin einen neuen Beweis für meine eben gemachte Bemerkung finden.

Sophokles hatte also allerdings ein Publikum vor sich, dem Achtung für das weibliche Geschlecht keine fremde Empfindung war, und das sich für die Begebenheiten und Charaktere der Gattinnen, Töchter und Schwestern ganz anders interessierte, als es sich für die Sklavin, und das eingekerkerte Familienmitglied würde haben interessieren können. Allein eben so auffallend ist es auch, daß es die aufopfernde Liebe der Weiber für ihre Männer natürlicher, und seinem Herzen, und seiner Denkungsart näher fand, als die Liebe des Mannes zu seiner Gattin: daß selbst bey dem zärteren Geschlechte Eltern- und Geschwisterliebe ihm edler dünkte, als Gattenliebe: Endlich! um alles zu sagen: daß das Weib nie selbständig, sondern immer als Aggregat des Mannes interessant erscheint, daß es immer die sich aufopfernde Gattin,[WS 5] Beyschläferin, Schwester und Tochter ist, die den Antheil des Zuschauers auf sich zieht.


Sechstes Kapitel.
Denkungsart des Euripides in diesem Punkte.

Wer das Weib in der höchsten Veredlung, welche die gute Sitte in Athen ihm beygelegt hat, kennen lernen will, der wende sich zu den Darstellungen, die Euripides uns von ihm liefert. Diese Behauptung ist der gemeinen Meinung zuwider: sie ist aber darum nicht minder richtig.

[73] Als ich die Denkungsart des Euripides über Gattenliebe näher prüfen wollte, griff ich natürlicher Weise zuerst nach seiner Alceste, jener edeln Gattin, die ihr Leben aufopferte, um ihren Mann vom Tode zu erretten.

„Lebt sie noch“, sagt das Chor, „diese Frau, die ihre eheliche Zärtlichkeit zum Gegenstande der allgemeinen Bewunderung macht? Unglücklicher König, was für eine Gattin verlierst du! Ihr Tod ist ruhmwürdig. Alceste ist das treueste, schätzbarste Weib, das je die Sonne in ihrem ganzen Laufe beschienen hat!“

Jetzt erzählen die Begleiterinnen der Königin, wie sie sich zum Tode vorbereitet hat: „Als sie ihre letzte Stunde herannahen sahe, schmückte sie sich, und ging zum Altar der Vesta. Göttin, betete sie, beschütze meine Kinder! Gieb meinem Sohne ein Weib, das er liebt, und meiner Tochter einen edeln Mann! Darauf brachte sie allen ihren Hausgöttern ihre Verehrung dar, ohne einen Seufzer oder eine Thräne zu verlieren. Als sie aber diese feyerliche Handlung geendigt hatte, warf sie sich auf das eheliche Bett’, und ließ ihren Thränen freyen Lauf. O heilige Stätte, rief sie aus, rein führte mich mein Gatte hierher, rein verlaß’ ich sie wieder! Ich fluche dir nicht! Denn ich allein werde für dich zum Opfer! Ich sterbe, um den heiligen Pflichten gegen dich und meinen Gatten treu zu bleiben. Aber ich sterbe gern! Du wirst ein anderes Weib aufnehmen, nicht keuscher als ich, aber vielleicht glücklicher! Bey diesen Worten küßte sie das Bette, benetzte es mit Thränen, stand auf, und verließ die Kammer. Oft aber kehrte sie zurück, und überließ sich neuen Ausbrüchen der Zärtlichkeit. Ihre [74] Kinder hingen an ihren Kleidern und weinten. Sie hob eines nach dem andern auf, und drückte diese, die sie nun[WS 6] bald verlassen sollte, an ihre Brust. Alle Sklaven irrten im Hause umher, und weinten Thränen des Mitleids. Sie rief jeden beym Nahmen, und reichte jedem die Hand. Da war keiner ihr zu gering, mit dem sie nicht gesprochen, den sie nicht zur letzten Rede gelassen hätte. Ohne Alcesten wäre Admet gestorben; aber er versinkt in Schmerz: Nie wird er ihrer vergessen!“ – „Gewiß“, antwortet das Chor, „der Verlust einer so vollkommenen Gattin verdient seine lauten Klagen!“

So schildert Euripides den Charakter seiner Heldin! Noch einen Zug läßt er von einem ihrer Sklaven weiter unten hinzusetzen: „Sie war“, sagt er, „unser aller Mutter, nicht unsere Gebieterin. Wie wußte sie durch ihr kluges, zärtliches Betragen die Heftigkeit ihres Gemahls zu mäßigen, und unsern Zustand zu erleichtern!“ In der That! Roußeau hat seine Julie nicht schöner dargestellt, als unser Dichter seine Alceste!

Auch läßt ihr das Chor vollkommen Gerechtigkeit widerfahren. „Wir würden dich verachten“, sagt es zum Admet, „wenn du eine andere Gattin wieder heirathen könntest. O Götter! gebt mir ein Weib wie dieses, mit dem ich meine Tage verleben könne!“ Zwar erkennt das Chor, daß dieser Vorzug ein Loos sey, das nur selten Sterblichen zu Theil wird. „Inzwischen ist Admet doch nicht der erste noch der letzte der Sterblichen, die ein tugendhaftes Weib verlieren, und nur solche Ehen sind, wie Pheres sagt, zu billigen: andere haben keinen Werth!“

[75] Man kann wohl keinen deutlichern Beweis als diesen finden, daß das Publikum von Athen sich für die Tugend, und für die Liebe einer Gattin zu ihrem Gatten interessieren konnte. Aber laßt uns nun unsere Aufmerksamkeit auf den Admet wenden!

Unstreitig kennt er die ganze Größe der That seiner Gattin, und versinkt in Verzweiflung über ihren Verlust. „Er beneidet das Schicksal der Todten, das Grab ist künftig sein einziger Wunsch. Das Tageslicht ist ihm verhaßt, und nie, nie will er sich mit einem andern Weibe wieder verbinden.“

Gut! Aber wie konnte er, dessen Reden alle den zärtlichsten Gatten ankündigen, das Opfer seiner Frauen annehmen? Aber warum starb er nicht statt ihrer?

Daß der Dichter diesen Einwurf gefühlt habe, merkt man an mehreren Stellen. Admet sagt zu wiederholten Mahlen, „daß er nur gezwungen seine Gattin überlebe.“ Er fürchtet, „daß man ihn schief beurtheilen, und ihn der Feigheit beschuldigen würde.“ Er macht seinen Eltern die bittersten Vorwürfe, „daß sie, obgleich alt, nicht für ihn haben sterben wollen.“ Es muß also etwas bey dem Betragen des Admet zum Grunde liegen, das ihn in den Augen der Athenienser rechtfertigte, die Aufopferung seines Weibes angenommen zu haben. Sollte dieß die Idee seyn, daß die Gattin, als ein dem Manne untergeordnetes Wesen, zu seinem Wohl und zu seiner Erhaltung allein bestimmt sey? So weit ging der Athenienser der damahligen Zeit, nach dem ganzen übrigen Inhalte des Stücks zu urtheilen, gerade nicht. Aber davon war er überzeugt, daß Admet als König, als öffentliche Person, sich seinem Volke erhalten, und die Aufopferung [76] seiner Gattin, die keine unmittelbare Existenz im Staate hatte, annehmen durfte.

In der Iphigenia in Aulis ist es mir sehr merkwürdig gewesen, daß Klytemnestra nach einer Abwesenheit von mehreren Monaten ihren Gemahl Agamemnon mehr wie einen Herrn, als wie einen Gatten begrüßt; daß die Tochter schüchtern die Mutter fragt, ob sie ihren Vater wohl umarmen dürfe, und daß Agamemnon der ersten auch nicht mit einer Sylbe auf ihre Anrede antwortet. Gehört dieß der atheniensischen guten Sitte, oder dem individuellen Charakter des Königs der Könige, der als Herrscher und Despot selbst in seiner Familie dargestellt werden soll? Ich glaube das Letzte, ob ich gleich zugebe, daß die Athenienser eine solche Behandlungsart der Gattin von Seiten des Mannes weniger empörend gefunden haben, als wir.

Als Klytemnestra den Agamemnon fragt: ob Achilles, der bestimmte Gemahl Iphigeniens, ihre Tochter weit wegführen werde, antwortet er: „Darüber entscheidet der Mann!“ – – Weiter unten spricht er: „Höre, was ich verlange: Gehorche!“ und sie fordert seine Befehle. „Seit langer Zeit“, sagt sie, „hast du mich an unbedingten Gehorsam gewöhnt!“ Als er inzwischen verlangt, daß sie sich sogleich entfernen, und ihre Tochter zurück lassen sollte, weigert sie sich, und schwört bey der Juno, daß sie nicht abreisen werde! „In Dingen außer Hause bist du Herr“, spricht sie, „aber die mütterlichen Sorgen gehören mir.“ Diese Widerspenstigkeit bringt den Agamemnon zu der Bemerkung: daß ein kluger Mann entweder eine nachgiebige Frau, oder gar keine heirathen sollte. Ein Wort, das [77] gewiß aus dem individuellen Charakter des Helden völlig erklärt werden kann, und folglich für die Sitten, und besonders für die guten Sitten in Athen nichts Zuverlässiges folgern läßt.

Klytemnestra wendet sich an den Achilles. „O ihr heiligen Gesetze der Schamhaftigkeit!“ ruft dieser aus, als er sie erblickt. „Eine Frau von so seltener Schönheit hier mitten unter den Kriegern!“ Sie entdeckt ihm, wer sie sey. Achilles will sich aus Ehrfurcht zurückziehen. „Du weißt“, sagt er, „daß es mir nicht erlaubt ist, mit einer verheiratheten Frau zu reden.“ Sie will ihm die Hand geben: er glaubt durch ihre Berührung den Agamemnon zu beleidigen. Klytemnestra beruft sich darauf, daß sie seine Schwiegermutter werden würde.

Was läßt sich daraus schließen? Daß der Dichter das öffentliche Erscheinen eines Frauenzimmers ohne Begleitung für eben so unanständig gehalten hat, als die vertrauliche Unterredung der verheiratheten Matronen mit Fremden; daß aber seinen Grundsätzen nach dieser Zwang zwischen Mitgliedern einer Familie wegfiel. Ich bin überzeugt, daß mehr als ein Land in Europa vor ungefähr hundert Jahren die nehmlichen Grundsätze über Sittsamkeit des Weibes hatte, ohne dieß darum mit den Sklavinnen und den blödsinnigen Familienmitgliedern in eine Klasse zu setzen.

Achilles sagt: „Ich würde Iphigenien aufgeopfert haben, wäre sie mein Weib gewesen. Das allgemeine Beste meiner Bundesgenossen zu befördern, wäre mir nichts zu theuer. Aber sie haben mich nicht in ihren Rath genommen, sie haben, ohne mich zu fragen, meinen Nahmen gemißbraucht, um Iphigenien herzulocken, [78] und sie zu opfern. Nun will ich sie schützen.“ – – Diese Gesinnungen billigt das Chor, und findet sie edel. So waren Patriotismus und Ehrgeitz die ersten Vorzüge und Rücksichten des Mannes!

Die Mutter befiehlt ihrer Tochter, dem Achilles zu Füßen zu fallen. Aber er hindert dieß. „Es wäre unanständig“, spricht er; – „Besser, sie bleibt auf ihrem Zimmer!“

„Wie keusch war ich“, sagt Klytemnestra zu Agamemnon, „wie zuvorkommend gegen dich! Mit welcher Sorgfalt stand ich deinem Hause vor! Du warst glücklich daheim, und außerhalb für häuslich glücklich gehalten!“ – Das waren die Tugenden, die der Matrone die Liebe des Gatten und öffentliche Achtung sicherten. Aber Euripides hebt noch ihren Werth in dem Charakter der Iphigenia durch einen Edelsinn, der nach den Begriffen der Athenienser über höchste Vollkommenheit, nicht bloß durch häusliche Tugenden, sondern durch Seelenstärke und Patriotismus sich an den Tag legte.

Anfänglich bittet Iphigenia um ihr Leben; als sie aber hört, daß das Glück Griechenlands von ihrem Opfer abhängt, daß Achilles durch ihre Vertheidigung in Gefahr kommen könnte, bietet sie sich muthig dem Tode dar, und spricht ganz im Sinne der Republikanerin: „Das Leben eines Mannes ist mehr werth, als das einer Menge von Weibern! – – Griechen! Hier bin ich! Opfert mich, und stürzt Troja! Eure Trophäen werden meinen Ruhm verkündigen, und mir statt Ehe, Gemahl und Kindern dienen. Der freye Grieche ist geschaffen, um über Barbaren zu herrschen, [79] die zur Knechtschaft bestimmt sind!“ – – Hat Korneille seine Weiber je etwas Stärkeres sagen lassen?

Achilles wird durch diesen Seelenadel äußerst gerührt. „Die Götter würden mich beglücken, wenn sie mir deine Hand schenkten. Du hast edel gesprochen, du bist deines Vaterlandes werth. Meine Liebe, mein Wunsch dich zu besitzen, werden dadurch vermehrt!“

Inzwischen muß er doch als Grieche dem Schicksale, dem Ausspruche der Götter, und dem Ruhme des Vaterlandes mit seiner Liebe weichen: und selbst Klytemnestra ergiebt sich endlich in den Willen ihres Kindes. Wie schön erscheint Iphigenia in der Unterredung mit ihr! Ihre Geschwister sollen nicht um sie trauern, und – ihre Mutter soll den Vater, ihn, der sie aufopferte, lieben und ehren!

Wie ist es möglich, daß Euripides, der hier eine so feine Empfindung des Sittlichen verräth, den Agamemnon nach der Rettung der Iphigenia mit folgender frostigen Rede an Klytemnestra auftreten lassen kann? „Höre auf, über das Schicksal deiner Tochter unruhig zu seyn. Sie genießt des Umgangs der Götter. Nimm das Kind mit dir, und kehre nach Argos zurück. Die Flotte segelt ab, und ich muß Abschied von dir nehmen. Wenn ich von Troja wiederkomme, so sprechen wir mehr mit einander. Jetzt reise ab, und sey glücklich!“ – Wozu ließ der Dichter den Agamemnon wieder auftreten? Ich kann mir das Räthsel nicht anders lösen, als wenn ich annehme, der Zug gehörte mit in den individuellen Charakter Agamemnons, der bloß mit der Eroberung Troja’s beschäftigt, jetzt, da die Hindernisse der Abreise gehoben waren,[WS 7] in möglichster Eile abzusegeln [80] wünschte. Denn daß Euripides nicht gefühlt haben sollte, daß der Zuschauer entweder den Vater gar nicht, oder in Ergießung zärtlicher Freude, seine Gattin wieder zu sehen erwartete, davon kann ich mich nicht überzeugen.

Die Elektra des Euripides schildert eine Prinzessin, die an einen Mann von gemeinem Stande verheirathet war. Sehr auffallend ist[WS 8] bey einem Republikaner, wie Euripides war, die Achtung, die er ihr von ihrem Gatten ihres höhern Standes wegen beweisen läßt; besonders auffallend die Enthaltsamkeit von der Ausübung ehelicher Rechte einer gewissen Art, die er sich aus Ehrfurcht für die Tochter seiner Könige zur Pflicht gemacht hat. Demungeachtet erkennt Elektra seine Superiorität. „Es ist schimpflich“, sagt sie, „wenn das Weib im Hause regiert, und nicht der Mann. Es ist mir höchst widerlich, wenn die öffentliche Stimme von den Kindern wie von Nachkommen der Mutter und nicht des Vaters spricht. Wer ein Weib von höherem Range und edlerem Blute heirathet, sinkt in sein Nichts zurück, und verliert sich im Glanze seines Weibes.“

Elektra wird mit einem festen hohen Charakter geschildert, der besonders in dem Hasse und in der Rachsucht wider die Mutter, von aller Weiblichkeit nach unsern Begriffen entblößt ist. Demungeachtet hat sie nur sehr geringe Begriffe von den Rechten und Vorzügen ihres Geschlechts, und sehr strenge von dessen Pflichten. Außer der schon angeführten Stelle gehören noch folgende hieher. „Den Mann mag ich nicht, dessen schönes Gesicht in Sanftheit mit des Mädchens Schönheit wetteifert: aber den, der einen männlichen [81] Ausdruck zeigt.“ Klytemnestra rechtfertigt sich wegen des Mordes ihres Gatten durch die üble Behandlung, die sie von ihm erfahren hat. Elektra aber hält sie dadurch gar nicht entschuldigt. „Es ziemt dem Weibe“, sagt sie, „den Mann zu ertragen, und ihm willig zu gehorchen.“ Sie wirft der Mutter ihre Lust vor, sich in Abwesenheit des Mannes zu schmücken, und findet darin einen Beweis von Gefallsucht. „Unweise ist derjenige“, setzt sie hinzu, „der durch Reichthum und hohe Geburt angelockt ein lasterhaftes Weib heirathet. Alle Vortheile eines äußern Wohlstandes wiegen das häusliche Glück nicht auf, welches dem keuschen, obgleich niedrigen Ehebette eigen ist.“ Diese Worte nimmt das Chor mit folgender Bemerkung auf: „Das Schicksal bestimmt den Erfolg der Ehen. Einige sind Quellen des Glücks für die Sterblichen, andere gewähren weder Glück noch Ehre!“

Merkwürdig ist auch dieser Zug, daß der ehrerbietige Gatte der Elektra es dennoch sehr übel nimmt, wie er sie im Gespräch mit dem ihm unbekannten Schwager außer Hause antrifft. „Es ziemt sich nicht“, spricht er, „daß Weiber sich außer Hause bey jungen Männern aufhalten!“ – Elektra theilt willig seine Arbeiten. „Du hast genug im Felde zu thun“, spricht sie, „mir gebührt es, die innere Wirthschaft zu führen. Wie angenehm ist dem Ackersmann, wenn er ermüdet von der Arbeit nach Hause kehrt, die Ueberzeugung, daß alles daheim in guter Ordnung ist!“ Demungeachtet geht sie ihm mit gutem Rathe zur Hand, und belehrt ihn, wie er die vornehmen Fremden, die zu ihm kommen, auf eine ihrer würdige Art empfangen soll.

In der Hecuba stellt der Dichter besonders einen der edelsten weiblichen Charaktere in der Polyxena [82] dar. Zum Opfer bestimmt, sagt sie zu ihrer Mutter: „Ich klage nicht um mich, daß ich sterben soll. Das Ende meiner Leiden ist mir willkommen! Aber daß du, Mutter, in deinem Alter ohne Stütze bleibst, das schmerzt mich.“ – Weit entfernt, daß sie um ihr Leben bitten sollte, fordert sie nur den Tod. Aber die Mutter will auch für sie sterben. – Verachtung des Todes war bey den Griechen das sicherste Kennzeichen des Seelenadels, und es ist ein vortheilhaftes Zeichen für die Achtung, worin das Geschlecht beym Euripides gestanden hat, daß er diese Stärke seinen Heldinnen so oft beylegt.

Aber diese Stärke war mit Sittsamkeit gepaart. Polyxena, als sie sterben soll, bittet, daß niemand sie berühren dürfe. Sie biethet selbst ihren Nacken dem Streiche dar, und sucht im Fallen sich noch so zu legen, daß das Gewand ihre Glieder anständig bedecke. Dieß Betragen fordert die Griechen zur höchsten Bewunderung auf, ob Polyxena gleich eine Trojanerin ist. Sie eilen hin, der Entseelten ihre Verehrung zu bezeugen.

Wer kann bey so deutlichen Beweisen von Achtung für das zärtere Geschlecht sich noch an die Rede eines Polymnestor stoßen, wenn dieser ausruft: „Ja! ich nehme alles zusammen, was je Böses wider die Weiber gesagt ist, oder hat gesagt werden können! Es giebt auf der Erde und im Meere nichts, was ihnen an Bosheit gleich kommt. Derjenige, der sie am besten kennt, fühlt diese Wahrheit am meisten!“ – Der Elende hatte Hecuba um ihre ihm anvertrauten Schätze betrogen, er hatte ihren Sohn gemordet, und die tiefgebeugte Mutter hatte ihn durch List in ihr Zelt gelockt und geblendet. Unter solchen Umständen müssen die Schmähreden des Polymnestors [83] seinem Charakter und seiner Lage zugeschrieben werden. Und dennoch wird er von dem Chore zurecht gewiesen. „Bändige deine Zunge“, ruft es ihm zu. „Verachte nicht das Geschlecht ohne Unterschied. Einige Weiber sind freylich mit fehlerhaften Anlagen geboren, aber viele sind auch achtungswürdig durch Tugend!“

Im Orestes verräth Euripides besonders die atheniensischen Ideen, nach welchen Gattenzärtlichkeit zwar interessant war, aber hinter Geschwisterliebe und Liebe zum Vaterlande zurückstand.

Wie zärtlich ist Elektra’s Sorge für den kranken Bruder! „Angenehmes Geschäft“, sagt sie, „für eine Schwester, ihn zu warten!“ Orest erwiedert ihre Liebe. „Sorge für deine Gesundheit“, sagt er: „Verlöre ich dich, so wär ich ganz verloren. Du bist mein einziger Trost!“ Er räth ihr, ihn zu verlassen. „Dich verlassen?“ antwortet Elektra, „Nein! ich bin entschlossen, mit dir zu leben und zu sterben!“

An einer andern Stelle sagt eben dieser Orest: „wenn eine Ehe wohl gestimmt ist, so bringt sie die schönste Harmonie hervor. Ist sie es aber schlecht, so entsteht ein schreyender Mißklang, der auch außerhalb des Hauses die Ohren beleidigt.“ – Das Chor sagt: „Unser Geschlecht war von jeher bestimmt, durch sein Unglück das Unglück der Männer zu vermehren!“

Elektra ist an Pylades verheirathet. Ihr Bruder Orestes ist mit ihr zum Tode verdammt. Die Schwester will von des Bruders Hand sterben, aber sie gedenkt nicht des Gatten. Pylades erwähnt anfangs ihrer gleichfalls nicht. Er will mit Oresten sterben, mit ihm, den er nicht überleben kann. Orestes muß ihn erst daran erinnern, [84] daß er verheirathet sey, indem er ihm vorstellt, er könne in einer zweyten Ehe glücklich seyn. Nunmehro ruft er erst aus: „Ich will zugleich mit dir und mit ihr sterben. Mit ihr, die meiner Seele theuer, die mir angetrauet, die mein Weib ist!“

Klugheit mit Kühnheit gepaart war ein großer Vorzug bey dem Weibe nach den Begriffen der Athenienser. Orestes und Pylades beschließen, die Helena umzubringen. Elektra räth, man solle sich ihrer Tochter, der Hermione, bemeistern, und sie als eine Geißel brauchen, der Rache des Menelaus zu entgehen. Orestes findet dieß vortrefflich. „Unvergleichliches Weib!“ ruft er aus: „du gattest einen männlichen Geist mit einer göttlichen Gestalt. Du solltest sterben? O Freund, (zum Pylades) du solltest ihren Verlust beweinen? Mit einem so vollkommnen Weibe würde die Ehe die höchste Stufe des Glücks gewesen seyn.“ – „Wollte der Himmel“, sagt Pylades, „meine warmen Wünsche erhören, ich würde sie in mein Vaterland heimführen, und Hymen würde in unserm Gefolge lächeln!“

In den Phönicierinnen erscheint wieder eines von des Euripides edeln Weibern, Antigone, das Klugheit und Muth mit Sittsamkeit paart,[WS 9] und der Sklaverey den Tod vorzieht. Merkwürdig ist hier der Zug seines alten Führers, der erst sorgfältig ausspäht, ob auch ein Thebaner die Jungfrau sehen könne, die auf den Thurm steigt, um die Schlacht, die sich die Heere ihrer beyden Brüder liefern, mit anzusehen. „Jungfräuliche Bescheidenheit“, sagt er, „zieht sich vor dem Anblick der Männer zurück!“ – Und doch hatte Antigone, wie der Dichter ausdrücklich bemerkt, Erlaubniß von der Mutter zu ihrem Ausgange erhalten.

[85] Diese jungfräuliche Sittsamkeit legt der Dichter nun auch in ihren eigenen Charakter, aber neben hoher und edler Kühnheit. Die Mutter fordert sie auf, ihr in das Feld zu folgen, um einem Zweykampf zwischen ihren Brüdern vorzubeugen. Anfangs zittert Antigone, sich zwischen den Haufen bewaffneter Männer zu begeben, aber bald setzt sie sich muthig über diese Bedenklichkeit weg, und feuert selbst die Mutter an, keine Zeit zu verlieren. Ihr Betragen nach dem Tode ihrer Brüder ist äußerst edel. Sie trotzt dem Tyrannen, der sie verhindern wollte, ihren Bruder zu begraben, und schlägt die Hand seines Sohnes und den Scepter aus, um ihrem[WS 10] blinden Vater ins Elend zu folgen.

Auch die Mutter, Iocasta, ist ein schöner weiblicher Charakter, der besonders in der Vermahnung ihrer Söhne zur Einigkeit große Weisheit zeigt.

Medea ist eines der berufensten Stücke des Euripides, wegen der Galle, die er darin gegen das weibliche Geschlecht ausgeschüttet haben soll. Ich will unbefangen die Wahrheit prüfen.

Die Wirkung betrogener Liebe bey einem äußerst heftigen, mit Kraft zu schaden ausgerüsteten Charakter darzustellen, war die Absicht des Dichters. Er hat offenbar das Publikum für Medea interessieren wollen. Gleich zu Anfange des Stücks sucht die Wärterin der Medea alles Unrecht auf Jason zu schieben. Sie fürchtet die gewaltsamsten Entschlüsse von dem heftigen Charakter ihrer Gebieterin. Medea tritt auf, und schildert das traurige Loos eines verheiratheten Weibes. „Unter allen lebenden und vernünftigen Creaturen“, sagt sie, „ist ihm das traurigste Loos beschieden. Zuerst muß es durch große Schätze sich einen Mann erkaufen, [86] und seiner Person einen Herrn geben. Wie oft läuft es dann Gefahr, einen bösen zu bekommen! Es wird der Gattin immer verdacht, wenn sie sich von dem Manne scheiden läßt. Und doch müßte sie eine Prophetin seyn, um ihn, dessen Sitten und Willen sie forthin unterworfen wird, zum Voraus zu kennen. Wohl ihr, wenn sie durch Güte, durch gute Aufführung nur kein zu schweres Schicksal verdient, sonst ist es besser für sie, zu sterben. Wenn der Mann Leiden zu Hause hat, so geht er aus, und tröstet sich mit Freunden und Bekannten. Wir sitzen daheim, und erwarten unser Schicksal von Einer Seele. Man wirft uns vor, wir lebten zu Hause ohne Gefahr; aber lieber will ich mich dreymahl ins Feld stellen, als Ein Mahl die Wehen des Kindbettes erdulden. Und glücklich noch, wer in seinem Vaterlande unter Freunden und Verwandten wohnt! Ich aber leide und bin fremd und verlassen, und habe Niemanden, der mich rette. Darum will ich mich rächen! Das furchtsame Weib, ungeschickt zum Kriege und zum Anblick des Schwerts, fühlt sich zur grausamsten Rache fähig, wenn seine ehelichen Rechte gekränkt werden!“

So Medea! Das Chor antwortet: „Mit Recht rächst du dich an dem Gatten: mit Recht beklagst du dein Schicksal!“

Noch aber hält der Dichter den Zorn seiner Medea nicht hinreichend durch die Untreue Jasons motiviert. Creon, der Vater ihrer Nebenbuhlerin, muß sie aus dem Lande mit ihren Kindern treiben wollen.

„O Liebe!“ ruft Medea aus, „welch Unglück bringst du über die Menschen!“ „Das ist darnach“, antwortet Creon, „wie es das Schicksal lenkt!“

[87] Merkwürdig ist die Stelle, welche anzudeuten scheint, daß schon dazumahl Weiber von Kenntnissen und großem Verstande den Neid und den Haß ihrer Mitbürger auf sich gezogen haben. „Den Dummen“, sagt Medea, „scheint man unnütz und unweise zu seyn, wenn man eine neue Idee vorbringt: denen die selbst Ansprüche auf Klugheit machen, wird man durch seinen Ruf beschwerlich.“

Medea erhält die Erlaubniß, noch einen Tag zu bleiben, und beschließt, diesen zur Rache anzuwenden. „Du sollst nicht von dem Geschlechte des Sisyphus und Jasons künftigem Weibe verspottet werden, du Tochter der Sonne, von einem größern Vater geboren! Du vermagst etwas! Und sind wir Weiber überhaupt, so ungeschickt wir immer zum Guten seyn mögen, nicht immer im Unheilstiften erfahrne Meister?“

Diese ist eine von den Stellen, die man zum Belege des Weiberhasses unsers Dichters anführt. Allein sie beweiset nichts. Euripides, der überhaupt allgemeine Sentenzen und epigrammatische Züge gegen die Sitten seiner Zeit anzubringen liebt, geht hier aus dem Charakter und aus der Situation seiner Heldin heraus, um ihr etwas in den Mund zu legen, was einer oder der andere unter den Zuschauern vielleicht über sie denken könnte: „Du bist immer mächtig genug, Uebels zu thun: du bist ein Weib!“ Aber das Chor lenkt ihn sogleich auf den rechten Weg. „Die Treulosigkeit der Weiber“, sagt es, „ist oft in beißenden Liedern besungen worden. Aber sollte unser Geschlecht von den Männern singen, wie viel könnten wir von ihrer Treulosigkeit sagen!“ Es geht darauf zur Vertheidigung der Medea über: es setzt ihre traurige Lage und die Schuld Jasons aus einander. [88] Dieser hat einen Schwur gebrochen: Medea muß einer mächtigen Nebenbuhlerin weichen, ohne einen Schutzort zu finden.

Medea hält dem Jason sein Unrecht und ihre traurige Lage mit der größten Beredtsamkeit vor. Sie hat ihn gerettet, sie hat ihm das Liebste aufgeopfert, was sie hatte, und er verstößt sie mit ihren Kindern. Jason entschuldigt sich mit den schlechtesten Gründen, die zugleich den größten Uebermuth und die elendeste Selbstsucht verrathen, und schließt nunmehro mit folgenden Worten: „Ihr Weiber glaubt, alles sey gut, wenn nur die eheliche Treue unverletzt bleibt. Wenn aber diese im geringsten beleidigt wird, so seht ihr die unschuldigsten, rechtschaffensten Handlungen als die größten Feindseligkeiten an. Wollte der Himmel, daß es gar keine Weiber gäbe, und daß das menschliche Geschlecht sich anders als durch ihre Vermittlung fortpflanzen ließe!“

Auch in dieser Stelle findet man einen Beweis des Weiberhasses unsers Dichters, ohne zu bedenken, daß sie in die individuelle Situation des Jason, und in den Ton der Comödie gehört, von dem sich das Trauerspiel der Griechen nie ganz gereinigt hat. Aber das Chor mißbilligt überher seine Rede, und wirft ihm vor, daß er eine schlechte Sache zu beschönigen suche. Medea zeigt sich in der ganzen Scene eben so edel, als Jason sich verächtlich darstellt. Er biethet ihr Geld und Empfehlungen an seine Gastfreunde in der Fremde an. Medea schlägt beydes aus. „Gaben schlechter Menschen“, sagt sie, „bringen nichts Gutes!“

Medea findet an dem Aegeus einen Beschützer, der sie bey sich aufnehmen will, und das Betragen des Jason höchst mißbilligt. „Er begeht“, sagt er, „eine [89] schändliche That, indem er sich ein anderes Weib zulegt.“ – Medea sicher, einen Zufluchtsort zu finden, denkt nun mit Ernst an die Ausführung ihrer Rache!

Unstreitig schadet der Dichter durch die Ueberlegung, welche Medea anwendet, dem Interesse, welches er für sie einflößen will. Er hätte ihre That ganz als Wirkung der Verzweiflung vorstellen sollen. Auch dadurch verliert sie, daß sie jetzt gegen den Jason die Erkenntniß ihres Unrechts heuchelt. Inzwischen kann diese Wendung, und das Böse, was der Dichter durch sie von ihrem Geschlechte sagen läßt, um den Gemahl sicher zu machen, nicht für seine allgemeine Verachtung des Geschlechts zeugen. Medea ersucht den Jason, seine Frau selbst zu bitten, daß sie ihren Vater bewegen möge, ihren Kindern Aufenthalt und Erziehung in ihrem Hause zu gestatten. „Ich hoffe“, antwortet er, „sie zu überreden, wenn sie nur ein Weib wie andere ist.“ Liegt in diesen Worten ein Vorwurf von Geistesschwäche für das Geschlecht, so schließen sie wenigstens den seiner Hartherzigkeit aus.

Der höchste Kampf der mütterlichen Liebe wider empörte Gattenliebe erscheint in der Medea, ehe sie den schrecklichen Kindermord beginnt. Sie ist eine Barbarin, keine Griechin; ihre grausame That ist durch die Sage authorisiert, und dennoch sucht Euripides alles hervor, um sie wahrscheinlich und weniger empörend zu machen. Gewiß, es war seine Absicht, für die Person der Medea zu interessieren, und diesen Zweck wird er bey jedem Leser, ungeachtet des Abscheues gegen die Handlung selbst, noch heut zu Tage erreichen. Wäre er wirklich der Weiberhasser gewesen, für den man ihn ausgiebt, so würde er den Jason gehoben, für ihn interessiert, [90] und Medea in dem gräßlichsten Lichte haben erscheinen lassen.

Euripides trauet den Weibern sogar Anlagen zu den Wissenschaften zu. Das weibliche Chor erstaunt über die Reden der Medea, die voller Einsicht sind. „Oft“, sagt es, „habe ich darüber nachgesonnen, und mit scharfsinnigen Gründen darüber gestritten, ob es dem weiblichen Geschlechte zieme, sich auf Wissenschaften zu legen. Denn die Muse neigt sich auch oft zu uns herab, und lehrt uns Weisheit, wenn sie sich gleich nicht allen offenbart!“

Vor allen Dingen müssen wir bey der Prüfung der Denkungsart unsers Dichters über das zärtere Geschlecht nie vergessen, daß er diejenigen Reflexionen, welche bey dem Zuschauer über die Situation entstehen können, den handelnden Personen selbst in den Mund zu legen, sie zu generalisieren, und oft mit einem epigrammatischen, der Comödie angehörenden Seitenblick auf die Sitten seiner Zeit, auszudrücken liebt. In dieser Rücksicht können die Klagen über die Folgen der Ehe, welche die Betrachtung des Schicksals der Medea herbeyführten, nicht zum Beweise der Verachtung des ehelichen Standes dienen. Am wenigsten aber dürfen wir daraus auf eine Verachtung der Weiber, als einziger Ursach dieser Folgen schließen. So sagt zwar das Chor: „O Ehe, wie reich bist du an traurigen Folgen! Welch Unglück hast du auf die Männer gebracht!“ Und an einer andern Stelle: „der unverheirathete und kinderlose Stand hat mehr Anspruch auf Glück und Ruhe, als derjenige, der uns die Sorge für eine zahlreiche Nachkommenschaft auflegt. Wie viel Bekümmernisse erweckt dieser für ihre [91] Erziehung, für ihren künftigen Wohlstand, für ihre Aufführung, endlich für ihr Leben! Warum haben die Götter zu allen unsern Leiden noch das hinzugefügt, daß wir über der Bahre frühzeitig entrissener Kinder weinen müssen!“ – Allein hier liegt die Abneigung gegen eine engere Verbindung mit dem Weibe gewiß nicht an einer Verachtung des Geschlechts. Und so darf ich gewiß behaupten, daß der Vorwurf des Weiberhasses und der Ehescheue, der dem Euripides gemacht wird, aus seiner Medea nicht gerechtfertigt werden könne.

Ich gehe in meiner Untersuchung weiter fort. Es ist unmöglich, den Streit zwischen leidenschaftlicher Geschlechtssympathie und hohem weiblichem Ehrgefühl interessanter darzustellen, als Euripides es in seiner Phädra gethan hat, und dennoch soll auch dieß Trauerspiel zum Beweise seines Weiberhasses gelten! Die Invektiven des Hippolytus gegen das zärtere Geschlecht werden besonders in dieser Absicht angeführt. Allein man bedenkt nicht, daß Hippolytus als Philosoph und Diener der Diana, folglich als ein Mann von ganz eigenthümlichen Grundsätzen, und überher aufgebracht über die schändlichen Begierden seiner Stiefmutter, diese Schmähreden äußert. Hätte Euripides seine eigene Denkungsart in der Rede geschildert, die er dem Hippolytus in den Mund legt, so würde[WS 11] er gewiß die Phädra dem Bilde des verächtlichen Wesens, das hier von dem Weibe entworfen wird, ähnlich dargestellt haben. Allein der Dichter bemüht sich, alle Schuld von ihr ab, auf das Schicksal, die Götter und ihre Vertraute hinzuwälzen. Nicht Haß, nicht Rache, sondern Sorge für ihren Ruf und ihre Selbsterhaltung zwingen sie wider ihren Willen, [92] den Stiefsohn als den Räuber ihrer Unschuld anzuklagen. Aber noch ehe sie den Erfolg dieses Schrittes erfährt, endigt sie ihr Leben durch einen freywilligen Tod. Racine, dem doch gewiß kein Weiberhaß zur Last gelegt werden kann, läßt seine Phädra in keinem so günstigen Lichte erscheinen. Beym Euripides ruft sogar das Chor nach ihrem Tode aus: „Bestes der Weiber, warum hast du uns verlassen?“ Theseus ist über ihren Tod untröstlich. Er will nie wieder heirathen, er will mit ihr sterben. Läßt es sich denken, daß ein Dichter, der das ganze Geschlecht verachtet, seine Gatten so zärtlich darstellen würde?

Was beweisen doch einzelne Invektiven, welche der Moment des Affekts einflößt und ausstößt! Theseus, ergrimmt über den blutschänderischen Sohn, der sich viel mit der Philosophie abgegeben hat, eifert stark gegen die Philosophen. Wollen wir nun sagen, Euripides sey ein Feind aller Philosophen gewesen?

Aber Aristophanes hat doch den Euripides als einen Weiberfeind dargestellt! Freylich! und daher rührt auch das ganze Vorurtheil. Allein die Anzapfungen eines Spötters können doch nicht für einen Beweis gelten! Hat er nicht auch den Euripides beschuldigt, daß er den Meineid vertheidige, weil er den Hippolytus sagen läßt: mein Mund schwört, aber mein Herz verläugnet den Schwur! Und opfert sich demungeachtet nicht eben dieser Hippolytus auf, um jenen unüberlegten, ihm abgelockten Schwur, die Stiefmutter nicht zu verrathen, unverbrüchlich zu halten? Der Ausfall des Hippolytus gegen die gelehrten Weiber zeigt nur, daß die Matronen in Athen nicht ohne Geistesbildung gewesen sind, und daß schon [93] damahls wie jetzt, dieser Vorzug von einigen gepriesen, von andern getadelt, und als eine vermehrte Gefahr für weibliche Tugend angesehen wurde. Wenn Theseus in der Folge gegen den Hippolytus behauptet, daß Jünglinge, denen Liebe den Kopf verrückt, um nichts stärker als verliebte Weiber wären, so beweiset dieß, daß der Dichter den Werth des Menschen nicht so wohl von dem Geschlechte, als von der Stimmung des Gemüths abhängig hielt.

Mit einem hohen Begriff von der weiblichen Natur und der Anlage des zärtern Geschlechts zur sittlichen Veredlung bestehen sehr wohl einzelne satyrische Züge gegen die verdorbenen Sitten, die dem großen Haufen unter ihm eigen zu seyn pflegen. Eben diese Vereinigung finden wir ja auch beym Rousseau, und bey mehreren andern Schriftstellern. Beym Euripides beweisen jene Seitenhiebe um so weniger, da er nicht bloß nach Weibern, sondern auch nach Philosophen, Richtern, Barbaren, Lacedämoniern, und selbst nach den Atheniensischen Männern damit ausschlägt.

Andromache, die edle Andromache, wird diese Behauptung am auffallendsten ins Licht stellen. Wie liebend, wie aufopfernd erscheint sie in der Stelle, worin sie sagt: „Es ziemt dem Weibe, wenn’s gleich an einen bösen Mann gekettet ist, ihn zu ehren, und nicht durch Eigensinn und Hochmuth Veranlassung zur Uneinigkeit zu geben. Wir Weiber sind eben so wohl wie die Männer den Anfällen der Eifersucht ausgesetzt, aber wir wissen sie bescheiden zu unterdrücken. O mein geliebter Hektor! ich schonte deiner Verirrung, ich nährte deine Kinder, die mir nicht gehörten, an meiner Brust, um [94] deine Ruhe durch keine unfreundliche Begegnung zu stören, und mir durch Achtung deine Liebe zu erhalten!“ Diese wahrhaft liebende Gesinnung gehört allen Zeiten an, wenn gleich die Handlung, wodurch sie sich äußert, ins Heldenalter zurückgeführt werden muß.

Die Art, wie eben diese Andromache sich für ihren Sohn aufzuopfern bereit ist, liefert einen neuen Zug dieses schönen Charakters, der an einer andern Stelle in die Worte ausbricht: „Nicht Schönheit fesselt den Mann, sondern einnehmende Tugend!“ – Ueberall wird in diesem Schauspiele treue Anhänglichkeit an einem einzigen Weibe eingeschärft. Das Chor empfiehlt sie. Hermione sieht die Monogamie als einen Vorzug der Griechen vor den Barbaren an, und Menelaus sagt: „Das Weib hat in Ansehung der ehelichen Treue gleiche Rechte mit dem Manne, nur mit dem Unterschiede, daß dieser die Untreue des Weibes selbst richtet und bestraft, die Frau aber Hülfe bey ihren Anverwandten findet.“

Die Verirrungen der Gattinnen werden hauptsächlich dem übeln Beyspiele und dem verführerischen Rathe anderer Weiber von verdorbenen Sitten zugeschrieben, und Hermione räth daher, weibliche Freundinnen von ihnen zu entfernen.

Orestes zeigt gegen das Ende des Stücks ein merkwürdiges Beyspiel von liebender, beynahe romanhafter Standhaftigkeit. Er, der vorher um Hermionen geworben hatte, aber vom Peleus verworfen war, hat sie, ungeachtet ihrer Ehe mit Pyrrhus[WS 12], nicht vergessen können, und biethet ihr, nachdem sie von ihrem Gemahle verlassen war, seine Hand an.

[95] Wie können neben solchen Stellen, welche so deutliche Beweise der Achtung und Zärtlichkeit für das Geschlecht enthalten, diejenigen in Betracht kommen, worin z. B. Andromache sagt: „Keine Viper beißt wie eine böse Weiberzunge! Solch Unglück bringen wir über die Männer!“ – Oder jene, worin sie einer Sklavin Muth zur Ausrichtung eines gefahrvollen Auftrags einspricht, und hinzusetzt: „Du bist ein Weib, du wirst dir schon durchhelfen.“ – Was wollen sie mehr sagen, als jenes Shakesspearische Wort: Schwachheit, dein Nahme ist Weib! Was können sie besonders bey einem Dichter bedeuten, der so gern allgemeine Sentenzen vorbringt, daß er sogar von der Jugend beyder Geschlechter sagt: Weh! Weh! die Jugend ist ein großes Uebel für die Menschen! Jugend hat keine Tugend! u. s. w.

Gleich wieder in den Supplicantinnen giebt die Rede des Theseus an den Adrast einen Beweis des satyrischen Muthwillens des Euripides ab. Wie beißend ist die Beschreibung der drey Arten von Bürgern in den Republiken! und jener Ausfall auf die weitläuftigen Beschreiber von Schlachten. Dabey kommen in diesem Stücke wieder zwey höchst edle weibliche Charaktere vor: Aethra und besonders Evadne. Die erste wird vom Theseus mit den Worten zum Reden aufgefordert: „Oft sey Weisheit aus einem weiblichen Munde geflossen.“ – Die letzte ist beynahe ins Romantische übertrieben. Ihr Gatte war vor Theben geblieben, und erhielt vom Theseus ein ehrenvolles Begräbniß. Evadne ruft aus: „Nichts sey süßer, als neben dem geliebten Gegenstande sein Ende zu finden. Ihr Körper solle mit dem ihres Gatten zugleich ein Raub der Flamme werden, sie wolle bey demjenigen sterben, den sie in ihrem Leben so sehr [96] geliebt habe.“ Nichts kann sie abhalten, diesen Entschluß auszuführen; selbst das Flehen ihres Vaters nicht. Sie wirft sich von einer Anhöhe auf den Scheiterhaufen des Gemahls herab und stirbt.

Rhesus ist das einzige Trauerspiel unsers Dichters, in dem die Damen keine Hauptrolle spielen. Dagegen kommen in den Trojanerinnen wieder mehrere Züge der Achtung vor, die Euripides für weibliche Tugend, Zärtlichkeit, und für das eheliche Glück hegte, das auf beyden beruht. Freylich sind seine Forderungen streng, aber er schrieb in Athen, in einer Republik.

Ich strebte, sagt Andromache, dem Ruhm einer weisen Matrone in Hektors Hause nach. Ich blieb daheim, aber ohne mich dem Geträtsche besuchender Weiber zu überlassen. Ich beschäftigte mich mit nützlichen Arbeiten, und unterhielt meinen Gatten mit liebevollen Blicken und sparsamen Reden. Ich wußte wo ich zu befehlen, und wo ich zu gehorchen hatte. – Meine Seele verabscheuet diejenigen, die in einer neuen Ehe den ersten Gatten vergessen, und einen zweyten lieben. – O mein geliebter Hektor! Ich war glücklich mit dir! Du warst der Gegenstand aller meiner Wünsche: groß an Geist, an Geburt und Macht, u. s. w.

In den Bacchantinnen sagt Tiresias: „Bescheidenheit und Keuschheit sind eigenthümliche Tugenden der Weiber.“ In den Heracliden biethet sich Macaria, Tochter des Herkules, zum Opfer an, um den Atheniensern einen Sieg zu verschaffen, der ihre Geschwister rettet. Im wüthenden Herkules [97] zeigt sich dieser, so lange er noch bey Vernunft ist, als einen liebenden Gatten. „Wer hat ein größeres Anrecht auf meinen Beystand“, ruft er aus, „als Gattin, Kinder und Vater! Ich gebe alle andere Unternehmungen auf, um ihnen zu helfen.“ Im Ion sagt Kreusa: „Wir Weiber haben einen harten Stand bey den Männern: die guten werden mit den schlechten verwechselt.“ Das Chor breitet sich weitläufig über den Vorzug aus, Kinder zu haben. „Ich hasse“, sagt es, „ein kinderloses Leben, und tadle den, der es liebt. Ich will lieber ein geringes Vermögen besitzen, und Eltern-Freuden genießen.“ „Ich will nicht, (sagt der Gatte der Kreusa, der ein unechtes Kind wieder gefunden zu haben glaubt, mit ihr aber in kinderloser Ehe lebt,) ich will nicht, daß mein Weib über seine Unfruchtbarkeit Kummer empfinde, während daß ich glücklich bin!“

Gewiß! so spricht wahre Zärtlichkeit! Nirgends aber zeigt sich diese stärker, als in der Helena. Man kann sagen, daß dieses Schauspiel einen wahren Roman im Kleinen enthalte, und daß man es mit sehr wenig Mühe zu einem größern in der Manier der spätern Werke der Erotiker ausspinnen könnte. Ich will eine etwas detailliertere Nachricht davon geben.

Helena ist nach dem Euripides nie in Troja gewesen. Merkur hatte sie dem Proteus, Könige von Aegypten, anvertrauet, der ihr einen sichern Zufluchtsort in seinen Staaten gewährte, während daß sich Paris mit einem Scheinbilde der wahren Helena, aus einer Wolke geformt, in Troja befand, und die Griechen um sie stritten. Nach der Eroberung dieser Stadt kehrte Menelaus mit dem falschen Exemplare der Helena [98] zurück, und ward nach Aegypten verschlagen. Hier befindet sich die wahre Helena in großer Verlegenheit. Proteus war gestorben, sein Sohn, Theoklymenes, will sie heirathen. Sie eröffnet die Scene mit Klagen über ihr Schicksal. Ihr unglücklicher Gatte streitet um ihretwillen vor Troja, viele Griechen sind aus eben diesem Grunde gefallen, und ihr Nahme ist allgemein gehaßt und beschimpft. Sie würde ihrem Leiden erliegen, wenn ihr Merkur nicht die Hoffnung gegeben hätte, dereinst mit ihrem wiedergefundenen Gatten nach Sparta zurückzukehren. Jetzt leidet sie besonders durch die Verfolgungen des Theoklymenes. Um sich vor seinen Andringlichkeiten zu sichern, und ihrem ersten Gemahle unverbrüchliche Treue zu bewahren, wirft sie sich auf dem Grabmahle des Proteus nieder, und fleht ihn um Schutz für ihre Tugend an. „Ist gleich mein Nahme in Griechenland allgemein beschimpft“, sagt sie, „so soll doch meine Person makellos bleiben!“ – Welch ein hoher Begriff von uneigennütziger Pflicht! Sie wird durch eine falsche Nachricht von dem Tode des Menelaus geschreckt. „Wie gern“, sagt sie, „würde ich diese Gestalt hingeben, in der die erste Quelle meines Unglücks liegt! Eine Hoffnung blieb mir noch übrig, die, meinen Gatten wieder zu sehen; und auch die wird mir geraubt!“ Inzwischen überläßt sie sich auf Anrathen des Chors nicht der Verzweiflung. Sie sucht vielmehr Trost bey der Theonoe, einer Seherin und Schwester des Theoklymenes. Diese hat ihr die Versicherung gegeben, daß Menelaus am Ende seiner Leiden mit ihr vereinigt werden würde, und daß er in der Nähe Schiffbruch gelitten habe. „Theuerer Menelaus“, ruft sie aus, [99] „eile, dich meinen Wünschen wiederzuschenken!“ Er kommt: sie erkennen sich wieder, das Scheinbild verschwindet, und Menelaus wird überzeugt, daß er seine wahre, ihm niemahls untreu gewordene Gattin in seinen Armen hält. Der Wechselgesang, der jetzt folgt, kann in keiner heutigen Oper zärtlicher gedacht werden. „Ich habe, ich habe meinen Gatten wieder,“ ruft Helena: „ich habe mein Weib wieder,“ ruft Menelaus. „Nun sind alle Leiden vergessen; das Glück, dessen wir genießen, ist nicht zu theuer erkauft! Wie könnte einer von uns elend seyn: wir sind wieder vereinigt.“

Die beyden Liebenden wissen Theonoe für sich zu interessieren. Sie verschweigt die Ankunft des Menelaus ihrem Bruder. Helena giebt einen Plan zur Flucht an, dem Menelaus folgt. Er selbst kündigt dem Könige unter der erlogenen Rolle eines Mannes aus seinem Gefolge seinen Schiffbruch und seinen Tod an. Helena verspricht dem Theoklymenes ihre Hand, unter der Bedingung, daß er ihr erlaube, den Manen des Menelaus die letzte Ehre auf dem Meere zu beweisen. Er gestattet es nach mehrern Schwierigkeiten, welche die Intrigue des Stücks immer mehr verwickeln, bis sie endlich alle aufgelöset werden, und Helena mit ihrem Menelaus glücklich zu Schiffe geht, und entflieht.

Dieß ist der Inhalt eines Trauerspiels, das den vollständigsten Beweis giebt, daß die Athenienser die Begebenheiten und Gesinnungen eines liebenden Paars so gut als wir fähig gehalten haben, den Zuschauer zu interessieren: daß wahre und wechselseitige Zärtlichkeit zwischen Gatten keine fremde Empfindung für [100] sie haben seyn können, und daß sie sehr hohe Begriffe von der Tugend und der Selbständigkeit der Matrone gehabt haben.

Ich muß noch ein Wort von den Fragmenten sagen, die sich aus einzelnen, verloren gegangenen Stücken unsers Dichters erhalten haben.

Man beruft sich oft, um seinen allgemeinen Weiberhaß zu beweisen, auf eine Stelle in dem Schauspiele Menalippa, worin es heißt: „Ich hasse alle Weiber, außer meiner Mutter!“ Wie wenig aber eine solche aus dem Zusammenhang herausgerissene Stelle einen gültigen Beweis für die angeführte Behauptung abgebe, zeigen zwey andere aus eben dem Schauspiele erhaltene Fragmente. Das erste lautet dahin: „Nichts ist schlimmer, als ein böses Weib: aber nichts ist auch besser, als ein gutes. So verschieden sind sie in ihren Charakteren!“

In dem zweyten heißt es ausdrücklich: „das Geschlecht der Weiber muß viel von ungerechter Beurtheilung leiden. Die schuldigen und ausschweifenden Frauen ziehen den unschuldigen und keuschen Schande und Vorwürfe zu. Daher glauben die Männer, daß sie alle kein richtiges Gefühl von den Pflichten der Ehe haben.“

Es kommen noch eine Menge von andern Stellen in diesen Fragmenten vor, die auf Weiberliebe und Weiberschätzung Beziehung haben, aber unmöglich als lauter Aeußerungen der wahren Denkungsart des Euripides betrachtet werden können, weil sie sich sonst geradezu unter einander widersprechen würden.

[101] Aus diesen Bemerkungen läßt sich nun überhaupt das Resultat ziehen, daß Euripides gegen das zärtere Geschlecht, als solches, weder selbst Haß und Verachtung hegte, noch beydes bey seinem Publiko als herrschende Stimmung voraussetzen durfte. Inzwischen läßt sich auch mit eben der Gewißheit annehmen, daß in Athen, so wie überall, die guten Frauen mit bösen vermischt, und die Sitten des größeren Haufens keinesweges unsträflich waren. Die Neigung unsers Dichters zu allgemeinen Behauptungen; sein Hang zur Satyre; der Ton der Comödie, der bey den Atheniensern sich nie ganz aus dem Trauerspiele verloren hat, und vor allen Dingen, der individuelle Charakter und die besondere Situation der handelnden Personen; dieß alles muß bey den Invektiven gegen die Weiber in Anschlag gebracht werden, und wird sie auf dasjenige herunter setzen, was sie wirklich sind, nehmlich auf Rügen fehlerhafter Sitten, und Klagen über einzelne Personen. Dagegen beweisen die vielen edlen weiblichen Charaktere, die Euripides als handelnd aufgeführt, und die Art, wie er das Hauptinteresse beynahe ganz auf diese gelegt hat, seine Achtung für weibliche Tugend und Vortrefflichkeit.

Der Begriff dieser Tugend und Vortrefflichkeit des Weibes war aber freylich nach dem Geiste einer Republik, und vermöge der Absonderung des zärteren Geschlechts vom geselligen Leben in größeren Zusammenkünften, etwas anders modificiert als bey uns. Nachgiebigkeit, Gefälligkeit gegen den Gatten, wirthschaftliche Sorgfalt, Eingezogenheit überhaupt, Abneigung gegen das Geträtsch der Müßiggängerinnen, [102] Vermeidung solcher jungen Männer, die nicht zur Familie gehörten, eine Schamhaftigkeit, die mehr im innern Gefühl der Pflicht, als in der Sorge für den äußern Ruf ihren Grund hatte, endlich Liebe zu den Kindern, Wachsamkeit über das Gesinde, und dessen liebreiche Behandlung; das waren die Pflichten der Sittlichkeit und des Anstandes für die Matrone. Hervorstechender Edelsinn zeigte sich bey ihr durch die Duldung der Härte, und selbst der Untreue des Gatten, noch mehr durch Hingebung des Lebens zu seiner Rettung, oder zur Bewahrung der gelobten Treue, und am stärksten durch heldenmüthige Aufopferung für die Familie und das Vaterland.

Die Matrone, die mit diesen Tugenden, mit diesem Seelenadel ausgesteuert war, durfte des allgemeinen Interesses sicher seyn, und die Zärtlichkeit des Gatten für sie war dem Zuschauer weder unbekannt, noch für den in dieser Situation dargestellten Helden erniedrigend. Allein den nehmlichen Anspruch auf begeisterte Bewunderung scheint doch die zärtliche oder leidenschaftliche Anhänglichkeit des Mannes an seinem Weibe nicht gehabt zu haben, den eben diese Stimmung von Seiten der Frauen erweckte. Einen seufzenden, in seiner Bewerbung unerhörten Liebhaber, oder einen durch Leichtsinn des Weibes sich unglücklich fühlenden Gatten finden wir nirgends dargestellt, und es ist sehr wahrscheinlich, daß er dem Athenienser ziemlich uninteressant, wo nicht lächerlich vorgekommen seyn würde. Sicher würde ein Bürger von Athen den Mann, der seine Ansprüche auf Ruhm und öffentliche Thätigkeit der Geliebten hätte aufopfern können, gemißbilligt, und sogar verachtet haben!

[103] Euripides hat das Weib zwar mehr gehoben als seine Vorgänger, ihm mehr Gleichheit der Rechte mit dem Manne eingeräumt, und eben dadurch die zärtliche Anhänglichkeit des letzten an seiner Gattin mehr gerechtfertigt; aber allemahl bleibt doch das zärtere Geschlecht bey ihm ein Wesen, dem politische Existenz, und eben darum zugleich dasjenige mangelt, was der Athenienser im vorzüglichsten Sinne edel und schön nannte.

Ist nun aber Freundschaft, ist Geschlechtszärtlichkeit, wirklich nichts anders als Paarung der Naturen, um sich beym Zusammentreffen in einem und demselben Genusse befriedigter Lieblingstriebe wechselseitig zu beglücken; so ist es begreiflich, daß diese liebende Paarung des Mannes mit dem Weibe in Athen immer höchst mangelhaft und eingeschränkt seyn mußte. Gerade in demjenigen Punkte, den der Athenienser für sein Höchstes und Schätzbarstes hielt, in den Trieben nach Bürgerruhm und Bürgertugend, konnte er mit der Gattin gar nicht in einem Genusse zusammentreffen; mithin war die Vereinigung der Naturen bloß auf die häuslichen Verhältnisse eingeschränkt.

Schon dieß muß den geringeren Werth erklären, den die gute Sitte in Athen auf Geschlechtszärtlichkeit für das Weib legte. Es liegt aber auch noch ein anderer Zug in dem Charakter dieses Volks zum Grunde, auf den, so viel ich weiß, noch kein Schriftsteller aufmerksam gemacht hat.

Der Grieche theilt dieß mit allen südlichen Völkern, daß, je mehr er den so gefährlichen Anfällen der Sinnlichkeit und leidenschaftlichen [WS 13] Begierde ausgesetzt [104] ist, er einen um so größern Werth auf Enthaltsamkeit und Beherrschung seiner selbst legt. Darum wird er diejenigen Verbindungen, bey denen die Befriedigung der Sinnlichkeit als wirksam angenommen werden kann, und die den Verbündeten einer Art von Wahnsinn aussetzen, immer weniger schätzen, als diejenigen, die ohne jenen, ihn anscheinend erniedrigenden Grund, und diese nachtheiligen Folgen, dennoch Begeisterung und Aufopferung hervorbringen. Der Mann kann daher aus seiner Zärtlichkeit oder Leidenschaft für das Weib keinen sonderlichen Ruhm ziehen: sie ist grober Eigennutz und Schwäche. Und selbst das Weib hat größern Ruhm von der Geschwister- oder kindlichen Liebe, als von der Gattenliebe, weil bey jenen kein Eigennutz und keine gröberen Triebe als mitwirkend angenommen werden. Diese Idee hat unstreitig dazu beygetragen, daß Euripides mehr die Ausbrüche wechselseitiger Liebe zwischen Geschwistern, und zwischen Eltern und Kindern, als zwischen Gatten dargestellt und gehoben hat. Er konnte für jene auf ein größeres Interesse von Seiten der Zuschauer rechnen.


Siebentes Kapitel.
Ideen der Philosophen über Geschlechtssympathie und Gattenliebe.

Die Ideen der Philosophen[WS 14] über gesellige und bürgerliche Verhältnisse und Einrichtungen können im Allgemeinen sehr wenig für die Denkungsart des Publikums, und selbst für die der wohlerzogenen und [105] gebildeten Klasse desselben beweisen. Der Philosoph legt entweder die herrschende Meinung der guten Sitte zum Grunde, sucht sie näher zu bestimmen und zu veredeln; oder er verläßt sie auch ganz, und stellt ein Ideal auf, das mit dem Hergebrachten und Gebräuchlichen im offenbaren Widerspruche steht. Er, oder seine Schüler können in der Folge den Ideen, die sie vortragen, ein solches Ansehn geben, daß sie die herrschende Denkungsart der wohlerzogenen und gebildeten Klasse der Bürger mehr oder weniger umformen. Aber ihre Anschauungsart beweiset nichts für die geltende gute Sitte in der Zeit worin sie schreiben.

Mir sind aus dem Zeitraume, der mich jetzt beschäftigt, nur zwey Philosophen bekannt, deren Werke vollständig genug auf uns gekommen wären, um ihre Ideen über Geschlechtssympathie und Gattenliebe mit einiger Zuverlässigkeit zu entwickeln:[WS 15] der eine ist Xenophon, der andere Plato.


Achtes Kapitel.
Denkungsart des Xenophon über diesen Gegenstand.

Es geht mir nahe, wenn ich die Oekonomica des Xenophon zum Beweise der traurigen Lage der atheniensischen Gattinnen anführen höre, und es ist mir zugleich unbegreiflich, wie man sich auf diese Schrift in jener Absicht berufen könne.

[106] Xenophons Charakter, als Philosoph, ist der eines praktischen Denkers der zugleich Staatsmann ist. Er nimmt den Menschen, so wie er ihn im Durchschnitte findet, und bezieht ihn zugleich auf seine Lage gegen die Republik.

Er entwirft keine Ideale für den einzelnen Menschen, der mit ungewöhnlichen Kräften ausgerüstet ist. Er sucht die ganze Gattung, die ganze Gesellschaft von Mitgliedern eines Staats zu heben, indem er auf solche Kräfte und Lagen Rücksicht nimmt, die man ungefähr bey allen voraussetzen kann. Seine gesunde Vernunft erwartet von der gesunden Vernunft anderer, daß sie so glücklich und so brauchbar werden seyn wollen, als sie es durch den Gebrauch jenes Allgemeinsinnes, wenn ich so sagen darf, werden können. In seinen Oekonomicis will er überhaupt lehren, wie eine Wirthschaft eingerichtet seyn müsse, um als ein wohlgeordnetes Haus, gut zum Staat, als Theil zum Ganzen zu passen. In eine gute Wirthschaft gehört eine gute Hausfrau: und dieß führt ihn darauf, uns das Verhältniß des wirthschaftlichen Hausvaters gegen die wirthschaftliche Hausmutter aus einander zu setzen.

Ischomachus wird als das Ideal eines braven Bürgers in seinen häuslichen Verhältnissen dargestellt. Als Republikaner darf er sich durch diese von den öffentlichen Geschäften nicht abhalten lassen. Ischomachus ist daher nur selten zu Hause. Seine Frau führt die Wirthschaft: und wie sie dazu geschickt geworden sey, das sucht uns Xenophon im Anfange der Schrift zu lehren.

[107] Der Absicht des Verfassers gemäß erscheint die Frau des Ischomachus als ein junges, unerfahrnes, aber auch unverdorbnes Weibchen, das noch nicht funfzehn Jahre alt ist. Dieß war nothwendig, um es begreiflich zu machen, wie ihr Gatte sie habe ziehen können. Gewisse Geschicklichkeiten, die der Mann ihr nicht gut beybringen kann, und die in späteren Jahren nicht wohl erlernt werden, mußte sie bereits vorher erworben haben. Sie konnte Wolle bearbeiten, Kleider verfertigen, und Arbeiten unter den Sklaven vertheilen. Wollen wir behaupten, daß alle Athenienserinnen im vierzehnten Jahre nur das verstanden haben, weil Xenophon von seiner angehenden Hausfrau nur das verlangte? Und werden wir unter uns viele junge Mädchen auffinden, die in diesem Alter an Kenntnissen, die sie dereinst zur Wirthschafterin fähig machen sollen, mehr erworben haben? Wollen wir die schöne und feine sittliche Ausbildung, welche die Athenienserin in dem ganzen Laufe dieses Gesprächs verräth, für nichts in Anschlag bringen?

Die junge Gattin erscheint fromm, und durchdrungen von dem Gefühle ihrer dereinstigen Bestimmung. Sie opfert mit ihrem Gatten den Göttern, und ruft sie zu Zeugen ihres ernsten[WS 16] Vorsatzes an, das zu werden, was sie werden müsse.

Ischomachus sucht ihr zuerst Anhänglichkeit und Zutrauen zu seiner Person einzuflößen; dann führt er sie auf den richtigen Begriff von dem Zweck ihrer Ehe. „Wir haben uns vereinigt“, sagt er, „damit jeder von uns an dem andern den treuesten Gehülfen [108] in der Führung der Wirthschaft, und in der Erziehung der Kinder fände. Denn auch Kinder sind ein gemeinschaftliches Gut; sie werden wieder unsere Gehülfen, und dereinst im Alter unsere Stützen seyn.“ – Der Moralist für die Gattung, der zugleich Staatsmann ist, kann den Zweck der Ehe nicht anders angeben. Auf Leidenschaft darf, auf Zärtlichkeit kann er bey der Menge nicht rechnen. Aber der Republikaner, der Philosoph, der über das Verhältniß der Ehe zur Wirthschaft, und dieser zum Staate räsonniert, kann nun vollends das Wesentliche der Ehe gar nicht anders angeben.

Eigennutz von beyden Seiten, gemeinschaftlicher Vortheil, durch Elterntriebe und Gewohnheit verstärkt, machen folglich die sichersten Bande unter den Gatten im Durchschnitt aus: und auf diese rechnet auch Xenophon. Sie schließen aber in einzelnen Fällen die Zärtlichkeit und die Achtung nicht aus, und so schildert uns denn auch unser Autor die gesunde Vernunft unter Begleitung eines liebenden Herzens.

„Unser Vermögen ist in Eins geworfen“, sagt Ischomachus. „Ich habe das meinige, du hast deine Mitgift, zum gemeinschaftlichen Gebrauche hergegeben. Laß uns nicht berechnen, wer von uns beyden den größern Beytrag geliefert hat. Besser wir suchen darin mit einander zu wetteifern, wer am besten damit wirthschafte.“ Bescheiden antwortet die Frau: „Wie kann ich dir helfen? Nur zur Häuslichkeit von meiner Mutter angezogen, fühle ich die Schwäche meiner Kräfte, und alles, was ich habe, gehört dir.“ – „Ich bin wie du zur Häuslichkeit angezogen“, [109] sagt der Mann. „Wir wollen durch gemeinschaftliche Sorge unser Vermögen vergrößern.“ Die Frau fragt: „Wie werde ich dein Vermögen vergrößern?“ Eine Antwort, die in dem Munde eines funfzehn jährigen Mädchens äußerst natürlich ist, und durch den Ausdruck einer gänzlichen Hingebung der Kräfte des Willens und des Vermögens einen nicht zu verkennenden Reitz erhält.

Ischomachus entwickelt nun den gemeinschaftlichen Antheil, den beyde Gatten, jedoch auf verschiedene Art, an der Beförderung des Zwecks der Ehe nehmen sollen, aus den eigenthümlichen Anlagen beyder Geschlechter. Die genaueste Kenntniß des Menschen, im Ganzen genommen, erscheint dabey neben der vollkommensten Anerkennung der Selbständigkeit des zärteren Geschlechts. Dem Manne wird die Betriebsamkeit außer Hause, der Frau die Besorgung der Geschäfte im Hause angewiesen. Kein Uebermuth von Seiten des stärkeren, kein verächtlicher Seitenblick von diesem auf das zärtere Geschlecht! Beyde Gatten sind sich einander eben durch ihre Verschiedenheit gleich nützlich, gleich unentbehrlich. Der Mann hat Kräfte, um Hitze, Kälte, Reisen, Feldzüge, und die Arbeiten des Feldes auszuhalten, und Muth genug, um sein Weib, seine Kinder, und Güter gegen Feinde und Gefahren zu vertheidigen. Dem Weibe hingegen hat die Vorsehung Schüchternheit und Besorgniß gegeben, um das Vermögen besser zu Rathe zu halten, und Mutterliebe, um sich der Erziehung der Kinder in ihren frühern Jahren anzunehmen. Mäßigkeit, Selbstbeherrschung und Besinnungskraft haben sie Beyde [110] aus den Händen der Natur in gleicher Maße erhalten, weil sie dieser Vorzüge in gleicher Maße bedürfen; und wenn es dem einen oder dem andern Gatten daran mangeln sollte, so dient eben die Ehe dazu, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Ein Geschlecht darf sich in die Bestimmung des andern nicht mischen: die Götter selbst haben sie jedem von ihnen vorgezeichnet. –

Ischomachus vergleicht nun seine Gattin mit einer Bienenkönigin. Sie ist Gebieterin, oder wie er sie in der Folge nennt, Aufseherin über das Gesetz in ihrem Hause. Doch bleibt dem Manne die Rolle des Gehülfen, da wo die häuslichen Geschäfte in die Betriebsamkeit außer Hause eingreifen, und überhaupt die des Rathgebers.

Unter andern Verrichtungen, die Ischomachus seiner Frau anweiset, ist auch die der Fürsorge für das kranke Gesinde. „Sie wird dir vielleicht unangenehm seyn?“ setzt er forschend hinzu. „Im Gegentheil“, sagt die Frau, „es wird mir das angenehmste Geschäft seyn. Denn die Genesenen werden sich dankbar und liebender gegen mich bezeigen!“ – Wie sittlich, und zugleich wie klug! Und das läßt Xenophon eine junge Frau von funfzehn Jahren sagen.

„Suche in Allem“, fährt Ischomachus fort, „deinen Gatten zu übertreffen! Du wirst dadurch einen Anspruch auf meine Verehrung und auf die Liebe deiner Hausgenossen haben, und diese werden bey zunehmenden Jahren wachsen, jemehr du die treuere Gefährtin meines Lebens, und die sorgsamere Beschützerin [111] unserer Kinder werden wirst. Denn das Gute und Schöne wird mehr nach seinem innern Gehalte, als nach äußern Vorzügen geschätzt.“

Die Gattin muß noch eine Haushälterin unter sich haben; beyde Eheleute suchen gemeinschaftlich die tauglichste Person dazu aus, und bemühen sich, ihr Anhänglichkeit an ihnen einzuflößen. „Sie theilt unsern Schmerz und unser Vergnügen“, sagt Ischomachus, „wir machen sie zur Vertrauten unserer Angelegenheiten, und bilden gemeinschaftlich ihr Herz zur Gerechtigkeitsliebe.“ – So erkennt Xenophon den gleichen Anspruch des Weibes auf Tugend, und seine Fähigkeit an, diese andern einzuflößen.

Die weiblichen Sklaven waren in dem Hause des Ischomachus von den männlichen getrennt, um Ausschweifungen vorzubeugen. „Denn gute Bedienten“, setzt Xenophon hinzu, „werden durch eine rechtmäßige Verbindung viel wohlwollender gegen ihre Herrschaft: hingegen liederliche lassen sich durch heimliche Verständnisse viel leichter zu Freveln verleiten.“ – Diese Einrichtung unter den Sklaven, die in jedem größern Haushalte so äußerst nothwendig seyn mußte, von Klugheit und Sittlichkeit zeugt, und noch jetzt unter freyen Domestiken in mehreren Häusern beobachtet wird, hat dennoch zum Beweise der Entfernung des Gatten von seiner Hausgenossin dienen sollen!!

Die junge Frau des Ischomachus hatte Fehler; Fehler ihres Alters, und ihres Geschlechts. Sie war zuweilen unordentlich in der Aufbewahrung ihrer Sachen, und eitel in ihrem Putze. Sie schminkte sich nach der Sitte ihres Landes mit mehreren [112] Farben, und trug hohe Absätze; Ischomachus sucht sie zu bessern. Aber ohne Härte, auf die liebevollste Art, und durch vernünftige Vorstellungen. „Die junge Frau antwortete nichts“, sagt Ischomachus, „aber sie that es nie wieder!“ –

Wenn man den eingeschränkten Zweck erwägt, den sich Xenophon bey dieser Schrift vor Augen gesetzt hatte; wenn man bedenkt, daß Xenophon nicht eine vortreffliche Ehe in jeder Rücksicht, sondern nur die Gatten in ihren Verhältnissen zur Wirthschaft schildern wollte; so läßt sich gewiß keine Herabwürdigung des zärtern Geschlechts aus dieser Darstellung folgern. Ich darf vielmehr dreist behaupten, daß die Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, und seines Anspruchs auf eigne Bestimmung in seinen Gesinnungen und Handlungen, so wie in dem Gefühle seiner Zufriedenheit, klar daraus erhelle. „Glaube nicht“, läßt Xenophon die Gattin des Ischomachus sagen, „daß deine Anträge mir lästig sind. Es ist für eine tugendhafte Frau angenehmer und leichter, für ihre Kinder zu sorgen, als sie zu vernachlässigen. Und eben so ist es für eine gutdenkende Frau erfreulicher, das Vermögen,[WS 17] dessen Besitz Vergnügen gewährt, zu Rathe zu halten, als es zu verwahrlosen.“ – Sokrates ruft darauf aus: „Bey der Juno, Ischomachus, dieß ist Beweises genug, daß deine Frau einen festen, männlichen Charakter hat!“ – – Man bemerke wohl, daß hier durch das Männliche weiter nichts als das Selbständige verstanden seyn kann: denn die Frau war fest, und sich selbst bestimmend in den eigenthümlichen Anlagen und Verhältnissen ihres Geschlechts.

[113] Xenophon verräth überall die Ueberzeugung, die er von dem sittlichen Werthe der Weiber, und von ihren Anlagen zur Bürgertugend hatte. Eine der edelsten weiblichen Handlungen, besonders nach den Begriffen der damahligen Zeit, sind wir seiner Aufbewahrung schuldig. Wer erinnert sich nicht der Panthea, der edeln Gattin des Abradates?[10] Sie hatte den Gemahl angefeuert, sich durch rühmliche Thaten der Freundschaft eines Cyrus würdig zu machen. Und nun war er im Kriege als sein Bundsgenosse gefallen! Die Unglückliche saß bey seiner Leiche im stillen Schmerz versunken, als Cyrus zu ihr kam. Weinend sprach der Held: „o tapfere und treue Seele, bist du wirklich hingegangen und hast uns zurückgelassen?“ Bey diesen Worten ergriff er die Rechte des Todten, aber diese, die in der Schlacht abgehauen war, trennte sich von dem Rumpfe, und blieb in der seinigen. Dieser Anblick vermehrte den Schmerz des Cyrus. Aber Panthea brach nun in ein lautes Wehklagen aus, warf sich auf die Hand ihres Gatten, bedeckte sie mit Küssen, und fügte sie wieder an den Leichnam, so gut sie konnte. „Ach!“ sprach sie, „sein übriger Körper ist eben so grausam zugerichtet. Doch! warum sollte ich dich mit diesem Schauspiele martern? Ich habe ihm dieß Unglück zugezogen, obwohl auch du, Cyrus, einigen Antheil daran hast! Ich Thörin! ich war’s, die ihn durch häufiges Zureden bewog, sich deiner Freundschaft werth zu machen. Der Edle hörte mich, und verachtete fortan alle Gefahren, die seiner warteten, und strebte nur, durch hohe Thaten dir zu gefallen. So ist er auch gestorben, ohne Klage über sein [114] Schicksal! Und ich, ich seine unglückliche Rathgeberin, sitze hier noch lebend bey seinem Leichname!“

Cyrus hing eine Zeitlang stillschweigend seinem Schmerze nach; dann suchte er die Arme zu trösten. Er stellte ihr das rühmliche Ende, den Tod des Siegers vor. Er versprach ihr ein prächtiges Leichenbegängniß für den Gatten, und seine vorzüglichste Fürsorge für sie selbst. „Du sollst nicht verlassen seyn“, sprach er: „deine Sittsamkeit und deine übrigen Tugenden haben meine ganze Verehrung. Ich will dir einen treuen Begleiter zugeben, dem du anzeigen kannst, zu wem du geführt zu werden wünschest.“ – „Sey sicher“, antwortet Panthea, „du wirst es erfahren, zu wem ich zu gehen wünsche!“

Darauf begab sich Cyrus weg, durchdrungen von Mittleid mit der Gattin, die solch’ einen Mann verloren, und mit dem Manne, der solch’ eine Frau hatte verlassen müssen. Sie aber entfernte ihre Verschnittenen unter dem Vorwande, ungestört über den Gatten weinen zu wollen, und behielt allein ihre Wärterin bey sich, der sie befahl, sie nach ihrem Tode neben ihrem Gatten, in Ein Gewand gehüllt, zu begraben. Die Wärterin warf sich zu ihren Füßen, und beschwor sie, von diesem Vorsatze abzustehen. Als sie aber sah, daß sie nichts ausrichtete, und daß sie ihre Frau nur zum Unwillen reitzte, so ließ sie ab, und setzte sich weinend bey ihr nieder. Panthea, die schon längst das Schwert zu dieser Absicht in Bereitschaft hatte, erstach sich, legte ihr Haupt auf des Gatten Brust und starb. Die Wärterin befolgte ihren Befehl, und bedeckte wehklagend beyde Körper.

[115] In seinem Gastmahle läßt Xenophon den Sokrates sagen: „daß das weibliche Geschlecht dem männlichen bloß an Ueberlegung und Stärke nachstehe, daß es aber fähig sey, Kenntnisse jeder Art zu erlernen, und sogar zur Herzhaftigkeit angeleitet zu werden.“ Er führt zum Beweise, wie allgemein die Liebe sey, den Nikerates[WS 18] an, der seine Frau liebt, und wieder von ihr geliebt wird, und setzt diese Liebe neben derjenigen, die Hermogenes für Rechtschaffenheit und Biederkeit empfand.

Xenophon läßt eben daselbst vor der Gesellschaft eine Pantomime aufführen, dessen Inhalt ich weiter unten anzeigen werde, worin die Geschlechtssympathie, die das Weib auf sich zieht, mit allen Reitzen dargestellt wird, die verfeinerte Sinnlichkeit ihr geben können; und er läßt dadurch alle Zuschauer in eine solche Bewegung gerathen, daß die verheiratheten Männer sich sogleich zu ihren Gattinnen begeben, die unverheiratheten aber den Entschluß fassen, sich sobald als möglich zu vermählen.

Eine Verachtung der Weiber, eine Scheu vor engeren Verbindungen mit ihnen, läßt sich daher unserm Philosophen keinesweges zur Last legen. Aber darin theilt er die Ideen seiner Landsleute, daß er, so wie sie, nichts Hervorstechendes und Edles in der Liebe des Mannes zu seiner Gattin fand, und diese als ein liebendes Patronat betrachtete. Er suchte auch in der Apathie gegen die Reitze der körperlichen Geschlechtssympathie eine besondere Vollkommenheit. „Jupiter“, sagt er in seinem Gastmahle, „hat die Weiber, mit denen er sich abgegeben hat, in der Classe der Sterblichen zurückgelassen, hingegen hat er die Männer, deren Seelen er geliebt [116] hat, zur Unsterblichkeit gehoben.“ Sokrates, den er als das Ideal eines vollkommenen Mannes aufstellt, hat nach seiner Darstellung ein böses Weib genommen, bloß um sich in der Geduld und Verträglichkeit zu üben, und während, daß alle übrigen Gäste bey der eben angeführten pantomimischen Darstellung der Gattenliebe in die heftigste Bewegung gerathen, und diejenigen, die verheirathet sind, nach Hause zu ihren Weibern eilen, steht Sokrates auf, um mit seinen Freunden spazieren zu gehen.


Neuntes Kapitel.
Ideen des Plato über eben diese Materie.

Plato ist in seinen Ideen über die Weiber nicht consequent. Es ging ihm, wie es allen Menschen von lebhafter Imagination geht. Ihre Urtheile beziehen sich weniger auf Thatsachen, als auf Bilder, die ihre Imagination stark gerührt haben, und da diese manchen Veränderungen und Abwechselungen unterworfen sind, so verändert sich auch ihre Meinung über den nehmlichen Gegenstand, oft ohne daß sie es selbst wissen.

Es ist zweifelhaft, ob Plato an irgend einer Stelle das Weib als eine besondere Gattung von Geschöpfen angesehen habe, die zwischen Menschen und Thieren stehen, oder ob er es bloß gewisser moralischer Unvollkommenheiten wegen unter den Mann herabwürdigt. Denn wenn er gleich im Timäus sagt: daß Männer, die ungerecht und verworfen gelebt haben, in der zweyten Generation in Weiber übergehen; so läßt er doch in [117] seinem Phädrus die Seelen, die sich nicht der Gottheit zu nähern gesucht haben, nicht in Weiber, sondern in Männer von verschiedenen Ständen, z. E. Tyrannen, und so weiter fahren.

Diejenige Meinung, der unser Philosoph am treuesten geblieben ist, scheint inzwischen diese gewesen zu seyn, daß das oberste Princip der Seele, die Vernunft, (Ratio) bey beyden Geschlechtern gleich sey, daß aber die Kräfte, welche diese Vernunft leiten und führen soll, so wohl an Seele als Körper bey dem Weibe schwächer, mithin auch schlechter wären, daher sich dieses denn der Vollkommenheit, die er in einer solchen Harmonie aller Kräfte setzt, vermöge welcher alle zu einem Zwecke wirken und der Vernunft gehorchen, weniger nähern könnte.

Daraus läßt sich denn auch erklären, warum der Mann, welcher der Vernunft nicht gehorcht, und seine Kräfte nicht zweckmäßig unter ihrer Leitung wirken läßt, nach dem Tode in ein weibliches Wesen übergehen soll.

Allein eben darum läßt sich nun auch begreifen, warum Plato an die Veredlung des Weibes glaubt, und wie er diese zu Stande zu bringen sucht.

In seiner Republik äußert er darüber folgende Ideen:

„Die Weiber sind etwas schwächer dem Körper nach als die Männer, aber übrigens zu allen Geschäften so gut als die Männer fähig, nur daß einige besser zum Kriege, andere zu Staatsgeschäften gebraucht werden können. Um aber die Weiber dahin zu bringen, müssen sie gerade wie Jünglinge erzogen werden. Sie müssen ihre Schamhaftigkeit nicht in der Bekleidung des Körpers, sondern im Gefühle ihrer Tugend suchen. Sie müssen [118] zur Musik und zu gymnastischen Uebungen angeleitet werden. Etwas Rücksicht wird man immer auf ihre Schwäche nehmen müssen, und ihnen daher die leichtern Geschäfte besonders anvertrauen. Uebrigens muß eine völlige Gemeinschaft der Weiber Statt finden. Keines darf eines besondern Mannes Weib seyn. Auch darf kein Sohn einen besondern Vater anerkennen. Sie müssen zusammen öffentlich schmausen und bey einander wohnen.

Die Obrigkeit muß dafür sorgen, den Mißbräuchen dieser Einrichtung vorzubeugen. Bey öffentlichen Festen, die dazu bestimmt sind, gesetzmäßige Verbindungen zu knüpfen, wählt sie eine gewisse Anzahl von Männern und Weibern aus, durch welche der Abgang von Bürgern wieder ersetzt werden soll. Ihre Nahmen sollen in eine Urne geworfen werden, und das Loos soll dem Anscheine nach über die Personen entscheiden, die zusammen gepaart werden. Aber im Grunde wird die Obrigkeit das Schicksal so zu lenken wissen, daß diejenigen Personen immer zusammen kommen, von denen man die beste Nachkommenschaft zu hoffen hat: nicht anders, wie man die Raçen bey Thieren zu bewahren sucht. Sobald die Kinder geboren sind, werden sie den Eltern genommen und an einem öffentlichen Orte erzogen, wo die Mütter, ohne sie zu kennen, bald das eine, bald das andere Kind säugen werden. Von dieser öffentlichen Erziehungsanstalt werden aber diejenigen ausgeschlossen, die nicht aus solchen feyerlich angeordneten Umarmungen entsprossen sind; ferner diejenigen, die mangelhaft und häßlich zur Welt kommen, endlich solche, die von Eltern geboren werden, die das gesetzliche Alter zum Kinderzeugen noch nicht erreicht, oder bereits überschritten [119] haben. Sobald die Eltern die Zwecke des Staats erfüllt haben, so gehen sie wieder aus einander, bis die Obrigkeit ihrer wieder bedarf, und das von ihr geleitete Loos wieder neue Paarungen unter ihnen stiftet. Uebrigens sind die Personen, die das gesetzliche Alter zur Paarung überschritten haben, zwar an keine Enthaltsamkeit gebunden, sie müssen sich aber in Acht nehmen, daß ihre Verbindungen keine Folgen haben, und daß sie sich weder mit ihren Kindern noch mit ihren Eltern vermischen.

Diejenigen Personen, welche zu gleicher Zeit gepaart worden sind, werden alle diejenigen Kinder als die ihrigen ansehen müssen, die zwischen sieben und zehn Monaten nach einer solchen Paarung geboren sind, und diese werden sie wieder als Eltern ansehen. Die Kinder einer Brut werden sich unter einander als Geschwister betrachten, u. s. w. So wird denn der Staat nicht aus einzelnen Familien bestehen, sondern nur Eine große Familie ausmachen, worin alle Mitglieder von einem öffentlichen Geiste belebt, keinen Eigennutz und kein Eigenthum kennen, folglich auch keine Veranlassung zur Eifersucht und zur Uneinigkeit finden.“

Plato weicht in seinen Dialogen von den Gesetzen darin von den Ideen ab, die er in seiner Republik geäußert hat, daß er die Heiligkeit der Ehen und die eigenthümlichen Tugenden der Weiber mehr sichert, und sich dafür weniger von der Natur entfernt.

Er behauptet, daß es ein großer Fehler sey, daß sich die Gesetzgeber so wenig mit der Erziehung der Weiber beschäftigten, und sie gleichsam in dem Dunkel des häuslichen Lebens vergäßen. Er will sie herausziehen, sie sollen öffentlich zusammen schmausen. „Das Geschlecht“, [120] sagt er, „zieht sich zurück, und braucht Ränke, eben weil es seine Schwäche fühlt. Es kann darum auch minder einer bestimmten Ordnung unterworfen werden, und dieß ist die Ursach, warum der Gesetzgeber es, wie wohl sehr mit Unrecht, vernachlässigt. Denn diese Vernachlässigung zieht sehr schädliche Folgen nach sich. Es würde alles besser bey uns seyn, wenn die Gesetze sich um die Sitten der Weiber mehr bekümmerten. Denn das sich selbst überlassene Weib macht nicht bloß, wie es scheinen könnte, die Hälfte der menschlichen Gattung aus; sondern je weniger Anlagen es zur Tugend hat, um desto weitgreifender ist sein Einfluß auf die Sitten, und dadurch wird der Nachtheil, der von ihm zu befürchten steht, doppelt gefährlich. Man muß also das Weib zu verbessern, und ihm Gelegenheit zu geben suchen, mit dem Manne gemeinschaftlich zum Wohl des Staates beyzutragen. Darum müssen seine thierischen Begierden nach Essen, Trinken und körperlicher Lüsternheit besonders gemäßigt und geleitet werden; und um dieß zu bewirken, sollen die Weiber öffentlich und unter Aufsicht der Gesetze zusammen speisen. Darum muß ferner die Art, wie für die Fortpflanzung des Geschlechts gesorgt werden soll, durch Gesetze bestimmt, und durch Strafen im Fall der Uebertretung gesichert werden. – Der Zweck der Vereinigung zwischen den Gatten ist der, die schönsten und besten Kinder dem Staate zu liefern.“ Wie dieser erreicht werden könne, dazu giebt Plato nun verschiedene Mittel an. „Es soll ein Gericht von Weibern bestellt werden, das täglich im Tempel der Lucina seine Sitzungen hält, und die Aufsicht über die Ehen führt. Wenn innerhalb zehn Jahren keine Kinder erfolgen, so werden die Ehen von dem Gerichte mit Zuziehung der [121] Anverwandten getrennt. Die Oberaufseherinnen über die Ehe müssen zu Zeiten in die Häuser der jungen Eheleute hinein gehen, und sie theils durch Ermahnung, theils durch Drohungen von ihren Verirrungen und Fehlern zurückzubringen suchen. Hilft dieß nichts, so müssen sie es den obersten Wächtern über das Gesetz anzeigen. Können diese gleichfalls nicht wehren, so müssen sie die Sache vors Volk bringen, die Nahmen anschlagen, und schwören: daß sie die Personen nicht haben bessern können. Der schuldig Befundene wird infam. Er darf nicht wieder heirathen, und wenn er es wagt, so darf ihn jeder ungestraft tödten. Wenn Kinder aus einer Ehe erfolgt sind, so wird der Ehebruch von Seiten des Mannes und des Weibes bestraft, wenn sie anders noch zum Kinderzeugen fähig sind. Keuschheit und Ehrbarkeit sollen in Ehren gehalten werden, u. s. w. Das Mädchen soll in dem Zwischenraume vom sechzehnten Jahre an bis zum zwanzigsten heirathen, der Mann vom dreyßigsten an bis ins fünf und dreyßigste. Das Weib führt obrigkeitliche Aemter im vierzigsten Jahre, der Mann im dreyßigsten. Die Männer dienen im Kriege bis zum sechzigsten Jahre, die Weiber bis zum funfzigsten. Doch sollen die letztern nur zu solchen Geschäften im Kriege gebraucht werden, die ihren Kräften angemessen und anständig sind.“

Im siebenten Buche will er ferner noch, daß die Oberaufseherinnen über die Ehen auch die Aufsicht über die öffentlichen Ammen führen sollen. Er will, daß die jungen Mädchen zwar zu männlichen Kenntnissen und Uebungen angeleitet, aber doch von den Knaben getrennt erzogen werden sollen. „Musik sollen beyde Geschlechter lernen, doch soll diejenige, welche das männliche [122] ausübt, einen stärkeren, muthigeren, die der Weiber einen reitzenderen und sanfteren Charakter an sich tragen.“

Weiter unten dringt er sehr bestimmt darauf, den Weibern eine sichere Bestimmung zu geben. „Wollen wir“, sagt er, „so wie die Thracier und viele andere Völker, die Weiber den Ackerbau, die Viehzucht, und andere Arbeiten, die sie mit den Sklaven gemein haben, verrichten lassen? Oder wollen wir ihnen, so wie bey uns und unsern Nachbarn, die Oberaufsicht über den innern Haushalt und die weiblichen Arbeiten einräumen? Oder wollen wir, wie die Lacedämonier eine Mittelstraße einschlagen, den Jungfrauen Musik und gymnastische Uebungen, den Weibern die Wollenfabrikatur, zugleich aber ihrer Thätigkeit einen größern Wirkungskreis anweisen, ihnen die Besorgung des Hauswesens, und einen gewissen Antheil an der Erziehung einräumen, sie jedoch von kriegerischen Beschäftigungen ausschließen? Dann werden sie aber immer unter dem Manne stehen bleiben. Nein! Mag ein anderer diese Einrichtungen loben. Ich verlange eine gleiche Bestimmung für Weiber und für Männer.“

In Gemäßheit dieser Grundsätze läßt er nun die Weiber an öffentlichen Gastmählern, Spielen, Wettrennen und Ringerübungen Theil nehmen[WS 19]. Doch sind sie nicht dazu zu zwingen, zu Pferde den Bogen und den Wurfspieß zu führen, sondern nur zuzulassen, wenn sie Lust dazu haben. Endlich gestattet er den verheiratheten Weibern, nach dem vierzigsten Jahre vor Gericht zu handeln: den unverheiratheten aber nur, Zeugniß abzulegen.

[123] So zeigt also Plato allenthalben ein solches Vertrauen zu der Veredlung des zärteren Geschlechts, wie vielleicht wenig Philosophen vor und nach ihm gehabt haben mögen. Verächter des Geschlechts, seinen Anlagen nach, ist er folglich nicht gewesen, sondern nur Verächter des Weibes in seiner damahligen Lage, bey seiner vernachlässigten Ausbildung. Und auch hier hat er Ausnahmen zugelassen, wie mehrere Stellen in seinem Gastmahle und andern Gesprächen beweisen, worin er außerordentliche Frauen in einem schönen Lichte darstellt. Ueberhaupt äußert sich seine Weiberverachtung mehr dadurch, daß er sie den Männern nachsetzt, als durch das Böse, das er ihnen vorwirft. So läßt er z. B. in seinem Gastmahle den Phädrus sagen: „Nur die Liebenden sind für einander zu sterben bereit, nicht allein Männer, sondern auch Weiber!“ – Darum wird von eben diesem Phädrus die Alcesta hochgepriesen, und nur dem Achilles nachgesetzt. Eben so wird im zweyten Buche von den Gesetzen, das Weib wegen seines Geschmacks an Trauerspielen mit den Jünglingen in eine Classe, über das Kind, und nur dem reifen Manne nachgesetzt, der mehr Gefallen an Heldengedichten nimmt.

Die Geringschätzung, die Plato gegen das weibliche Geschlecht äußert, ist also mehr relativ, und hängt von der Vergleichung mit dem Manne in der Lage ab, worin er beyde Geschlechter wirklich zu sehen glaubte. Daß aber das Weib nach seinen Begriffen unter dem Manne stehen mußte, das lag in seinen Begriffen von Tugend und Vollkommenheit. Er war zu sehr Athenienser und Politiker, als daß er bey seinen Räsonnements über moralische Würde, die Verhältnisse des Bürgers zum Staate hätte vergessen sollen. Selbst da, wo er das Abstrakt [124] einer kosmopolitischen Vortrefflichkeit entwirft, schwebt ihm das Bild des atheniensischen Bürgers immer vor Augen, und natürlich mußte das Weib, das nicht Staatsbürgerin war, und es seiner ganzen Erziehung und Lage nach nicht seyn konnte, in seiner Achtung verlieren. Aber eine völlig falsche Ansicht ist es, wenn man dem Plato Schuld giebt, er habe die Weiber durchaus wie unsittliche und ganz verdorbene Sklavinnen der Männer verachtet.

Inzwischen konnte Plato, da er kein Wohlverhältniß an Eigenschaften und Lagen zwischen beyden Geschlechtern antraf, auch keine Zärtlichkeit oder Freundschaft zwischen ihnen annehmen. Das was er Liebe des Mannes zum Weibe nannte, war leidenschaftliche Begierde nach dem Besitz der Person. Er schätzte an der Gattin die Aufopferung, mit der sie das Wohl des Mannes ihrem eigenen vorzog; aber er fand darin nicht den uneigennützigen, auf höheren Trieben beruhenden Seelenadel, den er dem Bürger beylegte, der sich für den Geliebten oder für das Vaterland hingab. Denn bey der Treue des Weibes lag nach seinen Begriffen Sinnlichkeit unter, da hingegen bey der Männer- und Vaterlandsliebe hauptsächlich Begeisterung wirkte.

So dachte Plato über die Gattenliebe, in Beziehung auf die wirkliche Lage der beyden Geschlechter gegen einander. In seinen idealischen Staaten hob er die Frau zum Range des Mannes durch Erziehung und Bestimmung hinauf, und hier hätte er denn allerdings Zärtlichkeit und liebende Leidenschaft zwischen ihnen voraussetzen und schätzen können. Allein da solche particuläre Vereinigungen der Gemeinschaft unter allen Staatsbürgern und ihrer einzigen Rücksicht auf das allgemeine Beste [125] leicht hätten gefährlich werden mögen; so suchte er solche Einrichtungen zu treffen, wodurch eine zu genaue Vereinigung unter einzelnen Paaren verhindert wurde. Besonders aber strebte er darnach, den Zug der beyden Geschlechter zu einander von jener Leidenschaft zu reinigen, die den Cardinaltugenden, die er annahm, der Weisheit, Mäßigkeit, Tapferkeit und Gerechtigkeit, so leicht gefährlich werden konnte.


Zehntes Kapitel.
Ideen der Athenienser über die Liebe zu den Hetären oder Freudenmädchen.

Nun ein Wort über die Buhlerinnen, Freudenmädchen, Courtisanen von Athen, die man mit einem anständigeren Nahmen Hetären, Freundinnen, nannte.

Man hat in neueren Zeiten das Außerordentliche, welches die Alten von einigen unter ihnen, die in verschiedenen Zeitaltern und Städten gelebt haben, erzählen, auf die ganze Classe, und zwar vorzüglich in Athen, ausgedehnt. Man legt ihnen eine große Bildung des Geistes, sehr verfeinerte Künste der Coquetterie, und vor allen Dingen die Gabe bey, das sinnliche Vergnügen mit allen Reitzen zu würzen, die es nur immer durch Zartheit der Empfindung, unterhaltende Talente, Witz und Einbildungskraft erhalten kann. Man glaubt, die Verbindung mit diesen Hetären, oder wenigstens der Umgang mit ihnen, sey von der guten Sitte in Schutz genommen; man habe sie den Ehen vorgezogen, und weil die Matrone bloß zur Mutter und zur Haushälterin bestimmt [126] gewesen sey; so habe der Bürger von Athen seine Ergötzung[WS 20] bey der Courtisane gefunden.

Alles dieß wird ohne Beweis angenommen. Es widerspricht deutlichen Zeugnissen für das Gegentheil, dem ganzen Geist der Atheniensischen Denkungsart, und besonders der Kenntniß des Menschen, nach der Erfahrung von demjenigen, wie es noch heut zu Tage um diese Classe von Weibern in den größten und kultiviertesten Städten von Europa steht.

Was wir von gleichzeitigen Schriftstellern über die Lage der Hetären in der Periode, von der ich hier rede, wissen, ist sehr wenig. Spätere Schriftsteller, die bereits alles ins Außerordentliche getrieben haben, können hier nichts beweisen, und ohnehin sind die Schilderungen eines Lucians, Alciphrons, Athenäus, Aristenät[WS 21], u. s. w. den obigen Behauptungen auf keine Weise günstig.

Zuerst muß man die freygelassenen Weiber und Fremden, die ihr Gewerbe für sich trieben[WS 22], von den Mädchen welche die Sklavenhändler, Kupler und Kuplerinnen hielten, wohl unterscheiden. Die letzten wurden zu Kebsweibern und Beyschläferinnen verkauft, und kommen hier eigentlich nicht in Betracht. Nur die ersten bezeichnet Demosthenes, wenn er sagt: „Buhlerinnen dienen zum Vergnügen, Beyschläferinnen zum täglichen Umgang, zur Pflege und Befriedigung körperlicher Begierden; Gattinnen aber zum Kinderzeugen und zur treuen Oberaufsicht über unser Hauswesen.“

Ich frage also, was wir von jenen Buhlerinnen oder Hetären wissen, die zum Vergnügen der atheniensischen Bürger dienten?

[127] Die glaubwürdigsten Zeugnisse sprechen von einer Aspasia, die von einer Hetäre zum Range einer Gattin des Pericles erhoben worden ist, und den größten Einfluß auf die Begebenheiten ihrer Zeit gehabt hat. Sie wird als eine Frau von außerordentlicher Politur der Sitten, Weisheit und Kenntnissen geschildert, und daran muß ich glauben. Allein eben das große Aufsehn das sie gemacht hat, scheint mir das Ungewöhnliche ihrer Vorzüge zu beweisen.

Man spricht ferner von einer Diotima, von der Sokrates die Kunst zu lieben, nach dem Zeugnisse des Plato, gelernt haben soll. Aber diese gehört nicht hieher. Sie ist offenbar ein idealisches Wesen, eine Begeisterte, eine Seherin, und nichts führt uns darauf zurück, sie für eine Hetäre zu halten.

Dann liefert uns Xenophon[11] ein Gespräch, das Sokrates mit einer berühmten Buhlerin, Theodota, gehalten haben soll. Es ist der Mühe werth, dieß Gespräch etwas näher kennen zu lernen, um zu prüfen, ob die Dame, die hier geschildert wird, wirklich die Kunst zu gefallen, in einem so hohen Grade besessen habe, wie man es gemeiniglich von allen andern ihres Standes behauptet.

Als Sokrates mit seinen Schülern zu ihr kam, so stand sie gerade einem Mahler zum Modell. Der Umstand ist wichtig; er zeigt zum Voraus auf die Reitze hin, denen Theodota ihre Macht über die Männerherzen zuschrieb. Sokrates, der einen großen Luxus in ihrem Hause findet, fragt sie nach ihren Erwerbmitteln; und als sie die Wohlthaten ihrer Freunde als solche angiebt, [128] fragt er sie, ob sie sich dabey bloß aufs Glück verlasse, oder eine sinnreiche Erfindung brauche, um sie zu fangen? Die harmlose Theodota antwortet: „Sie wisse nicht, was für eine Erfindung sie dazu brauchen solle; sie kenne keine Künste die weiter gingen, als Gefälligkeit in Handlungen; schöne Worte gebrauche sie dazu nicht.“ Sokrates räth ihr also, ihren Augen einen bezaubernden Ausdruck zu geben, und durch ihre Reden Herzen zu fangen. Er preiset ihr besonders die List an, anfangs geringe Dienste von ihren Liebhabern zu fordern, und ihre Gefälligkeit nach dem Verhältnisse jener Dienste einzurichten. Dadurch würde sie die Buhler immer fester verbinden, sie standhafter und freygebiger machen. Sie solle den Werth ihrer Gunstbezeugungen dadurch erhöhen, daß sie sich ihnen nicht in die Arme würfe, ehe sie ihre Begierden aufs höchste entflammt habe. Die unerfahrne Theodota fragt, wie sie sich dabey benehmen solle? Sokrates belehrt sie, sich dem Liebhaber nicht anzubiethen, wenn sie keine Neigung an ihm bemerke. Bemerke sie diese, so solle sie ihn durch ein freundliches Gespräch an ihre Person erinnern, und ihm zu erkennen geben, daß sie wohl geneigt sey, sich ihm zu ergeben: dann aber sich entfernen, bis sein Verlangen aufs höchste gestiegen sey.

Man muß gestehen, daß wenn dieß die so berufene Kunst zu gefallen der Griechischen Hetären war, daß dann die Freudenmädchen von ziemlich gewöhnlichem Schlage in unsern großen Städten, die nur nicht zur Classe der verworfensten Straßendirnen gehören, mehr davon wissen, als der gute Sokrates. Man sieht zugleich, was der Zweck des Umgangs mit diesen Hetären war, und daß Theodota dabey so einfältig zu Werke [129] ging, als die gewöhnlichsten Metzen in Paris, Venedig, London u. s. w. die sich selbst den Vorübergehenden anbiethen, es nur immer thun können.

In der That! ich kann mir keinen großen Begriff von dieser Kunst zu gefallen der atheniensischen Hetären machen. Dürfte man der Schilderung eines jüngeren Komikers, des Alexis, trauen, so wäre ihre Erziehung ganz darauf ausgegangen, die Reitze ihres Körpers zu heben, und ihr Zweck einzig der gewesen, Geld zu gewinnen. [12]

Inzwischen gebe ich gern zu, daß in Athen, in einer Stadt, wo ein großer Luxus herrschte, wo der Geschmack an sinnlichen Freuden verfeinert war, unter diesen Hetären manche Virtuosin in der Kunst gewesen sey, die gröbere Wollust mannigfaltiger und schmackhafter zu geben, und die Zeitverkürzung, die man im kosenden Geschwätze sucht, durch Talente einer geistigern Unterhaltung interessanter zu machen. Einige Wenige haben sich sogar in den Geschmack der Weisen im Volke geschickt, sich auf Philosophie, Politik, Rhetorik, u. s. w. gelegt, und diese Kenntnisse, verbunden mit Scharfsinn und Klugheit, genutzt, den Reitz ihres Umgangs zu erhöhen, und allgemeine Bewunderung zu erwecken.

Aber haben diese ausgezeichneten Personen unter den Hetären dem ganzen Stande eine Achtung zugezogen, die über derjenigen stand, welche die gute Sitte in Athen der Matrone zollte? Ist der Umgang mit der Hetäre von dem Vorwurfe der Unanständigkeit frey, ein ganz erlaubtes, ja, dazu besonders ausersehenes Mittel gewesen, neben den Pflichten der Ehe, denen man bey der [130] Frau ein Genüge that, auch das Vergnügen in den geselligen Verhältnissen mit dem zärteren Geschlechte zu finden? Ist endlich dieß Vergnügen wirklich allgemein sehr verfeinert gewesen? Alle diese Fragen muß ich verneinen.

Perikles hat die Spöttereyen der Komiker über seine Verbindung mit der Aspasia auf sich gezogen. Xenophon giebt sich alle Mühe, seinen Helden, den Sokrates, von dem Vorwurfe zu retten, als ob er aus einer andern Ursache, als der,[WS 23] seinen Schülern die Verächtlichkeit der Theodota kennen zu lehren, zu ihr gegangen sey. Der Schritt wird an sich als etwas Zweydeutiges in seiner Aufführung dargestellt, das Xenophon zu heben sucht. Sokrates weigert sich, auf die Einladung der Theodota wiederzukommen, und sagt, er habe dazu keine Muße. Aristophanes giebt an mehreren Stellen Beweise der Verachtung, worin der Stand der Hetären nicht bloß nach der guten Sitte, sondern sogar nach Polizeygesetzen bey den Atheniensern stand, und nirgends drückt er diese stärker aus, als wenn er mit beißendem Spotte die Matrone, ihrer Sitten wegen, mit der Hetäre in einen Rang setzt. Demosthenes, der sie zum Vergnügen bestimmt, giebt selbst den besten Commentar über den Sinn dieses Ausdrucks, und den Werth, den er auf dieß Vergnügen setzt. Er war nach Korinth zu der berühmtesten[WS 24] Buhlerin seiner Zeit, der Lais, gereiset; aber abgeschreckt durch den hohen Preis, den sie auf eine Nacht setzte, kehrte er ohne genossen zu haben mit dem Ausdrucke zurück: so theuer erkaufe ich nicht, was mich gereuen würde!

Wenn daher die einzelne Hetäre den Bürger in Athen mit Zärtlichkeit und Leidenschaft gefesselt hat, vielleicht öfterer als die Matrone gefesselt haben mag; so hat doch [131] gewiß die gute Sitte eine solche Verbindung weder für schön noch edel gehalten. Liebe zur Hetäre hieß der Regel nach Begierde nach körperlichem Genuß: Trieb nach kosender Unterhaltung:[WS 25] und da wo diese auch noch so sehr verfeinert gewesen seyn mag, hat sie gewiß nicht so wohl allgemeinen Beyfall, als Nachsicht vor der guten Sitte gefunden.



  1. Der Beweis der Richtigkeit dieser Darstellung liegt in den Geschichtschreibern, in den Schauspieldichtern, in den Schriften der Philosophen der damahligen Zeit: besonders in den Dialogen des Plato und Xenophon, wenn man die Art betrachtet, wie diejenigen Personen reden, deren Grundsätze Sokrates berichtigen muß.
  2. Oder vielmehr die Sammlung von Verordnungen, die man ihm beylegt. Daß hierunter viel Apokryphisches sey, ist mir höchst wahrscheinlich.
  3. Ueber die Heyrathen mit leiblichen Schwestern herrschen Widersprüche in den Nachrichten der Alten. Plato und die Dichter stellen sie als blutschänderisch dar. Solon soll sie ausdrücklich erlaubt haben.
  4. Barthelemy Voyage du jeune Anacharsis. T. 1. note 3. à la fin de l’introduction läugnet, daß Solon die Exposition der Kinder durch ein ausdrückliches Gesetz erlaubt habe. Aber wenn kein geschriebenes Gesetz darüber existiert haben sollte, so hat wenigstens das Herkommen diesen Gebrauch gestattet. Petitus de legg. Atticis. p. 219. Edit. Wessel. Plato de Republ. L. V.
  5. Man hat in diesen Einrichtungen Spuren der Rohheit angetroffen, und ganz lassen sie sich von diesem Vorwurfe [54] nicht retten. Aber zum Theil hat man sie auch unrecht verstanden. Solon hat z. B. die Zahl der monatlichen Umarmungen nicht allgemein, sondern bloß in Rücksicht der reichen Erbinnen vorgeschrieben, damit diese nicht Opfer des bloßen Eigennutzes werden sollten. Die Einlassung mit dem nächsten Anverwandten auf den Fall der Unfähigkeit des Gatten, muß von einer neuen Ehe nach Trennung von dem unfähigen Manne verstanden werden.
  6. Plato de Legg. Libr. VII.
  7. Euripides in der Andromache.
  8. Die Data zu diesen Bemerkungen habe ich hauptsächlich aus des Petiti Legg. atticis genommen.
  9. Vergl. Herodot II 35.
  10. Cyropädie, Buch 7. Kap. 3.
  11. Memorab. Socratis III. 2.
  12. Aethenäus XIII. 3.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eine Klasse, woraus die sogenannten Freundinnen, (Hetären,) (Freudenmädchen, hergenommen wurden,) (siehe Verbesserungen)
  2. Vorlage: Troja (siehe Verbesserungen)
  3. Vorlage: hinter Vettern fehlt das Komma (siehe Verbesserungen)
  4. Vorlage: von (siehe Verbesserungen)
  5. Vorlage: hinter Gattin fehlt das Komma (siehe Verbesserungen)
  6. Vorlage: nur (siehe Verbesserungen)
  7. Vorlage: hinter waren fehlt das Komma (siehe Verbesserungen)
  8. Vorlage: Sehr auffallend ist es (siehe Verbesserungen)
  9. Vorlage: das Klugheit, Muth und Sittsamkeit gepaart, (siehe Verbesserungen)
  10. Vorlage: ihren
  11. Vorlage: wurde
  12. Vorlage: Perseus (siehe Verbesserungen)
  13. Vorlage: leidenschaftlicher (siehe Verbesserungen)
  14. Vorlage: Philophen
  15. Vorlage: entwickeln, (siehe Verbesserungen)
  16. Vorlage: ersten (siehe Verbesserungen)
  17. Vorlage: hinter Vermögen fehlt das Komma (siehe Verbesserungen)
  18. Vorlage: Nikeratus (siehe Verbesserungen)
  19. Vorlage: mehmen
  20. Vorlage: Ergetzung (siehe Verbesserungen)
  21. Vorlage: Aristenant (siehe Verbesserungen)
  22. Vorlage: treiben (siehe Verbesserungen)
  23. Vorlage: hinter der fehlt das Komma (siehe Verbesserungen)
  24. Vorlage: berühmten (siehe Verbesserungen)
  25. Vorlage: Semikola hinter Genuß und Unterhaltung (siehe Verbesserungen)