ADB:Böhmer, Wilhelm (evangelischer Theologe)

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Artikel „Boehmer, Wilhelm“ von David Erdmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 25–27, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%B6hmer,_Wilhelm_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 17:24 Uhr UTC)
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Boehmer: Georg Rudolf Wilhelm B., geb. zu Burg bei Magdeburg 5. März 1800, † 25. Nov. 1863, auf dem Boden des positiven Christenthums der Vertreter einer eklektischen Theologie, der auf dem Gebiete der systematischen theologischen Wissenschaft in einseitig dialektischer, und darum durchweg formalistischer Methode die Offenbarungswahrheit des Christenthums als den Forderungen der Vernunft vollständig entsprechend unter übermäßiger Anwendung von ihm selbst ausgeprägter, aber das Wesen der Sache oft nicht berührender theologisch-philosophischer Formeln zu wissenschaftlichem Verständniß zu bringen suchte. – Von 1814–1819 auf dem Joachimthals’schen Gymnasium zu Berlin vorgebildet, studirte er von 1819 ab daselbst Theologie unter Marheinicke’s, Schleiermacher’s und insbesondere Neander’s Leitung, der ihm später den ersten Band seiner Kirchengeschichte widmete, trat zu den jungen theologischen Docenten Tholuck und Bleek in ein näheres Verhältniß, und hörte philologische Vorlesungen bei Wolf und Böckh, sowie philosophische bei H. Ritter und Hegel. Nachdem er sich auf den akademischen Beruf vorbereitet, für den er die Exegese, Kirchengeschichte und Dogmatik als seine Hauptdisciplinen ins Auge faßte, begann er unter Neander’s Auspicien 1824 in Berlin seine Docentenlaufbahn und [26] edirte seine erste Schrift: „De hypsistariis opinionibusque, quae super iis praepositae sunt“, 1824. Eine Widerlegung der von C. Ullmann gegen seine Hypothese über diese Secte geltend gemachten Gründe schrieb er in demselben Jahre in den Heidelberger Jahrbüchern. Nachdem er 1825 als außerordentlicher Professor der Theologie nach Greifswald berufen worden, wo er die Schrift: „Einige Bemerkungen zu der von dem Herrn Professor Dr. Ullmann und mir aufgestellten Ansichten über den Ursprung und den Charakter der Hypsistarier“, 1826 herausgab, wurde er an die Stelle A. Tholuck’s, welcher 1828 mit der Verwaltung der Gesandtschaftspredigerstelle in Rom beauftragt wurde, nach Halle berufen, wo er seine „Isagoge in epistolam a Paulo apostolo ad Colossenses datam theologica, historico-critica-access. enarratio cap. I. Coloss. V. 1–14 et excursus quos vocant epistolam spectantes“ (1829) verfaßte. Von Halle ging er nach Tholuck’s Rückkehr 1829 nach Greifswald zurück, in demselben Jahr wurde er zum ordentlichen Professor ernannt und von der evangelisch-theologischen Facultät in Bonn zum Dr. theol. creirt. – 1832 wurde er an Stelle des verstorbenen Daniel v. Cölln als ordentlicher Professor der Theologie nach Breslau berufen und edirte seine Schrift: „Hermogenes Africanus, de moribus ejus, praecip. dogmaticis opinionibus“. In Breslau habilitirte er sich mit der Dissertation: „Symbolae biblicae ad dogmaticen christianam, sive: observationes in sectionem apostolicam Coloss. I. v. 18–23“, 1833. Seinen bisherigen Arbeiten über den Colosserbrief folgte „Die theologische Auslegung des paulinischen Sendschreibens an die Colosser“, 1835. Hierauf wandte er seine Studien dem christlichen und kirchlichen Alterthum zu; die Frucht derselben war: „Die christlich-kirchliche Alterthumswissenschaft, theologisch-kritisch bearbeitet, 1. 2“, 1836. 39. Auch u. d. Tit.: I. „Die socialen Verhältnisse der christlichen Kirche alter Zeit“, 1836 und II. „Die öffentliche Gottesverehrung nebst den äußern Lebens- und Disciplinarformen der alten Christenkirche“, 1839. – Von hier aus schritt er weiter zur Bearbeitung der christlichen Glaubenslehre; er edirte 1840 seine „Christliche Glaubenswissenschaft, nach ihrer Allgemeinheit wie nach ihrer anthropologischen Besonderung entwickelt“, 1. Bd.; 1843 ließ er den 2. Bd. unter dem Titel: „Die christliche Glaubenswissenschaft, nach ihrer theologischen und christologischen Beziehung entwickelt“, folgen. – Ebenso lieferte er Beiträge zur Wissenschaft der christlichen Ethik. Er verfaßte ein „System des christlichen Lebens, oder das christliche Leben nach seiner Bejahung, Verneinung und Wiederherstellung wissenschaftlich dargestellt“, 1853. Daran schloß sich: „Die theologische Ethik oder die Wissenschaft des christlichen Lebens“ 1. Bd. A. u. d. T.: „Die Wissenschaft des christlichen Lebens nach Begriff, Form und Nothwendigkeit entwickelt“, 1855. – Als Beitrag zur Symbolik lieferte B. die Schrift: „Die Lehrunterschiede der katholischen und evangelischen Kirche, Darstellung und Beurtheilung“, 1857 ff. 2 Bde. Auf die Angriffe, welche er in Folge der Darstellung der römisch-katholischen Lehre in dieser Schrift erfuhr, antwortete er mit der Schrift: „Der unerleuchtete Eifer für die katholische Kirche etc., Nachweis und Würdigung“, 1858. – Sein lebhaftes Interesse an den kirchlichen Bewegungen in der katholischen und evangelischen Kirche in der Mitte der vierziger Jahre bekundete er durch folgende Flugschriften, die sich theils auf die deutsch- resp. christkatholische, theils auf die lichtfreundliche Partei bezogen: „Der heilige Rock in Trier und der katholische Priester J. Ronge“ – „Die Glaubenslehre der christlich-katholischen Gemeinde zu Breslau bei fortgesetzter Berücksichtigung des Schneidemühler Glaubensbekenntnisses gewürdigt“ – „Ueber die Geistesrichtung der protestantischen Freunde, insonderheit zu Breslau“ – „Ist der Geist oder die Schrift für die Regel des christlichen Glaubens zu halten? eine zeitgemäße Frage, mit kritischer Bezugnahme auf das Werkchen des [27] Halleschen Pfarrers Wislicenus: ob Geist ob Schrift?“ – Endlich ist noch zu erwähnen die Schrift: „Ueber den confessionellen Streit, der durch eine Reformationspredigt des Consistorial-Raths Falk veranlaßt wurde, ein kritisches Wort zur Versöhnung der Streitenden“, 1844, in welcher das Verhältniß von Union und Confession beleuchtet wird. Seine akademische Thätigkeit war den Gegenständen nach eine äußerst vielseitige, indem sie neutestamentliche Exegese, Kirchengeschichte, Symbolik, kirchliche Archäologie, Ethik und Dogmatik umfaßte, ohne jedoch von Seiten der Studirenden durchweg zahlreichen Zuspruch zu finden.