Zum Inhalt springen

ADB:Denis, Michael

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Denis, Michael“ von Karl Weiß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 51–53, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Denis,_Michael&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 20:27 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Denich, Kaspar
Nächster>>>
Denk, Hans
Band 5 (1877), S. 51–53 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Michael Denis in der Wikipedia
Michael Denis in Wikidata
GND-Nummer 116071532
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|5|51|53|Denis, Michael|Karl Weiß|ADB:Denis, Michael}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116071532}}    

Denis: Michael D., Dichter und Bibliograph, geb. 27. September 1729 zu Scharding, † 29. Sept. 1800 zu Wien, war der Sohn eines Beamten und Oekonomen zu Heidenburg bei Vilshofen in Niederbaiern, absolvirte das Gymnasium in Passau, trat am 17. Febr. 1747 in Wien in den Jesuitenorden ein und wurde im October 1756 in Graz zum Priester geweiht. Nachdem er schon als Theologe an den Jesuitengymnasien in Graz und Klagenfurt als Lehrer und ein Jahr in Presburg als Prediger gewirkt, erhielt er 1759 eine Stellung als Lehrer für Logik und Metaphysik an der Theresianischen Ritterakademie in Wien, übernahm 1761 daselbst die Professur der Rhetorik, einige Jahre darauf die Aufsicht über die Garelli’sche Bibliothek und wirkte in diesen Stellungen bis zur Aufhebung des Jesuitenordens in Oesterreich (1773). Dadurch seines Lehramtes enthoben, führte D. die Aufsicht über die Garelli’sche Bibliothek fort und hielt Vorlesungen über Bücherkunde und Litteraturgeschichte, bis er 1784 nach Aufhebung der Theresianischen Akademie als zweiter Custos an die k. k. Hofbibliothek kam. Im J. 1791 rückte er unter gleichzeitiger Ernennung zum Hofrathe in die Stelle des ersten Custos vor, welche er bis zu seinem Tode bekleidete. D. war eine reichbegabte Dichternatur, welche sich, unter den ungünstigsten Lebensverhältnissen entfaltend, deshalb besondere Beachtung verdient, weil sie voll mächtigen patriotischen Gefühles in Oesterreich zuerst den Sinn für deutsche Poesie und Litteratur wiederbelebte. Schon als Gymnasiast zeigte sich sein Hang zur Dichtkunst in den Nachbildungen römischer Dichter. Durch Regensburger Buchhändler, welche die Messe in Passau besuchten, wurde er mit deutschen Dichtern wie mit Hofmannswaldau näher bekannt und von ihnen zu poetischen Versuchen in seiner Muttersprache angeregt, wiewol er von deutscher Orthographie und Grammatik noch nichts wußte, noch weniger einen deutschen Vers nach Regeln zu bauen verstand, weil sich die Jesuitengymnasien in ihrer einseitigen Richtung damit nicht beschäftigten. Nach seinem Eintritte in den Jesuitenorden als Novize strenge auf das Studium der Kirchenväter und der heiligen Schrift angewiesen und jedes weltlichen Buches beraubt, ruhte demungeachtet nicht sein dichterischer Drang, er schrieb „Aphorismen ascetischen Inhalts“ und trug die Namen berühmter Ordensglieder, begleitet von lateinischen Versen, in einen Kalender ein. Als Theologe chaldäische, hebräische und italienische Sprachstudien betreibend, nahm er gleichzeitig wieder die Lectüre lateinischer Dichter auf und verfaßte das Schuldrama „Gaston“, welches im J. 1751 am Jesuitengymnasium in Graz zur Aufführung kam. An diesem Orte lernte D. die Werke des Martin Opitz kennen und von diesen angezogen wandte er sich wieder mit Vorliebe und, durchaus im Widerspruche mit den Tendenzen seines Ordens, der deutschen Dichtung zu und es erregte nicht geringe Verwunderung, als er am Schlusse seines lateinischen Drama’s „Gaston“ von seinen Schülern deutsche Chöre absingen ließ und 1753 in Klagenfurt den Bürgern ein deutsches Lustspiel zum besten gab. So tief hatte sich überdies schon damals seine Liebe zur Muttersprache festgewurzelt, daß er zu derselben Zeit für die Jugend eine Mustersammlung von Briefen und Proben der in der deutschen Sprache üblichen Silbenmaße herausgab. Der Ausbruch des siebenjährigen Krieges weckte in D. den patriotischen Geist. Mit Begeisterung der großen Kaiserin ergeben, feierte er die Ereignisse und deren hervorragendste Theilnehmer in einer Reihe von Gedichten, welche unter dem Titel „Poetische Bilder der meisten kriegerischen Ereignisse in Europa seit 1756“, [52] 1. Thl. 1760 und 2. Thl. 1761, veröffentlicht, eine mächtige Wirkung in Oesterreich hervorriefen, wiewol sie, schwülstig und überladen, selten jenen volksmäßigen Ton wie Gleim’s Kriegslieder trafen. Eines der wenigen populären, in Oesterreich weit verbreiteten Gedichte behandelte die Gefangennehmung des preußischen Generals Fink. Diese Gedichte begründeten in weiteren Kreisen den Ruf des Dichters, erwarben der deutschen Poesie in Oesterreich zahlreiche Freunde und verkörperten die Ideen der für die Hebung und Veredlung der Poesie wirkenden „Deutschen Gesellschaft“ in Wien, deren Mitglied D. geworden war. Ein Jahr später (1762) gab er im Interesse der Verbreitung der deutschen Sprache und Litteratur eine Sammlung kürzerer Gedichte aus den neueren Dichtern Deutschlands heraus. Im J. 1765 hatte D. mit Klopstock einen Briefwechsel angeknüpft, welcher sein Selbstgefühl kräftigte. Drei Jahre darauf trat er mit einem Werke in die Oeffentlichkeit, welches das Aufsehen der gesammten litterarischen Welt erregte. Es war seine Uebersetzung der Gedichte Ossian’s aus dem Englischen, 1.–3. Thl. 1768. 1769, ein Werk, welches heute nicht mehr befriedigen wird, aber ungeachtet seiner sprachlichen Fehler damals eine außerordentliche Wirkung in ganz Deutschland erzielt hat. „Die Erscheinung ist neu und schön“, schrieb ein Recensent der allgemeinen deutschen Bibliothek; „Einer aus der Gesellschaft Jesu der Uebersetzer Ossian’s in deutschen Hexametern, fast nach Klopstock’s Manier, der Klopstock’s Freundschaft und seinen Messias rühmet: die Erscheinung ist neu und schön! Ein Sonnenfels in seiner gesellschaftlichen Prose, ein P. Wurz im Rednerschwunge, jetzt P. Denis in seinem guten, poetischen Geschmacke – lassen die nicht für Wien viel hoffen?“ Ermuthigt durch die errungenen Erfolge und mit Enthusiasmus in das deutsche Alterthum sich vertiefend, versuchte sich D. auch als Barde und gab 1772 „Gesammelte Lieder von Sined“ (Denis) heraus. Mag immerhin das ganze Bardenthum eine erkünstelte, innerlich unwahre Dichtung gewesen sein, so war doch das Ziel, deutsches Wesen im Leben und in der Poesie von neuem zu erwecken, ein edles, und unser Dichter gab demselben auch einen zeitgemäßen Inhalt, indem er in seinen Liedern den Tugenden der Kaiserin, dem äußeren Zeichen der Wiederherstellung der Eintracht in Deutschland in Folge der Zusammenkunft des Königs Friedrich des Großen mit Kaiser Joseph II. in Schlesien, der Versöhnung der beiden Monarchen und den Klagen über französische Sitten und Bildung mit patriotischem Geiste Ausdruck gab. Mit Sined’s Liedern, zu denen 1784 Joseph v. Retzer eine Nachlese herausgab, hatte D. den Höhepunkt seines dichterischen Schaffens erreicht. Die Aufhebung des Ordens, dem er mit Liebe anhing, verbitterte sein Gemüth. Wiewol er mit seinem ganzen Wesen dessen Bestrebungen ferne stand und dessen Schwächen nicht verkannte, glaubte er doch in seiner Befangenheit, daß mit diesem Acte dem Orden großes Unrecht angethan würde. Ganz vermochte wol D. seine Sangeslust nicht zurückzudrängen. Es erschienen von ihm bis in sein hohes Alter neue Gedichte, besonders Gelegenheits-Oden, 1784 eine neue und verbesserte Auflage der Lieder Ossian’s und Sined’s mit dem schon erwähnten Nachtrag v. Retzer’s in 6 Theilen und nach 1799 seine „Aeonenhalle“, eine Ode, worin er einen poetischen Rückblick auf die großen Begebenheiten seiner Zeit wirft. Der Schwerpunkt seiner Thätigkeit fiel jedoch seither in gelehrte Arbeiten. Da er stets für bibliographische Arbeiten große Vorliebe gezeigt, wandte er sich diesen nunmehr mit verdoppeltem Eifer zu und es erschienen 1777 der erste Theil seiner „Einleitung in die Bücherkunde“ und 1778 der zweite Theil, die Litterärgeschichte behandelnd. 1780 folgten: „Die Merkwürdigkeiten der Wiener öffentlichen Garelli’schen Bibliothek“, 2 Theile, 4; 1782 „Die Buchdruckergeschichte Wiens“; 1789 die „Supplemente zu den typographischen Annalen Maittaire’s“; 1792 „Sct. Augustini sermones inediti admixtis quibusdam dubiis“; 1793 sein „Nachtrag zur Buchdruckergeschichte [53] Wiens“; 1792–1795 der I. Band der „Codices Mss. theologici latini aliarumque Occidentis linguarum Bibliothecae Palatinae Vindobonensis“ (in 3 Theilen). Das seit seiner Jugend lebendige Naturgefühl führte D. auch zu entomologischen Studien und er gab 1776 mit Schiffermüller ein Verzeichniß der Schmetterlinge der Wiener Gegend heraus. In seinen letzten Lebensjahren gab er einige theologische Schriften zur Erbauung heraus. Sanften und treuherzigen Charakters bleibt D. eine der edelsten Erscheinungen in der Sturm- und Drangperiode des 18. Jahrhunderts.

Michaelis Denisii Commentariorum de vita sua libri V. Fragment einer Selbstbiographie, um 1799 niedergeschrieben. – J. Freih. Hormayr, Oesterr. Plutarch. V. Bd. – Hist.-politische Blätter für das katholische Deutschland, 16. Bd. – Amand Baumgarten, Mich. Denis, eine litteraturgeschichtliche Biographie im Gymnasialprogramm des Stiftes Kremsmünster f. d. J. 1852 und C. v. Wurzbach, Biogr. Lexikon V, 238.