ADB:Crüger, Johannes

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Crüger, Johann“ von Arrey von Dommer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 623–624, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cr%C3%BCger,_Johannes&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 18:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Crüger, Karl
Band 4 (1876), S. 623–624 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Crüger in der Wikipedia
Johann Crüger in Wikidata
GND-Nummer 118834967
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|4|623|624|Crüger, Johann|Arrey von Dommer|ADB:Crüger, Johannes}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118834967}}    

Crüger: Johann C., Cantor an der Nicolaikirche zu Berlin, Tonsetzer und Lehrer, berühmter Componist geistlicher Liedermelodien, geb. 9. April 1598 zu Groß-Breese bei Guben in der Niederlausitz, † 23. Febr. 1662. Bis 1613 besuchte er die Schule seines Geburtsortes und kam, nach einer Wanderung durch Oesterreich, Ungarn, Böhmen und Sachsen, im J. 1615 nach Berlin als Hofmeister der Kinder des kurfürstl. Hauptmanns auf dem Amte Mühlenhof, Chr. v. Blumenthal. Nachdem er noch eine Studienreise gemacht hatte und wieder nach Berlin zurückgekehrt war, bezog er 1620 die Universität Wittenberg, um sich der Theologie zu widmen, doch verschafften ihm seine guten musikalischen Kenntnisse schon 1622 eine Berufung nach Berlin als Cantor an der Nicolaikirche und Lehrer am Gymnasium zum grauen Kloster, in welchem Amte er mit großen Ehren 40 Jahre lang, bis zu seinem Tode verblieb. Vgl. Langbecker, Joh. Crüger’s Choralmelodien etc. mit sorgfältig gearbeitetem Lebensabrisse, Berlin 1835; Winterfeld, Kirchenges. II. 159–183. – Wer Crüger’s eigentlicher Lehrer gewesen, oder ob er einem solchen überhaupt sich angeschlossen, weiß man nicht; doch hat die bald nach 1600 von Italien auch zu uns herübergekommene neue concertirende Setzmanier wenigstens auf seine ersten Arbeiten erkennbaren Einfluß geübt, und besonders war es Joh. Herm. Schein, durch dessen Vorbilder C. auf jene neuen Wege geführt wurde. Seine Componistenthätigkeit bewegt sich fast ausschließlich auf kirchlichem Gebiete, und es wird nur eine Sammlung augenscheinlich weltlicher Lieder von ihm genannt, die „Recreationes musicae, d. i. Neue poetische Amorösen“, 33 Stücke, Leipzig 1651. Aber auch mit der freien kirchlichen Composition hat er nur wenig und nur zu Anfang seiner Laufbahn als Tonsetzer sich befaßt; von dieser Art ist nur sein erstes Werk, die zwei Theile der „Meditationum musicarum“, welche Leipzig 1622 und Berlin 1626 erschienen; der erste enthält dreistimmige Stücke, der zweite deutsche Magnificats über die acht Töne. Letztere bestehen aus motettenartigen achtstimmigen Chören und aus Sologesängen für eine und zwei Stimmen mit Generalbaß, nach dem von Viadana[WS 1] aufgebrachten concertirenden Stil. C. zeigt sich darin als solider achtbarer Tonsetzer; sein eigentliches Fach aber, worauf seine ganze Naturanlage ihn hinwies und dem er nun auch seine ganze Kraft zuwandte, war das geistliche Lied. Hierin war seine Wirksamkeit sehr umfänglich und erstreckte sich über sein ganzes ferneres Leben, während ihre Nachklänge weit darüber hinaus reichten und noch in unseren Tagen vernommen werden. Zwar erscheint er auch dem Kirchenliede gegenüber nicht hervorragend als Tonsetzer oder Contrapunktist, vielmehr sind nicht nur seine Harmonisirungen älterer, sondern selbst auch seiner eigenen Lieder von Anderen weit übertroffen worden. Um so glücklicher aber war er in der Erfindung neuer schöner Melodien, und er ist der erste protestantische [624] Componist, von dem nachweislich eine erhebliche Anzahl eigener Melodien dauernde Aufnahme in die Kirche gefunden hat. Nach Winterfeld a. a. O. 170 beläuft sich die Anzahl der von ihm erfundenen (und verbesserten) Liedermelodien auf 72, zu Dichtungen von Paul Gerhardt, Johann Frank, Johann Heermann, Martin Rinckart, Kurfürstin Louise, Simon Dach, Rist, Albert, Ringwaldt und Anderen. Etwa ein Jahrhundert lang sind sie in den Kirchen Norddeutschlands gesungen worden, und 17 haben bis auf die Gegenwart als eine Zierde unseres Gemeindegesanges im kirchlichen Gebrauche sich erhalten, darunter „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen“; „Von Gott will ich nicht lassen“ (1640); „Herr, ich habe mißgehandelt“; „Nun danket Alle Gott“; „Schmücke dich o liebe Seele“; „Du o schönes Weltgebäude“; „O wie selig seid ihr doch ihr Frommen“ (1649); „O Gott du frommer Gott“ (1653); „Jesu meine Freude“ (1656); „Jesus meine Zuversicht“ (1658). Die von C. veröffentlichten Gesangbücher, worin neben vielen anderen Psalmen- und Liedermelodien auch seine eigenen vorkommen, enthalten dieselben theils in mehrstimmigen Bearbeitungen ohne und mit Instrumenten, theils nur die Melodien mit Grundbaß und sind folgende: 1) „Neues vollkömmliches Gesangbuch Augsb. Confession“, Berlin 1640, enth. 137 Mel. 4 voc. 2) „Geistliche Kirchen-Melodien“, Berlin 1649, enth. 161 Gesänge 4 voc., davon 109 mit Instrum.; 3) „Geistliche Lieder und Psalmen“, Berlin 1653, nur Melodienbuch, enth. 92 Nummern; 4) „Psalmodia sacra“, der Lobwasser’sche Psalter und 319 geistliche Lieder mit 184 Melodien 4 voc., 3 Instrumenten, B. C., Berlin 1657, 1658, 1700; 5) „Praxis pietatis melica“, Melodienbuch mit Grundstimme, Wittenb. 1656, Berlin 1658, erlebte bis 1733 nicht weniger als 43 Aufl.; die 23. von 1688 enth. 1114 Lieder mit 374 Mel. Kommen nun Crüger’s Melodien an Kraft des Tonganges und Mannigfaltigkeit der Rhythmik auch nicht mehr den früher entstandenen gleich, so sind sie doch würdig, frisch und klar, schließen den Formen der Dichtungen fließend sich an und sind treffend im Ausdrucke, woraus ihre ehemalige große Verbreitung und die Werthschätzung, deren sie ja zum Theil heute noch sich erfreuen, von selbst sich erklärt. Die Regeln und den Charakter der alten Tonarten hat C. nur noch in seinen Magnificats festgehalten, in seinen Melodien und harmonischen Bearbeitungen sind sie so gut wie aufgelöst und dem modernen Dur und Moll gewichen. Neu ist bei ihm übrigens noch eine Art der Instrumentalbegleitung zu mehrstimmig gesetzten Kirchenliedern: sie besteht aus obligaten Stimmen und schließt, in ähnlicher Weise wie unsere Orgelbegleitung des Gemeindegesanges beim Gottesdienste, ohne Vor-, Zwischen- oder Nachspiele einfach der strophischen Form der Gesänge sich an. Auch als Musikschriftsteller und Lehrer hat C. Spuren seines Wirkens durch Herausgabe einiger Lehrbücher hinterlassen: „Synopsis Musices, cont. rationem constituendi et componendi melos harmonicum“, Berlin 1624, 1630, 1634; 2) „Praecepta musicae practicae figuralis“, Berlin 1625; 3) „Quaestiones musicae pract.“, Berlin 1650.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Lodovico Grossi da Viadana, um 1564 bis 1627