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ADB:Campell, Ulrich

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Artikel „Campell, Ulrich“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 737–738, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Campell,_Ulrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:50 Uhr UTC)
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Campell: Ulrich C., Pfarrer und Historiker in Graubündten, † 1582. Durisch oder (wie er selbst diesen romanischen Taufnamen übersetzte und sich nannte) Ulrich C. erblickte das Licht der Welt im Anfange des 16. Jahrhunderts zu Süs im Unter-Engadin. Einer Familie angehörend, deren ursprünglicher Stammsitz der Thurm Campell oder Campi gewesen sein soll (die zerfallenden Ueberreste desselben stehen im Domleschg am Eingang des Schynpasses an der Albula), die aber schon längst im Unter-Engadin ihre Heimath hatte, wurde C. in früher Jugend mit den reformatorischen Lehren bekannt, als Philipp Gallizius (s. d.) 1529 in Lavin predigte und Schule hielt, Campell’s Vater, Caspar, im nahen Süs für dieselben gewann und den Sohn, Ulrich, unterrichtete. Unter dem Einflusse des Vaters sowie des Lehrers und Freundes erwählte C. den Beruf des Geistlichen, setzte seine Studien theils zu Hause, theils auswärts, obwol schon vermählt, bei Gallizius in Malans (1536) und im Auslande fort und kehrte im Sommer 1537 nach Hause zurück, veranlaßt durch schwere Krankheit und die mittlerweile dort eingetretenen Ereignisse. Seine bei seinen Eltern zurückgebliebene Gattin hatte ihm am 10. Mai 1537 ein Töchterlein geboren, das, weil das Kind schwächlich schien, der Großvater, Caspar C., obwol Laie, sofort selbst getauft hatte. Durch dieses ungewöhnliche Vornehmen aber war im ganzen, durch die Glaubensstreitigkeiten ohnehin bewegten Lande eine solche Aufregung entstanden, daß eine Anklage Caspar Campell’s vor dem Landgerichte und vor dem bündnerischen Bundestag und die Veranstaltung des ersten großen Glaubensgespräches im Engadin erfolgte. Zu Süs am 29. Dec. 1537 eröffnet und Seitens der Reformirten hauptsächlich von Gallizius, der aus Malans herbeikam, geführt, trug diese mehrtägige feierliche Disputation zur Förderung der neuen Lehre im Engadin sehr wesentlich bei. Gallizius hatte dabei seinen ehemaligen Schüler, Ulrich C., dessen Genesung kaum eben begann, zum eifrigsten Zuhörer und Freund. Nach wiedererlangter Gesundheit und vollendeter Vorbereitung trat dann C. selbst ins geistliche Amt und wirkte als Pfarrer erst mehrere Jahre lang in Klosters im Prättigau, von 1550–1570 in seiner Heimathgemeinde Süs und Umgegend, 1570–1572 in Chur, von 1572 an wieder im Unter-Engadin in Schleins, wo er 1582 hochbetagt starb. Für die Befestigung und Ausbreitung der reformirten Kirche mit unermüdlichem Eifer, mit Festigkeit, Milde und Umsicht thätig und an allen wichtigen Angelegenheiten derselben, zumal während seines Wirkens in Chur, in hervorragender Weise betheiligt, gehört C. zu ihren würdigsten Häuptern und Vertretern jener Zeit. Für die religiöse und geistige Bildung seiner Landesgenossen war er durch mehrere [738] in romanischer Sprache verfaßte Schriften, einen Katechismus, eine Uebersetzung der Psalmen, Hymnen und Schauspiele biblischen Inhaltes zu wirken bemüht. Ein ganz ausgezeichnetes Verdienst um sein Vaterland aber erwarb er sich durch sein Hauptwerk: eine nach dem Muster von Stumpf’s Beschreibung der Eidgenossenschaft angelegte umfassende topographische Beschreibung und Geschichte von Hohenrätien. C. begann dieses große, in Latein geschriebene, auf Stumpf’s und Tschudi’s Vorgang, auf vieljähriger Sammelarbeit und wissenschaftlichem Verkehr mit Gallizius, mit Bullinger und Josias Simmler in Zürich u. A. beruhende Werk im J. 1570, legte 1577 den ersten Theil desselben dem bündnerischen Bundestage vor und scheint sich bis in seine letzten Lebensjahre mit der Vervollständigung seines, drei Folianten füllenden Manuscriptes beschäftigt zu haben. Leider blieb dasselbe ungedruckt und Campell’s große Arbeit ist sogar nur noch in einer einzigen vollständigen Abschrift erhalten, obwol – wie schon der Kirchenhistoriker a Porta (1771/76) bemerkte – alle späteren bündnerischen Geschichtschreiber aus C. schöpften und diesem daher mit vollem Rechte der Name des „Vaters der bündnerischen Geschichte“ gebührt, den ihm Haller beilegt. Von Campell’s Wissen, Fleiß und Charakter bildet dieses große Werk das rühmlichste Denkmal.

Th. v. Mohr, Archiv für die Geschichte der Republik Graubünden. Bd. 1 und 2. Chur, Hitz 1853 (Ulrich Campell’s zwei Bücher rätischer Geschichte; im Auszuge deutsch bearbeitet und mit Anmerkungen versehen von Conradin v. Mohr). – Bündnerisches Monatblatt, Jahrgang 1859. Nr. 1–3. Chur, Pradella (Durisch Campell, eine biographische Skizze von Pfarrer J. Chr. Kind).