Über die Benutzung der Kartoffeln zu Branntewein
Indem ich auf diese Antworten harrte, kam mir erst vor einigen Tagen die Abhandlung Herrn Karl Wilhelm Fiedlers, die zu Erfurt bey Keyser 1792 gedruckt erschien, in die Hände, welche er der Kurfürstl. Akademie der Wissenschaften zu Erfurt vorgelesen hat. Sie handelt von der Art aus Kürbissen und Kartoffeln Branntewein zu brennen, und enthält zugleich Beschreibungen und Zeichnungen von Quetschmaschinen und Mühlen.
Da mein Verfahren von jenem des Herrn Fiedlers ziemlich verschieden, und wie ich mir schmeichle, erweislich vortheilhafter und bequemer| ist; meine Angaben auch vor jenen dieses zum voraus haben, daß sie nicht ins Große gehen, sondern dieses Geschäfft von geringen Leuten mit gutem Erfolg getrieben werden kann, so eile ich, meinen Landsleuten die Eröffnung einer nützlichen Industrie, nach meinem geringen Ermessen, vorzutragen, und achte mich für belohnt genug, wenn ich irgend einem und dem andern dadurch einen Fingerzeig zu geben im Stande war, seinen Wohlstand zu verbessern. Vielleicht reizt meine Bekanntmachung auch das geübte Nachdenken einsichtsvoller Oekonomen, durch Zusätze und Verbesserungen meine Verfahrungsweise immer mehr zu vereinfachen oder zu veredeln.
Diesemnach käme also ein ganzer Eimer Branntewein
an erforderlichen Malz | 2 fl. 30 kr. |
– – Holz | 2 fl. 30 kr. |
5 fl. – |
Der Mittelpreis dieses Brannteweins ist immer 22 bis 26 fl. also die Maaß 20-24 kr. Solchemnach bleibt für die aufgewandte Mühe allezeit ein reiner Profit von 17-21 fl. Rhein. Allerdings ein ansehnlicher Erwerb, indem der Arbeit beym Brannteweinbrennen so ungemein viel nicht ist. Eine einzige Magd versieht die Brennerey und behält dabey immer noch Zeit genug übrig das Vieh zu füttern und auch andere Hausarbeit zu thun, wohl gar bisweilen halbe Tage mit in die Feldarbeit zu gehen.
Im Winter, wo der Häckersmann im Felde wenig arbeiten kann, würde eine solche Brennerey von ihm mit Vortheil betrieben werden können. In Gegenden, wo das Holz| wohlfeil ist, und der Wein, wegen der Theure, selten genossen wird; wo Kartoffeln die Menge gebaut werden, und die Leute beym Genuß des Biers ohnedem häufig Branntewein trinken: würde ein solches Geschäfft noch ungleich vortheilhafter [ge]trieben werden können. Ich meine hier die Gegenden des Steigerwaldes, der Rhöne, des Speßhardts, des Odenwaldes.Ein anderer Vortheil erwächst dadurch, wenn, wie ich gar nicht zweifle, das Brannteweinbrennen aus Kartoffeln in Gang kommt, daß eine große Ersparniß des Getraids eintritt. Hier bin ich mit Herrn Fiedler einer Meinung, daß man auf alle Wege und Weise suchen müsse, weil einmal der Branntewein ein nothwendiges Übel geworden ist, ein anderes Ingrediens als Getraid auszufinden, woraus er in Ermanglung der Weinhefen, Trester und des Obstes gewonnen werden könne. Denn jedem Menschenfreunde muß es immer vorgestecktes Ziel seiner Bemühungen seyn und bleiben, die unentbehrlichen Bedürfnisse zur Nahrung der Menschheit im äusserst billigen Preise zu erhalten.
So bald wir in unserm Fränkischen Vaterlande lernen werden, unsere selbst gebauten Kartoffeln zu Branntewein zu benutzen, werden wir unsere Landes-Erzeugnisse auch von dieser Seite gehörig verarbeiten; und künftig, bey gleicher Güte des Kartoffelbrannteweins, nicht mehr nöthig haben, unser baares Geld für Fruchtbranntewein nach Nordhausen zu schicken. Wenigstens ersparen| wir die Fracht, wenn wir auch, beym Überfluß an Getraide, weiter nichts könnten, als gleiche Preise mit den Nordhäusern halten. Häckersleute, die sich mit schweren Kosten einen Brannteweinzeng angeschafft haben, können denselben in Jahren, wo Obst und Trauben mißrathen sind, und das Getraid in hohem Preise stehet, beynahe gar nicht brauchen. Er stehet oft 4-5 Jahre müssig, und harret der Zeit, wo man ihn vielleicht wieder benutzen kann. – Kartoffeln wachsen jedes Jahr; somit wird auch in Mißjahren der Häckersmann durch meine gethanenen geringen Vorschläge Gelegenheit finden, sich etwas zu seinem weitern Fortkommen zu verdienen. Man wird es vielleicht auch erwarten, daß ich mich über den Anbau der Kartoffeln erklären möge; Herr Fiedler hat es in seiner Abhandlung gethan. Er hat sich die vorzüglichsten Arten derselbigen namhaft zu machen bemühet, und berührte sogar das Häufeln etc. da ich ihm hier gern die nähere Auseinandersetzung erlassen und in dem eigentlichen Benutzen der Kartoffeln zu Branntewein weitläuftiger gewünscht hätte. Indessen ist so viel gewiß: die Anpflanzung dieser Frucht hat allenthalben eine gute Aufnahme gefunden. Auch Herr Becker| ging in seinem beliebten Noth- und Hülfsbüchlein darüber kurz hinweg, um sich nicht bey allgemein bekannten Dingen zu verweilen. Ich fand unter den verschiedenen Gattungen der Kartoffeln keinen solchen Unterschied, wie Herr Fiedler. Nach meinen Erfahrungen war eine so dienlich, als die andere. Da man nun im Hochstifte Wirzburg sich seit einiger Zeit vorzüglich damit beschäfftiget, öde Plätze und Gemeinheiten urbar zu machen, sie zu Getraid, Wurzelwerk und besonders Kartoffeln zu benutzen; so haben Vorsteher von Gemeinden die schönsten Gelegenheiten von der Welt sich verdient zu machen. Man lese einen ähnlichen Vorgang in des Journals von und für Franken 3 Bandes 5ten Heft S. 640. Ich habe dort schon zum Erdäpfelbau, als zu meinem vorgesteckten Ziele, vor mehreren Jahren gearbeitet; und es thut mir weh, daß ich hier und da noch so manchen leeren Platz, so manche bloß mit Dornen und Disteln angefüllte Wüstung sehen muß, die längst besser hätte benutzt werden können. Sie ist es nicht; denn es fehlt entweder an einem Vortrag, der Eingang findet; oder es fehlt Gemeingeist und Eintracht unter den Gemeindgliedern. Gott gebe, daß die neue Art, die Kartoffeln zu benutzen,| Veranlassung werden möge, um auch alle noch übrigen Wüstungen umzuschaffen. Der Bau derselbigen schlägt beynahe alle Jahre ein, und wenn er nun mit mehrerer Thätigkeit unter dem Häckerstande befördert wird, so braucht dieser seine Brennzeuge nicht mehr, wie seither oft der Fall war, 4–5 Jahre müßig stehen zu lassen, und des daher entspringenden Erwerbes zu entbehren. Erwähnte Vortheile, genau erwogen, trieben mich an, aus dem Winkel, wo ich wohne, einmahl als Schriftsteller mit meinen Landsleuten zu reden.
Die Form der Kessel, deren Abbildung ich hier unter Fig. 1. liefere, hat die Eigenheit, daß sie viel Holz ersparen lässet. Das weiß ich nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern ich sah sie auch, zum Fruchtbrennen verfertiget, von der Art in Nürnberg und Frankfurt. Überdieses haben auch reisende Handwerkspursche, die mich bey ihren Durchreisen Amtswegen besuchten, nach ihren Erzählungen und Einsichten in die bewährtesten Brannteweinbrennereyen Teutschlands diese Form immer als die vorzüglichste angegeben und gelobt.
Das Bemerkungswürdigste hievon ist, wie der Buchstabe a bey Figur 1 zeiget, daß hier keine breiten oder flach gearbeiteten Böden sind.
Zweytens, daß sie auch auf eine ganz besondere Weise eingemauert werden. Vom Feuerheerde wird nämlich 8–10 Zoll hohes Mäurchen aufgeführt; damit, wie der Buchstabe b zeiget, der Kessel ringsherum (der Ort zum Einschüren ist ausgenommen)| darauf ruhe. Ober diesen rund um den Kessel aufgeführten Mauern wird beym Buchstaben c. 4 Zoll Raum oder Freyung gelassen. An die hintere Feuerwand mache man einen Aufsatz d von Backsteinen. In derselbigen lässet man eine Öffnung 4 Zoll breit und 6 lang, (Siehe den Buchstaben f.) rechter Seite des Feuerheerdes von oben; damit sich Feuer und Rauch um den Kessel f. schwinge, und ihn leicht erhitze. Oben an dem Halse des Kessels, auf der linken Seite der aufgestellten Backsteine, lässet man eine Öffnung 4 Zoll in das Gevierte g, damit der Rauch hinaus ziehe. Auf diese Weise gehet keine Hitze verloren, wie bey den gewöhnlichen Brennzeugen, wo der Zug des untergeschürten Feuers sogleich oben wieder hinausgehet. Es versteht sich ohne mein Erinnern, daß die Brennzeuge an recht gute Feuerwände gesetzt werden müssen.Die Kühl- oder Wasser-Tonne k. darf zu einem eimerigen Brennzeuge nicht weniger als 21/2 Eimer halten.
Zur Erdäpfelbrennerey, die auf eine bedeutende, aber auch leichte Weise getrieben werden soll, ist auch eine Quetschmühle erforderlich.| Die Abbildung derselbigen stehet unter Figur 2. Sie erfordert zwey runde Steine 11/2 Fuß breit und eben so hoch a) Auf ein hölzernes 4 Fuß hohes Gestell b) werden sie in der Mitte mit eisernen Zapfen vest angebracht; damit sie gegen einander umlaufen können. An den Seiten c) werden zwey Stirnräder d) die besonders ein vestes Holz erfordern, angebracht; diese müssen im Umgehen einander treiben. Oben auf dem Stein d) wird ein Trichter an dem Gestell gesetzt, der so breit, als die Oeffnung der gegen einander laufenden Steine ist. An einem Zapfen, der durch den Stein gehet, wird ein Dreher e) gemacht, durch welchen die Kartoffeln abgemahlen oder abgequetschet werden. An jedem Steine wird unten die Queer ein Messer f) durch Schrauben bevestiget, welches beym Abquetschen die Steine sogleich wieder säubert; die untergesetzte Gelte g) nimmt die gequetschten Erdäpfel auf.Man braucht zu einer wohleingerichteten Kartoffelbrennerey noch verschiedene Gefäße. Ich werde sie weiter unten beschreiben.
Beym Brennen selbst ist auf folgende Puncte wohl Acht zu haben:
1) Man menge mit der oben beschriebenen Schaufel die in der Kufe in Gährung übergebrachte Masse wohl unter einander, und| mache den Brennkessel, bis auf einige Maaße, davon voll.2) Das Feuer unter dem Kessel mache man nur mittelmäßig und versäume
3) nicht die in den Kessel gethanene Masse mit der schmalen Schaufel wohl aufzurühren, damit sie nicht anbrenne.
Wenn der Kessel gehörig erhitzet ist, so setzet man den Brennhut auf den Kessel und stellet ein reines 10mäßiges Geschirr unter die Saugröhre.
4) Man hat vor allen Dingen darauf zu sehen, daß es in zweyfachen Röhren nicht dicker als ein dünner Strohhalm, in einfachen aber wie ein gedoppelter ablaufe, was durch Stärke oder Schwäche des Feuers leicht zu gewinnen steht. Was ablauft, ist ein Halb-Branntewein oder sogenannte Läuterung; deren kann man gerne 9–10 Maaß gewinnen. Diese Läuterung hat einen guten Geruch und die gehörige Stärke. Man verwahrt sie in einem Fäßlein ungefähr von der Größe eines Eimers. Die gebrannten Erdäpfel werden nun zur Viehfütterung aus dem Kessel sauber ausgeputzet, und dann mit der übrigen Masse auf die eben beschriebene Weise verfahren.
| Wenn das ganze Geschäfft geendet ist, wird aus dieser Läuterung ein guter Branntewein folgendermassen bereitet. Man thut sie in den rein ausgeputzten Kessel, nebst 3 Loth Anis, 2 oder 3 klein geschnittenen gelben Rüben oder ein Paar Loth Sassafras, um ihm den etwas wildernden Geschmack zu benehmen. Er muß noch langsamer ablaufen, als die Läuterung selbst. Diesemnach werden in 7. 8. 9 Stunden zehen bis zwölf Maaß Branntewein abkommen und 6. 7 Maaß Läuterung übrig bleiben. Beym Abziehen kann man ein Sortiment machen. Der erste, als der Vorschuß, hat eine solche große Kraft und Stärke, daß er kaum zu genießen ist. Der mittlere ist der gute zum Trinken. Der letzte ist etwas schwächer. Unter einander gemischt gleichet er dem Hefen- oder starken Fruchtbranntewein und hält alle Proben aus: z. B. er brennt in der schönsten hellblauen Flamme, bis er sich selbst verzehrt. Gut ist, wenn das Abziehen an einem ganz stillen Tage oder einer stillen heitern Nacht, ohne ziehende Luft geschieht; sonst wird er gerne trüb. Begünstiget von der Witterung gewinnet man auch wohl mehr Branntewein.Durch sorgfältigeres Abziehen und die gehörigen Zusätze könnten aus diesem Branntewein wohl auch Liqueurs gewonnen werden. Meine Absicht geht aber nicht dahin, dergleichen chemische Veredlungen bekannt zu machen, sondern meinen Landsleuten nur eine neue Quelle der Industrie und des Nahrungs-Erwerbs zu eröffnen. Ich übergehe also alles, was hier gesagt werden könnte, mit Stillschweigen.
Man wird mir vielleicht den Vorwurf machen, daß ich in Beschreibung der Art und Weise, wie man aus Kartoffeln Branntewein machen könne, allzuweitläuftig gewesen sey. Man wird mir Herrn Fiedlers Kürze in dem oben erwähnten Tractat entgegen setzen, und daß jeder, der nur jemahls Hefen- Frucht oder Trester-Branntewein verfertiget habe, dergleichen Handgriffe wohl wisse. Auf diese Einwendungen muß ich antworten: daß ich| nicht nicht nur denen verständlich seyn wollte, die im Brannteweinbrennen bewandert sind, sondern auch denen unter meinen Landsleuten, die davon nie etwas gesehen oder gehört haben.Ich darf auch öffentlich versichern, ohne mich einer Ruhmredigkeit schuldig zu machen, daß meine Beschreibung von einem meiner auswärtigen Herren Correspondenten, der als ein Gelehrter von Profession in seinem ganzen Leben sich um Brennereyen nicht bekümmerte, sehr deutlich gefunden wurde. Den Beweis lieferte er dadurch. Er behandelte das ganze Verfahren als ein Geheimniß und machte für sich in der Stille einen Versuch. Der Erfolg war, daß er mir 4 Wochen nach der von mir erhaltenen Beschreibung eine Probe seines mit eigener Hand verfertigten Brannteweins zuschickte, der von allen Kennern für einen der vorzüglichsten Brannteweine gehalten worden ist.
Dieser geglückte Versuch lässet mich hoffen daß auch andere meiner Landsleute meine Beschreibung des Verfahrens deutlich und richtig finden werden. Sollte wider Vermuthen einer und der andere hier und da noch einen Anstand haben; so erbiete ich mich jedem,| der nähere Aufschlüsse fordert oder sich weitläuftiger erkundigen will, zur nähern Belehrung ohne allen Rückhalt, unentgeltlich bereit. Markt Wipfeld d. 6ten Jun. 1792.