ADB:Dohna-Schlobitten, Alexander Burggraf und Graf zu

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Artikel „Dohna-Schlobitten, Alexander Burggraf zu“ von Georg Friedrich Felix Eberty in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 299–302, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dohna-Schlobitten,_Alexander_Burggraf_und_Graf_zu&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 16:15 Uhr UTC)
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Dohna: Friedrich Ferdinand Alexander, Burggraf zu Dohna-Schlobitten; geb. am 29. März 1771, † 1832. Die Grafen zu Dohna erfreuen sich seit dem Anfange dieses Jahrhunderts fast durchweg einer großen Volksbeliebtheit in Deutschland. Es wird ihnen nachgerühmt, daß sie, bei strengster Loyalität und Anhänglichkeit an das Königshaus, sich von Servilität nach oben und dünkelhaftem Junkerthum nach unten gleich fern halten und für die Künste des Krieges und des Friedens in hohem Maße Verständniß gezeigt haben. – Graf Alexander hatte durch die Erzählungen seines Vaters, welcher sich im siebenjährigen Kriege ausgezeichnet, Neigung zum Soldatendienste gefaßt; als er aber 1786 mit seinen Eltern eine Reise durch [300] Deutschland und Holland machte, ging ihm der Sinn für einen friedlichen Beruf auf und er beschloß, die Laufbahn des Staatsbeamten einzuschlagen. Er machte seine Studien in Frankfurt a/O. und Göttingen und besuchte später die damals unter Büsch’s Leitung hochberühmte Handelsschule in Hamburg, wo Alex. v. Humboldt sein Mitschüler war. Nach abgelegter Prüfung trat D. 1790 als Referendarius in die kurmärkische Kriegs- und Domänen-Kammer zu Berlin, wurde 1793 Assessor und 1798 Rath bei derselben Behörde. – 1801 ernannte ihn der König zum Director der Kriegs- und Domänen-Kammer in Marienwerder. In dieser Stellung befand er sich, als die Katastrophe von 1806 hereinbrach. Westpreußen war bald von den Franzosen überschwemmt, welche in brutalster Weise das Land bedrückten und aussogen. Während dieser Zeit der Noth entwickelte D. eine bewundernswürdige Thätigkeit. Er sorgte dafür, daß Graudenz und Danzig in Vertheidigungszustand gesetzt wurden, und während alle eroberten Provinzen dem französischen Kaiser den Huldigungseid leisteten, setzte er es durch, daß die westpreußischen Behörden lediglich die Erklärung abgaben, nichts gegen das französische Heer unternehmen zu wollen, so lange Marienwerder in französischer Gewalt sei. Der alte Präsident v. Buddenbrock sollte als Geisel für die Erfüllung dieses Versprechens fortgeschleppt werden, da erbot D. sich freiwillig an die Stelle des Greises zu treten und zwang dadurch sogar den Franzosen Hochachtung ab. – Napoleon hatte sein Hauptquartier in dem Schlosse Finkenstein aufgeschlagen, welches Dohna’s Vater gehörte. Als eine Deputation aus der Provinz Audienz bei dem Eroberer nachsuchte, um Linderung des unerträglichen Druckes zu erbitten, mußte auf Napoleon’s Befehl D., der inzwischen Präsident der Landesverwaltung geworden war, sich dieser Deputation anschließen, die mit nichtssagenden Redensarten entlassen wurde. D. aber erhielt, bevor er das Schloß verlassen hatte, Befehl, zu einer besonderen Audienz zu Napoleon zurückzukehren, der durch den Vater des Grafen, welcher Friedrich Wilhelm III. nach Memel gefolgt war, auf den König einwirken wollte, um einen schnellen, aber damals erwünschten Friedensschluß zu erlangen. D. verstand es, diese Zumuthung geschickt von sich abzulehnen und benahm sich mit soviel Takt und Würde, daß er den Kaiser zu dem Versprechen bewog, von der Erhebung einer Kriegscontribution in Westpreußen abzustehen. In der That blieb die Provinz zum Heile der unglücklichen Bewohner von einer solchen Last verschont. In Anerkennung dieses Erfolges wurde D. (4. Aug. 1807) vom Könige mit den schmeichelhaftesten Ausdrücken zum wirklichen Präsidenten der Kriegs- und Domänen-Kammer ernannt. Eines seiner ersten Geschäfte war alsdann die Unterhandlung mit dem Marschall Soult wegen Vollziehung des so eben geschlossenen Tilsiter Friedens. Dieser Moment der tiefsten Erniedrigung Preußens bezeichnete zugleich den ersten Beginn der nun folgenden Wiedergeburt des Staates. Stein wurde zurückberufen und traf am 30. Septbr. in Memel ein. Er hatte den Gedanken erfaßt, durch Hebung aller geistigen und materiellen Kräfte im Innern des Landes dasselbe zum Widerstande gegen den Unterdrücker stark zu machen. Die Ausführung seiner hierauf zielenden Gesetzgebung aber mußte Stein anderen Händen überlassen, weil Napoleon, die Gefährlichkeit eines solchen Gegners erkennend, die Entlassung desselben forderte und erhielt. Stein ging nach Petersburg, um den Kaiser Alexander für seine Befreiungspläne zu gewinnen (December 1808). Scheidend empfahl er Dohna’s Ernennung zum Minister des Innern. Der bescheidene Graf nahm zögernd und nur auf Hardenberg’s dringendes Zureden diese Stellung an, und wirkte nach Kräften im Sinne Stein’s weiter. Namentlich leistete er seinem Freunde Wilhelm v. Humboldt thätige Hülfe bei Errichtung der zu begründenden Universität in Berlin, welche ein geistiger Mittelpunkt des neuen Staatslebens werden sollte und geworden [301] ist. – Als sodann Hardenberg 1810 Staatskanzler wurde, fand D. seine Stellung unter demselben nicht haltbar. Er forderte und erhielt seine Entlassung und ging auf seine Güter. Hier entfaltete er bald eine neue umfassende Thätigkeit in seiner Eigenschaft als Generallandschaftsdirector, wo er mit Eifer und Erfolg für die Hebung der Provinz wirkte.

Der Brand von Moskau und die Vernichtung der großen französischen Armee bildete den Wendepunkt in der Laufbahn Napoleon’s und den Geschicken Europa’s. Auch für Dohna’s Leben wurden diese Ereignisse entscheidend. Seine Persönlichkeit war vorzüglich dazu geeignet, sich den Männern beizugesellen, welche an die Spitze der Bewegung traten, um durch allgemeine Bewaffnung des Volkes die Befreiung des Vaterlandes vorzubereiten. Der König, umgeben von französischen Truppen und Spähern, war nicht in der Lage, seinen Willen frei zu äußern, dadurch sahen die Provinzen sich gezwungen, selbständig zu handeln. Die politische Lage des Staates erschien in rettungsloser Verwirrung. Am 24. Febr. 1812 hatte Friedrich Wilhelm III. ein Bündniß mit Napoleon geschlossen, in Folge dessen das preußische Armeecorps des General York, 20000 Mann stark, unter französischen Befehl gestellt war. Gleichzeitig wurde im geheimen von Potsdam aus wegen eines Bündnisses mit Rußland verhandelt. York wußte niemals, ob die ihm zukommenden Befehle ernst gemeint wären. Da durchhieb er die diplomatischen Knoten und schloß die berühmte Convention von Tauroggen (30. Decbr. 1812). Der König verdammte der Form nach die That seines Generals, ließ denselben aber an der Spitze des Armeecorps und der Provinz. Die Verwirrung steigerte sich noch, als Stein mit einer Vollmacht des russischen Kaisers in Königsberg erschien und im Namen desselben die preußischen Stände zusammenberief, um über eine allgemeine Volksbewaffnung zu berathen. Der große Mann wurde von allen Patrioten, auch von D. freudig begrüßt. Am Febr. 1813 versammelte sich jener berühmte Landtag, von welchem der Minister Schön mit Recht gesagt hat: „Er ist wichtiger als der Brand von Moskau und die 26 Grad Kälte!“ Erst durch diesen Landtag erhielt die York’sche Convention Kraft und Fundament. – Allein bald gab es Streitigkeiten, weil Stein nicht vermochte, der Versammlung das unbedingte Vertrauen auf Alexanders uneigennützige Absichten einzuflößen, von dem er selbst durchdrungen war. Als nun gar die Russen anfingen, Theile der Provinz für ihren Kaiser förmlich in Besitz zu nehmen, da wurde Stein’s Stellung unhaltbar, – tief gekränkt zog der große Mann sich, im Interesse der guten Sache, freiwillig zurück. York übernahm jetzt thatsächlich die Leitung der Versammlung, deren eigentlicher Präsident, Auerswald, durch Krankheit verhindert war. Schnell wurde der Entwurf zu einer allgemeinen Volksbewaffnung angenommen, den D. und Clausewitz ausgearbeitet hatten. D. war die Seele dieser Landtagsverhandlungen und das thätigste Mitglied der Generalcommission für die Volksbewaffnung. Die Provinz leistete Staunenswerthes! Preußen und Lithauen errichteten die gesammte Landwehr auf eigene Kosten. Von je 26 Seelen stand Einer unter Waffen; mehr als 3000 Freiwillige hatten ihre eigene Ausrüstung beschafft. – Die Frage, wer der eigentliche Schöpfer der Landwehr gewesen, ist noch immer nicht klar entschieden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Untersuchungen wird man dem alten Arndt beistimmen können, welcher als Augenzeuge sich dahin ausspricht (Wanderungen mit etc. Stein, S. 129): „Alexander D. ist der allereifrigste gewesen, Oberst Clausewitz hat nebst dem Major Ludwig v. D. (Alexanders Bruder) die einzelnen Artikel entworfen und geordnet.“ – Scharnhorst’s Ideen einer Volksbewaffnung waren andere gewesen, und erst mit Mühe wurde die Zustimmung des großen Mannes später erlangt (Vgl. Johannes Voigt, Dohna’s Leben, Leipzig 1833, S. 25). Am 17. März 1813 genehmigte der König, [302] der nach Breslau gegangen war, um der französischen Umgebung sich zu entziehen, den Plan zur Errichtung der Landwehr und des Landsturmes. Zwei Tage später wurde D. zum Civilgouverneur der Provinz Preußen ernannt und ihm die Ausführung des Bewaffnungssystems übertragen. Der Graf widmete sich diesem Geschäft mit größtem Eifer und Erfolg bis zum Ende des Krieges von 1814. Der König ertheilte ihm das eiserne Kreuz am weißen Bande. Am 3. Juni 1814 wurden die Civilgouverneurstellen aufgehoben, und D. zog sich nach Schlobitten zurück, behielt aber bis zu seinem Tode die Stellung als Generallandschaftsdirectors von Ostpreußen. – Als hierauf, in Folge der neuen preußischen provinzialständischen Verfassung 1824 der erste Landtag in Königsberg zusammentrat, erschien D., so wie auch später jedes Mal, als Abgeordneter der Ritterschaft des Mohrunger Kreises. Er nahm in echt patriotischer Weise an den Verhandlungen Theil und genoß des größten Ansehens bei seinen Mitständen. – Graf Alexander v. D. beschloß sein thatenreiches, durch Wohlthun und wahre Frömmigkeit ausgezeichnetes Leben am 31. März 1831. Er war noch nicht ganz 60 Jahr alt geworden. Sein vertrautester Freund, der Minister Schön, sagte von ihm: „D. war ein Mann so reinen Herzens und von so völlig unbeflecktem Wandel, daß ich keinen gekannt habe, der eine Vergleichung mit ihm aushalten könnte.“

Vgl. sein Leben von Joh. Voigt, Leipzig 1833.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 302. Z. 20 v. o., S. 303. Z. 17 v. u. und S. 310. Z. 4 v. o. hinzuzufügen: Mittheilungen v. d. Leben des Feldmarschalls Grafen Friedrich zu Dohna. Als Manuscript gedruckt Berlin 1873. Lehmann, Knesebeck u. Schön S. 50, 242 ff. [Bd. 33, S. 795]