Zum Inhalt springen

ADB:Edelsheim, Ludwig Freiherr von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Edelsheim, Ludwig Freiherr von“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 640–641, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Edelsheim,_Ludwig_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 17:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Eder, Georg
Band 5 (1877), S. 640–641 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig von Edelsheim in der Wikipedia
Ludwig von Edelsheim in Wikidata
GND-Nummer 136325416
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|5|640|641|Edelsheim, Ludwig Freiherr von|Friedrich von Weech|ADB:Edelsheim, Ludwig Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=136325416}}    

Edelsheim: Ludwig Freiherr von E., geb. in Karlsruhe am 24. Oct. 1823, † zu Konstanz am 23. Februar 1872. Die Familie E. gehört ursprünglich der hanauischen Ritterschaft an, in deren Gebiete sie das Rittergut Wachenbuchen besaß. Zwei Brüder aus dieser Familie traten im 18. Jahrhundert in die Dienste des Markgrafen Karl Friedrich von Baden, die Freiherren Wilhelm und Georg Ludwig v. E. Der erstere († 1793) war u. a. badischer Gesandter in Wien, den zweiten, der früher in preußischen Diensten gestanden, hatte Friedrich der Große während des siebenjährigen Krieges mit einer wichtigen Mission nach England betraut; nachdem er in badische Dienste getreten, versuchte er in so fern in die deutschen Verhältnisse einzugreifen, als er im J. 1783 eine Denkschrift verfaßte und dem preußischen Minister v. Hertzberg überreichen ließ, die allerdings keinen unmittelbaren Einfluß auf die spätere Gestaltung des Fürstenbundes von 1785 ausübte, aber dennoch mit zu den treibenden Kräften gehörte, die diesen Versuch einer Reichsreform veranlaßten (vgl. Schmidt, Gesch. d. preuß.-deutsch. Unionsbestreb. S. 17 ff.). Später vertrat er Baden auf dem Rastatter Congreß und in Paris und starb als Minister der auswärtigen Angelegenheiten am 2. December 1814. – Dessen Enkel ist Ludwig v. E. Nach Vollendung seiner Studien und größerer Reisen trat er 1855 als Mitglied der kurhessischen ersten Kammer in die politische Bahn ein und nahm an deren Verhandlungen, als eifriger Vertheidiger des strengen Rechtsstandpunktes, in den bekannten Verfassungskämpfen Antheil. Als nach der Verwerfung des Concordates (1860) in Baden sein Jugendfreund Freiherr Franz v. Roggenbach das auswärtige Ministerium Badens übernahm, trat E. in den diplomatischen Dienst seines Geburtslandes und wurde Gesandter in Wien und Dresden. In dieser Eigenschaft hatte er die deutsche Politik seiner Regierung – bundesstaatliche Einigung unter Preußens Führung und freundschaftliches Verhältniß zu dem aus dem Bunde auszuscheidenden Oesterreich – am Wiener Hofe zu vertreten. Nicht viel dankbarer und aussichtsvoller war die Aufgabe, welche ihm zu Theil ward, als nach dem Tode König Friedrichs VII. von Dänemark die schleswig-holsteinsche Frage in den Vordergrund der politischen Ereignisse trat. Er erhielt nämlich von seiner Regierung, welche alsbald den Herzog von Augustenburg anerkannte, den Auftrag, sich zu demselben nach Gotha zu begeben und ihm mit seinem Rathe zur Seite zu stehen. Als die beiden deutschen Großmächte, gegen den Willen und Beschluß des deutschen Bundes, den Krieg gegen Dänemark begannen, nahm E. an mehreren Berathungen von Ministern der Mittelstaaten Antheil, bei denen der Versuch gemacht werden sollte, eine selbständige Politik der Mittel- und Kleinstaaten, auch in directem Gegensatze zu den Entschließungen Oesterreichs und Preußens, in Scene zu setzen. Wenn dabei auch die deutsche Verfassungsfrage zur Sprache kam, so zeigte sich bald, daß Baden, das an seinem föderativen Standpunkte, gleichzeitig aber auch an der preußischen Führung festhielt, den Anschauungen der anderen, stets nach Oesterreich hinneigenden und auf die Demüthigung, ja Zertrümmerung Preußens rechnenden Cabinete gegenüber, eine vereinzelte Stellung einnahm. E. persönlich hatte zwar lange genug in Oesterreich gelebt, um zu bezweifeln, ob die Kräfte dieses Staates genügen würden, durch einen Krieg die Macht Preußens zu brechen, aber er betrachtete andererseits das Streben Preußens nach Erwerbung deutscher Landestheile als so unzulässig und den nationalen [641] Interessen, wie er sie verstand, so sehr zuwiderlaufend, daß er es für die Pflicht jedes deutschen Staates hielt, gegen die preußische Vergrößerungspolitik seinen ganzen Einfluß einzusetzen. Indem nun noch dazu kam, daß E. einem sehr stark ausgeprägten doctrinellen Liberalismus huldigte und deshalb in dem Conflicte, der in Preußen zwischen Regierung und Volksvertretung ausgebrochen war, mit allen seinen Sympathien auf Seite der letzteren stand, bildete sich bei ihm, fast unbewußt, eine geradezu feindselige Stimmung gegen Preußen und die dort am Ruder befindlichen Staatsmänner, in erster Reihe gegen den Ministerpräsidenten v. Bismarck, aus. Bei dieser Stimmung war es verhängnißvoll, daß E. kurze Zeit nach dem Abschlusse des Gasteiner Vertrages in das badische Staatsministerium berufen wurde, um dort den Freiherrn v. Roggenbach zu ersetzen. Bis E. in Wien und Dresden seine Abberufungsschreiben überreicht und seine Privatangelegenheiten geordnet hatte, kam das Ende des J. 1865 heran, und als er die Leitung des badischen Ministeriums des Auswärtigen übernahm, war die Krisis, welche der Krieg von 1866 gewaltsam löste, schon in vollem Gange. In Baden war, wie auch sonst im deutschen Süden, die öffentliche Meinung vorwiegend für Oesterreich und gegen Preußen gestimmt; nur ein kleiner Kreis politisch geschulter Männer sah klar, welchen Gefahren man mit dem Kriegsgeschrei, das von klerikaler Seite lebhaft unterstützt wurde, entgegengehe und plädirte, freilich von Anfang an ziemlich hoffnungslos, für Neutralität Badens in dem drohenden Kriege. Auch E. war anfangs nicht dafür, sich blind in einen Krieg zu stürzen, dessen Ausgang doch auch den entschiedenen Anhängern Oesterreichs zweifelhaft erschien; in den Conferenzen mit den Ministern der anderen Mittelstaaten mahnte er, seinen Instructionen entsprechend, von allem ab, was die Kriegsgefahr fördern konnte. Als aber nach und nach diese Berathungen fast unmerklich die Form von Vorbereitungen zum Kriege annahmen, wurde auch E. immer mehr in diese kriegerische Stimmung hineingezogen. Im badischen Staatsministerium fand er an Karl Mathy einen eben so klar denkenden als national gesinnten und entschlossenen Gegner; als aber dieser, nachdem Badens Betheiligung an der österreichisch-mittelstaatlichen Politik zweifellos geworden war, zurücktrat, war Edelsheim’s Einfluß im Ministerium maßgebend. Die Energie seiner Persönlichkeit riß auch die Mehrheit beider Kammern mit sich fort; von Neutralität sprachen nur noch die Redner einer kleinen Minderheit der ersten Kammer: Jolly, Bluntschli, Schmidt; von der Bewilligung der Mittel zur Mobilmachung konnten sich auch diese nicht ausschließen. Die siegreichen Julitage des J. 1866 machten indeß dem Ministerium Edelsheim rasch ein Ende. Als sich nach dem Abschlusse der Nikolsburger Friedenspräliminarien die Nothwendigkeit directer Verhandlungen der von Oesterreich verlassenen deutschen Staaten mit dem siegreichen Preußen ergab, erbat und erhielt E. seine Entlassung, und der Großherzog, der sich nur ungern entschlossen hatte, sich auf die Seite der Feinde Preußens zu stellen, berief Mathy von neuem, jetzt als Ministerpäsidenten, in sein Staatsministerium.

Von da an lebte E. in stiller Zurückgezogenheit nur noch seiner Familie in Konstanz, bis ihn in der Vollkraft des Mannesalters eine kurze Krankheit dahinraffte. Es hat ihm die Gelegenheit gefehlt, zu beweisen, ob er mit seiner unleugbaren Begabung und Energie auch genug Ausdauer und praktische Geschäftsgewandtheit verbunden hätte, um die in normalen Zeiten oft recht eintönigen, dabei aber doch verwickelten und ebensoviel Kraft als Besonnenheit fordernden Angelegenheiten eines deutschen Mittelstaates erfolgreich zu leiten. Ueberzeugungstreue und Charakterfestigkeit haben ihm auch seine Gegner nie bestritten.

Litteratur: L. Frh. v. Edelsheim ein Nekrolog von O. v. Wydenbrugk). Allgem. Zeitung v. 1872 N. 131 u. 131 Beil. – Badische Biographieen I, 211–217.