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ADB:Druffel, August von

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Artikel „Druffel, August von“ von Moriz Ritter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 114–118, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Druffel,_August_von&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 15:05 Uhr UTC)
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Band 48 (1904), S. 114–118 (Quelle).
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Druffel: August von D., Historiker. Als Sprößling einer Münsterschen, im J. 1804 geadelten Familie, wurde D. am 21. August 1841 in Coblenz geboren. Sein Vater, damals Landgerichtsrath, zuletzt Landgerichtspräsident in Aachen, wurde ihm, als er erst dreizehn Jahre zählte, durch den Tod entrissen, und von da lag seine Erziehung in der Hand der Mutter, einer Frau, in der ihm der Ernst sittlicher und religiöser Ueberlieferung, wie sie in den alten, streng katholischen Familien Münsters herrschte, mild, aber auch unerbittlich entgegentrat: ehrfurchtsvolle Scheu vor dem Urtheil dieser Mutter hat ihn ins Leben begleitet. Von Münster aus, wohin die Familie nach des Vaters Tod zurückgekehrt war, zog D. im Sommersemester 1859 nach Innsbruck, dann nach Göttingen und Berlin, um Geschichte zu studiren. Ficker, Jaffé und vor allem Waitz waren seine Lehrer. Im Seminar des letztern bildete er die seine spätern Arbeiten kennzeichnende Kunst zergliedernder Interpretation aus; hier eignete er sich auch den nur bei größter Entsagung durchzuführenden Grundsatz an, daß es in der Forschung vor allem andern auf Feststellung des Einzelnen, ohne Unterschied zwischen Großem und Kleinem, ankomme. Neben der Geschichte nahm die Nationalökonomie und etwas später, seitdem er im J. 1863/64 sein Militärjahr durchgemacht hatte, die Kriegswissenschaft sein tiefer gehendes Interesse in Anspruch. Als er im Winter 1862/63 seine Universitätsstudien abschloß und seine Doctorschrift über „Heinrich IV. und seine Söhne“ veröffentlichte, gedachte er, seine Kräfte in fortgesetzter wissenschaftlicher Forschung der deutsch-mittelalterlichen Geschichte zuzuwenden, und als nächstes Lebensziel schien sich dabei der Eintritt in die Universitätslaufbahn von selbst zu verstehen. Mit solchen Gedanken verlegte [115] er im Sommer 1864 seinen Aufenthalt nach München. Aber einer so einfach geraden Fortsetzung des eingeschlagenen Weges traten andere Einflüsse und andere Neigungen entgegen. – D. war mit fröhlicher Empfänglichkeit ins Leben getreten; sich in die Eigenart der Menschen zu versetzen, ihre Vorzüge hochherzig anzuerkennen und fremde Anschauungen auf sich wirken zu lassen, war ihm Natur und wurde ihm bei den edlen Umgangsformen, die er seiner vortrefflichen Erziehung verdankte, zur Kunst. So konnte er, der von Münster als Großdeutscher und positiver Katholik auszog, mit einem Mann von so heißen protestantischen und kleindeutschen Ueberzeugungen, wie Rudolf Usinger, einen engen Freundschaftsbund schließen; so konnte er sein ganzes Leben hindurch in eine Fülle von freundschaftlichen Beziehungen eintreten, wie sie nur Wenigen beschieden sind. Wie er sich aber den wechselnden Anregungen, welche Menschen und Studien ihm boten, sorglos öffnete, widerstrebte es ihm, seine Thätigkeit vorzeitig in einen engen Kreis zu bannen, und gar einen Entschluß zu fassen, der fürs Leben band, war und blieb ihm stets über die Maßen schwer. So geschah es, daß, als Franz Löher ihn mit landsmännischer Herzlichkeit aufnahm und ihm in der von der Historischen Commission beschlossenen Herausgabe der Wittelsbacher Correspondenzen die Bearbeitung des Briefwechsels des Herzogs Albrecht von Baiern für die Zeit von 1550–1568 anbot, er sich mit überraschender Schnelligkeit für diese Aufgabe gewinnen ließ, – damals freilich in der irrigen Meinung, daß er daneben seine mittelalterlichen Forschungen werde fortsetzen können. Anfangs vermochte er jedoch in den zerstreuten Briefschaften, die ihm vorgelegt wurden, weder Zusammenhang noch werthvolle Aufschlüsse zu finden. Da wurde es für ihn entscheidend, daß er sich mit seinen Zweifeln an Cornelius wandte und dieser – ich glaube, es war am Neujahrstag 1865 – ihm in kurzen und eindringlichen Worten einen Plan vorzeichnete, der im wesentlichen darauf hinausging, daß er die großen Wandlungen, die seit dem Ende des schmalkaldischen Kriegs bis zum Religionsfrieden das Reich ergriffen hätten, zum Gegenstand seiner Actensammlung machen und die bairischen Herzoge in der Rolle bloß Mitwirkender auffassen solle. Mit frischem Eifer ergriff D. diesen Vorschlag, und indem er für die Ausführung im einzelnen seinen Weg selbständig suchte, ging er an eine Arbeit, die fortan in den Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Thätigkeit trat, und aus der schließlich seine „Beiträge zur Reichsgeschichte“ hervorgingen. Die drei Bände, die er selbst herausgegeben hat (1873–80), enthalten vereinzelte Acten aus der Zeit der Vorbereitung und des Verlaufs des schmalkaldischen Kriegs, um sich dann, vom Ausgang des Jahres 1547 ab, mehr und mehr zu einem wenn nicht erschöpfenden, so doch alle verwandten Publicationen überragenden Quellenwerk für die Reichsgeschichte der betreffenden Zeit, besonders für das letzte der behandelten Jahre, für das Jahr 1552, abzurunden. In der Absicht nur Ungedrucktes mitzutheilen, suchte D. die Verbindung mit den gedruckten Quellen dadurch herzustellen, daß er überall, wo die Aussagen seiner Schriftstücke sich auf eine Thatsache bezogen, die ihm der Aufklärung zu bedürfen schien, eine bald kurze bald ausführliche, immer mit umfassender Litteraturkenntniß und peinlicher Sorgfalt geführte Untersuchung einflocht.

Mitten unter diesen Arbeiten trat eine Forderung an D. heran, die aus wissenschaftlichen und praktischen Erwägungen zugleich entsprang. Der junge Historiker, besonders wenn er die akademische Laufbahn betreten will, soll seine Fähigkeit zu zusammenfassender Forschung und Darstellung durch eine historische Monographie erweisen. Er gedachte denn auch, die Geschichte des Schmalkaldischen Kriegs vom politischen wie militärischen Gesichtspunkt zu [116] schreiben. Aber je näher er diesem großen Drama trat, um so mehr löste es sich vor seinem kritischen Auge in zahllose Einzelvorgänge auf, die alle erst von Grund aus untersucht sein wollten. Das Ende war, daß er den Plan fallen ließ und sich zwei anderen Unternehmungen zuwandte, die seiner Neigung zur erschöpfenden Untersuchung jeder Einzelheit besser entsprachen. Gleich bei Ausarbeitung des ersten Bandes seiner Beiträge hatte ihn das Verhältniß Karl’s V. zu Papst Paul III. und der Gang des Trienter Concils besonders angezogen. Für das eine und das andere begann er nun seit 1872 auf mehreren Reisen, die ihn nach Trient, Florenz und Neapel führten, die Acten zu sammeln, und zwar nicht mehr im Auftrag der Historischen Commission, sondern aus eigenen Mitteln, nur daß die Münchener Akademie, in deren Mitte er 1875 als außerordentliches, 1884 als ordentliches Mitglied eintrat, ihre Denkschriften für die Aufnahme seiner Arbeiten gern zur Verfügung stellte. So erschienen 1877–90 die vier Abhandlungen „Kaiser Karl V. und die römische Curie“, welche die Windungen und Wendungen der kaiserlich-päpstlichen Beziehungen zugleich mit dem steten Wechsel der politischen Constellation von dem Beginne des Speirer Reichstags (Februar 1544) bis nahe an den Ausbruch des schmalkaldischen Kriegs mit einer tagebuchartigen Genauigkeit darlegen, so erschienen ferner von 1884–87 die drei ersten Hefte der Monumenta Tridentina, vornehmlich die Correspondenz zwischen den Legaten und der Curie von Februar 1545 bis Februar 1546 enthaltend: der Beginn eines authentischen Quellenwerks für die Geschichte des Trienter Concils.

Es ist unmöglich, auf kurz bemessenem Raum zu verfolgen, wie von diesen Hauptrichtungen aus die litterarische Thätigkeit Druffel’s sich weiter entfaltete, wie er besonders auch in einschneidenden Recensionen sich auf dem Gebiete der Reformationsgeschichte sowol, wie des Mittelalters bewährte. Aber fragen müssen wir, wie nun diese großartige, aus den reinsten wissenschaftlichen Antrieben hervorgegangene Thätigkeit auf seine äußere Lebensstellung wirkte. – Aehnlich wie vor dem Entschluß zu einem darstellenden Geschichtswerk, so wich D. auch lange vor dem Eintritt in den Beruf des Universitätslehrers zurück: er wollte die freie Forscherarbeit nicht einer durch die Bedürfnisse des Unterrichts vorgezeichneten Lehrthätigkeit opfern. Wie aber anderseits das einsame Leben des Privatgelehrten ihn um so weniger befriedigte, je mehr er im Alter voranschritt, so begrüßte er es wie eine Erlösung aus drückender Enge, als die Kriege von 1866 und 1870 ihn zu frischer That ins Feld riefen. Die Sicherheit, welche er überall da bewährte, wo es augenblicklich zu handeln galt, ließ ihn sich als kaltblütigen Officier in der Schlacht, als festen und humanen Geschäftsmann in der militärischen Verwaltung hervorthun. Er war denn auch Soldat mit Leidenschaft, und eine gewisse Ueberwindung kostete es ihn, als er nach dem Ende der Kriege zu seiner friedlichen Beschäftigung nach München zurückkehrte. Hier that er endlich – im August 1877, wenige Tage bevor er sein 36. Lebensjahr vollendete – den so lange verschobenen Schritt zur Habilitation als Privatdocent an der Universität. Nachdem er jedoch den Entschluß einmal ausgeführt hatte, arbeitete er sich zwar langsam, aber stetig in die Aufgaben des akademischen Lehrers hinein. Mit Gegenständen beginnend, die seinem nächsten Studiengebiet entnommen waren, umspannten seine Vorlesungen allmählich die Zeit von Rudolf von Habsburg bis ins 19. Jahrhundert. – Natürlich hegte er nun auch den Ehrgeiz, Professor zu werden; da jedoch trat ihm ein neues Hinderniß in den Weg.

Von seiner ersten Münchener Zeit ab hatte D. den öffentlichen Dingen im stillen ein höchst lebendiges Interesse entgegengebracht. Unter den Wandlungen [117] der Zeit wurden ihm aber auch die kirchlichen und politischen Anschauungen, die er vom Elternhaus mitgebracht hatte, vielfach gleichsam zu Hypothesen, die der prüfenden Verarbeitung bedurften. Eine Krisis in diese seine Stimmung brachte das vaticanische Concil. Gleich die Vorbereitungen desselben erregten ihn im Innersten. Der Widerwille gegen das System der päpstlichen Allgewalt, daneben seine Studien über das Tridentinum führten ihn zu einer Opposition gegen die in der katholischen Kirche zur Herrschaft gelangte Richtung, welche ihm eine allgemeine Prüfung der Grundlagen des kirchlichen Verfassungs- und Lehrgebäudes auferlegte, und das Ergebniß war, daß er sich des Widerspruchs nicht nur gegen die päpstliche Unfehlbarkeit, sondern auch gegen andere Lehren der Kirche, wie sie ihm in der Gegenwart erschien, bewußt wurde. Andererseits war ihm das Bewußtsein, daß sein sittlich-religiöses Leben aus dem Grund der uralten kirchlichen Gemeinschaft erwachsen war, zu stark, als daß er sich leichthin von ihr losgesagt hätte. So bekannte er denn ohne Rückhalt den Widerspruch gegen die vaticanischen Dogmen und nahm neben Huber und Cornelius einen Platz in dem Ausschuß zur Leitung der altkatholischen Bewegung in Baiern; aber den Verband mit der römisch-katholischen Kirche löste er nur soweit, als eine bestimmte Ueberzeugung es erheischte, und erst im J. 1887, als der römisch-katholische Pfarrer ihm die Taufe eines Kindes verweigerte, entschloß er sich zum förmlichen Eintritt in die altkatholische Gemeinde.

Von dem Augenblick, da D. diesen Standpunkt ergriff, mußte er erfahren, in welchem Maaße die Besetzung der Lehrstühle für Geschichte von kirchlichen Rücksichten abhängig ist. Während die in der Regel mit Protestanten besetzten Professuren ihm lautlos verschlossen blieben, war er für diejenigen Stellen, bei deren Vergebung auf die Forderung der Ultramontanen mittelbare oder unmittelbare Rücksicht genommen wurde, erst recht unmöglich. Natürlich mußten zur Rechtfertigung seiner Uebergehung andere Gründe dienen: der Mangel an Durchsichtigkeit und Flüssigkeit des Vortrags, das Zurücktreten allgemeiner Gesichtspunkte vor den scharf gefaßten Einzelheiten, die Verschmähung des Appells an nationale oder kirchliche Leidenschaften der Zuhörer. Sich über diese Zurücksetzung in Klagen zu ergehen, oder Schritte zu thun, die nach Bewerbung aussahen, würde D. bei der vornehmen Art seines Wesens als Herabwürdigung betrachtet haben; aber gleichgültig war ihm die stete Uebergehung keineswegs. Im vertrauten Verkehr verrieth wol eine kurz hingeworfene Aeußerung des Unmuths oder ein scharfes Wort über akademische Kameradschaften seine Mißstimmung. Wie tief solche Stimmungen gingen, wage ich nicht zu beurtheilen; jedenfalls gewann er jedoch die alte Heiterkeit des Lebens und die Freudigkeit der Arbeit wieder, als er mit seiner in den letzten Tagen des Jahres 1885 vollzogenen Vermählung einen Entschluß ausführte, den er seit zwei Jahrzehnten stets gesucht und immer wieder geflohen hatte. Lange Dauer war leider dem reinen und tiefen Glück seiner Ehe nicht beschieden. Schon zwei Jahre nach seiner Heirath, im Januar 1888, brach eine Krankheit aus, deren Keim wol unter den Anstrengungen von zwei Feldzügen gelegt war. Fast drei Jahre lang rang er mit dem unerbittlich fortschreitenden Leiden, immer wieder zu seinen wissenschaftlichen Studien zurückkehrend. Noch war es ihm vergönnt, unter neuen Arbeitsplänen den Eintritt ins 51. Lebensjahr zu feiern; aber zwei Monate später überkam ihn ein letzter Krankheitsanfall, der am 23. October 1891 sein Ende herbeiführte.

Verzeichniß von Druffel’s Schriften in dem Almanach der Münchener Akademie, 1884 und 1890. – Biographische Skizze von Max Lossen in [118] der Beilage der Allgemeinen Zeitung, 8., 9. und 11. Januar 1892. – Nekrolog von Cornelius in seinen Historischen Arbeiten (1899), S. 614.