Ça ira!
Druck und Verlag des literarischen Instituts.
1846.
Jenseits der grauen Wasserwüste
Wie liegt die Zukunft winkend da!
Eine grüne lachende Küste,
Ein geahndet Amerika!
Und ob auch hoch die Wasser springen,
Ob auch Sandbank uns droht und Riff:
Ein erprobt und verwegen Schiff
Wird die Muth’gen hinüberbringen!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
O tapfer Fahrzeug! Ohne Schwanken
Befährt es dreist die zorn’ge Fluth!
Schwarz die Masten und schwarz die Planken,
Und die Wimpel sind roth wie Blut!
Die Segel braun von Dampf und Feuer;
Vom Verdeck herab ihren Blitz
Sprühn Gewehre, sprüht das Geschütz,
Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
So fährt es aus zu seinen Reisen,
So trägt es Männer in den Streit: –
Seine dunkeln Borde geweiht!
Seine dunkeln Borde geweiht!
Ha, wie Kosciuszko dreist es führte!
Ha, wie Washington es gelenkt!
Und wer sonst seine Flammen schürte!
Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
Ihr fragt erstaunt: Wie mag es heißen?
Wie in Oesterreich so in Preußen
Heißt das Schiff: „Revolution!“
Heißt das Schiff: „Revolution!“
Es ist die einz’ge richt’ge Fähre –
Drum in See, und kapre den Staat,
Die verfaulte schnöde Galeere!
Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
Noch eine zweite wilde Schlacht!
Schwarzer Brander, schleudre Raketen
In der Kirche scheinheil’ge Jacht!
In der Kirche scheinheil’ge Jacht!
Richte kühn der Kanonen Schlund!
Auf des Meeres rottigem Grund
Laß der Habsucht Schätze verrotten!
Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
O stolzer Tag, wenn solche Siege
Das Schiff des Volkes sich erstritt!
Wenn, zu Boden segelnd die Lüge,
Zum ersehnten Gestad es glitt!
Zum grünen Strand der neuen Erde,
Wo die Freiheit herrscht und das Recht,
Wo kein Armer stöhnt und kein Knecht,
Wo sich selber Hirt ist die Heerde!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
Wo nur der Eintracht Fahnen wehen,
Wo uns kein Hader mehr zerstückt!
Wo der Mensch von der Menschheit Höhen
Unenterbt durch die Schöpfung blickt!
O neue Welt, nach Sturm und Fehde
Wie erquickt uns bald deine Ruh’!
Alle Herzen pochen dir zu – –
Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
Ihr Alle, mein’ ich, habt gehört von jenem seltnen Eispalast!
Auf der gefrornen Newafluth aufstarrte der gefrorne Glast!
Dem Willen einer Kaiserin, der Laune dienend einer Frau,
Scholl’ über Scholle stand er da, gediegen Eis der ganze Bau!
Doch innen hat ihn Frühlingsweh’n und hat ihn Blumenhauch durchwallt!
Allüberall, wohin man schritt, Musik und Girandolenglanz,
Und durch der Säle bunte Flucht bewegte wirbelnd sich der Tanz!
Also, bis in den März hinein, war seine Herrlichkeit zu schau’n;
Hui, wie bei’m ersten Sturm aus Süd der ganze schimmernde Koloß
Hohl in sich selbst zusammen sank, und häuptlings in die Fluthen schoß!
Die Fluthen aber jauchzten auf! Ja, die der Frost in Bande schlug,
Die gestern eine Hofburg noch und eines Hofes Unsinn trug,
Daß eine üpp’ge Kaiserin hoffärtig sie mit Füßen trat: –
Dieselbe Newa jauchzt’ empor! Abwärts mit brausendem Erguß,
Abwärts durch Schnee und Schollenwerk schob sich und drängte sich der Fluß!
Die letzten Spuren seiner Schmach malmt’ er und knirscht’ er kurz und klein –
Die ihr der Völker heil’ge Fluth abdämmtet von der Freiheit Meer: –
Ausmündend bald, der Newa gleich, braust sie und jubelt sie einher!
Den Winterfrost der Tyrannei stolz vom Genicke schüttelt sie;
Und schlingt hinab, den lang sie trug, den Eispalast der Despotie!
Als käme nun und nie der Lenz, als würd’ es nun und nimmer thau’n!
Doch mälig steigt die Sonne schon, und weich erhebt sich schon ein Weh’n;
Die Decke tropft, der Boden schwimmt – O, schlüpfrig und gefährlich Geh’n!
Ihr aber wollt verschlungen sein! Dasteht ihr und kapitulirt
Umsonst, ihr Herrn! Kein Halten mehr! Ihr sprecht den Lenz zum Winter nicht,
Und hat das Eis einmal gekracht, so glaubt mir! daß es bald auch bricht!
Dann aber heißt es wiederum: – Abwärts mit brausendem Erguß,
Abwärts durch Schnee und Schollenwerk drängt sich und macht sich Bahn der Fluß!
Und fluthet groß und ruhig dann in’s ewig freie Meer hinein!
Ein Dämpfer kam von Bieberich: – stolz war die Furche, die er zog!
Er qualmt’ und räderte zu Thal, daß rechts und links die Brandung flog!
Von Wimpeln und von Flaggen voll, schoß er hinab keck und erfreut:
Den König, der in Preußen herrscht, nach seiner Rheinburg trug er heut!
Der Rhein war wie ein Spiegel schier, und das Verdeck war blank und glatt!
Die Dielen blitzten frisch gebohnt, und auf den schmalen her und hin
Vergnügten Auges wandelten der König und die Königin!
Nach allen Seiten schaut’ umher und winkte das erhabne Paar;
Sie sahn zu Rhein, sie sahn zu Berg: – wie war das Schifflein doch so nett!
Es ging sich auf den Dielen fast, als wie auf Sanssouci’s Parket!
Doch unter all der Nettigkeit und unter all der schwimmenden Pracht,
Da frißt und flammt das Element, das sie von dannen schießen macht;
Da steht und schürt und ordnet er – der Proletarier–Maschinist!
Da draußen lacht und grünt die Welt, da draußen blitzt und rauscht der Rhein –
Er stiert den lieben langen Tag in seine Flammen nur hinein!
Im wollnen Hemde, halbernackt, vor seiner Esse muß er steh’n,
Jetzt ist der Ofen zugekeilt, und Alles geht und Alles paßt;
So gönnt er auf Minuten denn sich eine kurze Sklavenrast.
Mit halbem Leibe taucht er auf aus seinem lodernden Versteck;
In seiner Fallthür steht er da, und überschaut sich das Verdeck,
Mit der gewölbten haar’gen Brust auf das Geländer breit gestützt –
So läßt er schweifen seinen Blick, so murrt er leis dem Fürsten zu:
„Wie mahnt dies Boot mich an den Staat! Licht auf den Höhen wandelst Du!
Tief unten aber, in der Nacht und in der Arbeit dunkelm Schoos,
Nicht meines nur, auch Deines, Herr! Wer hält die Räder Dir im Takt,
Wenn nicht mit schwielenharter Faust der Heizer seine Eisen packt?
Du bist viel weniger ein Zeus, als ich, o König, ein Titan!
Beherrsch’ ich nicht, auf dem Du gehst, den allzeit kochenden Vulkan?
Und siehe, das Gebäude stürzt, von welchem Du die Spitze bist!
Der Boden birst, aufschlägt die Gluth und sprengt Dich krachend in die Luft!
Wir aber steigen feuerfest aufwärts an’s Licht aus unsrer Gruft!
Wir sind die Kraft! Wir hämmern jung das alte morsche Ding, den Staat,
Dann schreit’ ich jauchzend durch die Welt! Auf meinen Schultern, stark und breit,
Ein neuer Sankt Christophorus, trag’ ich den Christ der neuen Zeit!
Ich bin der Riese, der nicht wankt! Ich bin’s, durch den zum Siegesfest
Ueber den tosenden Strom der Zeit der Heiland Geist sich tragen läßt!“
Dann geht er wieder an sein Werk, nimmt sein Geschirr, und stocht und purrt.
Die Hebel knirschen auf und ab, die Flamme strahlt ihm in’s Gesicht,
Der Dampf rumort; – er aber sagt: „Heut, zornig Element noch nicht!“
Der bunte Dämpfer unterdeß legt vor Kapellen zischend an;
Der Heizer auch blickt auf zur Burg; von seinen Flammen nur behorcht,
Lacht er: „Ei, wie man immer doch für künftige Ruinen sorgt!“
So wird es kommen, eh’ ihr denkt: – Das Volk hat Nichts zu beißen mehr!
Durch seine Lumpen pfeift der Wind! Wo nimmt es Brot und Kleider her? –
Da tritt ein kecker Bursche vor; der spricht: „Die Kleider wüßt’ ich schon!
Mir nach, wer Rock und Hosen will! Zeug für ein ganzes Bataillon!“
Schreit: „Linksum kehrt!“ und: „Vorwärts Marsch!“ und führt zur Kreisstadt sie hinein.
Vor einem steinernen Gebäu Halt machen läßt er trutziglich:
„Seht da, mein Kleidermagazin – das Landwehrzeughaus nennt es sich!
Darinnen liegt, was ihr bedürft: Leinwand zu Hemden, derb und schwer!
Tuchmäntel für die Regennacht! Feldmützen auch und Handschuh’ viel,
Und Alles, was sich sonst gehört zu Heerschau und Paradespiel!
Ihr kennt den ganzen Rummel ja! Ob auch mit Hadern jetzt bedeckt,
Haben die Meisten doch von euch in der Montirung schon gesteckt!
Sich seinen eignen Hosensack und seinen eignen blauen Rock!
Ja, seinen Rock! Wer faselt noch vom Rock des Königs? – Liebe Zeit!
Gabt ihr die Wolle doch dazu: geschorne Schafe, die ihr seid!
Du da – ist nicht die Leinwand hier der Flachs, den deine Mutter spann,
Nehmt denn! So recht! Da prunkt ihr ja, als ging’s zu Felde morgen früh,
Oder doch allerwenigstens nach Grimlinghausen zur Revue!
Nur die Muskete fehlt euch noch! Doch sieh’, da steht von ungefähr
Der ganze Saal voll! Zum Versuch: – Gewehr in Arm! Schultert’s Gewehr!
Auch die Gewehre wandern mit! – Gewehr bei Fuß! – Das wird ein Spaß!
Und würd’ es Ernst ... Nun, möglich ist’s! Sie machen immer groß Geschrei,
Und nennen diesen Kleiderwitz vielleicht noch gar Rebellerei!
Nennen ihn Einbruch noch und Raub! – In wenig Stunden, sollt ihr seh’n,
Da heißt es denn für seinen Rock die Zähne weisen! D’ran und d’rauf!
Patronen her! Geladen, Kerls! Und pflanzt die Bajonette auf!
Stülpt auch den Tschako auf den Kopf, und hängt den Degen vor den Steiß: –
Daß ihr ihn „Käsemesser“ nennt, ein glückverkündend Omen sei’s!
Für Weib und Kinder „Käse“ nur soll er zerhau’n und nahrhaft Brot!
Und nun hinaus! Tambour voran, Querpfeifer und Hornistenpaar!
Soll auch die Adlerfahne noch vorflattern, Brüder, eurer Schaar?
Den Teufel auch! Was kümmert uns vergangner Zeit Raubvögelpack!
Den pflanzt auf irgend ein Gerüst: – da, hier ist ein Uhlanenspeer! –
Und tragt ihn, wie die Geusen einst, mit zorn’gem Stolze vor euch her!
Ihr könnt es füglicher, als sie! Ihr tragt den Sack nicht bloß zum Staat,
Ihr seid nicht bloß dem Namen nach – nein, ihr seid Bettler in der That!
Da naht zu Fuß und naht zu Roß die königliche Linie schon!
„Feuer!“ befiehlt der General; „Choc!“ heißt es bei der Reiterei. –
Doch, ha! Kein Renner hebt den Huf, und keine Flinte schickt ihr Blei!
Ein Murren aber rollt durchs Heer: „Auch wir sind Volk! Was königlich!“
Dann Jubelschrei: „Wir sind mit Euch! Denn wir sind Ihr, und Ihr seid wir!“ –
„Kanaille!“ ruft der Commandeur – da reißt ein Leutnant ihn vom Thier!
Und wie ein Sturm zur Hauptstadt geht’s! Anschwillt ihr Zug lawinengleich!
Umstürzt der Thron, die Krone fällt, in seinen Angeln ächzt das Reich!
Wehen hat jegliche Geburt! – So wird es kommen, eh’ ihr glaubt!
Festen Tons zu seinen Leuten spricht der Herr der Druckerei:
„Morgen, wißt ihr, soll es losgeh’n, und zum Schießen braucht man Blei!
Wohl, wir haben unsre Schriften: – Morgen in die Reih’n getreten!
Heute Munition gegossen aus metall’nen Alphabeten!
Und die Pforten sind verrammelt, daß uns Niemand stören kann!
An die Arbeit denn, ihr Herren! Alle, die ihr setzt und preßt!
Helft mir auf die Beine bringen dieses Freiheitsmanifest!“
Spricht’s, und wirft die ersten Lettern in den Tiegel frischer Hand.
Brodeln Colonel und Corpus; hier Antiqua, dort Fraktur
Werfen radikale Blasen, dreist umgehend die Censur.
Dampfend in die Kugelformen zischt die glüh’nde Masse dann: –
So die ganze lange Herbstnacht schaffen diese zwanzig Mann;
Bis in runde, blanke Kugeln Schrift und Zeug sie umgegossen!
Wohl verpackt in grauen Beuteln liegt der Vorrath an der Erde,
Fertig, daß er mit der Frühe brühwarm ausgegeben werde!
Eine dreiste Morgenzeitung! Wahrlich, gleich beherzt und kühn
Und der Meister sieht es düster, legt die Rechte auf sein Herz:
„Daß es also mußte kommen, mir und Vielen macht es Schmerz!
Doch – welch Mittel noch ist übrig, und wie kann es anders sein? –
Nur als Kugel mag die Type dieser Tage sich befrei’n!
Doch man band ihn, man zertrat ihn, doch man warf ihn schnöd in Haft!
Sei es denn! In die Muskete mit dem Ladstock laßt euch rammen!
Auch in solchem Winkelhaken steht als Kämpfer treu beisammen!
Auch aus ihm bis in die Hofburg fliegt und schwingt euch, trotzige Schriften!
Schlagt die Knechte, schlagt die Söldner, schlagt den allerhöchsten Thoren,
Der sich diese freie Presse selber auf den Hals beschworen!
Für die rechte freie Presse kehrt ihr heim aus diesem Strauß:
Bald aus Leichen und aus Trümmern graben wir euch wieder aus!
Horch! ein Pochen an der Hausthür! und Trompeten hör’ ich schmettern!
Jetzt ein Schuß! – Und wieder einer! – Die Signale sind’s, Gesellen!
Hallender Schritt erfüllt die Gassen, Hufe dröhnen, Hörner gellen!
Hier die Kugeln! hier die Büchsen! Rasch hinab! – Da sind wir schon!“
Kein besser Schachbrett, als die Welt:
Zur Limmat rück’ ich von der Schelde!
Ihr sprengt mich wohl von Feld zu Feld,
Doch schlagt ihr mich nicht aus dem Felde!
Der Freien wider die Despoten:
Zug über Zug und Schlag auf Schlag,
Und Ruh’ wird keine nicht geboten!
Mir ist, als müßt’ ich auch von hier
Als würden auch aus Tell’s Revier
Die Launen dieses Spiels mich hetzen!
Ich bin bereit! Noch braust das Meer
Um Norweg’s freie Bauernstätten;
Wie Klirren von gebrochnen Ketten!
Kein flüchtig Haupt hat Engelland
Von seiner Schwelle noch gewiesen;
Noch winkt mir eine Freundeshand
Von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt,
Von Land zu Land – mich schiert es wenig!
Kein Zug des Schicksals setzt mich matt: –
Matt werden kann ja nur der König!
Vor der Fahrt | 5 |
Eispalast | 15 |
Von unten auf | 23 |
Wie man’s macht | 33 |
Freie Presse | 43 |
Springer | 51 |
- ↑ Das Motiv ist einer politischen Fabel von Thomas Moore entnommen.