Zum Inhalt springen

ADB:Berlage, Anton

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Berlage, Anton“ von Friedrich Lauchert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 386–388, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Berlage,_Anton&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 18:46 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Bergsträßer, Arnold
Band 46 (1902), S. 386–388 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Dezember 2015, suchen)
Anton Berlage in Wikidata
GND-Nummer 118509632
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|46|386|388|Berlage, Anton|Friedrich Lauchert|ADB:Berlage, Anton}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118509632}}    

Berlage: Anton B., katholischer Theologe, geboren am 21. December 1805 zu Münster, † daselbst am 6. December 1881. Er absolvirte das Gymnasium in seiner Vaterstadt und begann daselbst im Herbst 1824 die philosophischen und theologischen Studien, die er seit 1826 in Bonn fortsetzte. War er schon in Münster, wo die Philosophie und die Dogmatik damals in den Händen der Hermesianer Esser und Neuhaus war, für das hermesianische System gewonnen worden, so war dies in Bonn unter dem persönlichen Einflusse von Hermes in noch erhöhtem Maße der Fall. Er besaß aber einen zu selbstständigen Geist und zu viel speculative Begabung, als daß er ein blinder Anhänger dieses damals am Rhein herrschenden Systems hätte bleiben können. B. gesteht es später, wenn er in der Vorrede des ersten Bandes seiner Dogmatik (1839) von seiner geistigen Entwicklung spricht, unumwunden zu, daß er mehrere Jahre hindurch „einer der eifrigsten Zuhörer von Hermes“ gewesen sei, daß er ihm auch „in mancherlei Hinsicht verpflichtet“ sei und gegen seine Person eine dankbare Verehrung „stets gehegt habe und hegen werde“ (S. VIII). Aber diese Verehrung, fährt er fort, „hat mich niemals bestimmen können, an seine Unfehlbarkeit zu glauben und das eigene Denken aufgebend, ihm bloß logisch nachzudenken, gleich als habe er schon das Höchste in der Wissenschaft erreicht, und als könne die Aufgabe eines jeden Andern bloß darin bestehen, seine Gedanken wiederzugeben, zum Höchsten sie zu verdeutlichen. Schon das Studium der ungleich geistreicheren und tiefsinnigeren Philosophie von Günther, welches ich damals in Bonn schon begann, mußte mich vor einer solchen Ueberschätzung schützen, und nicht weniger trug dann auch mein Aufenthalt in Tübingen dazu bei, mir jene geistige Unbefangenheit zu bewahren, welche, um in wissenschaftlicher Hinsicht auch nur das Geringste zu leisten, absolut nothwendig ist.“

In der That wurde das Jahr, das er zum Abschlusse seiner Studien in Tübingen zubrachte, 1829–30, entscheidend für seine künftige wissenschaftliche Richtung. Er selbst nennt dieses Jahr, in welchem er besonders durch Drey und Möhler erst in die positive kirchliche Dogmatik eingeführt wurde, „eines der glücklichsten Jahre“ seines Lebens und „wohl das fruchtbarste Jahr“ für seine wissenschaftliche Ausbildung. „Ich kam hier“, bemerkt er weiter (a. a. O., S. IX), „mit Männern in einen lebendigen Verkehr, die, gleich ausgezeichnet durch Charakter wie durch Wissenschaft, die verschiedenartigsten Richtungen in der Theologie repräsentirten, dabei aber durch die Gemeinsamkeit des Zweckes, sowie durch gegenseitige Achtung aufs innigste mit einander verbunden waren, und ich erhielt eine wissenschaftliche Anregung, wie ich sie bis dahin gar nicht erfahren hatte. Hätte ich jemals an die Unfehlbarkeit von Hermes glauben können, gewiß, dieser Glaube hätte hier erschüttert werden müssen. Ich lernte hier nicht nur Ansichten kennen, welche von den bisher gehegten vielfach abwichen und zu einer Prüfung derselben dringend aufforderten, sondern ich wurde auch durch den lebendigen [387] persönlichen Verkehr zu einem selbständigeren, wissenschaftlichen Streben allseitig ermuntert und angeregt.“ – Im Herbst 1830 begab er sich nach München, um sich auf die Promotion vorzubereiten, und erhielt hier im J. 1831 die theologische Doctorwürde. Darauf wurde er alsbald, noch als Diakon, im Herbst 1831 als Privatdocent an der theologischen Facultät zu Münster zugelassen, wo er als solcher über Apologetik, Dogmengeschichte und Symbolik las. Die Priesterweihe empfing er am 17. März 1832. Im J. 1835 wurde er außerordentlicher Professor, 1836 ordentlicher Professor der Moral, setzte aber daneben auch den Vortrag der dogmatischen Fächer fort, bis er sich seit 1843, als ihm die Moral abgenommen wurde, den letzteren seiner Neigung entsprechend wieder ausschließlich widmen konnte. Seit 1849 war er Senior der theologischen Facultät und in Wirklichkeit das geistige Haupt derselben. Dreimal war er Rector der Akademie, in den Jahren 1849/50, 1855/56 und 1865/66. Von dem Eindruck seiner Persönlichkeit als Lehrer gibt Hülskamp (am unten angeführten Orte) eine anziehende Schilderung. im J. 1862 wurde B. vom Papste zum Hausprälaten ernannt.

B. nimmt unter den katholischen Dogmatikern des 19. Jahrhunderts eine hervorragende Stelle ein. Sein Hauptwerk, die „Katholische Dogmatik“ erschien in sieben Bänden zu Münster 1839–1864. (Bd. I auch als „Einleitung in die christkatholische Dogmatik“, 1839; Bd. II–VII: „System der katholischen Dogmatik“, 1846, 1848, 1853, 1856, 1858, 1864). Es vertritt im Ganzen den Standpunkt der katholischen Tübinger Schule und ist das einzige umfangreichere, aus dieser Schule hervorgegangene Werk, neben den unvollendet gebliebenen Werken von Kuhn und Staudenmaier, das ganz zu Ende geführt worden ist. Berlage’s Hauptstärke liegt nach der Seite der speculativen Begründung der Dogmen; dabei wird sein Werk als „Muster klarer Exposition und eleganter Diction“ gerühmt, zugleich „als bestes Prototyp dessen, was und wie man um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland auf gut kirchlicher Seite dogmatisch lehrte“ (Hülskamp). In der „Einleitung“ (Bd. I) sah er es als seine Aufgabe an, sich mit dem hermesianischen System eingehend auseinanderzusetzen, nachdem er dasselbe seit dem Beginn seiner akademischen Lehrthätigkeit wiederholt geprüft hatte und „zu der festen Ueberzeugung gelangt“ war, „daß es in seiner ganzen Richtung, sowie auch in Hinsicht vieler einzelnen Lehren die Censur verdiene, die ihm vom Oberhaupt der Kirche ist zu theil geworden“ (Vorrede S. X). In anderer Beziehung genügte ihm aber die Einleitung nicht mehr, als er nach 25 Jahren das ganze Werk zum Abschluß gebracht hatte. „Manche Ansichten“, spricht er sich darüber in der Vorrede des VII. Bandes aus (S. V f.), „welche ich in der Einleitung z. B. über den Ursprung der Gottesidee, über die Bedeutung der Gottesbeweise u. s. w. ausgesprochen habe und die einigermaßen mit den Ansichten Kuhn’s eine Aehnlichkeit und in demselben Bildungsgange ihren Quell und Ursprung haben, habe ich theils bedeutend modificirt, theils als unbegründet gänzlich aufgegeben, und die Einleitung, aber auch nur diese, wird daher in mehreren Punkten eine gänzliche Umarbeitung erhalten.“ Er dachte nämlich daran, eine neue Auflage vorzubereiten und stellte in derselben Vorrede in Aussicht, der Druck der neubearbeiteten Einleitung, in welcher er sich besonders über das Verhältniß von Glauben und Wissen, Philosophie und Theologie eingehend aussprechen werde, solle noch im Laufe des Jahres (1864) erscheinen. Zur Ausführung kam es indessen weder damals, noch später. – Vor der Dogmatik war das derselben zur Grundlegung dienende Buch erschienen: „Apologetik der Kirche oder Begründung der Wahrheit und Göttlichkeit des Christenthums in seiner Fortpflanzung und Entwicklung“ (Münster 1834); dasselbe ist Drey gewidmet. Außerdem umfaßt Berlage’s schriftstellerische [388] Thätigkeit die Abhandlungen: „De Deo incorporeo“ (Habilitationsprogramm, Monasterii 1836), „De peccati notione et natura“ (Monasterii 1837), das Programm zum Index Lectionum für das Wintersemester 1838/39: „De partibus theologiae dogmaticae professoris, ut eas nostra potissimum expostulant tempora“ (Monasterii 1838), den Artikel „Firmung“ in der 1. Auflage des Kirchenlexikons von Wetzer und Welte, Bd. IV (1850), S. 74–80, und Artikel über specielle Punkte der Dogmatik und Apologetik in verschiedenen Zeitschriften, Sengler’s „Kirchenzeitung für das katholische Deutschland“, dem Münsterischen „Katholischen Magazin für Wissenschaft und Leben“ (1845–48), der Münsterischen „Katholischen Zeitschrift“ (1851–52); auch Histor.-polit. Blätter Bd. 67 (1871), S. 637 ff.

Hülskamp im Literarischen Handweiser 1881, Nr. 302, Sp. 753–758. – Literarische Rundschau 1882, Nr. 1, Sp. 26. – (H. J. Kappen,) Erinnerungen aus alter und neuer Zeit von einem alten Münsteraner (Münster 1882), S. 108–110, 219. – E. Raßmann, Nachrichten von dem Leben und den Schriften Münsterländischer Schriftsteller (Münster 1866), S. 21; Neue Folge (1881), S. 16.