„Die Anwesenden ausgenommen!“
[147] „Die Anwesenden ausgenommen!“ Wenn man etwas sagt, das
Einen in der Gesellschaft verletzen könnte, dann muß man hinzufügen:
„Natürlich immer die Anwesenden ausgenommen.“ Diese Regel hatte der
junge Baron Harald von Sinnen von seinem Hofmeister eingeprägt erhalten,
und er hatte auch schon bei verschiedenen Gelegenheiten mit gutem Erfolg von
derselben Gebrauch gemacht. Eines Tages hatte er nach beendigtem Diner
unter den älteren Damen Platz genommen, welchen er allerlei Geschichten
erzählte. Die Geschichten fanden großen Beifall. Natürlich: der junge Baron
war sehr liebenswürdig und hatte die nächste Anwartschaft auf ein großes
Majorat. Der Beifall der Damen ermuthigte ihn immer mehr, und er
ließ eine Geschichte auf die andere folgen. Darunter auch eine, deren
Heldin eine Dame war, die sich ebenso sehr durch ihren Geist wie durch
ihre Häßlichkeit hervorthat. Der junge Baron betonte wiederholt die
Häßlichkeit der Dame. Da bemerkte er zu seinem Schrecken, daß dies bei
seinen Zuhörerinnen, die alle über die erste Jugendblüthe der Schönheit
schon mehr oder weniger hinaus waren, einen unangenehmen Eindruck
machte. Doch er wußte sich zu helfen, in Erinnerung an die ihm von
seinem Hofmeister eingeprägte Regel schloß er seine Erzählung mit den
geflügelten Worten: „Ja, ja, meine Damen, so ist es, die Häßlichen sind in Regel nicht dumm, – natürlich immer die Anwesenden ausgenommen.“ B.-W.