Zum Inhalt springen

ADB:Dorer, Ignaz Edward

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Dorer, Ignaz Edward“ von Hans Herzog in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 27–29, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dorer,_Ignaz_Edward&oldid=- (Version vom 6. November 2024, 00:14 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Doppler, Franz
Nächster>>>
Dörfer, Julius
Band 48 (1904), S. 27–29 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Eduard Dorer-Egloff in der Wikipedia
Eduard Dorer-Egloff in Wikidata
GND-Nummer 116182164
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|27|29|Dorer, Ignaz Edward|Hans Herzog|ADB:Dorer, Ignaz Edward}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116182164}}    

Dorer: Ignaz Edward D.(-Egloff) wurde geboren in Baden (Kanton Aargau) am 7. November 1807 als Sohn des (spätern) Landammanns Fidel D. und der Marie de Maillardoz von Freiburg im Uechtland. Einer angesehenen katholischen Familie entstammend, hätte sich D. am liebsten der Kunst gewidmet, für die – nach seinen eigenen Worten – „sein Inneres eigentlich schlug“. Seine leidenden Augen zwangen ihn jedoch, sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Schon frühe griff D. in das politische Leben seines Heimathkantons ein, indem er mit zwei andern Bürgern am 12. September 1830 die „Ehrerbietige Bittschrift an den Großen Rath des Kantons Aargau“ richtete, welche den Rath ersuchte, die „Veranstaltung zu einer gesetzmäßigen Abänderung der dermaligen (aristokratischen) Verfassung zu treffen“. Der Ueberreichung der Bittschrift folgte bald, entgegen dem Willen der Unterzeichner, ein bewaffneter Aufstand der Massen, der sog. Freiämter-Zug nach Aarau sowie die wirkliche Umwandlung der alten Verfassung in eine demokratische. Der Eintritt Dorer’s in die gesetzgebende Behörde, den aargauischen Großen Rath (1832), ließ bald seine tüchtige Geschäftskenntniß erkennen und so wurde er mit einer Reihe von Aemtern und Aufträgen auf kantonalem und eidgenössischem Gebiete betraut. Er war Mitglied und Präsident des Bezirksgerichtes in Baden (1834–37), des dortigen Bezirksschulrathes, des kantonalen katholischen Kirchenrathes; er amtete als eidgenössischer Commissär in der Trennungsangelegenheit der beiden Kantone Basel-Stadt und Basel-Land (1832) und er vertrat den Kanton Aargau auf den beiden Conferenzen in Baden (1834) und Luzern (1835), welche die Rechte des Staates gegenüber den Anmaßungen der ultramontanen Kirche festzusetzen suchten. Vom Beginne des Jahres 1838 an gehörte er gleichzeitig der vollziehenden Landesbehörde, dem Kleinen Rathe an, als dessen Vorsitzender [28] (Landammann) er gleich im ersten Jahre amtete, um dann in den Jahren 1839 und 1840 als Ehrengesandter seines Heimathskantons auf der eidgenössischen Tagsatzung zu erscheinen.

Mit dem Jahre 1841 brach für den Kanton Aargau die in politischer Hinsicht bewegteste Periode des 19. Jahrhunderts heran. Die Aufhebung der Klöster vom 13. bezw. 20. Januar war ein Ereigniß, das nicht nur die Schweiz für die nächsten Jahre in Spannung erhielt. So sehr D. als aufgeklärter Katho1ik diese für das Wohl des Staates nothwendig gewordene Maßregel billigte, so wenig vermochte er sich später mit seinen Collegen über die den Klosterwirren entspringenden Detailfragen zu einigen. Er zog es vor, dem Großen Rathe ein ausführliches gedrucktes „Entlassungsgesuch“ als Mitglied des Großen und Kleinen Rathes einzureichen, das in so offener und rückhaltloser Weise seine abweichenden Ansichten über die weitere Gestaltung der Klosterfrage und seinen Entschluß, sich von allen öffentlichen Aemtern zurückzuziehen, motivirte, daß die arg verschnupfte Behörde diesem Gesuche sofort ohne Zubilligung des Dankes für geleistete Dienste entsprach (10. Nov. 1842). Von jeder öffentlichen Stellung frei und entbunden, widmete D. die ihm noch vergönnten 21 Jahre in Baden ausschließlich der von ihm eifrig gepflegten Dichtkunst sowie dem Studium der schönen Litteratur aller Völker und der heimathlichen Geschichte. Schon im J. 1841 waren von ihm vereinzelte Gedichte in der „Alpina. Schweizer. Jahrbuch f. schöne Litteratur“ (1. [einz.] Jahrg., Solothurn 1841) erschienen, denen andere in den „Neuen Alpenrosen. Eine Gabe schweizer. Dichter“ (1. Jahrg., Zürich u. Frauenfeld 1848), im „Album des litterar. Vereins in Bern“ (Bern 1858) und in der „Schweiz. Illustr. Monatschrift des Bernischen literar. Vereins“ (Frick 1859) folgten. Die meisten seiner Gedichte ließ der Dichter in den Jahren 1852 ff. auf fliegenden Blättern oder in kleineren Sammlungen vereinigt als Privatdrucke ausgehen, die er nur seinen Freunden zugänglich machte. Einem weitern Kreise ist deshalb D. als Dichter erst gegen Ende seines Lebens bekannt geworden, als er seine Gedichte in seinen „Kleinen Schriften“ (1. und einziges Bändchen, Baden 1858) und in seinen „Gesammelten Schriften“ (1. und einziger Band, Baden 1868) vereinigt hatte. Ueber den künstlerischen Gehalt seiner Poesien kann man sich vollständig dem Urtheile Heinrich Kurzens (s. u.) anschließen, das dahin lautet, daß, abgesehen von einzelnen leider nicht vermiedenen Incorrectheiten, „in seiner ganzen Dichtung der Geist der reinsten Humanität wehe, die sich über alle Vorurtheile des Standes, der Nationalität und der Confession erhebt und uns in dem Dichter auch den Menschen lieben läßt“. D. war ein ausgezeichneter Litterarhistoriker, der über eine große Belesenheit und ein feines Gefühl für die ästhetische Würdigung der von ihm behandelten litterarischen Producte verfügte. Im J. 1843 veröffentlichte er die zweite Ausgabe der 1823 erstmals erschienenen Gedichte der Schwester seiner Gattin, Luise Egloff (s. d.), denen er ein hübsches Lebensbild der Verfasserin vorausschickte („Luise Egloff, die blinde Naturdichterin“. Hrsg. von E. D. Aarau 1843). 1857 erschien seine Sammlung der Nachträge zu der Ausgabe der Werke von J. M. R. Lenz von L. Tieck unter dem Titel: „J. M. R. Lenz und seine Schriften“ (Baden 1857), über die er kurz vorher in den „Blättern für Kunst und Litteratur“ (Zürich 1856 und 1857) verschiedene Aufsätze hatte erscheinen lassen. Schon im J. 1852 war ein kleiner aber vortrefflicher Essay Dorer’s „Ueber Goethe’s Jery und Bätely“ in seinen „Blättern und Blüthen“ (Zweite Lese, o. O.) erschienen, der seine ausgezeichnete Kenntniß Goethe’s und sein feines Verständniß für dessen Werke verräth und der es bedauern läßt, daß D. nicht noch mehr über Goethe geschrieben [29] hat, den er während seines ganzen Lebens immer wieder von neuem durchstudirte. Auf Grund dieser Schrift und der in andern Arbeiten Dorer’s enthaltenen Aeußerungen über Goethe darf man D. ruhig als einen der besten Goethekenner seiner Zeit bezeichnen. – Wie sehr D. auch auf dem Felde der vergleichenden Litteraturgeschichte heimisch war, zeigt seine Schrift: „Zur Litteratur des Volkslieds“ (Aarau 1860), in welcher er die Lieder von der Lombarda und von der Clotilde in ihren verschiedenen Fassungen und auf ihren historischen Hintergrund hin untersuchte. Gleichzeitig erschienen die trefflich von ihm übersetzten „Volkslieder aus Italien, nebst einer Ballade zu Shakespeare’s Romeo und Julie“ (Baden 1860). Denselben war im Frühling 1854 die von D. und seinem Sohne Edmund gemeinsam ausgeführte Uebersetzung der Elegien (und Oden) von Johannes Sekundus (Baden 1854) voraus gegangen. Die vorzügliche und eindringliche Kenntniß der schönwissenschaftlichen Litteratur aller Völker, insbesondere der deutschen Litteratur gründete und stützte sich bei D. auf die von ihm während seines Leben gesammelte prächtige Privatbibliothek, die nach seinem Tode im December 1868 bei T. O. Weigel in Leipzig versteigert worden ist. (Vgl. den gedr. Katalog: „Dorer-Egloffs Bücherschatz“.) Dorer’s Goethe-Bibliothek war wol damals neben derjenigen Salomon Hirzel’s in Leipzig die vollständigste, die existirte. D. ist, nachdem ihm in den letzten Jahren die Augen gänzlich zu erblinden gedroht hatten, am 27. März 1864 in Baden gestorben; er hinterließ neben zwei Töchtern, von denen die eine, Blanka, ihn auch bei seinen Arbeiten unterstützte, zwei Söhne, den Dichter und Litterarhistoriker Edmund D. und den Bildhauer Robert D.

Vgl. neben den angeführten Schriften: Rob. Weber, Die poet. Nationalliteratur d. deutschen Schweiz. – Musterstücke etc. II, 170–185. Glarus 1866. – Heinr. Kurz, Gesch. d. deutschen Literatur mit ausgewählten Stücken etc. IV, 256–258 (mit e. Bilde Dorer’s). – Panorama oder die Kunst für das Volk. Hrsg. v. Jakob Emil Rothenbach. Liestal 1894, S. 195–198. – Gedrucktes u. handschriftl. Material d. aarg. Kantonsbibl. und d. aarg. Staatsarchivs in Aarau.