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ADB:Dössekel, Eduard

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Artikel „Dössekel, Eduard“ von Marie Dössekel. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 50–51, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:D%C3%B6ssekel,_Eduard&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:03 Uhr UTC)
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Dössekel: Eduard D., schweizerischer Lyriker und Staatsbeamter, gehörte mehr als 45 Jahre der obersten aargauischen Behörde an, wurde im J. 1810 zu Seon, im Aa-durchzogenen Hallwylerthale, geboren. „Auf deinen Höhen weilt mein Sinnen, In deinen Tiefen weilt mein Herz, Und durch der Tage rasch Zerrinnen Zeigt stets die Nadel heimathwärts“ („Meinem Hallwyler Thal“). Nach dem Wunsche seines Vaters, des vielbeschäftigten Fürsprechers Johannes D., der während einer Reihe von Jahren Mitglied des Großen Rathes und des Nationalrathes war und dessen praktischem Blick, scharfem Verstande und treffendem Worte der Kanton Aargau in politischer Hinsicht viel zu verdanken hatte, sollte der Sohn die Rechtswissenschaft studiren, was er „gegen seines Herzens Drang“, wie Uhland, that. Erst in Bern, dann in den Jahren 1832 und 33 in Heidelberg. Ein dicker, eigenhändig geschriebener Band, betitelt: „Thibaut’s Diktate zu seinen Pandekten“ aus dem Winter- und Sommersemester 1832 und 1833 beweist, daß D. seine Collegien fleißig besuchte. Nach Absolvirung des Staatsexamens fand D. auf dem Rechtsbureau seines Vaters Beschäftigung. Das war eine Zeit bittern innern Kampfes für ihn, denn nur zu bald fühlte er, daß er in der Ausübung seines ihm aufgezwungenen Berufes nie seine innere Befriedigung finden werde. Er wandte sich im Stillen der Kunst und insbesondere der Poesie zu, die bis an sein Lebensende seine treue Begleiterin blieb. Nach einigen Jahren praktischer Bethätigung auf dem Bureau seines Vaters wurde er Gerichtspräsident, dann Oberrichter vom Jahre 1841 bis zu seinem Ende. Wie ernst D. seinen Beruf auffaßte, zeigt sein Gedicht „Das Richteramt“ (Gedichte, 2. Aufl. S. 180). In seinem Collegen, dem Lyriker C. R. Tanner (s. d.) fand er eine verwandte Natur, einen gleichgestimmten Freund, dem er geistige Förderung und innere Bereicherung verdankte. Trotzdem D. die höhern Tagesfragen mit lebhaftem Interesse verfolgte, spielte er keine politische Rolle. Seine Natur lenkte ihn von den Berufspflichten und der Last des Amtes auf sich selbst zurück. In den Wundern der Schöpfung empfand er das Wehen und Walten göttlicher Liebe und Weisheit, und diesen Gefühlen gab er im Liede poetischen Ausdruck. Im J. 1851 erschien eine Sammlung seiner Gedichte (Bern), die vom Publicum freundlich aufgenommen und von der Kritik günstig beurtheilt wurde. Rob. Weber (1824–97) sagt: „Ed. Dössekel gehört zu den wenigen lebenden schweizerischen Dichtern, welche nicht bloß eine Ahnung davon besitzen, was man unter Kunst versteht, sondern selber mit der Anlage des Künstlers geboren sind und darum von Gottes Gnaden und nicht von der Menschen Gnaden Poeten heißen“. Und ferner: „D. ist einer unserer begabtesten Schweizerdichter, er ist auch im Sinngedicht bedeutend“. Einzelne Gedichte wie: „Die treue Magd“ fanden in verschiedenen Lesebüchern für die Schuljugend (s. Eberhard, Lehr- und Lesebuch, 1. u. 2. Aufl. S. 131, 99) Aufnahme; ebenso „Der Tagelöhner“ in Echtermeyer’s Auswahl deutscher Gedichte (12. Aufl., Halle 1863). In einer Liedersammlung, herausgegeben unter Mitwirkung schweizerischer und deutscher Tonsetzer von J. Wolfensperger, ist auch Dössekel’s „Mailust“ zu finden. – Zerstreute Gedichte finden sich ferner in den „Alpenrosen“ 1848–54, „Zukunft des Volkes“, „Schweiz“ 1860–66. Von D. erschienen darauf: „Gedichte“ (2., vermehrte und verminderte Auflage, Glarus 1872); „Denksteine und Wegweiser“, eine Sammlung von Aussprüchen berühmter Dichter und Denker, mit einem Anhang von Gedanken und Betrachtungen „Aus dem Eigenen“ (Aarau 1875); „Herbstblüthen“, Gedichte (Aarau 1889).

Wie kein Sterblicher, so blieb auch D. nicht von harten Schicksalsschlägen verschont, aber treu stand ihm seine Gattin zur Seite, Wilhelmine [51] Irminger aus Zürich, deren Bruder der bekannte Portraiteur Karl Friedrich Irminger ist. Und Trost fand er in der thatkräftigen Unterstützung Hülfesuchender. Für Freundschaft glühte sein warmes Herz, und mancher schöne Sommertag vereinigte verwandte Geister aus der Nähe und Ferne auf dem frei ins Thal ausschauenden Landsitze zu Seon. Die Freundschaft flocht die schönsten Blumen in sein Leben. Oefters verkehrte er mündlich und schriftlich mit dem in Aarau weilenden Fabeldichter Abraham Emanuel Fröhlich. Ihm ist auch in den Gedichten ein Nachruf gewidmet. Mit besonderer Freude erinnerte sich D. in spätern Jahren seines Ausfluges ins Emmenthal, seines Besuches in dem weltabgeschiedenen Pfarrhause zu Lützelflüh, wo er bei Jer. Gotthelf (Albert Bitzius) eine köstliche Morgenstunde verlebte und beim Abschied ein Bildchen vom Pfarrhaus und ein Werklein mit freundlicher Dedication: „Die Wassernoth im Emmenthal“ (1837) zum Andenken erhielt. – In eine spätere Zeit fällt der Verkehr mit dem schweizerischen Novellisten Jakob Frey (1822 bis 1875). Zahlreiche Briefe geben Kunde von dem lebhaften geistigen Austausch der beiden Freunde. In Bächtold’s Biographie Gottfried Keller’s findet das Verhältniß Dössekel’s zu dem Dichter Erwähnung; dort sind auch Briefe Keller’s an D. gedruckt. Von den freundschaftlichen Beziehungen zu J. V. v. Scheffel geben die Briefe Scheffel’s aus den Jahren 1861–82 an D. Zeugniß. Diese Freundschaft warf den letzten goldenen Schimmer auf den Lebensabend des alternden Dichters, der selbst in den letzten Tagen seines Erdenwallens noch einmal die Leyer stimmte zu einem freilich nicht vollendeten Frühlingsliede. Am 27. März 1890 erkrankte er an Influenza; besondere Schmerzen fühlte er nicht, doch die Schwäche nahm zu, und am Charfreitag, den 4. April, schied er aus diesem Leben.

R. Weber, Die poetische Nationallitteratur der Schweiz III, 32 und 131. – Ad. Frey, Briefe Scheffels an Schweizerfreunde, 1898; – derselbe, Gesammelte Erzählungen von Jakob Frey. V. Bd., Biographie.
Marie Dössekel.