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ADB:Castelli, Ignaz Franz

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Artikel „Castelli, Ignaz Franz“ von Karl Weiß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 63–64, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Castelli,_Ignaz_Franz&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 08:54 Uhr UTC)
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Castelli: Ignaz Franz C., Dichter, geb. zu Wien 6. März 1781, † daselbst 5. Febr. 1862. Nach zurückgelegten Rechtsstudien schlug C. die Beamtenlaufbahn ein. Er trat 1801 in die Praxis der niederösterreichischen ständischen Buchhaltung ein und verdankte es seiner Verwendung wie seiner Kenntniß der französischen Sprache, daß ihm in der darauf folgenden politisch sehr bewegten Epoche mehrere Missionen zufielen. So versah er im J. 1805 nach Einrückung der Franzosen in Wien die Stelle eines ständischen Lieferungscommissärs und sollte 1809 die Stelle eines Secretärs bei dem Gouverneur Freiherrn v. Bartenstein übernehmen, wurde aber durch den für Oesterreich unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Regensburg verhindert, seinen Dienst anzutreten. Von einem regen Vaterlandsgefühl beseelt, gab er seinem Franzosenhaß durch mehrere, zu großer Verbreitung gelangte patriotische Gedichte Ausdruck; insbesondere fand sein „Kriegslied für die österreichische Armee“ solchen Beifall bei Erzherzog Karl, daß es derselbe in Tausenden von Exemplaren verbreiten ließ. Diesem Umstande hatte es C. auch zu danken, daß er mit Heinrich v. Collin von der französischen Regierung öffentlich im Moniteur in die Acht erklärt und zur Auslieferung an die Militärgerichte bestimmt wurde. Um dem zu entgehen, flüchtete sich C. nach Ungarn. Im J. 1815 begleitete C. den Grafen Cavriani als Secretär nach Frankreich und verblieb in Bourg-en-Bresse durch mehrere Monate. Mit dem Eintritte der Friedensjahre widmete sich C. wieder seiner Stellung bei den niederösterreichischen Ständen und trat im J. 1842 als Landschafts-Secretär in den Ruhestand. Er zog sich auf seine Besitzung in Lilienfeld zurück, verbrachte dort das J. 1848, ohne an der politischen Bewegung regen Antheil genommen zu haben. Nach wenigen Jahren übersiedelte C. wieder nach Wien, lebte zurückgezogen und nur auf den Verkehr seiner Freunde beschränkt seinen Neigungen als Sammler. Er hinterließ eine große, aus 12000 Nummern bestehende Sammlung von Theaterstücken, eine reiche Sammlung von Porträts bekannter Schauspieler und Theaterdichter, eine kostbare, aus 1800 Stück bestehende Sammlung von Dosen, sowie eine werthvolle Gallerie von Bildern der Wiener Künstler seiner Zeit. – C. versuchte sich als Dichter auf fast allen Gebieten der Poesie; entschiedenen Erfolg und Anspruch auf bleibenden Werth haben seine „Gedichte in niederösterreichischer Mundart“, mit denen er, da sein erstes Gedicht im J. 1826 zur Feier der Genesung des Kaisers Franz erschienen war, einen Liederzweig begründete, welcher später durch Stelzhammer und J. G. Seidl in Oesterreich weiter erfolgreich gepflegt wurde. Sprach sich schon in seinen Kriegs- und Wehrmannsliedern ein entschiedenes Talent für eine volksthümliche Behandlung der lyrischen Dichtung aus, so tritt dieser Zug in Verbindung mit gesundem Humor und einer glücklichen Beobachtung des Wesens und Charakters der österreichischen Bauernnatur in seinen Dialektgedichten noch schärfer hervor. Als dramatischer Dichter versuchte er sich am liebsten und am häufigsten. Ohne eine bedeutende Erfindungsgabe, nahm er meist Zuflucht zu Uebersetzungen französischer Schau- und Lustspiele, welche er mit Geschick für die Wiener Theater bearbeitete und sie zum Theile mit Arien ausstattete. Seine erste Bearbeitung eines französischen Drama’s war Rixérécourt’s[1] „Carline“, welches 1800 unter dem Titel: „Die Mühle am Ardennerfelsen“ im Theater an der Wien zur Aufführung kam. Sein Textbuch „Die Schweizerfamilie“, zu welcher Weigl die Musik componirte, verschaffte C. im J. 1811 die Anstellung als Hoftheaterdichter im Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore, welche er im J. 1814 wieder aufgab. Von seinen Gedichten erschienen: „Poetische Erstlinge“, 1805, unter dem Pseudonym: Rosenfeld und „Gedichte in österreichischer Mundart“, 1828. Von 1809–1848 redigirte er verschiedene Taschenbücher, unter denen die „Dramatischen Sträußchen“, 1809–1827, welche 60 von ihm bearbeitete Theaterstücke enthalten, 19 Jahrgänge [64] erlebten. Das Taschenbuch „Huldigung der Frauen“ erschien unter seiner Redaction von 1822–1848. Von sprachlichem Werthe ist sein „Wörterbuch der Mundart in Oesterreich unter der Enns“, 1847. – Eine vollständige Ausgabe seiner Werke erschien 1843 in Wien bei Pichler in 15 Bänden und die „Neue Folge seiner sämmtlichen Werke“, 1858, in 6 Bänden. Ein Jahr vor seinem Tode gab C. „Memoiren meines Lebens, Gefundenes und Empfundenes“, 1861, 4 Bde., heraus, worin er auch seinen Antheil an der „Ludlamshöhle“, einem geselligen Vereine von Wiener Schriftstellern in den J. 1820–1826 schildert. Eine sorgfältigere Redaction dieser Memoiren wäre sehr wünschenswerth gewesen. Auf humanistischem Gebiete war C. durch Gründung des Wiener Thierschutzvereins (1847) thätig.

C. v. Wurzbach, Biograph. Lexikon II, 302 und XI, 376. Castelli, Memoiren meines Lebens, 4 Bde. Wien 1861.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 63. Z. 9 v. u. l.: Pixérecourt (st. Rix.). [Bd. 5, S. 795]