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ADB:Flottwell, Eduard von

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Artikel „Flottwell, Eduard Heinrich von“ von Adalbert von Flottwell in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 280–283, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Flottwell,_Eduard_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:24 Uhr UTC)
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Flottwell **): Eduard Heinrich von F., geb. zu Insterburg am 23. Juli 1786, Sohn eines angesehenen dortigen Justiz-Commissarius und Criminal-Directors, stammt aus einer unter den letzten Stuarts aus England nach Hannover und von dort nach Litthauen übersiedelten Familie. Nach Vollendung seiner wissenschaftlichen Vorbereitungen auf dem Gymnasium zu Tilsit bezog er die Universität zu Königsberg, woselbst er neben dem juristischen Fachstudium die Vorlesungen von Kant und Christian Jacob Kraus hörte, die einen wesentlich bestimmenden Einfluß auf seinen Entwickelungsgang behielten. Schon im 19. Jahre trat er am 16. Februar 1805 zunächst unter der Leitung seines eigenen Vaters in den praktischen Justizdienst. Nach zurückgelegtem großen Justizexamen arbeitete er noch einige Zeit als Assessor beim Tribunal in Königsberg. Im J. 1808 ging er auf den Wunsch seines Vaters nach Insterburg, wo er 4 Jahre beim Oberlandesgericht daselbst beschäftigt wurde. Durch ein eigenes Zusammentreffen geschah es, daß er 1812 zugleich das Patent zum Regierungsrath und als Oberlandes-Gerichtsrath erhielt. Der damalige Präsident v. Schön in Gumbinnen hatte nämlich seinen Uebertritt zur Regierung gewünscht und zu diesem Zwecke seine Ernennung zum Regierungsrathe befürwortet und erwirkt, während gleichzeitig und in entgegengesetzter Absicht sein Patent als Oberlandes-Gerichtsrath auf den Antrag des damaligen Justizministers v. Kircheisen vollzogen und ausgestellt worden war. Er zog jedoch die erstere Aussicht vor und ging Anfang December 1812 als Regierungsrath nach Gumbinnen, woselbst er an Stelle des erkrankten Regierungsdirectors Schulz die Verpflegung und Einquartirung der Truppen übernehmen mußte. Nach dem Tode seiner ersten Frau (Januar 1813) schwer erkrankt, beabsichtigte er, kaum genesen, sich zum Eintritt in die Armee im Kampfe für das Vaterland zu melden. Er wurde jedoch durch v. Schön veranlaßt, diesen Plan aufzugeben und dem Vaterlande seine Kräfte auf andere Weise nützlich zu machen. Er wurde auf 2 Monate nach Danzig zur Ordnung des dort sehr in Verwirrung gerathenen Verpflegungswesens für das russische Corps unter dem Herzog von Würtemberg geschickt. Nach der Beendigung dieses höchst beschwerlichen Geschäftes kehrte er nach Gumbinnen zurück, wo er als Präsidialrath unter Schön arbeitete. Mit Letzterem ging er 1816 nach Berlin zur Berathung über die Organisation der Landesbehörden und wurde später, als [281] Schön die Provinz Westpreußen übernahm, als Geheimer Regierungsrath dem Collegium zu Danzig überwiesen. Im J. 1825 wurde er – 39 Jahre alt – zum Regierungspräsidenten in Marienwerder ernannt. Eine große Hungersnoth im J. 1827 sowie die in Folge der Deichdurchbrüche entstandenen allgemeinen Weichselüberschwemmungen des J. 1829 gaben ihm Gelegenheit seine seltene organisatorische Befähigung und seine hingebende Fürsorge für den ihm anvertrauten Bezirk in glänzendster Weise zu zeigen, so daß sein Name noch jetzt unter der Bevölkerung nicht vergessen ist. Bei einem Aufenthalt in Westpreußen lernte Friedrich Wilhelm III. ihn persönlich kennen und faßte ein großes, sich bei allen späteren Berührungen stets erneuerndes Zutrauen zu ihm. Auch der in seiner Begleitung befindliche junge Prinz Wilhelm, der jetzige Kaiser, fühlte sich durch die frische offene Persönlichkeit Flottwell’s lebhaft angezogen. Dieses seltene Vertrauen seines Königs berief ihn bald in eine hervorragende Stellung. Nach Ausbruch der polnischen Revolution im J. 1830 wurde er zum Oberpräsidenten der durch diese Wirren ebenfalls bedrohten Provinz Posen ernannt. Durch Besonnenheit, Ruhe und Energie gelang es ihm, jeden Versuch der Auflehnung gegen die preußische Regierung abzuwenden, wenn auch die eifrigste Sympathie und der Zuzug zahlreicher Insassen zu den Revolutionstruppen nicht verhindert werden konnte. Diese Stimmung in der Provinz und der gefährliche Einfluß, den der polnische Adel und die ebenfalls ganz polnische katholische Geistlichkeit auf die Bevölkerung ausübten, zeigten ihm den Weg, den er mit unerschütterlicher Consequenz und rastloser Energie zehn Jahre hindurch in der Verwaltung der Provinz Posen verfolgt hat und dessen Erfolge noch heutigen Tages zu erkennen sind und seinen Namen in dankbarster Erinnerung in der Provinz fortleben lassen. Er selbst hat diesen Weg in einer später zur öffentlichen Kenntniß gelangten Denkschrift, die er dem Könige Friedrich Wilhelm IV. einreichte, dahin bezeichnet, daß er die innige Verbindung der Provinz Posen mit dem preußischen Staat dadurch zu fördern und zu befestigen strebte, daß die ihren polnischen Einwohnern eigenthümlichen Richtungen, Gewohnheiten und Neigungen, die einer solchen Verbindung widerstrebten, allmählich beseitigt, daß dagegen die Elemente des deutschen Lebens in seinen materiellen und geistigen Beziehungen immer mehr in ihr verbreitet würden, damit endlich die gänzliche Vereinigung beider Nationalitäten als der Schluß dieser Aufgabe durch das entschiedene Hervortreten deutscher Cultur erlangt werden möge. Am kräftigsten und zugleich willkommensten glaubte er die Zwecke des Staats durch die Sorge für die materiellen Interessen der Provinz zu heben. Die Entfesselung der Bauern und kleinen Städte von der gutsherrlichen Gewalt, die freigegebene Entwickelung des Gewerbefleißes und die Erleichterung und Vermehrung des Verkehrs sowie die vertrauensvolle Sicherheit in Bezug auf die Gerichtspflege und die Verwaltung wurde bald als eine Wohlthat der Staatsregierung von der Bevölkerung anerkannt. Nicht minder mußte die gleichzeitig ins Leben gerufene außerordentliche Vermehrung der Unterrichts und Bildungs-Anstalten selbst dem dunkelen Gefühl des polnischen Landmannes als eine wohlwollende Fürsorge der preußischen Regierung erscheinen. Bei der zerrütteten finanziellen Lage der polnischen Großgrundbesitzer war es endlich sein Bestreben, deutsche intelligente Besitzer an Stelle der zu Grunde gegangenen Polen in das Land zu ziehen und suchte er diesen Bestrebungen durch eifrigste Unterstützung des Staats zu Hülfe zu kommen. Große zur Subhastation oder zum Verkauf kommende Güter wurden vom Staat angekauft und im Ganzen oder in kleineren Gütern je nach dem wirthschaftlichen Bedürfniß an deutsche Landwirthe unter billigen Bedingungen veräußert. Wenn F. auch in diesen Bestrebungen der bis dahin herrschenden polnischen Richtung entschieden entgegentrat, so war es doch nur diese Richtung, [282] die er bekämpfte und welche er mit Recht für unvereinbar mit dem Wohle des Staates hielt. Mit den Polen selbst verkehrte er vielfach freundschaftlich und stand ihnen näher, als dies unter der späteren Regierung zwischen Deutschen und Polen vorkam. Er kämpfte mit offenem Visir und Jeder wußte, wie er mit ihm dran war, was auch die Polen bereitwillig anerkannten. In glücklichster Weise wurde F. durch das Zusammenwirken mit dem ihm eng befreundeten commandirenden General v. Grolmann in allen seinen Bestrebungen unterstützt. Nach 10 erfolgreichen Jahren, denen die Provinz Posen einen ungeahnten Aufschwung verdankt, wurde F. am 20. December 1840 als Oberpräsident nach der Provinz Sachsen versetzt, nachdem er bei der Huldigung in Königsberg am 10. September 1840 zum wirklichen Geheimen Rath mit dem Titel Excellenz erhoben worden war. Während seiner dortigen Thätigkeit fand er durch den verheerenden Brand von Hamburg im J. 1842 eine denkwürdige Gelegenheit auch außerhalb seines preußischen Vaterlandes sein organisatorisches Talent und rastlose Energie zu zeigen. Als königlicher Commissarius übernahm er mit den aus ganz Deutschland zuströmenden Mitteln die Fürsorge für die schwer bedrängten Bewohner und löste die Aufgabe so glänzend, daß Hamburg ihm das Ehrenbürgerrecht verlieh. Aber bereits am 3. Mai 1844 wurde er von Friedrich Wilhelm IV. zum Staats- und Finanzminister berufen. Die Eröffnung der ersten deutschen Gewerbeausstellung aller Zollvereinsstaaten im J. 1844, die er mit den oft citirten Worten schloß „Vorwärts mit deutscher Kraft und deutschem Fleiß“, sowie der Erlaß der preußischen Gewerbeordnung im J. 1845 sind Zeugen seiner Thätigkeit in dieser Stellung, aus welcher er jedoch nach zwei Jahren wieder ausschied, weil er eine Veränderung der Organisation dieses Ministeriums (Unterordnung der Geldinstitute, Bank, Seehandlung, Staatsschuldenverwaltung unter das Finanzministerium und Trennung der Handels-, Berg- und Salinen-Verwaltung von demselben) nicht durchsetzen konnte, eine organische Umgestaltung, welche bald darauf als naturgemäß und nothwendig im J. 1848 anerkannt und ausgeführt wurde. Am 15. Juli 1846 übernahm F. das Oberpräsidium von Westfalen. Seine dortige Thätigkeit unterbrach das Jahr 1848. Von sieben Wahlbezirken zur deutschen Nationalversammlung gewählt, ging er für einen Wahlkreis der Provinz Sachsen nach Frankfurt a./M., um dort eine der staatsmännischen Stützen der äußersten Rechten zu werden. Im Februar 1849 von einem Wahlkreise der Provinz Posen in die damalige Erste Kammer gewählt, gab er das Frankfurter Mandat auf und trat in die preußische Erste Kammer ein. Nach der im Sommer 1849 erfolgten Auflösung der zweiten und Vertagung der ersten Kammer wurde ihm die commissarische Verwaltung seiner heimathlichen Provinz Preußen übertragen. Doch war dies Commissorium nur von kurzer Dauer, denn schon am 21. Juli 1850 wurde er zum Oberpräsidenten der Mark Brandenburg ernannt. Diese, die fünfte Provinz, welche F. als Oberpräsident verwaltete, brachte ihn in die nächsten persönlichen Beziehungen sowol zum Könige Friedrich Wilhelm IV. als auch zum damaligen Prinzen von Preußen, dessen hohes Vertrauen er im vollsten Maße genoß. Er feierte hier am 16. Febr. 1855 sein 50jähriges Amtsjubiläum, durch seinen König mit den Brillanten zum rothen Adlerorden geschmückt, von allen 5 Provinzen, denen er vorgestanden hatte und von zahlreichen Verehrern in seltenster, wärmster Weise geehrt. Das feste Vertrauen, das der Prinz von Preußen in seine patriotische Einsicht setzte, zeigte sich besonders, als derselbe als Prinzregent die Regierung übernahm und sofort am 7. October 1858 F. zum Minister des Innern an Stelle des Ministers von Westphalen berief. Auch nach Rücktritt des Ministeriums Manteuffel übertrug der Prinzregent unterm 6. Nov. 1858 ihm diese Stellung unter dem Ministerium Hohenzollern. Der nunmehr 74jährige Greis brachte dies schwere Opfer dem [283] dringenden Wunsche seines königlichen Herrn, trat aber, nachdem der Prinzregent in der Person des Grafen Schwerin einen Nachfolger für ihn gefunden hatte, am 3. Juli 1859 wieder in seine frühere Stellung als Oberpräsident der Provinz Brandenburg zurück. Bei diesem Rücktritt verlieh ihm der Prinzregent das Großkomthurkreuz des Hohenzollernordens und bei der Krönung in Königsberg den schwarzen Adlerorden, mit dessen Besitz er zugleich den erblichen Adel erhielt. Tief gebeugt durch den im März 1862 erfolgten Tod seiner langjährigen Lebensgefährtin zog F. sich am 1. October desselben Jahres in das Privatleben zurück und nahm seinen Wohnsitz in Berlin. Noch drei Jahre führte er hier ein durch mancherlei Leiden getrübtes Leben, bis er 79 Jahre alt am 25. Mai 1865, am Himmelfahrtstage, seine thatenreiche Laufbahn beschloß, in der er drei Königen mit hingebender Treue und seltener staatsmännischer Begabung fast 60 Jahre gedient hatte. Seine lautere, treue, edle Natur, sein Feuereifer für alles Wahre und Gute, mit dem er auch widerstrebende Geister mit sich fortriß, seine Menschenfreundlichkeit und eifrige Pflichterfüllung, der praktische Blick, mit welchem er immer den Punkt erkannte, auf den es ankam, verbunden mit der einzig dastehenden Kenntniß des preußischen Staates, dem er zweimal als Minister und als Oberpräsident in fünf Provinzen gedient hatte, dies Alles sichert ihm eine Stelle unter den Besten des Landes, dessen Andenken als eines der ersten Träger ächt preußischen Beamtenthums noch lange im preußischen Staate fortleben wird.


[280] **) Zu Bd. VII S. 135.