ADB:Fürst, Julius (Orientalist)

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Artikel „Fürst, Julius“ von Jakob Auerbach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 211–213, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:F%C3%BCrst,_Julius_(Orientalist)&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 00:23 Uhr UTC)
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Fürst: Julius F., Orientalist, geb. am 12. Mai 1805 zu Zerkowo (Posen), † am 9. Febr. 1873 zu Leipzig. Unter ungünstigen Verhältnissen herangewachsen, mußte er sich mühsam den Weg zu seiner wissenschaftlichen Ausbildung bahnen. Er wurde frühzeitig in der hebräischen Bibel und im Talmud unterrichtet, eignete sich dann auch die Elemente der allgemeinen Bildung und Vorkenntnisse in den classischen Sprachen an und besuchte (vom J. 1820 an) ein Gymnasium in Berlin. Sein daselbst (1825) begonnenes akademisches Studium unterbrach er bald, um sich nach Posen zu begeben, wo er sich speciell für den rabbinischen Beruf vorzubereiten gedachte. Nachdem er sich (1829) von diesem Berufe entschieden abgewandt hatte, widmete er sich rein wissenschaftlichen Studien, zunächst auf der Universität zu Breslau und nachher (1831) noch zu Halle (unter Gesenius u. A.). Als Hauptfach wählte er sich das von ihm bisher schon betriebene Studium der semitischen Sprachen, bei dem ihm zu statten kam, daß er von Jugend auf mit dem Hebräischen (und wol auch mit dem Chaldäischen), wie mit einer Muttersprache vertraut und in der nachbiblischen jüdischen Litteratur bewandert war. Von diesem Gebiete aus betrat er auch den Weg der vergleichenden Sprachwissenschaft. Nach seiner Promotion zum Doctor der Philosophie ließ er sich (1833) zu Leipzig nieder, wo er seine regsame schriftstellerische Thätigkeit begann und bis ans Ende fortsetzte. Im J. 1834 übertrug ihm Karl Tauchnitz die neue Bearbeitung der Buxtorfischen Concordanz, die er in einer Stereotypausgabe aufzulegen beabsichtigte. F. widmete sich dieser an sich schon mühsamen und zeitraubenden Arbeit mit dem größten Fleiße und lieferte (mit Benutzung einer werthvollen handschriftlichen Vorarbeit von Wolf Heidenheim) ein beinahe ganz neues Werk, dem er – zumal mit Rücksicht auf [212] die von ihm hinzugefügten grammatischen und etymologischen Erklärungen, wissenschaftlichen Beilagen etc. – mit Recht seinen Namen als Verfasser vorsetzen konnte (s. die Vorrede). Dasselbe erschien von 1837 an und lag 1840 (unter dem Titel: „Concordantiae librorum Veteris Testamenti hebraicae et chaldaicae“ etc.) als eine auch durch die Ausstattung würdige Gabe zum vierten Jubiläum der Buchdruckerkunst vollendet vor. Bereits 1835 hatte F. seine „Chaldäische Formenlehre“ veröffentlicht, der sich unter dem Titel: „Perlenschnüre aramäischer Gnomen und Lieder“ (1836) eine Chrestomathie anschloß. Die Formenlehre kündigte sich mit dem Haupttitel: „Lehrgebäude der aramäischen Idiome mit Bezug auf die Indo-Germanischen Sprachen“ als ersten Theil eines größeren Werks an, das aber (es waren noch 5 Bändchen in Aussicht genommen) nicht fortgesetzt wurde. „Wie ein vor uns liegender Körper“, heißt es u. a. im Vorworte, „muß die Sprache, um ihr Wesen, ihren Organismus zu durchschauen, anatomisch zerlegt und geprüft und das Einzelne in Beziehung zum Ganzen gestellt werden. In den Sanskrit-Sprachen steuert das grammatische Studium bereits diesem schönen Ziele zu.“ Diese zerlegende und „systematisch-comparative“ Methode wandte F. auf das Semitische an, um dasselbe „dem Familienbande der indisch-europäischen Sprachen näher zu führen.“ Ein Urtheil darüber, ob und inwiefern er mit seinem Versuche, bei dem er von der Voraussetzung einer „formalen Ureinheit“ und gemeinsamer phonetischer Urorganismen“ der Sprachen ausging, zum Fortschritte der Wissenschaft beigetragen hat, steht selbstverständlich nur Fachgelehrten der vergleichenden Sprachforschung zu. Ewald beurtheilte die Schrift ganz wegwerfend, was zu heftigen Ausfällen des Verfassers gegen denselben führte. Abraham Geiger, der (Wissensch. Ztschr. III. 252–76) sowol der Formenlehre als der Chrestomathie eine ausführliche Recension widmete, äußerte – was die Sprachvergleichung betrifft, in der er sich, da ihm das Sanskrit unbekannt, für incompetent erklärte – nur seine Bedenken über ein zu weit gehendes zerlegendes Verfahren, sprach sich im allgemeinen anerkennend über die „von Fleiß, vielseitigen Sprachkenntnissen und Geschmack zeugenden Leistungen“ Fürst’s aus, wies ihm aber auch Verstöße in der Behandlung des Aramäischen nach. Wenn F. und Franz Delitzsch in jugendlichem Eifer die von ihnen eingeschlagene Richtung bereits eine neue Schule nannten (s. a. die Vorrede zur Concordanz), so war dies jedenfalls eine große Uebereilung. Sie waren jedoch berechtigt, mit dem Namen: „historisch-analytische Schule“ zugleich darauf hinzudeuten, daß sie mit gehöriger Sachkenntniß auf die lange vernachlässigten jüdischen Quellen zurückgingen. Waren es auch nicht immer Goldkörner, die in der ersten Freude des Auffindens dafür gehalten wurden (u. a. überschätzte man auch einen Theil der neuhebräischen Poesie. S. Geiger a. a. O., S. 377 ff.), so haben die neuen Forschungen doch unstreitig die Fachwissenschaft gefördert. – An die Concordanz schließen sich Fürst’s lexikographische Arbeiten an. Seinem „Hebräischen und chaldäischen Schulwörterbuch über das Alte Testament“ (1842 Stereotypausgabe) folgte sein „Hebräisches und chaldäisches Handwörterbuch" (1857–61; 3. Aufl., bearbeitet von Ryssel 1876), ein als werthvoll anerkanntes Werk, das auch ins Englische übersetzt wurde. – F. war vermöge seiner vielseitigen Kenntnisse besonders auch dazu befähigt, strebsame Studirende gründlich in den an den Universitäten nicht vertretenen Zweigen der jüdischen Litteratur zu unterrichten. Er hielt seit 1839 Vorlesungen an der Universität zu Leipzig, und es war als ein Fortschritt zu begrüßen, daß er als Jude zum Lector und 1864 zum Professor an derselben ernannt wurde. – An den seit 1835 neu erwachten wissenschaftlichen Bestrebungen und reformatorischen Bewegungen im Judenthume betheiligte sich F. mit gewandter publicistischer Thätigkeit durch die von ihm redigirte Wochenschrift: „Der Orient“, die 1840–51 erschien (Leipzig, [213] Fritzsche). Mit seiner persönlichen Ueberzeugung auf einem entschieden freisinnigen religiösen Standpunkte stehend, verstattete er gern auch mehr conservativen Stimmen, sich in seinem Blatte vernehmen zu lassen. Es war aber zu bedauern, daß sich auch unlautere Elemente in demselben geltend zu machen suchten. In wissenschaftlicher Hinsicht wirkte die Zeitschrift sehr anregend durch ihr „Litteraturblatt“, das einen lebendigen Verkehr unter Gelehrten des betreffenden Fachs vermittelte. Es enthält eine große Zahl von Abhandlungen, Untersuchungen, Notizen etc., die theilweise einen dauernden Werth behaupten. – Ein nützliches, aber nicht durchaus zuverlässiges bibliographisches Werk ist Fürst’s „Bibliotheca judaica“ (1849–63). Auch zur Geschichte des Judenthums und zur Einleitung in die Bibel hat F. Beiträge geliefert, die zwar mangelhaft, aber immerhin brauchbar sind. Er benutzte zuweilen seine Vorgänger ohne gründliche selbständige Forschung, wußte aber das Material geschickt zusammenzustellen und faßlich darzulegen. Wir nennen von seinen zahlreichen Schriften (darunter auch Uebersetzungen und ähnliche Arbeiten) nur noch folgende: „Cultur- und Litteraturgeschichte der Juden in Asien“ (1849); „Geschichte des Karäerthums“ (1862–69; F. folgte dabei der betreffenden hebräischen Schrift Pinsker’s, ohne die erforderliche Kritik anzuwenden); „Der Kanon des Alten Testaments nach den Ueberlieferungen in Talmud und Midrasch“ (1868); „Geschichte der biblischen Litteratur und des jüdisch-hellenischen Schriftthums“ (1867–70).