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ADB:Bodelschwingh, Ernst von

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Artikel „Bodelschwingh, Ernst von“ von v. Bodelschwingh. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 3–5, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bodelschwingh,_Ernst_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 01:59 Uhr UTC)
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Bodelschwingh: Ernst v. B., königl. preußischer Staatsminister, geb. aus einer alten Familie des evangelischen Adels in Westfalen 26. Nov. 1794 zu Haus Velmede im Kreise Hamm, † 18. Mai 1854 zu Medebach. – B. erhielt seine Schulbildung auf dem Gymnasium zu Hamm, bezog 16 Jahre alt die unter G. L. Hartig’s Leitung stehende Forstakademie zu Dillenburg; studirte in Berlin, später in Göttingen, Rechts- und Cameralwissenschaften, trat 1813 unter dem Namen v. Boden als Freiwilliger ein und focht, dem Leibregiment zugetheilt, in der Schlacht bei Lützen, dann in allen Gefechten und Schlachten des York’schen Corps, bis er am 21. Oct. vor Freiburg a/U. schwer verwundet wurde. Er erhielt für die Schlacht bei Lützen und für die Schlacht bei Möckern [4] die eisernen Kreuze II. und I. Classe und wurde noch während des Waffenstillstandes Officier. Kaum von der schweren Verwundung genesen, eilte er 1815 dem nach Frankreich vordringenden Heere nach, erreichte seine Truppe indessen erst in Paris. Zur Landwehr übergetreten, wurde er 1842 zum Oberst befördert. – Nach Vollendung der akademischen Studien und Absolvirung der verschiedenen Staatsexamina arbeitet B. als Referendar und Assessor bei den Regierungen zu Münster, Arnsberg und Cleve, auch kurze Zeit im Finanzministerium, wird 1822 zum Landrath des Kreises Tecklenburg, 1831 zum Oberregierungsrath in Köln und noch in demselben Jahre zum Präsidenten der Regierung in Trier, 1834 zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz, nach Beförderung zum Wirklichen Geheimen Rath im J. 1842 zum Finanzminister ernannt. Uebernimmt 1844, an Stelle des ausgeschiedenen Grafen Alvensleben, den Posten eines Cabinetsministers und 1845, nachdem auch der Graf Arnim ausgeschieden, zuerst provisorisch, dann definitiv gleichzeitig das Ministerium des Innern. Beide Aemter versieht er nun, bis er am 19. März 1848 seine schon acht Tage früher verlangte Entlassung aus dem Staatsdienst erhält. – B. lebte nun ohne amtliche Stellung auf dem väterlichen Gut Velmede, bis er 1849 zum Abgeordneten gewählt und bald darauf vorübergehend zum Vorsitzenden des deutschen Verwaltungsrathes ernannt wurde; – auch dem Erfurter Parlament gehörte er an. – Seine parlamentarische Thätigkeit fand ihr Ende durch die 1852 erfolgte Ernennung zum Präsidenten der Regierung zu Arnsberg. – In dieser Stellung starb er nach kurzen Leiden an einer Lungenentzündung, welcher Krankheit er in Folge seiner schweren Verwundung häufig ausgesetzt gewesen. Es überlebten ihn seine Frau, Charlotte geb. von Diest, und fünf Kinder, während drei Kinder ihm im Tode bereits vorangegangen waren. – Bodelschwingh’s Bedeutung als Staatsmann gründet sich weniger auf wichtige durch ihn angebahnte Reformen in der Verwaltung, als auf ausgezeichnete Leistungen in dieser. Seine vorzügliche Befähigung erhellt schon aus seiner raschen Beförderung, nachdem er in 9jähriger Wirksamkeit als Landrath seine praktische Tüchtigkeit erprobt hatte. Bereits in dieser Stellung machte Stein auf ihn als die geeignete Persönlichkeit für die Präsidentenstelle in Arnsberg aufmerksam. Daß ein Beamter, nachdem er alle vorgeschriebenen Examina absolvirt, ohne eine Zwischenstufe zu überspringen, vor vollendetem 40. Jahre zum Oberpräsidenten der wichtigsten Provinz ernannt wird, steht in der preußischen Geschichte einzig da. Klaren Geistes, mit ungewöhnlicher Arbeitskraft und reichen Kenntnissen ausgerüstet, zeichnete er sich namentlich durch eine ungemeine Sicherheit des Wissens aus, welches durch seine nie ruhende Theilnahme an allen Erscheinungen auf naturhistorischem, technischem, landwirthschaftlichem Gebiet unterstützt wurde. In den mathematischen und physikalischen Theorien war er so zu Hause, daß er manchem Fachmann Verlegenheiten bereitet hat. Unerreicht möchte er in seiner Kenntniß der Verwaltungsbestimmungen geblieben sein. Was er nach Beendigung der Studienzeit noch lernte, lernte er durchs praktische Leben. Darum blieb er auch, obwol den größten Theil seiner Zeit an den Arbeitstisch gefesselt, frei von allem bureaukratischen Wesen. Mit klarem Blick erkannte er, was Noth that, und half schnell und durchgreifend. – Was er als Landrath, was er als Regierungspräsident namentlich für Schulen und Verkehrswege gethan, ist noch heute nicht vergessen. Vornehmlich seiner Wirksamkeit als Oberpräsident der Rheinprovinz ist es zu danken, daß im Rheinlande das Vertrauen zu dem preußischen Regimente Boden faßte. – Seinem Könige in Begeisterung ergeben, stand er doch keinen Augenblick an, auf Gefahr der Ungnade hin mit Freimuth zu reden, wo das Wohl des Landes dies zu erfordern schien. So hat er, kaum zum Oberpräsidenten ernannt, in einem äußerst energischen Immediatbericht die Abberufung [5] des in hohen Gnaden stehenden Kamptz von seinem Posten als Minister der rheinischen Justizpflege verlangt und durchgesetzt. – Auch bei den schwierigen, kirchlichen Wirren zeigte er sich unbefangen und furchtlos. – Als Minister führte B. den Vorsitz im Staatsministerium nicht, galt aber für die bedeutendste Persönlichkeit in demselben. Den Höhepunkt seiner amtlichen Thätigkeit erreichte er als königlicher Commissar für den im Jahr 1847 vereinigten Landtag der Monarchie, bei welcher Veranlassung er einer heftigen, zum Theil mit gehässigen und persönlichen Angriffen auftretenden Opposition gegenüber mit ungemeiner Sachkenntniß, Ruhe und Schlagfertigkeit den Standpunkt des Königs vertrat und eine hervorragende Rednergabe zeigte. – Charakteristisch für seine damalige amtliche Stellung sind die Worte, mit welchem er 1849 eine Aufforderung Friedrich Wilhelms, wieder in das Cabinet zu treten, zurückwies: „Ich bin zu lange E. Majestät erster Schreiber gewesen, um jetzt Ihr verantwortlicher Minister werden zu können“.

Aus Bodelschwingh’s parlamentarischer Wirksamkeit ist hervorzuheben, daß er als der Erste den Muth hatte, in einer der letzten Kammersitzungen der Frühjahrsdiät 1849 der durch Kinkel’s phantastische Declamationen aufs äußerste erregten Linken von der Tribüne herab ins Gesicht zu sagen, daß der Kampf vom 18. März Berlin und das Land entehrt habe. – Später stand er an der Spitze der einflußreichen Centrumspartei, welche die Politik des Ministeriums Manteuffel zwar keineswegs billigte, demselben aber die Mittel zur Führung der Verwaltung nicht versagte, um nicht abermals ein Ministerium der Linken heraufzubeschwören. Die Stellung als Regierungspräsident in Arnsberg übernahm B. nicht auf seinen Wunsch; er hielt es aber für Pflicht, dem Staate seine Dienste so lange zu leisten, als die Kräfte ausreichten; die bis dahin bezogene Pension drückte ihn. – B. war von großer, kräftiger Gestalt, der Ausdruck seines Gesichts sprach von hoher Intelligenz, Wohlwollen, Herzensgüte; auf wem die großen freundlichen Augen einmal geruht, dessen Vertrauen hatte er gewonnen; wer in nähere Berührung mit ihm kam, der vergaß ihn nie wieder. Der General v. Gerlach, keineswegs sein Gesinnungsgenosse, sagte von ihm: „So ungefähr muß Adam ausgesehen haben.“ Eine gleiche Anhänglichkeit und gleiche Verehrung hat wol nie ein anderer Beamter Seitens seiner Untergebenen genossen. – Von strengen Sitten, aufrichtiger Frömmigkeit, von äußerster Einfachheit, ein Feind aller Verschwendung und allen Prunkes war er doch eine wahrhaft vornehme Erscheinung. – Freigebig, wohlthätig oft über seine Mittel hinaus, verschmähte er es, irgend einen persönlichen Vortheil aus seiner amtlichen Stellung zu ziehen; er war für das Amt, nicht das Amt für ihn da. – Geselliger Heiterkeit war er nicht abhold; ein Freund der Natur, ein eifriger Jäger und tüchtiger Reiter hatte er sich in vorgeschrittenem Alter noch die Rüstigkeit des Jünglings bewahrt. – Seinem väterlichen Freunde Vincke gegenüber erfüllte er eine Pflicht der Dankbarkeit, indem er dessen Leben schrieb; nur der erste Band ist im Druck erschienen, vor Vollendung des zweiten Bandes überraschte der Tod den Verfasser.

Karl v. B., der einzige Bruder des vorigen, ward geboren 1800 und starb 1873. Er war Landrath des Kreises Hamm von 1837–1845, dann Oberregierungsrath zu Minden, Regierungsvicepräsident zu Münster und Regierungspräsident in Arnsberg; von 1851–1858 und 1862–1866 preußischer Finanzminister. Sehr tüchtiger, energischer Verwaltungsbeamter, langjähriges Mitglied des Abgeordnetenhauses und Commendator des Johanniterordens für die Provinz Westfalen. – Er gehörte der streng conservativen Partei an.

v. Bodelschwingh.