ADB:Bülow von Dennewitz, Friedrich Wilhelm Graf
Friedrich Ulrich Arweghs v. B., eines wohlhabenden Edelmannes, der sich, nachdem er als Lieutenant den ersten schlesischen Krieg mitgemacht, auf das Familiengut Falkenberg zurückgezogen und mit der Tochter eines Superintendenten vermählt hatte. Geistreich, vielfach gebildet, poetisch begabt, aber den Anschauungen Swedenborg’s[WS 1] in ungewöhnlichem Maße zugethan, hatte Friedrich Ulrich Arwegh seinen Söhnen eine vortreffliche Erziehung geben lassen und blieb von bedeutendem Einfluß auf dieselben auch dann noch, also er sich in zunehmender Ueberspanntheit vollkommenem Einsiedlerleben überließ. – Schon 1768, erst 13¾ Jahr alt, trat Friedrich Wilhelm in das zu Berlin garnisonirende Infanterie-Regiment Braun, in welchem damals auch sein älterer Bruder Karl stand. Hier machte er eine harte Schule militärischen Detaildienstes durch. 1772 avancirte er zum Fähnrich, 1775 zum Second-Lieutenant. – Der schlachtenlose bairische Erbfolgekrieg bot B. keine Gelegenheit, sich hervorzuthun; [521] aber mit Eifer pflegte er zu Berlin das Studium der Geschichte, Erdkunde und Mathematik sowie das der Kriegswissenschaften und gab sich mit Begeisterung der Musik hin. Die letztere war es, die zunächst dazu beitrug, den jungen stattlichen Officier, der 1786 zum Premier-Lieutenant befördert worden, in den Hofkreisen zur Geltung zu bringen und ihm die Gunst König Friedrich Wilhelms II. zu verschaffen. 1790 wurde er zum Stabscapitän ernannt. Leichtlebig und anmuthig, von Frauengunst beglückt, gehörte er damals zu den tonangebenden Cavalieren Berlins; wie hoch man aber dabei seinen Charakter schätzte, beweist die Berufung zum militärischen Begleiter und Mentor des Oberstlieutenants Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. B. wurde bei Uebernahme dieser Stellung (1792) zum Capitän von der Armee ernannt. Durch entschlossenes Auftreten wußte er dem leidenschaftlichen doch edlen Prinzen gegenüber seine Stellung zu nehmen; bald verband ihn innige Freundschaft mit dem ritterlichen Fürsten, die ihm auch nach Louis Ferdinands frühem Heldentode dessen Familie bewahrt hat. – In des Prinzen Begleitung machte B. die Feldzüge von 1792 und 93 gegen Frankreich mit und ergriff im Laufe der Belagerung von Mainz, namentlich bei dem Sturm auf die Zahlbacher Flesche, jeden Augenblick, sich rühmlichst auszuzeichnen. Er empfing dafür den Orden pour le mérite und wurde am April 1794 Major, als welcher er abermals den Prinzen zum Heer begleitete. Im folgenden Jahre schien dieser keinen militärischen Führer mehr zu bedürfen, und B. erhielt auf seinen Wunsch eine Anstellung bei den leichten Truppen: eine Compagnie der 2. ostpreußischen Füsilierbrigade. Seine Garnison wurde ein waldeinsames Dorf bei Soldau. Die Stille erquickte ihn. 1½ Jahr lang lebte er hier seiner Compagnie, der Jagd, der Musik. 1797 wurde ihm die Bildung eines neuen Füsilierbataillons in Soldau aufgetragen, die er mit großem Eifer durchführte. 1802 vermählte er sich mit Marianne Auguste, Tochter des Obersten v. Auer, in Königsberg. 1803 wurde B. zum Oberstlieutenant befördert, blieb jedoch auf seinen Wunsch an der Spitze seines selbstgeschaffenen Bataillons zu Soldau. Schmerzlich empfand er die unglückliche Schicksalswendung seines Bruders Dietrich Heinrich (s. d.), den Verlust zweier Kinder, schmerzlich das Zurückbleiben seines Bataillons in Preußen, als der Kampf mit Napoleon aufgenommen wurde, und am tiefsten dann das Unglück des Vaterlandes. Unter Lestocq wies er den Versuch Lannes’, bei Thorn die Weichsel zu überschreiten, ab; doch am 5. Februar 1807 wurde die von ihm befehligte Vorpostenbrigade bei Waltersdorf geschlagen und er selbst verwundet, so daß er der Eilauer Schlacht nicht beiwohnen konnte. Auch am 16. Mai hatte er bei Kahlberg auf der frischen Nehrung schwere Verluste; sein Bataillon ward fast aufgerieben; es hieß: er habe kein Glück. Nach der Uebergabe von Danzig wurde er als Brigadier zu dem sich in Schwedisch-Pommern unter Blücher sammelnden Corps gesandt, das jedoch in Folge des Tilsiter Friedens nicht zur Thätigkeit gelangte. – In diese traurige Zeit fiel der Tod seiner geliebten Frau. Nach Königsberg berufen trat er, sehr gegen seine Neigung, in die große Untersuchungscommission ein, deren Arbeiten ihn so in Anspruch nahmen, daß er die ihm im December 1807 übertragene Führung des Regiments Courbière nie wirklich angetreten hat. Im Frühling 1808 vermählte er sich, 53jährig, zum zweiten Male, und zwar mit Pauline Juliane v. Auer, der kaum 18jährigen Schwester seiner ersten Gemahlin, die ihm eine Tochter hinterlassen hatte. Gleich darauf ging er als Gehülfe (Adlatus) des hypochondrisch kranken Blücher nach Stargard ab. Am 21. November 1808 wurde er zum Generalmajor befördert. – So tief ihn das Unglück Preußens beugte, so betheiligte er sich doch bei keinem Geheimbunde. Jede Kraft und Thätigkeit concentrirte er auf seinen militärischen Beruf. Hierin, wie in manchen andern Dingen, wich er [522] von Blücher’s Anschauungen ab; ihre gegenseitige Stellung war überdies schwierig und führte bald Reibungen herbei. Im Juni 1809 wurde B. mit der Untersuchung der Capitulation von Prenzlau betraut; bald darauf erhielt er die pommersche Infanterie-Brigade zu Treptow a. d. Rega, und am 18. Jan. 1811 empfing er den Rothen Adler-Orden 3. Classe. – Als im Frühjahr auch Blücher’s Hauptquartier nach Treptow verlegt ward, kam es zwischen ihm und B. zum Bruch, und ging B. in Folge dessen zunächst ohne bestimmte Dienststellung nach Stargard zurück, bis er am 29. November 1811 zum Brigadegeneral der westpreußischen Brigade (Division) in Marienwerder befördert wurde. – Bei dem Rückzuge der Franzosen aus Rußland erhielt B. Befehl, an der Weichsel eine besondere Truppenmacht als Reserve zu sammeln, wobei er ein hervorragendes Organisationstalent entfaltete. Er dachte gleich York über die politische Lage und legte seine Ansichten dem Könige in einem herrlichen Schreiben dar. Die Verhältnisse drängten ihn jedoch nicht zu so augenblicklicher Entschließung wie York; klug und gewandt wußte er die Franzosen wie die Russen hinzuhalten. Ende Februar 1813 erhielt er den Befehl über die von ihm gebildeten Truppentheile unter dem Namen der ost- und westpreußischen Reserve-Corps und wurde am 14. März zum Generallieutenant ernannt. Am 31. März zog er in Berlin ein. Am 5. April nahm seine Cavallerie an dem Treffen bei Möckern (Zehdenik) Theil, in welchem der Vicekönig von Italien geschlagen wurde; am 2. Mai stürmte er Halle, und als Oudinot zu Ende des Monats Berlin bedrohte, schützte er die Hauptstadt durch den Sieg bei Luckau (4. Juni). Mit einer Minderzahl von Truppen, unter Mangel, Hemmung und Mißverhältnissen aller Art hatte B. seine Aufgabe glänzend erfüllt und beklagte es bitter, sich durch den Waffenstillstand die Aussicht fernerer Erfolge plötzlich genommen zu sehen. – Nach dem Ablaufe des Waffenstillstandes wurde Bülow’s Corps (das III.–40 Bat., davon 12 Landwehr, 45 Schwadronen, davon 16 Landwehr, und 80 Geschütze) der Nordarmee unter Bernadotte zugewiesen; Boyen (s. d.) trat an die Spitze seines Generalstabs. – Dem lähmenden Einflusse des Kronprinzen von Schweden wußte sich B. zu entziehen, und gegen dessen Willen schlug er die Schlacht von Großbeeren, durch die er am 23. August Berlin abermals rettete. „Mich bekommt Bernadotte nicht gutwillig dazu, daß ich über seine Brücke bei Moabit zurückgehe! Unsere Knochen sollen vor Berlin bleichen, nicht rückwärts!“ Sein klarer Blick, sein fester Muth, seine Kunst, die Truppen stets in der Hand zu behalten, haben den Erfolg errungen. Der König ertheilte ihm das Eichenlaub zum Orden pour le mérite. – Napoleon lag jedoch alles daran, Berlin zu nehmen und die Nordarmee zu beseitigen. Er übergab den Oberbefehl über das Oudinot’sche Corps dem Marschall Ney. Ihn suchte B. in der linken Flanke und im Rücken zu fassen. Am 6. September focht er, indem er dem schwer bedrängten Tauentzien zu Hülfe eilte, bei Dennewitz mit 10 preußischen Bataillonen gegen 47 französische, und behauptete sich nicht nur, sondern schlug den Feind aufs Haupt. Es war ein Sieg noch stolzer und herrlicher als der von Großbeeren, noch mehr als dieser mit ausschließlich preußischer Volkskraft erfochten, und zum dritten Male rettete B. durch diese Schlacht Berlin. Er wurde dafür zu einem der wenigen Großritter des eisernen Kreuzes ernannt. Der Volksmund nannte ihn „den immer Glücklichen“. Vor Wittenberg kam es zur Entzweiung zwischen B. und dem scheuen, lauen Bernadotte; jedoch wurde das Verhältniß äußerlich gekittet und man zog gemeinsam zur Leipziger Schlacht. B. führte am 18. October sein Corps von Taucha gegen Paunsdorf heran. Mit den Russen der Nordarmee, den Schweden und Langeron schloß er den großen Kreis um Napoleon’s Heer und drängte es in glorreichem Kampfe, indem er Reudnitz nahm, hart an die Stadt Leipzig. Endlich rückte er [523] mit dem Kronprinzen durch das Grimma’sche Thor ein. König Friedrich Wilhelm dankte ihm mit Thränen in den Augen und zeichnete ihn durch Verleihung der 2. Classe des Rothen Adler-Ordens aus, Kaiser Alexander durch dieselbe Classe des St. Georgen-Ordens. – Nun erhielt B. den ehrenvollen Auftrag, mit seinem Armee-Corps Westfalen und die Niederlande von den Franzosen zu befreien; und obwol dies Corps, nachdem die Brigade Borstell zur Belagerung von Wesel abgezweigt wurde, nur 19000 Mann zählte und ihm in den Niederlanden mindestens 40000 Mann gegenüberstanden, so erfüllte B. seine Aufgabe doch in bewunderungswürdiger Weise. In rascher Folge nahm er Doesburg, Arnheim, die Stellung bei Bommelwaardt, Gorkum und Herzogenbusch, drang zu Anfang des Jahres 1814 nach Belgien vor, schlug bei Hoogstraaten den Feind und erhielt nun mit dem Rothen Adler-Orden 1. Classe den Befehl, im Verein mit Wintzingerode die in der Champagne operirende Armee Blücher’s zu verstärken. Auf dem Heranmarsch nahm B. Lafère und Soissons; am 9. und 10. März commandirte er in der Schlacht von Laon das Centrum. Am 31. März zog er, mit dem Schwarzen Adler-Orden geschmückt, in seines Königs Begleitung in Paris ein. Am 4. April wurde er zum General der Infanterie ernannt; am 22. Mai erhielt er das Kreuz des Marien-Theresien-Ordens, im Juni vom Könige der Niederlande einen goldenen Ehrendegen. Sein Hauptquartier war bis zum 1. Juli Gent. Er selbst ging nach London, wo er eine vom 3. Juli datirte Cabinetsordre empfing, durch welche er unter dem Namen Bülow v. Dennewitz in den Grafenstand erhoben und ihm die Aussicht auf eine Dotation eröffnet wurde. Kurz nachher erhielt er die Ernennung zum Oberbefehlshaber der Truppen in Ost- und Westpreußen. Am 7. August zog B. mit in Berlin ein, dessen Universität ihn zum Doctor der Philosophie honoris causa promovirte. Wegen der Ertheilung des Titels „v. Dennewitz“ kam es mit dem Grafen Tauentzien zu einem schweren Zusammenstoß, der unmittelbar zum Zweikampf zu führen schien, doch im letzten Augenblick noch beigelegt wurde. Ende August begab sich B. nach Königsberg, wo er jubelnd empfangen wurde und sich behaglich einrichtete. Er erhielt jetzt seine Dotation: die ostpreußischen Rittergüter Grünhof, Rudnicken, Neuhausen und drei kleinere Güter, im Werth von etwa 200000 Thaler. Ein Blinden-Institut in Königsberg, dessen Schöpfung B. damals möglich machte, führt noch heute seinen Namen. – Nicht lange währte die Ruhe. Anfangs Mai 1815 brach B. zum Heer in den Niederlanden auf. Er führte das IV. Armee-Corps (4 Brigaden, etwa 30000 Mann); Chef seines Stabes war der Generalmajor v. Valentini (s. d.). An der Schlacht bei Ligny nahm B. nicht Theil, ein Umstand, der oft zu seinen Ungunsten geltend gemacht worden ist, der jedoch für die Schlacht von Belle-Alliance von glücklichsten Folgen war. Intact und stark erschien B. an dem großen Tage in der rechten Flanke der Franzosen, die er durch das Défilé von St. Lambert umgangen, und krönte sein kriegerisches Leben durch den Kampf von Planchenoit. Am 9. Juli zog er abermals in Paris ein; ein Cabinetsschreiben vom 11. Juli ernannte ihn zum Chef des 15. Infanterie-Regiments, das sich bei Planchenoit besonders ausgezeichnet. Der König der Niederlande sandte das Großkreuz des Wilhelmsordens. Am 11. Januar 1816 traf B. wieder in Königsberg ein, aber leidend, und am 25. Februar schon starb er plötzlich an den Folgen einer Erkältung. Das Officiercorps der ganzen Armee legte eine dreitägige Trauer an. – B. war von mittlerer Größe, von feinem, festem Körperbau, voll herrlichen Mannesmuthes, freundlich und heiter, doch auch der heftigsten Leidenschaft fähig. Seine größte Freude war die Musik. Unter seinen Compositionen ragen eine Messe, eine Motette, der 51. und der 100. Psalm hervor. Aus seiner ersten Ehe überlebte ihn eine Tochter; aus der zweiten Ehe Graf Friedrich Albert, Majoratsherr auf [524] Grünhof, und zwei Töchter. – Im Jahre 1822 wurde neben der neuen Wache in Berlin eine von Rauch’s Meisterhand geschaffene Marmor-Bildsäule Bülow’s aufgestellt.
Bülow: Friedrich Wilhelm Freiherr v. B., Graf v. Dennewitz, wurde am 16. Februar 1755 zu Falkenberg in der Altmark geboren. Er war der dritte der fünf Söhne- General Graf Bülow v. Dennewitz in den Feldzügen 1813 und 1814 (Leipzig 1843); Varnhagen v. Ense, Leben des Generals Grafen Bülow v. Dennewitz (Berlin 1854).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Emanuel Swedenborg, siehe Wikipedia-Artikel.