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ADB:Mosellanus, Petrus

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Artikel „Mosellanus, Petrus“ von Ludwig Geiger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 358–359, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mosellanus,_Petrus&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 16:17 Uhr UTC)
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Mosellanus: Petrus M., eig. Schade, Mosellanus, weil er aus der Moselgegend stammte, geb. in Bruttig (daher auch Protegensis) 1493, † am 19. April 1524 in Leipzig. Er besuchte die Schulen in Beilstein, Luxemburg, Limburg, Trier und bezog, für jene Zeit verhältnißmäßig spät, die Universität Köln (immatriculirt am 2. Jan. 1512), wo besonders Joh. Caesarius und Jak. Sobius seine Lehrer waren. Schon damals lernte er griechisch; den schwereren und griechischen Studien bestimmte er den Vormittag, den leichteren den Nachmittag. (In Erfurt ist er nicht gewesen; dies gegen Böcking, opp. Hutt. VII, 422.) Obgleich ohne Titel, lehrte er ein Jahr in Freiberg und ging nach Leipzig, wo er am 25. April 1515 immatriculirt wurde. Durch den Engländer Richard Crocus (A. D. B. Bd. IV, S. 602) unterstützt, vervollkommnete er sich im Griechischen. Nach Crokus’ Weggang, dessen Einladung nach England er ausschlug: me nondum Germaniae meae poenitet (ungedruckter Brief an Lange) erhielt er dessen Professur der griechischen Sprache, „gegen die Angriffe gehässiger Menschen“, wurde am 3. Jan. 1520 Magister, in demselben Jahre Mitglied des großen Fürstencollegiums und Baccalaureus der Theologie und bekleidete zweimal 1520 und 1523 das Rectorat. Er trat seine Professur mit der Rede an: „Oratio de variarum linguarum cognitione paranda“ (Leipzig 1518, mehrfach gedruckt, noch Jena 1634). Er setzte darin auseinander, daß man sich durch Sprachkenntniß Gott nähern könne, alle Wissenschaften erst durch die Sprachen gründlich betreiben könne z. B. die Theologie durch die Sprachen, in welchen die heiligen Urkunden abgefaßt seien. Gegen M. erschien eine Schrift des Latomus, gegen welche Erasmus die Vertheidigung des Angegriffenen übernahm. Als Rector wurde er von Heinr. Stromer Auerbach mit einem Sermo panegyricus begrüßt und erwiderte denselben mit einer „oratio de concordia, praesertim in scholis publicis litterarum professoribus tuenda“ (beide gedruckt Leipz. 1520), in welcher er sehr energisch den Vertretern der einzelnen Facultäten und Wissenschaften ins Gewissen redete. Mosellanus’ Lehrthätigkeit war bedeutend. Er lehrte die Grammatik und interpretirte griechische und lateinische Autoren, von denen er aber Catull, Tibull und Martial verwarf. Für seine Schüler entwarf er eine practische und verständige Schrift über die Zeiteintheilung: „Praeceptiuncula de tempore studiis impartiendo“ (Leipz. 1521), gab eine tabellarische Zusammenstellung der Eigenthümlichkeiten der lateinischen Sprache: „Tabulae de schematibus et tropis“ (zuerst Frankf. 1516, häufig gedruckt) und veröffentlichte, nach dem Vorgange des Erasmus, Dialoge über Studien, Zeitbenutzung und Gegenstände des täglichen Lebens: „Paedologia in puerorum usum conscripta“ (Leipz. 1518). Er edirte Manches z. B. den Plutus des Aristophanes und übersetzte viel: Schriften des Basilius, des Gregor v. Nazianz, eine Rede des Isokrates, zwei Dialoge des Lucian u. a., zwei Idyllen Theokrit’s; aus seinem Nachlasse wurden [359] Anmerkungen zu Gellius, Quintilian, Lorenzo Balla herausgegeben. Unter seinen Schülern sind namentlich Christoph v. Carlowitz und Julius v. Pflug zu nennen; von später bekannt gewordenen Gelehrten: Joachim Camerarius, Caspar Cruciger, Valentin Trotzendorf. Aber auch Gegner fand er durch seine Lehrthätigkeit; doch ist die Notiz eines Zeitgenossen (Epist. 2winglii I, 136): expulsus aliquamdiu a Sophistis wol eine humanistische Uebertreibung. Die Gegnerschaft der „Sophisten“ zog er sich durch seine Stellung zum Reuchlinischen Kampf und zur Reformation zu. An Reuchlin richtete er einen begeisterten Brief 1518, in welchem er sich unbedingt auf seine Seite stellt und selbst seine kabbalistischen Studien bewundert. Auch mit anderen Häuptern des Humanismus: Erasmus, Hutten, Mutian, Pirckheimer stand er in brieflicher Verbindung. Er nahm in der Theologie eine freisinnige Stellung ein, sehnte sich daher aus Leipzig weg nach Wittenberg, konnte aber trotz Spalatins Empfehlung die dortige Professur des Griechischen nicht erhalten. Als Philologe nahm er 1518 an einem Streite zwischen Joh. Sylv. Egranus und Hieron. Dungersheim theil, auf Seite des erstern, indem er die kirchliche Tradition von der dreimaligen Verheirathung der heiligen Anna durch eine einfache sprachliche Erklärung vernichtete. Aber entschieden hat er für Luther nicht Partei genommen: theils war er Erasmianer, theils mußte er in Sachsen, unter dem reformationsfeindlichen Herzog Georg, sich vorsichtig verhalten. In der Prädestinationslehre dachte er wie Erasmus; in einem (ungedruckten) Briefe 1521 warnt er seinen Freund Joh. Lange aufs Dringendste davor, das Ordensgewand abzuwerfen und sich nicht durch solches Verfahren den Vorwurf der Unbeständigkeit und Undankbarkeit zuzuziehn. Sehr merkwürdig ist sein Verhalten in der Leipziger Disputation. Ursprünglich hielt er sie für ein Wortgefecht der Streittheologen, „über welche zehn Demokrite genug zu lachen haben werden“. Später erkannte er ihre Bedeutung. Im Auftrage des Herzogs eröffnete er die Disputation mit einer Rede: „de ratione disputandi praesertim in re theologica“ (Leipz. 1519): der Zweck sei die Wahrheit ans Licht zu bringen, den Frieden zu bewirken; diesem hohen Zweck entsprechend müsse die Art sachlich, ernst, bescheiden sein. Mancherlei in der Rede konnte gegen Eck gedeutet werden und wurde gegen Eck gedeutet, aber auch die strengen Lutheraner waren nicht zufrieden, Joh. Cellarius schrieb gegen ihn und erhielt von Petrus Suavenius, einem Schüler Mosellan’s eine Erwiderung. Auch in einem Brief an Pflug (Dec. 1519) über die Leipziger Disputation verfocht er den Satz, es sei am Besten, eine abwartende Stellung einzunehmen. Doch die Thatsache, daß er seitdem mit verdoppeltem Eifer sich der Theologie zuwendet und biblische Vorlesungen hält, der Umstand, daß er immer unzufriedner mit den Leipzigern wird und namentlich in den vertrauten Briefen an Mutian und Lange heftige Aeußerungen über die Wissenschaftsfeinde braucht, endlich die Thatsache, daß Luther und Melanchthon in einem guten persönlichen Verhältniß zu ihm sich befanden, beweisen, daß er den Anhängern der Reformation weit näher stand als ihren Gegnern. Melanchthon war bei seinem Tode zugegen; er schrieb tief betrübt: „Sein Tod ist ein schwerer Verlust für die Wissenschaft, denn seine Gaben waren ganz außerordentlich“.

O. G. Schmidt, Petrus M. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in Sachsen, Leipz. 1867, woselbst auch die älteren Biographieen angeführt sind, die keinen sonderlichen Werth beanspruchen. Götting. Gel. Anz. 1868, St. 39, S. 1535–1542. Ungedruckte Briefe an Mutian und Lange in der camerarischen Sammlung in München.