Über Vampyrismus

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Textdaten
Autor: Wilhelm Mannhardt
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Titel: Über Vampyrismus
Untertitel:
aus: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde. IV. Band.
Seite 259–282
Herausgeber: Johann Wilhelm Wolf, Wilhelm Mannhardt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag der Dieterischen Buchhandlung
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Erscheinungsort: Göttingen
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Kurzbeschreibung:
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[259]
ÜBER VAMPYRISMUS.

Zu dem belehrenden aufsatz von Hanush über die vampyre (s. o. s. 197 fgg.) werde ich versuchen noch einige weitere beiträge zu liefern, die die forschung über den ursprung dieses glaubens zwar keinesweges schon zur entscheidung bringen, aber doch bereits uns den weg zeigen können, wie die untersuchung zum ziele zu führen sei. am stärksten fand ich den glauben an den vampyr unter den slavischen Kussuben in Westpreußen lebendig. man nennt ihn hier vieszcy d. h. der wissende, verkündende (ein beiwort, welches in altslavischer zeit dem vates zustand)[1] oder strys hexenmeister, zauberer[2]. die zwischen [260] den Kassuben in Pommerellen angesiedelten Deutschen sagen dafür: Gierhals, Gierrach, Begierig oder Unbegier, seltener hört man den namen Blutsauger, noch seltener Vampyr. dieses wesen ist ein mensch, der mit zähnen auf die welt gekommen ist, oder einer, der mit einer glückshaube geboren wurde und dieselbe auf dem kopfe behielt. ein solcher trägt gleich bei der geburt einen rothen fleck am leibe, stirbt er, so behält die leiche ein rothes gesicht oder ihr bleibt das linke auge offen stehn. man sagt auch wohl, ohne jene umstände bei der geburt anzugeben, ein todter mit derartigen merkmalen sei voll groll gestorben. er lebt im sarge fort und zieht andere, zunächst seine familie, dann allmälich das ganze dorf ins grab nach sich. dies geschieht, indem er nachts an die betten tritt, sich neben die schlafenden legt und ihnen das warme herzblut aufsaugt. die leichen der getödteten findet man anderes tages frühe im bette und nur eine kleine bißwunde auf der linken seite der brust zeigt die ursache ihres todes an. hört das nachzehren nicht auf, so muß man den sarg aufgraben, der leiche durch spatenstiche das haupt vom rumpfe trennen und erde zwischen kopf und rumpf schütten. bei Putzig legt man das haupt zu füßen. man dreht auch wohl die leiche mit dem gesicht nach unten, und stopft ihr erde in den mund. andere mittel, um das wiederkommen des Vieszcy oder Gierrachs zu verhüten, gehen darauf hinaus, ihn im sarge zu beschäftigen. man giebt ihm z. b. einen strumpf oder dergleichen mit ins grab, dann reißt er jedes jahr eine masche auf.

Nicht gerne reicht man ihm ein netz aufzuknoten, denn das ist eine sehr qualvolle arbeit für den unseligen. dagegen legt man ihm geprägtes geld in den mund oder eine thon- oder ziegelscherbe; oder man streut den sarg voll [261] mohnkörner. er betrachtet das geld, zerkaut die scherbe, zählt die mohnkörner. noch andere thun ihm einen stein oder ein mit 3 kreuzen versehenes stück espenholz unters kinn. die durch den biß des Gierrachs erkrankten werden dadurch geheilt, daß man ihnen von dem beim hauptabschlagen aus dem körper desselben fließenden blut unter den trank mischt. in einigen orten Pommerellens gestaltet sich der glaube so: der erste, welcher an einer seuche stirbt, sitzt im grabe aufrecht und zehrt sein laken. so lange er daran zu zehren hat, hört das sterben nicht auf, wenn man ihm nicht mit dem spaten den kopf absticht[3]. vielfache sagen bekunden das leben dieser abergläubischen meinungen. in der mitte des vorigen jahrhunderts starb ein mitglied der Wollschlägerschen familie in Westpreußen, mehrere von seinen verwandten folgten ihm ganz unvermuthet ohne besondere veranlassung des todes in kurzem nach. man wollte sich erinnern, daß das antlitz des verstorbenen die rothe farbe nicht verloren gehabt und es entstand deshalb die allgemeine vermuthung, daß er blutsauger sei. es ward ein familienrath gehalten und darin beschlossen, daß der im jahre 1820 als landschaftsdirector im hohen alter verstorbene Joseph von Wollschläger, damals noch ein junger mann, da er für den beherztesten und unerschrockensten galt, seinem verstorbenen oheim den kopf abhauen sollte. von einem mönch des Bernhardinerklosters Jacobsdorf begleitet begab er sich in die gruft dieses klosters wo der verstorbene beigesetzt war, jeder mit einer kerze in der hand. das sarg wird geöffnet und der leichnam emporgezogen, um ihn auf den rand des sarges zu legen, die natürliche bewegung, welche das in folge dessen zurücksinkende haupt macht, jagt dem mönch solches entsetzen ein, daß er die leuchte fallen läßt und entflieht. obwohl allein verliert Wollschläger doch nicht die besonnenheit, [262] mit dem mitgebrachten beile schlägt er den kopf herunter, aber ein mächtiger blutstrom dringt ihm entgegen und verlöscht die einzige noch übrige kerze. nur mit mühe glückt es ihm in der fast gänzlichen finsterniß etwas blut in einem becher aufzufangen und mit diesem heimzukehren. er verfällt in eine hitzige krankheit, die ihm beinahe das leben kostet. die leiche mit dem haupt zwischen den füßen ist bis heutigen tages in der gruft des klosters Jacobsdorf und zwar in der mittleren kammer, wo sich das erbbegräbniß des geschlechts von Wollschläger befindet zu sehen[4]. vor unlanger zeit verstarb zu Borchfeld bei Danzig, wie mir eine bäuerin in diesem dorfe erzählte, eine alte frau. man nannte sie stets ‚die alte Welmsche.‘ sie war als leiche roth im gesicht. man achtete jedoch nicht darauf. sobald sie beerdigt war, kam sie allnächtlich aus dem grabe hervor, peitschte und prügelte ihre tochter, ein junges mädchen im bett, kratzte sie auch mit ihren langen spitzigen nägeln blutig. da das unwesen kein ende nahm, wandte man sich an den in der gegend berühmten zauberkundigen priester von Mariensee[5], ließ die todte ausgraben, ihrer leiche den kopf abschlagen und unter den arm legen. sie ward nun auf einem kreuzwege verscharrt, nachdem man den sarg voll mohn gestreut.

Sebastian Moelers hss. chronik bringt bereits zum jahre 1343 eine freilich etwas verdunkelte und abgeschwächte Gierhalssage bei. als in genanntem jahre die pest in Preußen wüthete, entwich der deutsche ordensritter, bruder Steino von Netten, um ihr zu entgehen, von Marienburg; aber nach Lauenburg gelangt erlag er dem tode, welchem er hatte entrinnen wollen. der vogt vom Lauenburg ließ ihn noch denselben abend feierlich bestatten, am folgenden morgen jedoch ward die leiche außerhalb des grabmals gefunden. als dem hochmeister dies wunder berichtet wurde, sandte er einen comthur dorthin, welchen er den [263] leichnam mit dem schwerte durchstechen hieß und ihn dabei zum gehorsam zu ermahnen und anzubefehlen, daß er sich ferner nicht vom orte bewegen solle. nun hatte der todte ruhe im grabe[6].

Wie tief der viescyglaube im volke wurzelt lehren fast täglich vorkommende beispiele von leichenausgrabungen. mir sind dergleichen vorfälle in den letzten jahren aus den dörfern Mariensee und Wonneberg, eine versuchte ausgrabung aus Rheinfeld bekannt. als in der gegend von Conitz die cholera zuerst auftrat, wollte das volk die zuerst von der seuche hingerafften opfer als blutsauger ausgraben und es bedurfte durchgreifender maßregeln der behörden dies zu verhindern. als im jahre 1855 in St. Albrecht[7], einer vorstadt Danzigs, der sehr geachtete katholische probst den anfang einer anzahl choleratodter machte, ging bald das gerede, er habe das rothe mal auf dem gesicht gehabt und erscheine den dorfleuten nachts als gierhals. die arbeitsleute rotteten sich zusammen und beschlossen in der gaststube des schankwirths Penner, den sarg des probsten aufzugraben und nach gewohnter weise zu verfahren. mit mühe wurden sie davon abgebracht.

Die den Südslaven schon ganz geläufige verwechselung des vampyrs mit dem werwolf ist mir in Pommerellen nie begegnet, auch Cegnowa und Mrongovius wissen nichts davon. dagegen findet sie sich in dem kleinen buche ‚Danziger sagen gesammelt von O. F. Karl (Karl Otto) Danzig, Anhuth 1843.‘ der verfasser erzählt s. 39 ‚begräbt man die werwölfe, statt sie todt oder lebendig zu verbrennen, so finden sie auch unter der erde keine ruhe. wenige tage nach der beerdigung wachen sie im grabe auf und fressen das fleisch von ihren eigenen händen und füßen ab und wenn sie nichts mehr an ihrem körper verzehren können, steigen sie zur mitternachtsstunde aus dem grabe hervor, gehen in die heerden, rauben das vieh oder sie steigen auch gar in die häuser, legen sich zu den schlafenden und saugen [264] diesen das warme herzblut aus. hat der werwolf sich gesättigt, so steigt er wieder in sein grab zurück. die leichname der getödteten findet man anderen tages frühe in den betten durch einen biß an der brustwarze getödtet. so war vor noch nicht langer zeit im dorfe Grabon unfern Danzig ein allgemeines sterben und namentlich jungfrauen in der ersten zeit ihrer blüthe fielen dem tode anheim. die leichname zeigten sämmtlich die kleine bißwunde am herzen. die ältesten des dorfes beriethen und kamen zu dem entschluß alle gräber und särge auf dem kirchhofe nach dem werwolf zu durchforschen. sämmtliche leichname erwiesen sich als verwest, bis man an ein grab kam, dessen hügel frisch aufgeschüttet schien. man fand darin den leichnam eines vor jahresfrist verstorbenen frisch und wohlbehalten liegen. nur an armen und beinen waren stücke fleisch ausgerissen und an den lippen klebte frisches blut. einer der anwesenden stach mit einem spaten den kopf ab. sogleich zerfiel der leichnam in asche und ein dumpfes stöhnen erscholl in der gruft.‘ man sieht die verschmelzung beider sagenkreise ist hier eine ganz äußerliche.

Aehnlicher glaube vom vampyr, wie bei den Kassuben, ist nun bei allen übrigen Slaven verbreitet. bei den Kleinrussen heißt der vampyr mjertovjec. im leben waren diese wesen zauberer, werwölfe, oder menschen, die von dem geistlichen oder ihren ältern verflucht sind. die mitternacht ist die zeit ihrer thätigkeit. sie gehen oder reiten dann auf pferden umher, machen lärm und geklapper mit ihren knochen und erschrecken die menschen. mit dem dritten hahnkrat verschwinden sie. streut man beim schlafengehen salz auf die erde und findet morgens fußspuren darin. so ist dies ein zeichen, daß der todtengänger (mjertovjec) ins haus kommt. man öffnet nun das grab und schlägt dem leichnam, der stets auf dem gesicht liegt, einen pfahl von eschenholz durch den rumpf. das verfluchte blut spritzt hoch auf und auf der seite, wohin es sich ergießt, sterben sämmtliche menschen. das grab wird wieder zugemacht, und der pope spricht seinen segen darüber. man beschüttet den weg vom grabe bis zum hause wohin der todtengänger [265] kam mit mohnkörnern. wollte er wiederkommen, so müßte er zuvor die mohnkörner auflesen, und weil er dieses nicht kann, wird er ewig ferngehalten[8]. in anderen gegenden Rußlands heißt der vampyr, wie schon Hanush im seinem aufsatze erwähnt, upyr, wpyr. er gilt als ein verstorbener zauberer, der den menschen nachts das blut aussaugt. man erkennt ihn im leben daran, daß ihm der nasenknochen fehlt oder die unterlippe gespalten ist. zum Upyr kann auch jeder verstorbene werden, in dessen leiche der teufel sich einschleicht oder über dessen grab eine katze läuft. um den unhold unschädlich zu machen, muß man ihn ausgraben und in seinem sarge mit einem holzstück durchbohren.

Aus Polen ist mir bis jetzt weniges über die vampyre bekannt. Sam. Friedr. Lauterbach[9] bezeugt mehrfache ausgrabungen, u. a. zu Frauenstadt. der Jesuit Gabriel Rzazcynsci soll in seiner mir nicht zu gesicht gekommenen ‚historia naturalis curiosa regni Poloniae, Sandomiriae 1721. sect. II. p. 366, mehreres dahingehörige angegeben haben ‚de cruentationibus cadaverum in specie agens, mira profert de mortuis in tumulis adhuc voracibus et vicinos viventes in spectrorum modum trucidantibus, a Polonis speciali nomine Upiers et upierzyca appellatis, de quibus quae producit authentica documenta ulteriorem fortasse disquisitionem merentur‘[10] – ‚im jahre 1572 grassirte in Polen die pest. es ward der verblichene leichnam einer weibesperson aus dem dorfe Rhezur hinausgetragen und in der vorstadt zu Lemberg an die kirche der erhöhung des kreuzes begraben. bald darauf fing die pest an in denen benachbarten häusern zu wüthen. diejenigen, so es anging, muthmaßten, es müsse dieses weib eine hexe gewesen sein. es ward der körper wieder ausgegraben und nackend befunden. jedweder schloß daraus, sie müsse ihre kleider gefressen haben. sie stoßen ihr daher das haupt mit einer [266] grabschaufel ab und begraben sie wiederum, worauf die pest aufhört‘[11].

Die Wenden in der Mark achten bei begräbnissen sorgfältig darauf, dem todten ein stück geld als zehrpfennig mit in den mund zu geben, so wie den namen aus dem hemd zu schneiden. unterläßt man dies, so wird der todte ein nachzehrer oder doppelsauger. dieselben saugen mit den lippen an ihrer brust und entziehen dadurch den überlebenden verwandten die lebenskraft. noch schlimmer ist es, wenn die lippen des todten einen theil des todtenkleides berühren. dann zieht er ein glied der familie nach dem andern ins grab nach. um die wiederkehr des nachzehrers oder doppelsaugers zu verhüten muß man ihm mit einem spaten das genick abstoßen. er quiekt dabei wie ein ferkel[12]. auch in Sachsen legte man den todten oft einen stein und einen pfennig in den mund, damit sie, wenn sie im grabe anfingen zu beißen, stein und geld vorfänden und sich des fressens enthielten[13]. desgleichen geschah in Schlesien bei der pest 1553, zu Sangershausen bei gleicher gelegenheit 1565[14], in Freyburg 1552, ebenso zu Herrnsdorf, Dittersbach, Clausnitz[15] und Mersburg[16].

Im böhmischen dorf Blow eine meile von Cadau kam 1337 ein viehhirt als vampyr wieder. man schlug ihm einen pfahl durch den leib. da sagte er ‚ihr meint wunder was ihr mir für einen gewaltigen possen gerissen, indem ihr mir einen stecken gereicht habt, womit ich mich desto besser der hunde erwehren kann.‘ zuletzt haben ihn zwei henker verbrannt, wobei er allerlei possen getrieben, bald als ochs gebrüllt, bald als esel geschrien. bei einem stich in die seite blutete er[17]. – eine töpferfrau, die als hexe [267] verschrien war, starb 1345. sie wurde auf einem scheidewege begraben, kam aber wieder aus dem grabe hervor, erschien vielen leuten in thiergestalt und zehrte nach. nun schlug man ihr einen eichenen pfahl durch den leib, den riß sie aber heraus und ermordete noch viel mehr leute, denn zuvor. endlich verbrannte man den körper sammt dem pfahle und streute die asche wieder ins grab. an der brandstätte wehte einige tage ein heftiger wirbelwind [18]. im jahre 1567 ward zu Trutnau in Böhmen einem vampyr der kopf abgehauen [19].

Um 1617 kam ein bürger aus Egwansschitz in Mähren täglich aus seinem grabe hervor, ließ den sterbekittel beim todtenhügel zurück, ging in die stadt und erwürgte viele. als man ihm den sterbekittel einmal wegnahm, drohte er allen die hälse zu brechen. endlich grub man ihn aus und ließ ihn vom henker in stücke hauen. der scharfrichter zog ihm auch einen schleier aus dem mund, den er seinem neben ihm begrabenen weibe vom kopf weggenagt hatte. da sagte er ‚ihr habt es eben recht getroffen. denn weil nunmehr mein auch verstorbenes weib zu mir gelegt ist, wollten wir beide sonst die ganze stadt umgebracht haben [20]. – in einer böhmischen stadt verschlang ein weiblicher körper die hälfte von seinem sterbekleide [21]; in Mähren eben so ein todter seine eigenen und seiner neben ihm bestatteten frau sterbetüchlein und fraß viel von ihrem fleisch [22].

In Istrien, 7 meilen von Laibach zu Krinek [23] starb 1672 ein mann, namens Giure Grando. als der pater, der ihn zu grabe geleitet hatte, vom leichenschmaus nach hause gehen wollte, sah er den verstorbenen hinter der thür im trauerhause sitzen und ging erschrocken davon. der todte [268] zeigte floh sich hierauf öfter nachts auf der straße und klopfte an die thüren, worauf im hause jemand starb, und hielt mit seiner hinterlassenen wittwe beischlaf [24]. es half nichts, daß diese zu dem suppan oder schulzen Miho Radetich floh, bis dieser mit einigen beherzten männern das grab öffnete. hierin fanden sie den Giure Grando unversehrt. das angesicht war schön roth, lachte sie an und that den mund auf. anfangs liefen Radetichs begleiter zurück, fanden sich aber bald wieder ein und bemühten sich der leiche einen geschärften pfahl vom hagedorn durch den bauch zu schlagen, der aber jedesmal wieder zurückprallte. da beschwor der pater mit einem crucifix das gespenst. schau du strigon, hier ist Jesus Christus, der uns von der hellen erlöset hat und für uns gestorben ist; und du strigon kannst keine ruhe haben u. s. w. bei diesen worten liefen der leiche thränen aus den augen. endlich hieb man dem todten mit einer hacke den kopf ab, worauf er ein geschrei that, wie ein lebendiger und das grab mit frischen blut erfüllte [25]. sogar von einem dorf auf venetianischem gebiet erzählt Valvassor, woselbst man der leiche eines strigon einen pfahl von dornholz durch den leib stieß [26], dasselbe geschah in Lendat einem istrischen dorf auf venetianischem boden. hier heißt der vampyr strigon oder vedarez. starb jemand in folge des anklopfens, so sagte man ‚der strigon hat ihn gefressen[27]. noch heute soll in Illyrien folgendes volkslied gesungen werden, das sich wahrscheinlich auf einen der vielen kleinen kriege mit den venetianischen podestas bezieht.

im sumpfe der Stevila liegt an einer quelle rand
ein leichnam mächtig ausgestreckt, ein leichnam auf dem rücken.

[269]

der schlechte Venetianer ists, der einst Marien hat verführt,
Marien in die schmach gebracht, die häuser uns verbrannt.
die kugel schlug ihm in die brust, der dolch fuhr ihm durchs herz.

schon liegt er seit 3 tagen da, warm fließt sein blut und roth.
wohl ist sein blaues auge starr, doch blickts zum himmel auf,
und weh dem der vorübergeht, weh dem, trifft ihn der blick!
seht ihr, wie ihm der bart noch wuchs, wie lang, wie lang die nägel sind?

die raben selbst sehen’s scheu und flattern schreckhaft auf.
ihn rührt kein rabenschnabel an, doch alle leichen rings.
seht an, wie ist sein mund so roth! er lächelt wie ein mann,
der eingelullt in einen traum von schaudervoller liebe ist.
komm her Marie, sieh an den mann, um den verrathen du
dein hoch geschlecht, dein vaterland, das ist, das ist dein mann!

o küsse doch den blutgen mund, zu lügen wußt’ er gut,
er macht der thränen fließen viel, so lang er lebend war,
er macht der thränen fließen mehr, nun er nicht lebend mehr [28].

Die Ukosken oder Walachen in Krain werfen ein wenig erde auf den todten körper und einen ziemlich schweren stein auf den kopf damit der verstorbene nicht wiederkehre und im hause umgehe [29]. in der Moldau behauptet das volk, daß solche menschen, die im öffentlichen oder geheimen kirchenbann starben, vom bösen geist drakul gewissermaßen am leben erhalten würden, daß man sie im grabe vernehmlich kauen höre, daß sie unverweslich bleiben und ihre seele sich nicht eher vom körper trennen könne, als bis der bann durch den geistlichen förmlich aufgehoben sei. dieser glaube ist mit dem andern innig verknüpft, daß die leichen, was sie von ihrem leibe erlangen können an sich ziehen und benagen. sie verwesen nicht, sondern steigen zur nachtzeit aus den gräbern hervor und fügen [270] den verstorbenen, mit welchen sie im leben im verkehr standen, ein leid zu, heften sich an sie; nehmen ihnen durch aussaugung des herzbluts das leben und erhalten sich so das ihrige. ihre opfer werden gleichfalls in vampyre verwandelt. bewegt sich nur im geringsten die erddecke auf dem grabe eines verstorbenen, der im verdacht steht ein vampyr zu sein, so ist auch schon der argwohn zur gewißheit geworden und es bleibt kein anderes mittel zur rettung der seelen, als daß die leiche ausgegraben und durch den spruch der geistlichen vom banne entlastet werde. dies verlangt nicht allein die prieserschaft des ortes von den angehörigen des verstorbenen, sondern auch alle ortsbewohner dringen ausdrücklich darauf zur sicherung ihres zeitlichen und ewigen heiles. die ausgegrabene leiche wird, wenn sie unverwest ist, an der kirchhofsmauer aufgestellt, indeß der priester die beschwörungsformel spricht. stürzt der körper während der feierlichkeit zusammen, so ist dies ein zeichen, daß der lastende kirchenbann von schwerer gattung ist und nur durch die höhere geistlichkeit gehoben werden kann. die angehörigen beginnen dann ob des fluches, der auf dem unglücklichen liegt, jämmerlich zu heulen und wehzuklagen und sind nicht eher getröstet, als bis durch einen vornehmen geistlichen der fluch fortgenommen ist [30].

Bei den Walachen im Banat heißt ein solcher vampyr murony. er ist der unechte sproß zweier unehelich gezeugter oder auch der unselige geist eines vom vampyr getödteten. über tag liegt er im grabe, des nachts aber geht er fliegend seiner lust nach und saugt lebenden das blut aus. er ist unsterblich und kann nur dadurch vernichtet werden, daß man seine leiche, die an ihrer verkehrten lage mit dem gesicht nach unten und an ihrem blähenden aussehen erkannt wird, ausgräbt und ihr einen nagel durch die stirne oder einen hölzernen pfahl durch das herz treibt, oder auch sie verbrennt. da das volk noch überdies der meinung ist, der vampyr könne sich in [271] vielerlei gestalten z. b. hund, katze, kröte, frosch, laus, floh verwandeln, und da man das zeichen des vampyrbisses am halse nicht für ein unentbehrliches merkmal ansieht, so ist die furcht bei einem überraschenden sterbefall um so größer. zu der leiche eines Walachen, wes alters und geschlechte er auch immer sei, wird daher stets eine fachkundige hebamme gerufen, welche vorkehrungen treffen muß, daß er nicht als murony zurückkehre. der leiche wird z. b. ein langer nagel durch den schädel geschlagen, man reibt sie mit schmeer von einem schweine ein, das am tage vor weihnachten am fest des heiligen Ignaz geschlachtet wurde und legt zu ihr einen dornigen stock von wilden rosen, an dem sie sich verwickeln soll, wenn sie den versuch machen wollte, aus dem grabe zu steigen [31]

Ein hajducke Arnold Paole im serbischen dorf Medwedia brach um 1727 den hals. er hatte in seiner lebenszeit oft verlauten lassen, daß er bei Cassova von einem vampyr gebissen sei und daher von der erde des vampyrgrabes gegessen und sich mit dem blute des unholds geschmiert habe, um von der erlittenen plage entledigt zu werden. zwanzig bis dreißig tage nach seinem tode brachte Paole 4 personen um. der hadnack des dorfs ließ ihn ausgraben. er war unverwest, aus augen, nasen, mund und ohren floß ihm das frische blut, die nägel an händen und füßen waren frisch gewachsen. man stieß ihm einen pfahl ins herz, wobei er einen wohlvernehmlichen gächzer that und reichlich blutete. man verbrannte den körper zu asche und warf dieselbe ins grab. Paole hatte auch vieh gebissen und durch den genuß von dessen fleisch wurden mehrere menschen zu vampyren. man grub auch diese wieder auf, dreizehn an der zahl. eine zwanzigjährige frau namens [272] Stanacka, die von einem vampyr am halse war gewürgt worden, worauf sie einige schmerzen in der brust empfand und in 3 tagen starb, hatte am rechten ohr einen mit blut unterlaufenen fleck. eine andere war sammt ihrem kind vampyr geworden, weil sie sich mit dem blut eines der ausgegrabenen bestrichen hatte. drei unterfeldscherer statteten hierüber bericht ab und zwei officiere bestätigten den leichenbefund [32], den der damalige gouverneur von Belgrad, prinz (später herzog) Carl Alexander von Würtemberg zur kenntniß der gelehrten welt in Deutschland brachte. die sache kam selbst vor die preußische akademie die darüber am 11. märz ein gutachten abstattete und es entstand eine ziemlich umfangreiche literatur über diesen vorfall, worüber die ausführliche auskunft in dem buch des diaconus Ranft zu Nebra zu finden ist [33].

Bei den vielfach mit slavischen elementen versetzten Neugriechen findet vorzüglich die vermischung des vampyrglaubens mit den werwolfssagen statt. in den hauptzügen gestaltet sich die superstition folgendermaßen. diejenigen, welche im bann sterben, werden vom teufel besessen, der durch ihre todten leiber den lebendigen sehr viel schaden zufügt. diese vom teufel beseelten leiber heißen buthrolakken, burkolakken, burkulakken, bulcolakken, βουρκόλακες, καταχανάδες oder τυμπανταῖοι. nachts laufen dieselben auf den gassen umher, schlagen an die thüren, rufen die leute bei ihren namen. wer ihnen antwortet stirbt sogleich. allgemeines sterben und hungersnoth schreibt man diesen gespenstern zu. wandelt ein Neugrieche den frommen weg zur kirche, so begegnen ihm schadensinnend [273] diese unholde. um sich vor ihnen zu sichern, gräbt man die leichen aus, schürt ein großes feuer und stellt ein todtenopfer an, bei dessen ende man den kirchenbann aufhebt und die unseligen leiber verbrennt [34]. gewissen menschen steht die kraft zu, alle unsichtbaren geister sehen zu können. diese leute heißen ἀλαφόστρατοι· bei dem wichtigen geschäft der vampyrbeschwörung muß der priester jedesmal von einem solchen alaphostratos begleitet sein, damit derselbe dem priester den augenblick bezeichnen kann, wo der καταχανάς in seinem grabe sich befindet und der priester den geist theils durch seine gebete, theils durch die Σαλαμονική βοῦλα (Salamons siegel) zur ruhe bringen kann [35].

Es ist ein hergebrachter irrthum, den sitz des vampyrglaubens vorzüglich nach Ungarn zu verlegen. die gründlichen untersuchungen Arnolds von Ipolyi haben aber ergeben, daß die Magyaren denselben von hause aus gar nicht kennen, daß bei ihnen der blutsauger nur sehr selten vorkommt und dann mit entlehnten oder übersetzten namen bezeichnet wird [36]. gleichwohl finde ich in der ungarischen mythologie selbst berührungspunkte mit der vampyrsage. wie der kassubische viescy ein mensch sein soll, der mit zähnen auf die welt kam, gilt der ungarische zauberer Taltos ebenfalls für ein mit zähnen geborenes menschenkind. stirbt der Taltos, so muß man ihm einen stein in den mund legen, sonst würde er sonne und mond verschlingen [37].

Auch in Deutschland (wahrscheinlich in altslavischer gegend) herrscht ähnlicher glaube. Chr. Männling [38] pastor [274] zu Stargard sagt: bringt ein kind zähne mit auf die welt (wie M. Curius Dentatus, Cn. Papyrius Carbo, der jetzige könig in Frankreich Ludovicus XIV. und wie mir selbst nebst 2 kindern widerfahren ist) und stirbt ein solch gezähntes kind bald nachher, so soll die pest kommen.

In Deutschland sind es meist gegenden ehemals slavischer bevölkerung, wo der vampyrglaube auftaucht, doch zeigen sich auch in landschaften rein germanischer abkunft sichere spuren oder zeugnisse. in einer schlesischen stadt entleibte sich im jahr 1591 ein schuhmacher. die familie gab vor, er sei am schlagfluß gestorben und verschaffte ihm ein ehrliches begräbniß. nach 6 wochen erschien aber der geist des schusters den einwohnern der stadt bei tage sowohl, wie bei nacht, legte sich auf die betten und drückte die schlummernden, so daß sie blaue male davontrugen. als der spuk fortdauerte, grub man 1592 die leiche auf und fand sie noch unverwest. man schnitt das haupt und die übrigen glieder ab und vergrub sie auf dem schandplatz, den rumpf aber verbrannte man [39]. Martin Luther berichtet [40]: es schrieb ein pfarrherr Georgen Rörer gen Wittenberg, wie ein weib auf einem dorfe gestorben wäre und nun wie sie begraben wäre, fresse sie sich selbst im grabe. darumb wären schier alle menschen im selben dorfe gestorben. wahrscheinlich aus der gegend von Chemnitz rührt die angabe der rockenphilosophie her: wenn eine leiche im gesicht roth aussehe, so sterbe ihr jemand in der freundschaft nach [41]. hiermit stimmt die angabe myth. CI, 728: erseufzt der leichnam noch einmal, bleibt er weich, zieht er dem mund nahe bänder, zipfel und tücher ein, oder öffnet er die augen noch einmal, so folgt ihm bald einer aus der verwandtschaft. – zu Alsfeld hörte man 1730 ein schmatzen aus den gräbern. die bauern [275] wollten die leichen ausgraben und nach gewohnheit ihnen einen pfahl durchs herz stoßen. die obrigkeit verhinderte es [42].

In Hessen wüthete einmal die pest sehr arg und andauernd. da kam man auf den gedanken, daß ‚das um sich fressen‘ der todten dran schuld sei. im Schmalkaldischen riß man die gräber wieder auf und stach den mitunter noch nicht völlig erkalteten leichnamen den kopf ab. bei der pest 1558 starb zu Helsa eine alte sehr geizige jungfer. im grabe hörte man sie schmatzen, wie ein grober mensch, oder eine sau thut. man grub sie aus, da hat sie ihr kleid weit aufgefressen gehabt. man stach ihr mit einem spaten den hals ab. darauf hörte sowohl das fressen, als das sterben auf [43].

Südlich ziehen sich derartige abergläubische meinungen und gebräuche bis an die grenze des Keltenlandes hin. Burchard von Worms (um 1000 n. Chr.) berichtet in seiner decretalensammlung: ‚cum aliquis infans sine baptismo mortuus fuerit, tollunt cadaver ejus et ponunt in aliquo secreto loco et palo corpusculum ejus transfigunt, dicentes si sic non fecissent, quod infantulus surgeret et multos laedere posset. – cum aliqua femina parere debet et non potest, in ipso dolore si morte obierit, in ipso sepulcro matrem cum infante palo in terram transfigunt [44].

Nördlich lassen sich bei den Niedersachsen einige, aber nur sehr vereinzelte spuren aufweisen. in der westphälischen grafschaft Mark heißt es: ‚wenn der leichnam schwanke, d. h. elastisch bleibt, werde bald einer aus dem hause nachfolgen [45]. auch im Hannöverschen meint man, ein todter könne einen lebenden ‚nach sich ziehen.‘ in Eimbeck sagte eine sterbende frau zu ihrer schwiegertochter, mit welcher sie beständig in unfrieden gelebt hatte, ‚dein kind lasse ich dir nicht.‘ die alte starb; bald nachher kränkelte das kind und starb auch [46]. der glaube, daß ein [276] verstorbener gott erbitten könne, daß er einen lebenden bald nachkommen lasse, findet sich in jener gegend öfter. man nennt das ‚anbraweln,‘ und ruft demjenigen, der unehrerbietig von einem todten spricht, warnend zu ‚nüm dek in acht, hei könne dek anbraweln [47].‘ Harenberg [48] giebt an, daß in Ackenhausen bei Gandersheim zwei bauern sich um ein gehölz stritten. als der eine starb war ihm bange, daß er aus rache von dem andern werde nachgezogen werden, er machte sich deshalb bei zeiten an den leichnam des verstorbenen und pflöckte ihm durch die zunge einen länglich runden stock in den mund. als ein kind, welches zufällig den hergang mit angesehen hatte, davon anzeige machte, berief er sich auf die allgemeine gewohnheit der dorfleute.

Herzog Abel von Schleswig hatte seinen bruder könig Erich ermorden lassen. bald darauf wurde er selbst erschlagen und seine leiche im dome zu St. Peter beigesetzt. seit der zeit wurden die geistlichen durch furchtbaren lärm und gräuliche erscheinungen im gottesdienst gestört, bis man die leiche ausgraben und in einem sumpf des Pölerwaldes versenken ließ. durch den sarg wurde ein pfahl geschlagen [49].

Auch skandinavische beispiele liegen vor. Asvit und Asmund sind zwei zärtliche freunde. Asvit stirbt an einer krankheit und wird in einen hügel sammt roß und hund bestattet. der treue Asmund folgt ihm lebend ins grab, wohinein er sich speise hat tragen lassen. aber nächtlich lebt der todte auf und zerfleischt ihn. vorübergehende krieger öffnen den grabhügel, finden, daß Asmund bereits in wiederholtem nächtlichem kampfe das linke ohr veloren hat. sie halten ihn für ein gespenst, fliehen entsetzt. er ruft sie an:

Quid stupetis, qui relictum me colore cernitis?
obsolescit nempe vivus omnis inter mortuos.

[277]

mala soli gravis uni manet omnis domus orbis.
miseri quos hominum subsidiis destituit fors.
mihi specus et inera nox, tenebraeque et velus antrum
oculis delicias eripuerunt, animoque,
humus horrens, tumulus putris, et immunditiarum
gravis aestus minuerunt juvenilis decus oris,
habitumque et validi roboris usum vitiarunt.
super haec omnia contra exanimen conserui vim;
grave luctae subiens pondus et immane periclum.
laceris unguibus in me redivivus ruit Asvit,
stygia vi reparans post cineres horrida bella.
quid stupetis, qui relictum me colore cernitis?
obsolescit nempe vivus omnis inter mortuos.
nescio quo stygii numinis ausu
missus ab inferis spiritus Asvit
saevis alipedem dentibus edit
infandoque canem praebuit ori;
nec contentus equi vel canis esu
mox in me rapidos transtulit ungues
discissaque gena sustulit aurem.
hinc laceri vultus horret imago
emicat inque fero vulnere sanguis.
haud impune tamen monstrifer egit,
nam ferro secui mox caput ejus.
perfodique nocens stipite corpus
quid stupetis, qui relictum me colore cernitis?
obsolescit nempe vivus omnis inter mortuos [50].

Ein noch auffallenderes beispiel hat Saxo im zweiten buche seiner dänischen geschichte erhalten. an stelle des abwesenden Odinn schaltet ein böser zauberer ‚Mitothin‘ mit unerhörter frechheit zu Upsala. ‚qui cum Othino redeunte relicta praestigiarum ope latendi gratia Phaeoniam accessisset, concursu incolarum occiditur. cujus extincti [278] quoque flagitia patuere: siquidem busto suo propinquantes, repentino mortis genere consumebat, tantasque post fata pestes edidit, ut pene tetriora mortis quam vitae monumenta dedisse videretur, perinde ac necis suae poenas a noxiis exacturus. quo malo obfusi incolae, egestum tumulo corpus capite spoliant, acuto pectus stipite transfigentes: id genti remedio fuit [51].

Ein gewisser Hrappr, der zu Hrappstadir auf Island sich angesiedelt hatte, war im leben sehr ungerecht und überall verhaßt. als er bei hohem alter seinen tod herannahen fühlte und sein lager nicht mehr verlassen konnte, rief er seine gattin Vigdîs zu sich und sagte: ‚wann ich sterbe soll man mir mein grab in der küchenthür (t elldhûsdyrum) bereiten, so daß ich in der thür stehend begraben werde (ok skal mik nidr setja standana î dyrunum); da kann ich besser mein hauswesen übersehen.‘ so geschah es. war Viga-Hrappr aber im leben ungerecht und gottlos gewesen, so fing er nach seinem tode die unbilde recht an; denn er erschien oft und soll den größten theil seiner familie getödtet haben (sva seggja menn, at hann deyddi flest hiðn fîn î aptrgöngunni). viele nachbarn beunruhigte er. darum wurde Hrappstadir verlassen und Vigdîs floh zu ihrem bruder Thôrsteinn Surtr. die nachbarn wandten sich um abhülfe an den mächtigen Höskuldr. dieser begab sich mit wenigen leuten nach Hrappstadir, nahm den leichnam Viga-Hrapps aus dem grabe heraus und begrub ihn an einem orte, der von den viehtriften so wie der landstraße entfernt lag. seit der zeit hörte man lange nichts von Hrapps erscheinungen. ein gewisser Ôlafr wohnte zu Hjardarholt und hatte da viele knechte und arbeiter. er vertheilte die hütung so, daß ein knecht die ochsen, ein anderer die kühe zu weiden hatte. eines abends nun kam der ochsenhirt und bat ihm ein anderes amt zu übertragen. da Ôlafr sich dessen weigert, erklärt er lieber aus dem dienste scheiden zu wollen. ‚dann,‘ sagt Ôlafr ‚muß dir irgend etwas schlimmes widerfahren sein, ich werde [279] dich begleiten, wenn du heute abend die ochsen anbindest und wenn ich da eine ursache für deine weigerung finde, sollst du unbestraft bleiben; finde ich aber keinen grund, so geht es dir übel.‘ Ôlafr ergriff eine vergoldte lanze, die ihm der könig von Norwegen zum geschenk gemacht hatte, und ging mit dem knecht; schnee deckte das land. als sie zum rinderstall kamen, der offen stand, befahl Ôlafr dem ochsenhirten hineinzugehen; er wolle das vieh hineintreiben, jener solle es anbinden. der knecht ging hinein, kam aber sogleich schreckensbleich wieder heraus. auf Ôlafs frage, was das sei, sagte er ‚der verstorbene Hrappr steht in der thür und will mich an sich ziehn, ich habe bereits mit ihm gerungen.‘ (Hrappr stendr l fiôssdyrunum ok vildi sâlma til min en ek em faddr â fângbrögdum vid hann) Ôlafr geht da zu der thür und legt den speer auf Hrappr an. Hrappr faßt mit beiden händen den speer und biegt ihn, so daß der handgriff abbricht. jener will auf ihn zustürzen, da fährt das gespenst in den boden, wie es gekommen war, und so schieden sie. Ôlafr hatte den speerschaft und Hrappr die eisenspitze. dann banden jene beiden das vieh an und gingen nach hause. am folgenden tage begab sich Ôlafr zu Hrapps grabmal und grub ihn aus. die leiche war noch unverwest. bei ihr fand sich die speerspitze. Ôlafr ließ einen scheiterhaufen errichten und auf demselben wurde Hrappr verbrannt, die asche ins meer geworfen, und niemand hatte wieder etwas von dem spuk zu leiden [52].

Thorôlfr Bœgisôtr in Hvamm auf Island hatte großen ärger, weil er in einem streite über ein gehölz nicht recht bekommen. abends setzte er sich auf seinen hochsitz ohne speise zu sich zu nehmen und saß da die ganze nacht, indeß die hausleute zu bette gingen. morgens fand man ihn todt auf dem hochsitze. man schickte sogleich nach seinem sohne Arnkell, der sich bald von dem tode des vaters überzeugte. aber alles volk fürchtete sich wegen [280] der ungewöhnlichen todesart des verblichenen. (enn fôlk allt var ôttafullt, þvtet öllum var ôþocki â andlâti hans) Arnkell nähert sich seinem vater vom rücken her und bittet alle übrigen ebenso zu thun, bevor ihm die leichenhilfe (nâbjargir) gewährt sei [53], er faßt die schulter des entseelten und muß seine ganze kraft zusammennehmen ehe er ihn vom hochsitz bewegt. dann deckt er ihm ein tuch übers angesicht und verfährt bei der bestattung nach hergebrachter weise. die mauer hinter Thorôlfs rücken wird durchbrochen, der leichnam durch die lücke hinausgetragen und unter einen hügel zu Thôrsardal begraben. schon am abend desselben tages zeigte sich der todte Thorôlfr und belästigt die hausgenossen. die ochsen, welche ihn zu grabe gefahren, wurden vom alp geritten (tröllrida) [54] und alles vieh, das dem grabhügel nahe kam, wurde wild und wütete bis es todt umfiel (ærþiz þat ok œpti til hans). ein schafhirt in Hvarum kam oft athemlos nach hause gerannt, weil Thorôlfr ihn verfolgte. im herbst kehrte eines tages weder der hirt noch die heerde zurück, am andern morgen fand man den hirten nahe dem grabe entseelt liegen. sein ganzer körper war blau und alle knochen zerbrochen. man begrub ihn zu Thorôlfr. ein theil der heerde ward todt gefunden, ein anderer hatte sich in den bergen verlaufen. selbst vögel, die auf dem grabhügel gerastet, fielen todt aus der luft herab. so groß war der spuk (sva gerdiz mikill gângr), daß kein mensch im thale, wo Ôlafr begraben war, verweilen durfte. oft hörten die leute daselbst in der nacht lautes donnergetöse, man vernahm von häufigem alpdrücken (veru menn þess varir, at opt var riþit skâlanom). im beginn des winters zeigte sich Thorôlfr häufig in seinem hause und suchte besonders die hausfrau (hûsfreyja), seine gattin heim. diese wurde davon krank und starb; man begrub sie zu ihrem manne in Thôrsârdal. [281] nun fing Thorôlfr an so im thal zu wirthschaften, daß alle gehöfte öde gelegt wurden. viele leute starben (svâ var mikill gângr at aptrgöngum hans, at hann deyddi sums mann); andere mußten ihre häuser verlassen. alle so getödteten schlossen sich seinem zuge an (en allir menn þeir er letuz voru senir t ferd med honum). man wandte sich in dieser noth an Arnkell um abhilfe. da aber aus furcht vor Thorôlfr niemand ihm beistand leisten wollte, unterblieb jedes unternehmen bis zum frühjahr. da machte sich Arnkell, von elf genossen begleitet, auf den weg zum grabhügel. man öffnete das grab, worin der todte abscheulich anzusehen lag (ok var hann nu hinn illiligsti). zwei starke stiere zogen ihn bis an den berg Ulfârsfell, hier blieben sie erschöpft stehen. man spannte zwei frische thiere vor, die zogen die leiche ganz den berg hinauf, wurden aber hier von tollwuth ergriffen, zerrissen das wagenseil und stürzten in hastigem laufe dem meere zu. Thorôlfr ward hierauf in einem hohen, mit schweren steinen belasteten hügel beigesetzt und gewährte einige zeit ruhe, so lange sein sohn Arnkell lebte. als Arnkell aber gestorben war, begann das gespenst wieder umzugehen, so daß in der ganzen gegend niemand mehr wohnen wollte. auch Bolstadr war verlassen, weil Thorôlfr daselbst menschen und vieh tödtete. nachdem dieser ort ganz verwüstet war, wandte sich Thorôlfr nach Ulfarfell und beging da große schandthaten. somit blieb nichts übrig, als ihn noch einmal auszugraben. man fand ihn noch unverwest und trollgleich von aussehen, schwarz wie Hel und dick aufgeschwollen wie einen ochsen. als man ihn fortschaffen wollte, war er zu schwer. (var hann þar enn ôifunn ok hinn tröllligzti at fiâ; hann var blâr sem Hel ok digr sem naut ok er þeir villdu hræra hann, þâ fêngu þeir hvergi rigat hönum). mit hebeln in die höhe gehoben ward er an das meergestade hinuntergewälzt, wo man ihn mit holz umschichtete und verbrannte; lange wollte die flamme den leichnam nicht fassen. ein kräftiger wind begünstigte jedoch weiterhin das zerstörungswerk. derselbe ergriff auch [282] die asche und trug ihrer einen guten theil fort. die übrige schüttete man ins meer[55].


Fortsetzung folgt.

Berlin.

W. MANNHARDT.

  1. S. Hanush slavische mythologie 290.
  2. Strzyga, strzygonia heißt poln. hexe s. Mrongovius, Poln. D. [260] wb. 504, strzyz, strezyk stryzyk goldhähnchen, zaunkönig, trochilus, sizes goldhähnchen troglodyta, regulus. ich stelle der entscheidung kundiger anheim, ob der ortsname Strieß alt. Stryza, Stricza hiemit zusammenhängt. Herzog Sambor gesteht in einer urkunde april 15 1178 dem kloster Oliva: libertatem construendi molendina in rivulo, qui Stricza nominatur.
  3. Die obigen nachrichten über den vieszcyglauben der Kassuben in Westpreußen verdanke größtentheils einer aufzeichnung, das übrige Mrongovius Poln. wörterbuch und der verdienstvollen abhandlung von Flor. Ceynowa ’de terrae Pucenais incolarum superstitione in re medica. Berolini 1851 s. 20. 21, V. 2 entnommen.
  4. Tettau und Temme, volkssagen Ostpreußens, Lithauens und Westpreußens s. 275.
  5. Dieser mann, der jetzt in unfreiwilliger muße zu Schoeneck lebt, beschäftigte sich hauptsächlich damit weichselzöpfe zu besprechen.
  6. Sebast. Moeleri chronic. (MS.) Leo hist. Pruss. p. 149. Tettau und Temme a. a. o. s. 85, nr. 86.
  7. Tettau und Temme a. a. o. s. 276.
  8. Schmaler jahrbücher f. slavische literatur. 1856. III. s. 219.
  9. Pestchronik 1710. s. 26.
  10. Acta eruditt. lat. a. 1722. mens. Jan. p. 17.
  11. Hercules Saxonicus cap. XI de plica.
  12. S. Kuhn, märkische sagen s. 30, 30. 367. 382. E. Ziehen, skizzen aus der Altmark. morgenblatt 1854.
  13. Rollenhagen mirab. peregr. I. IV. cap. 20. nr. 5.
  14. S. Martin Bohem. de pest. conc. 2.
  15. Moller Freyburger chronik s. 259.
  16. L. Dr. Adam Röters pestpredigten in conc. pest.
  17. Hagers böhmische chronik ad ann. 1337 nach der klosterchronik von Opatowitz.
  18. Ebds. ad. ann. 1345. über den wirbelwind vgl. meine germanische mythenforschungen s. 269. 270.
  19. S. Petr. Balbinus miscellanea histor. regni Boehmiae III. s. 209.
  20. Martin Zeiler trauergeschichten t. I.
  21. Harsdörfer theatrum tragicum s. 406.
  22. Harsdörfer a. a. o.
  23. Crain. Kringa, ital. Coridigo, lat. Coriticum.
  24. In einem schlesischen dorf Hotzeplotz kamen die todten oft zu den ihren zurück, aßen und tranken mit ihnen und vermischten sich fleischlich mit den weibern. reisenden liefen sie nach und hockten ihnen hinten auf. s. Eines Weimarschen medici muthmaßl. gedanken von denen vampyren. Leipzig 1732 p. 13.
  25. Valvassor Ehre von Crayn t. III, I. XI. s. 317.
  26. Valvassor a. a. o. 319.
  27. Valvassor a. a. o. t. II, I. VI. cap. 10. s. 325.
  28. Aus Choix de poésies Illyriques recueillis dans la Dalmatie, la Bosnie, la Croatie et l’Herzegowine. Paris, F. G. Levraul Berliner Revue 1857. X, 32. der zuletzt genannte aufsatz ‚der vampyrglaube‘ ist übrigens sehr oberflächlich und fehlerhaft.
  29. Valvassor a. a. o. t. II, I. VI. cap. IV, p. 295.
  30. Didascalia 1841, Nov. 25.
  31. A. Schott, walachische märchen s. 297, 9. eine abart der murony heißt Pricolitsch (Pricolics, Priculics), weibl. Pricolitschone. dies ist ein wirklicher lebendiger mensch, der nachts als hund haiden, viehtriften und dörfer durchstreift, vieh jeder art durch anstreifen tödtet und ihm das warme herzblut aussaugt, wovon er stets blühend und gesund aussieht. ein hundeschweif als verlängerung des rückgrats ist sein unverkennbares merkmal.
  32. Die drei feldscherer J. Flickinger, J. H. Siegel, J. F. Baumgärtner sub. jan. 7. 1732; obristlieutenant Büttner und fähndrich von Lindenfels s. jan. 26. 1732.
  33. S. ‚M. Michael Ranfts diaconi zu Nebra tractat von dem kauen und schmatzen der todten in gräbern, worin die wahre beschaffenheit derer hungarischen vampyrs und blutsauger gezeigt und alle von dieser materie bisher zum vorschein gekommene schriften recensirt werden. Leipzig 1734. zu finden in Teubners buchladen, 8. 291 pp.
  34. S. Leo Allatius epistola de quorundam Graecorum opinationibus bei Georg Fehlau annott. ad Christophori Angeli enchiridion de statu hodierno Graecorum. vgl. Tournefort voyage en Levant. Amstelod. 1718. t. I, p. 52 fgg. – eines weimarschen medici gutachten von denen vampyren oder sogenannten blutsaugern. Leipzig 1732. 8.
  35. Bybilakis neugriechisches leben. Berlin 1840. s. XIII. 57. 58.
  36. Ipolyi magyarische mythologie.
  37. Ipolyi zs. f. d. myth. II. b. 3.
  38. Denkwürdige curiositäten derer sowohl inn- als ausländischer [274] abergläubischer albertäten als der weiten welt allgemeinen götzens. Frankfurt und Leipzig 1713. s. 185.
  39. Joan. Franc. Pici strix seu de ludificatione daemonum. I. III. ed. Weinr. Argent. 1612 in prooem. p. 1. J. W. Wolf, d. m. s. 226.
  40. Tischreden. Leipzig, Voigt 1621 cap. IX fgg.
  41. Myth. LXXXI, 368.
  42. Harsdörfer jämmerlicke mordgeschichten 406.
  43. Lyncker, hessische sagen s. 124.
  44. Myth. XXXIX. XL.
  45. Woeste, volksüberlieferungen der grafschaft Mark. s.
  46. Schambach und Müller, nieders. sagen 222, 236.
  47. Schambach und Müller a. a. o. s. 364, 236, 2.
  48. Vernünftige und christliche gedanken über die vampyrs. Wolfenbüttel 1733 p. 26.
  49. Müllenhoff, schleswigholst. sag. s. 362.
  50. Saxo gram. ed. P. E. Müller V, s. 244. die dreimal wiederholten worte ‚quid stupetis, qui relictum me colore cernitis? obsolescit nempe vivus omnis inter mortuos‘ sind die stafar, wodurch in den alten drapar die einzelnen liedtheile getrennt wurden. S. Olafsen om Nordens gamle digtekunst s. 149 und P. E. Müller a. a. o.
  51. Saxo gram. ed. Klotz II.
  52. Laxdœlasage ed. Arnamagn. Havn. MDCCCXXVI. cap. XVII p. 54. 36. cap. XXIV, 98. 109.
  53. Über die leichenhilfe, so wie die hier angewandten todtengebräuche s. Weinhold, altnord. leben s. 474 fgg.
  54. Die geister böser menschen werden zu trollen, d. h. zu riesen oder bösen elben. vgl. meine germ. mythenforschungen s. 190. 191.
  55. Eyrbyggjasaga ed. Thorkelin. Havn. 1787. cap. XXXII. XXXIV. LXIII. s. 170. 172 fgg. 314. 316.