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ADB:Simmler, Josias

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Artikel „Simmler, Josias“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 355–358, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Simmler,_Josias&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 08:04 Uhr UTC)
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Simmler: Josias S., Theologe und Historiker in Zürich, geboren am 6. November 1530, † am 2. Juli 1576. – Aus einer Familie in Rheinau unweit Schaffhausen, ursprünglich Kleinbäcker (Simmeler) des dortigen Benedictinerklosters, stammte Peter S., geboren 1486, Prior im Cistercienserkloster Cappel, Kanton Zürich. Mit seinem Abte Wolfgang Joner und dem ganzen Convente durch Bullinger (s. A. D. B. III, 516) für die Reformation gewonnen, trat er ihr mit denselben 1526 bei, übernahm nach der Umwandlung des Klosters durch [356] die zürcherische Obrigkeit 1529 das Pfarramt in Cappel, die Verwaltung der Stiftsgefälle und der im Kloster nun eingerichteten Lateinschule für Knaben, vermählte sich und erhielt 1533 das Bürgerrecht in Zürich als Anerkennung seiner Verdienste um die Stadt und seine Gemeinde in schwieriger Zeit. Bis zu seinem 1557 erfolgten Tode blieb er in seinem Pfarramt. Mit Bullinger innig befreundet, obwohl zwanzig Jahre älter, als derselbe, – 1526 schrieben sie gemeinsam Annales coenobii Cappelani – wählte Peter S. 1530 den Freund zum Taufpathen seines Erstgeborenen, Josias. Bis ins 14. Jahr fand dieser Erziehung und Unterricht in der Stiftsschule Cappel; ein glückliches Gedächtniß, Fleiß und Beharrlichkeit, eine stille und sanfte Gemüthsart waren demselben eigen; Josias wurde zum Geistlichen bestimmt. Im März 1544 nahm Bullinger seinen jungen Taufpathen in sein Haus in Zürich auf. Hier und an den Hochschulen von Basel und Straßburg setzte S. seine Studien fort und schloß sie nach der Heimkehr (20. Februar 1549) in Zürich ab, während er zugleich schon in benachbarten Landgemeinden predigte und an den städtischen Schulen als Lehrer auftrat. Mit Vorliebe hatte er neben theologischen und philologischen Studien auch Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer betrieben; dem kränklichen Konrad Gesner (s. A. D. B. IX, 106) diente er öfter, zu dessen großer Befriedigung, als Stellvertreter im Schulamte. 1552 wurde S. zu einer Professur für neutestamentliche Exegese am Carolinum in Zürich berufen, mit welcher er bis 1557 das Pfarramt in Zollikon, dann das Diaconat an der städtischen Kirche St. Peter verband. 1560 aber ernannte ihn der Rath zum Nachfolger des abtretenden Bibliander (s. A. D. B. II, 612) und nun theilte S., sein kirchliches Amt niederlegend, sich mit Peter Martyr Vermiglio, der seit 1556 in Zürich lehrte, in die theologischen Collegien am Carolinum. Mit großem Beifall seiner Zuhörer stand er zur Seite des berühmten Mannes. Die gelehrten Engländer, welche durch die Verfolgung der Protestanten unter der blutigen Königin Maria aus ihrer Heimath vertrieben 1556–1558 in Zürich eine Zuflucht fanden, durch Bullinger und Martyr dahingezogen, hatten schon Simmler’s erste Vorlesungen mit ihrem Lobe begleitet und Juellus, Parkhurst u. A. sich mit S. befreundet. Nach Martyr’s Tode (12. November 1562) wurde S., dem Wunsche des Verstorbenen gemäß, zu dessen Nachfolger ernannt und blieb nun bis zu seinem Lebensende in diesem Amte, der Professur des Neuen Testaments. Aeußerlich war seine Laufbahn, von der er schon im 46. Altersjahre abberufen wurde, sehr einfach und bescheiden, aber von vielen Prüfungen schwerer Art begleitet. Denn von 1559 an sah er sich durch stete Kränklichkeit, oft durch die heftigsten Gichtleiden, heimgesucht und der Verlust Martyr’s, Gesner’s, Bullinger’s, mit dessen dritter Tochter Elisabeth S. sich 1551 vermählt hatte, sowie der Tod der letztern, welche die Pest ihm 1565 entriß, lasteten schwer auf dem stillen Gelehrten. Um so bewundernswerther erscheint der unermüdliche treue Fleiß desselben, der in zahlreichen schriftstellerischen Arbeiten Simmler’s Amtsthätigkeit bis in seine letzten Lebenstage zur Seite ging. Die ersten derselben gehören dem frühen Studienkreise Simmler’s an: 1550 die lateinische Uebersetzung einer Schrift des deutschen Architekten Joh. Blum über die fünf Säulenordnungen; 1555, eingeführt durch Gesner, eine „Epitome bibliothecae Conradi Gesneri“, neue Bearbeitung des „Compendium“ von Lycosthenes (s. A. D. B. XIX, 727); 1559 „De principiis astronomiae libri duo“, nach Schulvorträgen Simmler’s von 1558, freilich noch ohne Spur der Entdeckung von Copernicus (s. A. D. B. IV, 468) von 1543, dessen Lehren man in Zürich kaum schon geduldet hätte.

Von 1556 an bis zu seinem Lebensende widmete S. seine Feder aber auch dem ihm zunächst liegenden theologischen und kirchlichen Gebiete, theils in zahlreichen [357] Uebertragungen deutscher, namentlich Bullinger’scher Schriften in das ihm besonders vertraute und überall verständliche Latein, theils in selbständigen Arbeiten. 1556 übersetzte er ins Lateinische Bullinger’s „Summa christlicher Religion“ und eine kürzere Arbeit ähnlicher Art seines Landsmanns O. Werdmüller; 1560 Bullinger’s Schutzschrift für die Protestanten in Baiern und dessen „Vier Bücher gegen die Wiedertäufer“; 1566 die von Bullinger ausgegangene zweite helvetische Confession, mit eigener Vorrede; 1572 Bullinger’s Ermahnung zu christlicher Einigkeit an alle Diener der Kirche und dessen unter dem Eindruck der Bartholomäusnacht entstandenes Buch: „Von den Verfolgungen der christlichen Kirche“; 1575 Bullinger’s Schutzschrift für die zürcherische Kirche gegenüber den Angriffen des Musculus (s. A. D. B. XXIII, 93). Neben einher gingen Simmler’s selbständige apologetische Schriften für eben dieselbe gegen mannigfache Irrlehren, Secten und Angreifer: 1563 eine Schrift gegen den Mantuaner Stancari; 1568 ein Werk über die Trinitätslehre; 1571 eine Sammlung alter kirchlicher Schriften mit Abhandlung über die Lehre von der Person Christi; 1574 Abwehr der Angriffe des Musculus; 1575 Widerlegung des Simon Budneus, eines Anhängers Servet’s in Litthauen. Diese Arbeiten machten Simmler’s Namen in der ganzen protestantischen Welt bekannt und erwarben ihm in derselben überall Beifall und Freunde. Als Pierre Pithou im Sommer 1570 nach Zürich kam, schloß auch er, wie einst Juellus und Parkhurst, sich innig an S. an. Am schönsten zeigte sich aber Simmler’s ganzes Wesen in den biographischen Denkmälern, die er während dieser Zeiten seinen Lehrern und Freunden widmete. Martyr, Gesner, Bullinger schilderte er in solchen nach ihrem Hinschiede. Seiner „Oratio de vita P. Martyris“ (1563) ließ er 1564 verschiedene Schriften desselben folgen, während ihn bis 1569 Vorarbeiten für eine Gesammtausgabe aller Werke Martyr’s beschäftigten, deren Zustandekommen freilich seine eigene Kränklichkeit, der Tod Froschauer’s, der Verleger sein sollte, und andere Hemmnisse verhinderten. Simmler’s vita Gessneri, 1563, folgte 1574 als ein anderes Monument auf den Verstorbenen eine neue Bearbeitung von dessen Bibliotheca, die gegenüber der ersten Ausgabe Gesner’s von 1545 eine doppelte Zahl von Autoren und Werken aufzählt. Der „Narratio de ortu, vita et obitu Bullingeri“ 1575 gab S. zugleich einen Abriß der Geschichte der zürcherischen Reformation bei. Den größten und bleibendsten Erfolg aber fand S. in Arbeiten, deren Gegenstand schweizerische Landeskunde und Geschichte waren. Seit seinem Eintritte ins Amt hatte er nur selten die Vaterstadt verlassen, nur einmal – soviel bekannt – die Grenzen der Schweiz überschritten; 1553 als Begleiter Vergerio’s bei dessen Reise nach Württemberg, wo er in Stuttgart Herzog Christoph und Brenz (s. A. D. B. III, 314) sah, den er richtig beurtheilte. Indessen behielt er stets, schon durch seine zahlreichen persönlichen Beziehungen, Interesse für Vieles was ihm räumlich ferne lag. Er veröffentlichte 1574 eine historisch-topographische Beschreibung des Wallis (Descriptio Vallesiae), welche großen Beifall fand, 1575 eine Ausgabe der Cosmographie des Aethicus und des Itinerarium Antonini nach zürcherischen und nach Handschriften die ihm Pithoeus zusandte, widmete sich aber namentlich seit 1561 mit großem Fleiße schweizergeschichtlichen Studien. Er arbeitete Stumpf’s 1546 erschienene große Schweizerchronik durch, trat durch Bullinger angeregt und eingeführt in Beziehung zu Tschudi, eröffnete demselben 1565 seinen Vorsatz, eine Geschichte der Eidgenossen zu schreiben, von welcher Proben Tschudi’s Beifall fanden, wurde aber auch von Letzterem um Unterstützung für seine eigenen Arbeiten angegangen, für den dritthalb Jahrzehnte jüngern S. keine geringe Aufmunterung. In siebenjährigem lebhaftem Verkehr vereinigten sie sich im Januar 1572 zu dem Plane, daß S. das der Vollendung nahe Werk von Tschudi ins Lateinische übertrage, damit dasselbe gleichzeitig in [358] beiden Sprachen erscheine. Als aber Tschudi noch vor Abschluß desselben am 28. Februar gleichen Jahres starb und seine Erben sich nicht gewillt zeigten, seine Handschriften an S. zu überlassen, blieb S. darauf angewiesen, seinen Weg selbständig fortzusetzen. Seinem früher gefaßten Vorhaben gemäß arbeitete er nun mit Benutzung des seit mehr als einem Jahrzehnt gesammelten Stoffes und weiterer Mittheilungen von Freunden wie Haller in Bern, Keßler in St. Gallen, Imthurn in Schaffhausen, Campell in Graubünden, Thomas Platter in Basel, auch Pithou in Paris, an einer Geschichte der Eidgenossenschaft bis 1519 und einer vollständigen Beschreibung derselben. Gelehrte und Magistrate sahen dem Erscheinen des in Latein abgefaßten Werkes mit Verlangen entgegen. Allein Simmler’s Berufspflichten und Abhaltungen ließen es nur sehr langsam vorrücken, so daß er selbst bei Herausgabe seiner Descripio Vallesiae, als eines Probestückes sich bereit erklärte, der Aufgabe zu entsagen, falls nur ein Anderer dieselbe aufnähme. Mittlerweile kam ihm der glückliche Gedanke, wenigstens einen gedrängten Auszug der beabsichtigten großen Arbeit zu veröffentlichen. Schon 1573 hatte er in zwei Büchern eine kurze Darstellung der Geschichte der eidgenössischen Bünde und der Verfassung, der politischen und gesellschaftlichen Zustände der Schweiz und ihrer Theile verfaßt. 1576 ließ er dieselbe unter dem Titel: „De republica Helvetiorum libri duo“ erscheinen. Kaum war es geschehen, so fand das Buch die allgemeinste Nachfrage und Verbreitung. Noch in demselben Jahr erschienen eine deutsche und eine französische Uebersetzung, in den nächsten Jahren Ausgaben in Zürich, Genf, Paris, Leiden und Antwerpen, in den drei Sprachen, später holländische Uebersetzungen in Delft und Amsterdam und immer wurde das Buch von neuem verlangt; bis 1738 allein erschienen mindestens 28 Ausgaben desselben. Auch in der Schweiz selbst blieb es fortdauernd in Gebrauch; die Ausgabe, welche Leu (s. A. D. B. XVIII, 467) lieferte und mit Nachträgen versah, blieb bis 1798 das vollständigste Handbuch des schweizerischen Staatsrechts. Was S. durch sein umfassenderes Werk zu leisten beabsichtigt hatte, ist durch seine Respublica Helvetiorum in unerwartet reichem Maße geschehen. Denn während Stumpf’s große Schweizerchronik für Deutschland Besitzthum weniger Bibliotheken, dem übrigen Auslande aber unbekannt blieb, diejenige von Tschudi aber erst 1734 erschien und beide nur Lesern des Deutschen zugänglich waren, trug zur allgemeinen Kenntniß der schweizerischen Geschichte und Verfassung kein Werk während anderthalb Jahrhunderten mehr bei, als dasjenige von S. Freilich sah er selbst nur den Anfang so großen Erfolges; kaum war sein Buch erschienen, als der Tod ihn abrief. Sein gelehrter Amtsgenosse Wilhelm Stucki feierte sein Andenken, wie einst S. dasjenige Martyr’s, in dessen Grabe auch S. seine Ruhestätte fand. Den Verstorbenen überlebten seine zweite Gattin, Margaretha, eine Tochter Gwalter’s (s. A. D. B. X, 239) und vier Kinder. 1584 gaben die beiden ältesten Söhne des Vaters nachgelassenen Commentar zum Exodus heraus. Simmler’s eigentlichster Erbe aber an Geistes- und Gemüthsgaben ward sein Enkel, der Sohn seiner Tochter Dorothea, die sich 1594 mit dem Orientalisten Hr. Caspar Waser vermählte. Sie gebar dem Gemahl im Jahr 1600 einen Sohn Johann Heinrich, nachmals Zürichs ausgezeichneter Bürgermeister – (1652–1669). Dieser sammelte Simmler’s nachgelassene historische Handschriften; mit Waser’s Nachlasse kamen dieselben in den Besitz der Stadtbibliothek Zürich.

Jo. Guil. Stuckius, Vita Josiae Simleri. Tiguri 1577. – Jo. Heinr. Hottingerus, Bibliothecarius quadripartitus. Tiguri 1664. – Neujahrblatt des Waisenhauses in Zürich a. d. Jahr 1855. (Mit Bildniß und Verzeichniß der Werke Simmler’s vom Unterzeichneten.)