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ADB:Kircheisen, Friedrich Leopold von

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Artikel „Kircheisen, Friedrich Leopold von“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 789–791, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kircheisen,_Friedrich_Leopold_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:02 Uhr UTC)
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Kircheisen: Friedrich Leopold v. K., verdienter preußischer Geheimer Staats- und Justizminister, geb. zu Berlin den 28. Juni 1749, † daselbst den 18. März 1825. Sein Vater, Karl David K., ausgezeichnet durch Geist und Herz, machte sich bekannt durch kraftvolle Verwaltung der Polizei in Berlin während der schwierigsten Verhältnisse vom Jahre 1742 an bis 1777 (vgl. National-Zeitung 1878, Nr. 396 vom 23. August, S. 3). – Seine Mutter, eine geborene Lauer, war gleichfalls mit Recht von dem Sohne innigst geliebt und verehrt. Schon als Schüler auf dem Joachimsthal’schen Gymnasium, in dessen erster Klasse Vorlesungen über Naturrecht und Institutionen gehalten wurden, zeigte er Neigung zu juristischen Studien und erhielt von dem 80jährigen Rector Dr. Heinius das Zeugniß: „ein guter Kopf, könnte fleißiger sein, aber ein guter Jurist wird er dereinst werden“ – was in vollstem Maße in Erfüllung ging. 1767 bezog K. die Universität Halle, wo ihn unter seinen Lehrern vor Allem Madihn anzog; ihm bekannte er später oftmals Alles zu verdanken, was er im Richteramte zu leisten im Stande war. Kaum waren die Studien beendet, mußte K. als Referendar ernstlich auf Erwerb bedacht sein, da die Vermögensverhältnisse sich nicht günstig gestaltet hatten. Nach bestandenem Examen wurde er 23 Jahre alt zum Kammergerichtsrath ernannt, erhielt 1776 eine Assessorstelle im Oberrevisionscollegium und wurde 1777 Oberrevisionsrath. Er nahm Theil an dem kammergerichtlichen Erkenntnisse in der Müller Arnold’schen Sache, entging aber einer Bestrafung, während zu seinem größten Schmerze drei der Kollegen und näheren Freunde nicht so gut wegkamen. K. wurde zu den Vorarbeiten für die unter Friedrich des Großen Nachfolger fortgesetzten Gesetzgebungsarbeiten herangezogen; man übertrug ihm die Ausarbeitung eines Entwurfs zum Sachenrecht, sowie der vom Kammergericht eingereichten Erinnerungen zu den einzelnen Theilen des Gesetzbuchsentwurfs und zog ihn zu den Berathungen der Commission zu, wobei er neben Suarez und Klein den Vortrag vor dem Großkanzler von Carmer hatte. Auch sonst wurde er mit wichtigeren Angelegenheiten betraut, z. B. der Regulirung des Nachlasses des Markgrafen Friedrich Heinrich zu Schwedt. Mit besonderem Eifer und mit größter Gewissenhaftigkeit leitete er die Arbeiten der Kriminaldeputation des Kammergerichts, zog jüngere, [790] tüchtige Kräfte heran und brachte die bis dahin arg vernachlässigte Kriminalrechtswissenschaft und Praxis auf bessere Bahnen, hierin den alten Ruhm des Gerichtshofes von Neuem befestigend. Dem Antrage, ihn zum Justitiar des Generaldirectorii, später aber ihn zum Polizeidirector für Berlin zu ernennen, wich er geschickt aus, in dem Glauben, daß seine Kräfte in juristischen Aemtern besser sich verwerthen ließen und in Abneigung gegen die letzte ihm angebotene Stellung, deren viele Unannehmlichkeiten, große Gefahren und geringe Aussichten auf Würdigung geleisteter Dienste und etwelchen Dank er genugsam im väterlichen Hause kennen gelernt hatte. Zum Vicepräsidenten des Kammergerichts ernannt, erledigte K. 1795 ehrenvoll den ihm seitens des damaligen dirigirenden Ministers in den Fürstenthümern Ansbach und Baireuth, des nachherigen Staatskanzlers Fürsten v. Hardenberg, gewordenen Auftrag, die preußische Justiz in diesen neu erworbenen Provinzen einzuführen, konnte sich aber zu einer ihm angebotenen Anstellung in diesen Fürstenthümern nicht verstehen. Zu neuen Würden stieg K. nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms III. empor. Er wurde 1798 in den Adelstand erhoben und erhielt im August desselben Jahres von der Hallenser Juristenfacultät die Doctorwürde, verhandelte 1799 mit den kurmärkischen Ständen über das Provinzialrecht und übernahm nach dem Tode des Geheimen Oberjustizraths Baumgarten das Amt als vortragender Rath beim Großkanzler. Nach Bearbeitung des vom Kammergerichtsrath Müller verfaßten Entwurfs eines Anhanges zum Allgemeinen Landrecht und der Kriminalordnung wurde er erster Präsident des Kammergerichts, 1809 Chefpräsident desselben mit dem Range eines Geheimen Staatsraths, im Januar 1810 Ritter der dritten Klasse des rothen Adlerordens, bald darauf (9. Juni) Justizminister. Mit jugendlichem Eifer gab er sich ganz und voll diesem neuen schweren Amte hin, vorsichtig in der Befürwortung von Reformen an der von ihm lebhaft vertretenen und vertheidigten Carmer-Suarez’schen Gesetzgebung, aber auch unverdrossen in der Durchführung einmal beschlossener, offen und freimüthig seine Bedenken äußernd, streng zuerst gegen sich selbst, dann aber auch gegen Andere, eifriger Anhänger des monarchischen Princips, treu und wahr gegen Freund und Feind. Für die trüben Jahre, die über Preußen hereinbrachen und in seiner hohen Stellung einen Mann von außergewöhnlicher Thatkraft und Einsicht erforderten, entschädigten ihn die endlich nahenden Tage der Wiedergeburt des Vaterlandes. Aus der Hauptstadt Frankreichs erhielt er 1814 die Insignien des rothen Adlerordens als Beweis der Zufriedenheit seines Königs mit seiner ministeriellen Wirksamkeit, wurde 1815 seitens der Akademie der nützlichen Wissenschaften in Erfurt durch Ernennung zu deren Mitgliede geehrt, bei Gelegenheit des Festes 50jähriger Amtsführung am 30. Januar 1821 in den weitesten Kreisen gefeiert, durch Verleihung des ersten Ordens des Staates und huldreiches Schreiben des Königs zu weiterer rastloser Thätigkeit ermuthigt. Stellten sich auch allmählich die Beschwerden des Alters, namentlich Schwäche des Gehörs ein, so ließ ihn dies doch nicht rasten und erledigte er namentlich noch die ihm 1823 übertragene Prüfung des Fonk’schen Processes. Aber es nahmen seine Kräfte immer mehr ab; Schwäche der Füße hinderte die Bewegung und aufs Tiefste schmerzte nach überaus glücklicher 47jähriger Ehe der Tod seiner Gattin, einer Tochter des Kriegsraths v. Fischer, nach langen körperlichen Leiden derselben. Mitten in der Arbeit traf ihn am 16. März 1825 ein Nervenschlag, dessen Folgen am 18. März im 76. Jahre, nach einer Dienstzeit von über 50 Jahren, sein Leben endeten. Von acht Kindern überlebten ihn nur ein Sohn und zwei Töchter. Ein Freund Schiller’scher Muse (die „Ideale“ waren sein Lieblingsgedicht), ein eifriger Verehrer Spalding’s, wirkte K. Gutes auch außerhalb seines Amtes, wo irgend er konnte; er war Präsident der Haupt-Bibelgesellschaft, Vorsteher des Bürger-Rettungsinstitutes, [791] Mitglied der Armenspeisungsanstalt, überall hülfreich und wohlthätig. – Bei Gelegenheit der Jubelfeier Kircheisen’s ließen die Räthe des Kammergerichts dessen Brustbild in Marmor durch den Bildhauer Professor Rauch anfertigen; dasselbe wurde im großen Sitzungssaale der Büste Cocceji’s gegenüber aufgestellt. Von schriftstellerischen Arbeiten sei noch erwähnt der Aufsatz „Wer hat die Kriminal-Ordnung gemacht?“ in Mathis’ Monatschrift, Bd. IV, S. 232–36; ein anderer im Archiv des Kriminalrechts II. 116–38, auch das „Votum des Justizministers betr. die Organisation der Justiz in den Rheinprovinzen mit Bezug auf die von der königl. Immediat-Justizcommission zu Köln gemachten Vorschläge“, Berl. 1818. – Sein Nachfolger im Justizministerium war Graf v. Dankelmann – nicht, wie man nach Allg. D. Biogr. VII. 727 glauben könnte, Mühler.

Nach dem schönen Nekrolog der Haude- und Spener’schen Zeitung (Neuer Nekrolog der Deutschen f. 1825, Ilmenau 1827, S. 379–91). – Kamptz, Jahrbücher, Bd. XXV S. 149–56. – Klein’s Annalen Bd. IX S. 301 ff. (Kircheisen’s Rede über die Macht- und Cabinetssprüche der Regenten.) – v. Rönne, Ergänzungen u. Erläuterungen der preuß. Rechtsbücher, Einleitung. – Förster, Preuß. Privatrecht, I. § 2. – Daniels, System d. Preuß. Civilrechts, 1866, I. 11. – Stobbe, Rechtsquellen, II. 460, 466. – Löwenberg, Beiträge, Bd. II. – Sonnenschmidt, Gesch. d. kgl. Obertribunals zu Berlin, Berl. 1879. – Philippson, Gesch. d. preuß. Staatswesens, I, Leipz. 1880, S. 301, 410.– Abegg in Goltdammer’s Archiv I. 508, 518, 647 (Separatabdruck 1854 S. 15, 25, 38).