ADB:Carlowitz, Christoph von

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Artikel „Carlowitz, Christoph von“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 788–790, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Carlowitz,_Christoph_von&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 23:45 Uhr UTC)
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Carlowitz: Christoph v. C., einer der hervorragendsten deutschen Staatsmänner des Reformationszeitalters, entstammte einem von Alters her in der Dresdner Gegend angesessenen Geschlechte, geb. 13. Decbr. 1507 zu Hermsdorf bei Dresden, dem Gute seines Vaters Friedrich v. C., bezog, erst zwölf Jahre alt, die Universität Leipzig und widmete sich hier vier Jahre lang unter Obhut des Petrus Mosellanus, dann zu Basel unter Erasmus, dessen besondere Zuneigung er gewann, den humanistischen Studien mit solchem Eifer, daß er später neben Julius Pflugk als der gelehrteste unter den meißnischen Edelleuten gerühmt ward, mit den gelehrtesten Männern seiner Zeit, Melanchthon, der ihm 1545 seine Ausgabe der Rede Lykurg’s gegen Leokrates widmete, Camerarius u. A. litterarischen und persönlichen Verkehr unterhielt und die Pflege der Wissenschaften sich eifrig angelegen sein ließ. Nach einem seiner weiteren Ausbildung gewidmeten Aufenthalte auf der Juristenschule zu St. Dole, wo er des Laurentius Valla Schrift gegen Poggio bearbeitete, und zu Besançon kehrte er nach Sachsen zurück und gewann durch eine Tüchtigkeit, verbunden mit dem Einflusse seines Oheims Georg, das Vertrauen des Herzogs Georg bald so, daß er trotz seiner Jugend zu verschiedenen diplomatischen Sendungen nach England, Polen und Berlin verwendet, zum Rathe ernannt und ihm auch das Pachtgut Zörbig übertragen wurde. Daneben erscheint er auch als Rath des Kurfürsten Albrecht von Mainz zu Halle, wo er zuerst mit dem jungen Herzog Moritz zusammentraf und vermuthlich bereits die ersten Fäden zu der Verbindung knüpfte, die später für Beider Lebensgang bestimmend werden sollte. Nach Georgs des Bärtigen Tode theilte er das Los der übrigen Räthe, in Ungnaden entlassen zu werden, selbst das Amt Zörbig wurde ihm widerrechtlich entzogen, doch trat er schon zu Lebzeiten Herzog Heinrichs dessen Sohne näher, hielt sich 1541 als Agent und Correspondent desselben auf dem Reichstage zu Regensburg auf und wurde alsbald nach Moritz’ Regierungsantritt wieder zu den Geschäften gezogen, um sich fortan dem Dienste dieses Fürsten mit unermüdlicher Hingebung zu widmen. Er bekleidete die Stelle eines Amtmannes, später eines Oberhauptmannes zu Leipzig, während er gleichzeitig die Bestallung als kaiserlicher Rath erhielt, leitete die Säcularisirung der Klöster, besonders aber war die Reorganisation der Universität Leipzig sein Werk. Das Hauptfeld seiner Thätigkeit blieb jedoch die auswärtige Politik, auf welchem er an der Ausführung von Moritz’ ehrgeizigen Entwürfen hervorragenden Antheil nahm. Der evangelischen Lehre mehr aus humanistischer Aufklärung als aus gläubigem Herzensdrang zugethan und allem Dogmatismus fremd, ließ er wie Moritz selbst seinen politischen Scharfblick durch keine kirchliche Voreingenommenheit beirren, sah vielmehr, unberührt durch den Unwillen und das wiederholt offen ausgesprochene Misstrauen Luther’s und der protestantischen Eiferer, den Weg zu Vortheil und Ehre für jenen nicht im Anschluß an den unbequemen und unzuverlässigen Schmalkaldischen Bund und an die Fürstenopposition, sondern zunächst in einer Politik der freien Hand, sodann im Anschluß an das Kaiserhaus. In diesem Sinne war es, daß er 1542 den Herzog auf dem Nürnberger Tage vertrat, wo er bei [789] den Verhandlungen über dessen Eintritt in den kaiserlichen Dienst die ersten intimen Beziehungen zu Granvella knüpfte, sowie auf dem zu Worms von 1545, wo er die Ausgleichung wegen der zwischen Meißen und Baiern streitigen Session und die Bestätigung des mit Herzog August wegen des Stifts Merseburg geschlossenen Vergleichs betrieb. Tiefgreifender wurde seine Thätigkeit, seitdem die Eröffnung des Concils die Spannung vermehrt hatte. Nachdem sein Versuch einer Vermittlung der braunschweigischen Angelegenheit zu Frankfurt an dem allgemeinen Mißtrauen gescheitert war, und er sich dann zum Kaiser nach Maastricht begeben hatte, um ihm von Moritz’ friedfertigen Absichten zu überzeugen, erschien er auf dem Reichstage zu Regensburg, den jener in Person zu besuchen vermeiden wollte. Seine Instruction wies ihn nur an, die Erlangung der Schutzherrlichkeit über die Stifter Magdeburg und Halberstadt zu betreiben; allein da Granvella’s Andeutungen ihn bald überzeugten, daß Moritz die Entscheidung ob für oder gegen den Kaiser nicht länger verschieben könne, drang er auf dessen persönliches Erscheinen. Um so eifriger führte er unterdeß, von Dr. Sachs und Dr. Türk unterstützt, die Unterhandlungen mit Granvella fort, deren Resultat die Verleihung des Schutzes über die Stifter, des Herzogs Eintritt in des Kaisers Dienst und die Aussicht auf die Erwerbung der sächsischen Kur war, und bahnte hierdurch den Weg zu dem förmlichen Anschluß des mittlerweile in Regensburg eingetroffenen Herzogs an den Kaiser. Sein Rath ist es, durch den Moritz sich noch einmal an die Evangelischen wendet, um sie zu gütlicher Unterwerfung zu bewegen. Mit dem Schwinden dieser Hoffnung beginnt für ihn eine Periode angestrengtester diplomatischer Thätigkeit, erst in Regensburg beim Kaiser, seit Ausbruch des Krieges in Moritz’ Umgebung. Zu Prag schließt er 19. Oct. den Vertrag mit Ferdinand, dann reist er nach Culmbach, die Hülfe des Markgrafen Albrecht zu vermitteln, sorgt für ein Asyl der Universität Leipzig in Meißen, eilt in das Heerlager des Kaisers, um dessen Heranzug und den Entsatz des belagerten Leipzig zu beschleunigen, bemüht sich, wiewol vergeblich, um eine Aussöhnung des Landgrafen mit dem Kaiser und begleitet endlich den Herzog auf dem Feldzug an der Elbe. Hierauf betheiligte er sich an den Gesprächen des Interim zu Pegau und Altzelle, an den Verhandlungen wegen Abfindung Herzogs August, an den Versuchen einer Ausgleichung mit den Ernestinern und bereitete, obgleich er persönlich einer friedlichen Lösung den Vorzug gegeben hätte, durch verschiedene diplomatische Sendungen an den König Ferdinand und den Kaiser die neue Schilderhebung des Kurfürsten vor. Er und Mordeisen waren sächsischerseits die Unterhändler des Passauer Vertrags. Seine weiteren Bemühungen für Herstellung eines besseren Einvernehmens des Kurfürsten mit dem Kaiser und mit Johann Friedrich und damit für Erhaltung des Friedens, blieben ohne Erfolg. Nachdem er zu Sievershausen den letzten Willen seines sterbenden Herrn empfangen und seine Leiche in die Heimath zurückgeführt hatte, trat er sofort als Geheimrath in Kurfürst Augusts Dienst, war beim Abschluß des Naumburger Vertrags vom 24. Febr. 1554 und des Augsburger Religionsfriedens thätig, scheint aber doch das Vertrauen des neuen Kurfürsten nicht im gleichen Grade wie das des alten besessen zu haben. Desto höher schätzten ihn Kaiser Ferdinand I. und sein Sohn Maximilian; von ersterem nahm er im J. 1557, ohne deshalb aus dem sächsischen Dienste auszuscheiden, die Stelle eines Oberhauptmanns zu Joachimsthal an, wurde auch von demselben in verschiedenen Aufträgen verwendet. Im J. 1566 fungirte er als einer der kaiserlichen Commissarien bei der Belagerung von Gotha und begleitete als solcher den gefangenen Herzog nach Wien. Der ihm und Camerarius vom Kaiser ertheilte Auftrag, eine Kirchenordnung für den protestantischen Adel Oesterreichs auszuarbeiten, hatte zwar keinen praktischen Erfolg, gab aber [790] Beiden den Anlaß zur Abfassung ihres Consilium pro republica scriptum et oblatum Maximiliano II. Imperatori contra Hispanicam tyrannidem 1569; 1570 war er unter den kaiserlichen Gesandten, die zu Stettin den Frieden zwischen Schweden und Dänemark vermittelten, auch bediente sich Maximilian seiner, um die Wahl seines Sohnes zum römischen König zu betreiben. Die letzten Lebensjahre verbrachte er größtentheils auf seiner 1553 nach Aufgabe des Amtes Zörbig erkauften Besitzung Rothenhaus in Böhmen, mit deren Bewirthschaftung beschäftigt; doch hatte er über seinen unausgesetzten auswärtigen Beschäftigungen seine häuslichen Angelegenheiten so sehr vernachlässigen müssen, daß er sich zuletzt genöthigt sah, dieselbe an seinen Stiefsohn zu verkaufen. Er starb, ein Beweis der Uneigennützigkeit, mit der er seinem Fürsten gedient, arm, 8. Jan. 1574, ohne aus seinen beiden Ehen, mit Brigitte Drachsdorf und einer verwittweten v. Gersdorf, geb. v. Breitenbach, Kinder zu hinterlassen. Seine Ruhestätte hat er zu Görkau gefunden. Im J. 1543 nahmen er und sein Oheim Georg mit kaiserlicher Erlaubniß das Wappen der ausgestorbenen, ihnen verwandten Familie v. Ziegelhain in das ihrige auf. – Vergl. v. Langenn, Christoph v. Carlowitz, eine Darstellung aus dem XVI. Jahrhundert, Leipzig 1854.