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ADB:Franckenstein, Georg Freiherr von und zu

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Artikel „Franckenstein, Georg Arbogast Freiherr zu“ von Martin Spahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 226–235, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Franckenstein,_Georg_Freiherr_von_und_zu&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 15:51 Uhr UTC)
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Franckenstein *): Georg Arbogast Freiherr zu F., geboren am 2. Juli 1825 zu Würzburg, † am 22. Januar 1890 zu Berlin, entstammte einem alten hessisch-fränkischen Geschlechte. Er wurde mit seinem jüngeren Bruder Heinrich im Hause der Eltern vorgebildet, die theils im badischen Offenburg, theils in Sachsenhausen bei Frankfurt, theils auf dem Familiengut Ullstadt in Baiern lebten; erst die letzten Gymnasialcurse machte er auf dem Ludwigsgymnasium zu München durch. Darauf wurde er Hörer der Münchener juristischen Facultät. Aber schon mit 19 Jahren verlor er den Vater. Dieser hatte sich wenig um Politik gekümmert, obwol er infolge Vergrößerung des Fideicommisses den Sitz als erblicher Reichsrath erwarb, vielmehr sich der Sanirung der anfangs des Jahrhunderts sehr heruntergekommenen Familienfinanzen gewidmet. Der Sohn trat zunächst in des Vaters Fußtapfen. Er lebte der Verwaltung seiner Güter. Daneben nahm er großes Interesse an künstlerischen Bestrebungen, wozu ihn seine ausgezeichnete Mutter, eine geborene Gräfin Apponyi, anregte. Man begegnete ihm in den Ateliers von Schwind, Piloty und anderen, auch war er selbst Sammler. Mit Vorliebe stellte er sich bereits in den Dienst charitativer Aufgaben. Seine politische Thätigkeit beschränkte sich einstweilen auf die Anwesenheit in den Sitzungen der Reichsräthe, in deren Mitte er am 27. September 1847 eingeführt wurde (am 19. Juli 1847 war er auch zum kgl. Kämmerer ernannt worden; seit demselben Jahre gehörte er dem kgl. Hausritter-Orden vom hl. Georg an). Durch seinen Vater wie durch einen bis zu Anfang der sechziger Jahre gepflegten sehr regen Verkehr im Hause des kunstsinnigen Grafen Erwin Schönborn neigte er sich altliberalen Ideen zu. Damals traf er auch viel mit dem Fürsten Chlodwig Hohenlohe zusammen, nähere Beziehungen knüpften sich indessen nicht, beider Charakter war sehr verschieden, und bei großer persönlicher Hochachtung gingen die politischen Anschauungen zu weit auseinander. Aus den Abstimmungen der ersten Kammer läßt sich erkennen, daß sich F. in den fünfziger Jahren meist mit denselben Hohen Herren beim Votum zusammenfand und meist mit ihnen in der Minderheit blieb (außer mit Schönborn mit Bassenheim, Heinitz, Lotzbeck, Armansperg, Consistorialpräsident Arnold). [227] Vom 18. Mai 1857 kam zu den altliberalen Einwirkungen der Einfluß seiner hochbegabten und warmherzigen, katholisch patriotischen Frau dazu, einer Prinzessin Oettingen-Wallerstein († 1891), mit der ihn stets die innigsten Beziehungen verbunden haben und die durch die selbstgewählte edelschlichte Grabschrift vortrefflich ihr Verhältniß zu ihrem Manne gekennzeichnet hat: „Es vertrauet auf sie ihres Mannes Herz“.

Franckenstein’s erste und für viele Jahre einzige parlamentarische Rede – vier oder fünf Zeilen lang – diente der glücklichen Vermittlung zwischen zwei Reichsräthen, die der Redeeifer zu heftig aufeinander hatte prallen lassen. Allmählich wurde er in die Ausschüsse gewählt. Seit 1861 gelangte er durch seine Mitgliedschaft in den Ausschüssen für die Justiz- und für die sociale, sowie für die Steuergesetzgebung zur Mitarbeit an fast allen großen Organisationsgesetzen Baierns der sechziger bis achtziger Jahre. Etwa mit dem Kriege von 1866 tritt die Politik in den Mittelpunkt seiner Interessen, zum Theil durch die deutschen Ereignisse, zum Theil durch die sogen. bairischen Socialgesetze (Armen- u. Heimathgesetz, Gemeindeordnung, Gewerbeordnung). 1868 wählte ihn Eichstädt in das Zollparlament, wo er sich den von Wilhelm von Thüngen geführten süddeutschen Conservativen anschloß. Er wurde darum kein Berufsparlamentarier. Viel Reden war nicht seine Art. Meist sprach er über Nebensachen, für die er sich zufällig interessirte, fast immer rein sachlich, in unscheinbarer Kürze, auf Grund schriftlicher Ausarbeitung (selbst bei seinen späteren Wahlreden). Allerdings waren seine Worte jederzeit ernst und wuchtig, aber er verteidigte seine Ansichten niemals zäh, es war ihm zuwider, andere zu „überführen“. Daß er dennoch zur Geltung kam, lag an der Stärke seiner Persönlichkeit. Durch die anderen, nicht durch sich selbst wuchs er an Einfluß. Ein großer Freundeskreis hatte sich um den ebenso liebenswürdigen wie selbstlosen Mann gesammelt; seine Standesgenossen schätzten ihn ob seines klaren Blicks, vornehmen und rechtlichen Sinns, in der Kammer war unbedingter Verlaß auf seine Discretion, sein hervorragendes Taktgefühl, seine imponirende Vornehmheit. Dazu sein unermüdlicher, ruhiger Fleiß, der ihn von 6½ Uhr Morgens bis zum Abend bei der Arbeit hielt, und seine Bemeisterung der Materien, deren er sich annahm: durch sie wurden z. B. seine Referate Musterleistungen, die zum Theil durch ihre treffenden geschichtlichen Uebersichten über die Entwicklung des gesetzgeberischen Problems dauernd werthvoll bleiben. Das alles prädestinirte ihn zur Leitung zwiespaltiger Verhandlungen, zur Abwicklung geschäftlicher Schwierigkeiten, zum Vertrauensmann bei wichtigen Besprechungen. Hier liegt die Ursache seiner zukünftigen politischen Bedeutung. Vielleicht erklären sich hierdurch aber auch gewisse Schwächen seines politischen Wesens. Er war in der Regel aus vorzüglichen Quellen unterrichtet oder auf Grund wirklicher Sachkenntniß berathen, dennoch machte sich bei der vorwiegend persönlichen Art seiner Verbindungen wohl eine gewisse Einseitigkeit geltend. Sodann bewahrte sein Urtheil zeitlebens nicht nur ein gleichmäßiges individuelles, sondern auch ein sich nie verleugnendes Standesgepräge: er sah die Dinge als der hochgestellte Landedelmann, wohlwollend und unabhängig, ohne jede Beimischung oppositionellen Geistes, stets bereit zu positiver Mitarbeit, geschickt durch Erfahrung und Studium, indessen war er durch die feste Verwurzelung mit den Traditionen seines Hauses, der Geschichte seines Landes, den besonderen Zuständen seines Heimathbodens in manchen Fragen nicht sehr biegsam. Den Politiker F. in seinen Meinungen sucht man am besten in der bairischen ersten Kammer, den Mann in seiner Wirkensfähigkeit am besten im Reichstag auf. Doch erfährt man beiderorts vorläufig nur Dürftiges. Für die Familie ist der Augenblick noch [228] nicht gekommen, der Allgemeinheit den Einblick in Franckenstein’s Nachlaß zu eröffnen, und auch die Sammlungen seiner bairischen Freunde sind noch verschlossen; so ist es noch unmöglich, ihm seine Stellung in der Geschichte Baierns und des Reichs anzuweisen.

Unter den Reichsräthen trifft man ihn vor allem im Eintreten für die Erhaltung bewährter agrarischer Institutionen, für die Sicherung der Selbstverwaltung und für die Förderung des gewerblichen Lebens, sowie im Kampfe gegen die Vielregiererei und Landesunkenntniß des Beamtenthums (etwa Sitzungen vom 23. März 1863, 10. Febr., 7. Aug. 1879 und 21. April 1881) oder gegen den Geist der Demokratie (5. Juli 1865). Er sucht dem Sinn der Verfassung streng zu genügen, wie er denn bei Widersprüchen zwischen Beschlüssen der ersten und zweiten Kammer in Budgetfragen mit der zweiten geht, in Rechts- und Verwaltungsfragen für Beharrung auf dem Willen der ersten Kammer stimmt. Doch war er kein Freund vieler Gesetzgeberei oder gar des Novellenwesens, wozu Beamtenthum und Parlamente so leicht neigen (19. April 1872, 8. Febr. 1868). Ebenso widerstrebte er allem Centralisiren in der Gesetzgebung (ausführliche Darlegung seines Standpunktes im Reichstag 3. Febr. 1886). Daß Gesetze wirthschaftlicher Noth steuern könnten, bestritt er stets (Nov. 1867, mehrfach 1877). Wol aber erkannte er an, daß sich Hindernisse wirthschaftlicher Entwicklung durch sie beseitigen ließen. Einen Grundsatz hat er da immer wieder angewandt. „Ich habe mich schon mehrfach überzeugt, daß, wenn die öffentliche Meinung in einer gewissen Richtung sich längere Zeit gleichmäßig ausspricht, dasjenige, was die öffentliche Meinung sagt, recht berücksichtigenswerth ist“ (10. Febr. 1879). Dieser Grundsatz rechtfertigt auch seine wirthschaftspolitischen Wandlungen. Ihm entsprechend war er in den sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre ein warmer Freund der Gewerbefreiheit, da sie sich „segensreich“ zeige und „unser vaterländisches Gewerbe sichere“. Ihm entsprechend gab er aber auch gegen Ende der siebziger Jahre der Schutzzollbewegung nach und leistete ihr bald so erhebliche Dienste, daß – schon durch Bismarck’s rühmendes Wort – sein Name dauernd mit ihr verbunden bleibt. Man findet in Eugen Richter’s „Erinnerungen aus dem alten Reichstag“ den Vermerk, daß die Varnbüler’sche Kundgebung von 1878 mit der Forderung einer Reform des deutschen Zolltarifs unter ihren 204 Unterschriften auch die des Freiherrn v. Franckenstein getragen habe, „der noch bis vor kurzem als Führer der freihändlerischen Minorität des Centrums mit mir den besonderen Berathungen der freihändlerischen Reichstagsabgeordneten beigewohnt hatte“. Am 10. Februar 1879 äußerte sich F. persönlich in der ersten Kammer zur Zollreform günstig; im Gegentheil zu der zuversichtlichen Auffassung, die er gegen 1870 von den Wirkungen der Gewerbefreiheit hatte, hielt er jetzt dafür, daß „bis zu einem gewissen Grade eine Verarmung des Volkes eingetreten“ sei, die sich nicht bloß auf die Ereignisse von 1873 zurückführen lasse. „Ich weiß wohl, daß von Seite des Reichs die Absicht besteht, in wirthschaftlichen Fragen einen andern Weg zu betreten, als seit einer Reihe von Jahren verfolgt wird. Ich hoffe auch, daß es auf diese Weise successiv besser werden wird.“ Bis zum Herbst gab er der neuen Strömung in der öffentlichen Meinung sogar so weit nach, daß er mit einer Minderheit der ersten Kammer einen Abänderungsantrag der zweiten Kammer zur bairischen Gewerbeordnung unterstützte, der eine polizeiliche Tarifirung der unentbehrlichsten Lebensmittelpreise ermöglichen sollte. In derselben Stimmung lehnte er am 29. October 1879 einen bairischen Gesetzentwurf ab, weil er den langjährigen Wunsch des Bundesraths und Reichstags nicht berücksichtige, „der Begünstigung der Großindustrie zum Nachtheile der Gewerbe entgegenzutreten.“ [229] Gleich darauf hat er sich mit allen Fasern seines Herzens auch an der neuen Socialgesetzgebung betheiligt.

Im allgemeinen war er seit der Mitte der sechziger Jahre in der 1. Kammer ein fleißiger und fruchtbarer Mitarbeiter. In die erste Reihe trat er vor der Hand nur ein einziges Mal, im December 1870 gegenüber der Reichsgründung. Seine Familie hatte nicht die geringsten Beziehungen zu Preußen, dagegen war sein Vater österreichischer Officier gewesen, seine beiden Brüder standen im österreichischen Dienst. Schon dadurch großdeutsch gesinnt, war er es noch mehr durch seine Theilnahme am deutschen Geistesleben: als künstlerisch und culturell tief interessirter Süddeutscher empfand er geradezu Abneigung gegen den einseitigen Militarismus der preußischen Krone; er hat das in der wärmsten Stelle seines Protestes vom December 1870 laut werden lassen. Ausschlaggebend ist sein bairisches Selbstbewußtsein und sein Treuverhältniß zu den Wittelsbachern geworden: er wollte nicht zugeben – so wenig vor, wie nach 1866 –, daß Baiern sich in die Abhängigkeit von einem andern Staate oder von einem Staatenbunde schicke, daß der Baiernkönig Verträge unterschreiben müsse, die ein anderer ihm vorlegte. So hat er 1861 in der kurhessischen Sache für die Anträge Hohenlohe gegen den Bund gestimmt; so hat er 1867 gegen die Zollvereinsverträge gestimmt, als sich die früheren Bürgschaften für Baierns Unabhängigkeit nicht wieder auf Grund des Löwenstein’schen Antrags hineinbringen ließen; so hat er die Adresse der Reichsräthe an den König wider das Ministerium vom 28. Januar 1870 mitvotirt und mitüberreicht; so hat er endlich am 30. December 1870 gegen die Versailler Verträge gesprochen: es war die innigste, getragenste Rede seines Leben’s – ohne ein Wort des Grolles gegen Preußen, ohne jede Bitterkeit wider seine Gegner in der Kammer, nichts als lauterste Erschütterung und ernste Besorgniß für sein engeres Vaterland, das einzige, das er in politischer Hinsicht kannte. Er blieb mit dem Fürsten Oettingen-Wallerstein und dem Grafen Clemens Schönborn bei der Abstimmung allein. Auch in Zukunft hat er über das neue Reich nicht anders geurtheilt. Wol spottete er einmal über den Regierungsparticularismus in Culturangelegenheiten, der uns noch mit einer fürstlich Waldeck’schen Orthographie beglücken würde (31. Juli 1880), aber in politischen Dingen wehrte er sich gegen jede weitere Beschränkung der Einzelstaaten durch das Reich. Er sprach am 4. December 1873 in der ersten Kammer dagegen, daß die Zuständigkeit des Reichs auf das ganze Gebiet des bürgerlichen Rechts ausgedehnt würde; noch in seiner letzten Lebenseit ist er für die bairische Briefmarke eingetreten. Der Krieg von 1866 blieb für ihn „der traurige Krieg“ (4. Dec. 1879). Auch ergab er sich den Wittelsbachern idealistischer als je.

Indessen, wenn F. bis zum Schluß particularistisch dachte, „wenn er bei jedem Entwurf eines Reichsgesetzes sich die Frage vorlegte, ob der föderative Charakter des Reichs genügend im Entwurf gewahrt“ sei, so wird man sich doch hüten müssen, alle seine Schritte nach 1870, die den Schein des Particularismus erwecken, auf particularistische Beweggründe zurückzuführen. Dafür dürfte er sich stets zu vorbehaltlos auf den Boden des geltenden Rechts gestellt haben, dafür dürfte er vor allem zu sehr der Mann der Praxis und positiver Leistung gewesen sein. Sobald die Versailler Verträge Rechtskraft erlangt hatten, richtete er sich in den durch sie geschaffenen Zuständen ein und vertrat seine politischen Grundsätze fortan innerhalb ihres Rahmens. Erscheint er trotzdem nunmehr als der Mann der Opposition, so ist das weit mehr auf den Gegensatz zurückzuführen, in den ihn innerpolitische Kämpfe zu den wechselnden bairischen Ministerien und zur nationalliberalen Partei brachten.

[230] In dieser Hinsicht spielt ohne Zweifel der Culturkampf die Hauptrolle, obwohl F. zu ihm kaum das Wort ergriffen hat: die ganze Bedeutung desselben für ihn kommt aber in seinem Beitritt zum Centrum zum Ausdruck. Seine Hinwendung zur Centrumsbewegung hat sich zwischen 1869 und 1872 vollzogen. F. gehörte einem von Alters katholischen Hause an, seine Frau war durch und durch Katholikin, er selbst von warmherziger und unwandelbarer katholischer Gesinnung. Doch war seine Haltung in der 1. Kammer bis 1869 dadurch noch nicht bestimmt worden. Er nahm sich keinerlei kirchlicher Angelegenheiten an; auch fühlte er sich in seinen Abstimmungen nicht von den bischöflichen Mitgliedern der 1. Kammer abhängig, meist stimmte er anders als sie. Erst recht war er, seiner ganzen Kammer gleich, noch nicht von der kirchlich politischen Parteibildung ergriffen. 1869 aber mag ebenso sehr Widerwille gegen die Concilsgegner in München wie die heftigere Einwirkung der Weltanschauungsgegensätze auf die Gesetzgebung Franckenstein’s Stellungnahme beeinflußt haben. Zwar trat er damals – den Bischöfen entgegen – eifrig für die freiheitliche Gewerbeordnung ein, beantragte jedoch Beschränkungen für Druckerzeugnisse, Lesezirkel und Leihbibliotheken, womit er zuerst beim Minister und bei den Hohen Herren durchdrang, um bald dem Widerspruch der 2. Kammer zu erliegen. Bei der fast gleichzeitigen Schulvorlage half er fest den kirchlichen Standpunkt wahren, wenngleich er sich bei einer nicht gleichgültigen Einzelabstimmung (23. April 1869) nochmals von den Bischöfen trennte. Er soll es auch gewesen sein, der als Georgsritter 1870 den zögernden Erzbischof Scherr von München vor die Entscheidung über Döllinger’s Suspension stellte durch die Anfrage, ob Döllinger noch Priester sei und das Recht habe, als Stiftspropst den Gottesdienst beim Ordensfest zu feiern. Für sich persönlich hatte er 1869 den Erzbischof zwar gefragt, ob den Bischöfen eine gemeinsame Laienäußerung erwünscht sei, auf dessen Wink aber sofort davon Abstand genommen und seine Unterwerfung unter jeden Concilsbeschluß als selbstverständlich hingestellt. Von 1871 ab treffen wir ihn dann in der 1. Kammer als rechte Hand der Bischöfe und als Antragsteller in kirchlichen Angelegenheiten (28. Jan. 1871, 14. Juli 1874, 24. Aug. 1876). Zu dem politischen Parteiwesen seiner Glaubensgenossen hat er fast zufällig schon gegen Ende der 60er Jahre einmal die Beziehung gefunden, als er an Stelle eines verhinderten Vetters die Leitung einer Volksversammlung zu Waigoldshausen übernahm. 1872 wurde er von Lohr (in Eichstädt unterlag er 1871) in den Reichstag geschickt und trat dort sofort dem Centrum bei. Noch im selben Jahre präsidirte er dem Breslauer Katholikentag. Er wurde auch Vicepräsident des Mainzer Vereins, und als solcher mit dem Präsidenten Felix v. Loë zusammen auch einmal mit Geldstrafe bedacht. Selbst in der 1. Kammer bediente er sich nun ganz allgemein des Ausdrucks „meine politischen Freunde“. In ihr selbst stand ihm damals wohl Aretin zunächst, doch fand er sich jetzt auch wieder mit einer ganzen Gruppe zusammen. Seiner Erbitterung über die Kampfgesetze hat er ein einziges Mal in einer politischen Körperschaft Worte verliehen, unter den Reichsräthen am 16. Juni 1874, wo er die Rechtskraft des Jesuitengesetzes für Baiern bestritt. Am 1. Februar 1879 bekämpfte er ebendort die simultane Volksschule als Gewissenszwang, am 21. December 1881 stimmte er für die Wiederbeseitigung der obligatorischen Civilehe. Im Reichstag hat er zum Kirchenstreit nur einmal gesprochen und nur zur Mittheilung eines Sachverhalts aus der 1. Kammer (12. Jan. 1875; Verhandlungen d. Reichsräthe betr. der Civilehe). Auch in diesen seltenen Reden vermied er es, das Gebiet des Religiösen selbst zu streifen; in peinlichster Zurückhaltung beschränkte [231] er sich auf das Gebiet der formalen Gesetzeskritik und der juristischen Zuständigkeitsprüfung. 1877 war er persönlich bei Pius IX., um dessen Meinung über den Fortbestand des Centrums zu erholen.

Neben den kirchlichen Fragen führte die Entwicklung der bairischens Finanzpolitik F. in immer wachsende Opposition gegen das Ministerium. Sie interessirte ihn jährlich lebhafter, und zwar ebenso sehr das Steuerwesen wie reine Budgetangelegenheiten, namentlich Militär- und Eisenbahnsachen (auch im Reichstag war er eifriges Mitglied der Budgetcommission). Unter dem Einfluß der Reichsausgaben, der herrschenden Parteiverhältnisse und der sicher kommenden Flotte (vgl. 14. Juli 1874) sah er die bairische Regierung mit den alten, sparsamen Finanzgrundsätzen brechen, sich zunächst den Milliardensegen nutzbar machen, dann mit einem Deficit wirthschaften und nach neuen Deckungsmitteln trachten. Dagegen kämpfte er an, und so kam es schließlich, daß sein Name in denkwürdiger Weise im Reiche mit der Finanz- und Zollreform von 1879, in Baiern mit der Steuerreform von 1881 verknüpft wurde. Sein Antheil an jener begann mit der bereits vorgemerkten günstigen Aeußerung vom 10. Februar 1879 über die Schutzzollbewegung; denn kurz darauf, sicher vor dem 22. d. M., hatte er seine erste Unterredung mit dem Kanzler – nach dem Inhalt des Gesprächs zu schließen, wohl auf dessen Wunsch. Am 10. März folgte eine zweite Unterredung, am 31. März war Windthorst bei Bismarck. Von Franckenstein’s Seite sind genaue Aufzeichnungen über das von Bismarck ihm Gesagte durch Poschinger[WS 1] gedruckt worden, der schon den „akademischen Charakter“ dieser Bismarckischen Darlegungen über äußere wie innere Politik festgestellt hat. Bismarck unterrichtete F. dabei absichtsvoll auch über seinen bereits 1871 erfolgten Versuch der Wiederannäherung an Oesterreich. Der Schwerpunkt der Verhandlungen beider Männer mußte in dem finanziellen Theile der Reformvorlage liegen, da über die Schutzzölle Uebereinstimmung bestand. Dem haben zahlreiche Besprechungen vom 28. Mai bis 4. Juli gegolten, in denen man sich über die „Klausel Franckenstein“ verständigte (über die wichtigen Unterredungen vom 18. und 19. Juni Ausführliches bei Poschinger). Durch die Klausel wurde das Mehr der Einnahmen aus den neu vorgesehenen Sätzen der Zölle und der Tabakssteuer, sobald 130 Millionen Mark erreicht waren, an den Reichscassen vorbei in die der Einzelstaaten geleitet. Der Gedanke zu ihr ist wohl nicht Franckenstein’s Eigenthum; er ging wahrscheinlich von Windthorst aus (A. Reichensperger schiebt ihn dem Nationalliberalen v. Benda zu, von dem ihn Peter Reichensperger in das Centrum getragen habe). Auch die Formulirung fällt nicht F., sondern offensichtlich dem damaligen Director Aschenborn im Reichsschatzamt zu, der sie auf Grund von Besprechungen mit F., Windthorst und v. Huene bewirkte. Aber F. deckte mit seinem Namen eine Sache, die seinen eigensten Anschauungen über die Bedrohung der Einnahmequellen und der finanziellen Selbständigkeit der Einzelstaaten durch das Reich entsprach: hatte er sie doch seit seiner Protestrede vom 30. December 1870 fast jährlich in der 1. Kammer und im Reichstag noch am 16. Mai 1878 bei Berathung der Stempelsteuer wiederholt.

Im September 1879 brachte die bairische Regierung eigne weitausgreifende Finanzreformgesetze an die 2. Kammer. F. hielt die Reform für nöthig, die Vorlage aber für mißglückt und den Zeitpunkt für durchaus ungeeignet, da die Wirkung der Reichsfinanzreform noch nicht abzuschätzen sei. Seine Unzufriedenheit mit der ministeriellen Finanzpolitik erreichte damals ihre Höhe, und er äußerte sie mit einer bei ihm ungewöhnlichen Bitterkeit (29. Oct. 1879, 21. April 1881). Auch die geforderte Erhöhung des Malzzuschlags lehnte er 1879 ab: nach den Zoll- und Tabaksteuergesetzen hielt er weitere indirecte [232] Steuern für die unteren Volksclassen für zu belastend. Doch scheint er in derselben Zeit aus einem Gegner des Staatseisenbahnwesens (vgl. 15. März 1856 und noch 3. Juli 1876) dessen Freund geworden zu sein, am 25. October 1879 hält er die Verstaatlichung der pfälzischen Bahnen für etwas vermuthlich Vortheilhaftes. Als die Regierung dann das Einkommensteuergesetz, den „Eckstein“ der ganzen geplanten Finanzreform, 1881 umgearbeitet wieder einbrachte, betheiligte er sich an der Berathung sowohl im Ausschuß wie im Plenum mit großem Eifer: er brachte hier in Fürsorge für die unteren Classen und „als beste Hut gegen die Socialdemokratie, die den Landgemeinden noch fremd ist“, trotz dem Widerspruch des Finanzministers den „tiefstgreifenden“ Antrag zum Gesetz durch, alles Einkommen unter 400 Mk. freizulassen. Noch drängte er bei der Reform auf Entlastung der Grundbesitzer und stärkere Heranziehung des beweglichen Capitals, fand aber dafür keine gesetzgeberisch brauchbare Formel. Er stimmte trotzdem für die Vorlage im Ganzen. Bereits erfüllten ihn die socialpolitischen Bestrebungen, denen er das letzte Jahrzehnt seines Lebens hauptsächlich widmen sollte.

1875 hatte Ludwig II., der F. bis zum Tode überaus schätzte, den Freiherrn fragen lassen, ob er ein neues Ministerium bilden wolle. F. lehnte ab und begründete es damit, daß seine politischen Ueberzeugungen keine genügende Stütze im Landtag finden würden. Dagegen nahm er die Wahl zum Vorsitzenden der Centrumsfraction des Reichstags an, die im selben Jahre nach Savigny’s Tode auf ihn fiel. 1878 schlug ihn seine Partei für das erste Vicepräsidium des Reichstags vor; er unterlag in der Stichwahl gegen v. Stauffenberg. Als dieser jedoch im Mai 1879 niederlegte, ward F. am 24. Mai sein Nachfolger, und gleichzeitig übernahm er den Vorsitz der Tarifcommission. Indem von da ab das Centrum zur Macht kam, nahm auch Franckenstein’s Verantwortlichkeit sowie sein Einfluß im Hause zu. Ein Versuch, im Februar 1881 seine Wiederwahl ins Präsidium zu verhindern (Pastor II, 193), mißlang. Er blieb Vicepräsident bis 1887. Im November 1881 (am 16.) sprach Bismarck nach den ihm ungünstigen Reichstagswahlen bei einem Bundesrathsdiner davon, daß er die Einrichtung einer Art Vicekanzlerschaft plane, dessen Träger den Verkehr mit den Parteien übernehmen möge; und nach liberalen Preßberichten wies er für diesen Posten an erster Stelle auf F. hin (den er nicht nur am Schluß der letzten Legislaturperiode vielfach zuvorkommend behandelt hatte, sondern mit dem er auch seit 1879 alle wichtigen parlamentarischen Fragen zu besprechen pflegte; v. Hertling bei Poschinger I, 313). Schon Tags darauf war freilich keine Rede mehr davon; und Anfangs December brüskirten sich Kanzler und Centrum wieder so heftig wie möglich. Aber wenige Wochen vorher war F. von Ludwig II. zum Präsidenten der 1. Kammer ernannt worden (Einführungsrede am 21. September); bereits seit dem Frühjahr 1880 war er bairische Excellenz. Präsident der Kammer der Reichsräthe blieb er bis zum Tode. Seit 1877 war er auch Großkanzler des St. Georgen-Ordens.

Als Präsident hielt er sich in seiner Körperschaft für verpflichtet zum Schweigen außer in Geschäftsordnungsdingen. In diesen aber veranlaßte er alsbald (21. Decbr. 1881) eine Aenderung im Ueberweisungsverfahren der Budget-Beschlüsse von der 2. an die 1. Kammer, die deren Berathung bei den Reichsräthen wesentlich erleichterte. Als Vorsitzenden des Centrums beschäftigte ihn einmal die Beilegung des Culturkampfs, sodann die gelegentlichen Einwirkungsversuche Leo’s XIII. auf die politischen Entschlüsse der Partei. Ueber seine Thätigkeit dort sind Einzelheiten nicht bekannt, über seine Beurtheilung der kirchenpolitischen Lage hat man nur einige vage Aeußerungen Reichensperger’s. [233] Für die Einwirkungsversuche Leo’s besitzen wir Franckenstein’s Brief an den Münchener Nuntius vom 14. Januar 1887: Danach machte er Rom zuerst 1880 darauf aufmerksam, „daß es für das Centrum absolut unmöglich ist, bei nicht kirchlichen Gesetzen gegebenen Directiven Folge zu leisten“. Trotzdem wurde ihm um die Jahreswende 1886 durch den Münchener Nuntius ein päpstlicher Wunsch auf Zustimmung des Centrums zur Septennatsvorlage übermittelt, weil für diesen Fall eine vollständige Revision der Maigesetze zugesichert sei. F. antwortete nach Rücksprache mit Windthorst und den anderen Centrumsmitgliedern, die der Commission für die Militärvorlage angehörten. Sein Ablehnungsschreiben, grundsätzlich und bestimmt, wie es gehalten ist, ist von entscheidender Bedeutung: das Centrum als politische Partei verneinte für sich die Verbindlichkeit päpstlicher Weisungen in politischen Angelegenheiten. Rom fügte sich darein. Wenn F. sich zur Mandatsniederlegung erboten hatte, so war auch davon keine Rede mehr; der Papst zeichnete ihn im Gegentheil schon 1888 bei einer Audienz in herzlicher Weise aus.

Der Schwerpunkt von Franckensteins Leistung dürfte auch in diesen Jahren nicht auf kirchenpolitischem Gebiete gelegen haben. Budgetfragen nahmen ihn dauernd in Anspruch und dadurch auch die Wehrvorlagen von 1887 und 1888. Er war 1887 der Vertreter der das Septennat ablehnenden Mehrheit. Am 9. März 1887, nach den Neuwahlen, verkündete er die Stimmenthaltung des Centrums; am 10. März soll er schon wieder zur persönlichen Rücksprache bei Bismarck gewesen sein. Am 6. Februar 1888 beantragte er unmittelbar nach des Kanzlers großer Rede die en bloc-Annahme der Wehrvorlagen, um „der damaligen gesammten Lage in vollstem Maaße Rechnung zu tragen“. – Die Krönung seiner parlamentarischen Wirksamkeit bedeutete sein Vorsitz in all den Reichstagscommissionen, die von 1881 bis 1889 unsere Versicherungsgesetzgebung geschaffen haben. Sie lag ihm sehr am Herzen, und er hat nicht nur durch unermüdlichen Fleiß und ein ganz hervorragendes Geschick sie gefördert, ja, geschäftlich sie geradezu erst ermöglicht, sondern er war von Anfang an auch zu jeder annehmbaren Verständigung bereit, um die Arbeiter nicht warten zu lassen. Das trat schon in der Fractionssitzung vom 14. Juni 1881 über die erste Unfallversicherungsvorlage zu Tage (Pastor, II, 200); das ward öffentlich, als er sich 1889 bei der Abstimmung über die Alters- und Invaliditäts-Versicherungsvorlage von seiner Fraction trennte und seine Zustimmung zur Vorlage am 29. März ausführlich begründete. – Uebrigens hatte er 1884 auch für die Verlängerung des Socialistengesetzes gegen die Mehrheit des Centrums gestimmt. Diesmal, 1889, hielt ihn nur ein dringliches Vertrauensvotum der Partei von der Mandatsniederlegung zurück.

Die Ereignisse gelegentlich des Septennats wie die vom März 1889 zehrten an Franckenstein’s Kraft, die schon seit der Romfahrt 1877 durch langwieriges Fieber und eine dauernde Herzaffection geschwächt war. Heftiger noch hatte ihm das Ende Ludwig’s II. zugesetzt. F. wußte bereits im Frühjahr 1886, daß der Gesundheitszustand des Königs staatsrechtliche Maßnahmen herbeiführen würde. Er weilte eben mit seiner Frau – wie gewöhnlich nach Reichstagsschluß – in Marienbad, als ihm der damalige Adjutant Ludwig’s am 11. Juni telegraphisch den Auftrag des Königs übermittelte, an das Hoflager zu kommen. In München eingetroffen, erfuhr er die Verhaftung des Grafen Dürkheim, sowie daß Prinz Luitpold die Regentschaft übernommen habe, der König für die Regierung unfähig erklärt worden sei. F. ging sofort zum Regenten und gab ihm Kenntniß von dem Ruf des Königs wie seinem Entschluß, dem Wunsch des Souveräns zu folgen; er gehe nach Reutte und werde dort den König zur Abdankung bewegen. Erst auf die Antwort des Regenten, daß [234] niemand zum König gelassen werde, gab F. die Weiterreise auf, weil er mußte. Aber er erkannte die Einsetzung der Regentschaft noch nicht an, sondern wollte erst ausreichende Gründe dafür hören. Diese gedachte er am 15. bei Eröffnung der ersten Kammer zu fordern. Da kam das Ereigniß vom 13.; und nun schloß er sich dem Regenten unbedingt an. Gesundheitlich hat er diese Tage nicht mehr verwunden.

In die bairischen Verhältnisse griff er in diesem Jahrzehnt weiter nicht ein, er war vielmehr ständig im Reichstag und fuhr nur zu den Sitzungen der Reichsräthe nach München. Die Ursache ist nicht, wie behauptet wurde, in einem Gegensatz zum bairischen Centrum zu suchen, mag er auch manche Schritte desselben aus taktischem Grunde nicht gebilligt haben. Als das Centrum die Mehrheit in der zweiten Kammer erhielt und zur Geltendmachung seiner kirchenpolitischen Forderung einen bairischen Katholikentag berief, nahm F. im Unterschied von anderen katholischen Adligen an der Versammlung theil. Da nun gar die Placetfrage auf die Tagesordnung kam, war F. bereit, seiner Partei gegen das Ministerium in der ersten Kammer zu Hülfe zu eilen. Die Haltung des Ministeriums erregte ihn tief – nach seinem Tode fand man die ersten Skizzen zu der Rede in seinem Schreibtisch: ehe er zu ihr kam, ist er hinweggerafft worden.

Franckenstein’s politischer Einfluß beruhte darauf, daß die Kraft und Tüchtigkeit seiner Persönlichkeit stetig gewachsen war; in der Erinnerung lebt er fort als eine stolze Erscheinung, als ein durch und durch ehrenhafter, sachkundiger und edler Mensch. So ist er – ohne sein Zuthun – überall zum Leiter der Körperschaften erkoren worden, denen er angehörte: ebensosehr der geborene Herr wie Vermittler innerhalb der politischen Gemeinschaften, die aus so ungleichartigen Elementen bestehen. In ihm verbanden sich vornehme Ruhe, bestimmte, knappe Ausdrucksweise, sorgfältigste Kenntniß der Vorlagen, parlamentarische Erfahrung, die Kunst geschickter Geschäftsvertheilung, glatter Berathungsleitung, ein ernster und doch liebenswürdiger Wille zur positiven Arbeitsleistung in solchem Maaße, wie es nicht häufig vorkommt. Die großen Reichstagscommissionen wie seine Fraction erfuhren das am besten. In dieser war er das Bindeglied zwischen den hochconservativen Magnaten und den in politisch fortschrittlicheren Anschauungen aufgewachsenen Männern des katholischen Deutschlands, auch der Kitt zwischen Nord und Süd: an der Errichtung des Centrums-„Thurms“ hat er ein wesentliches Verdienst. Der treue Freund und die feste Stütze Windthorst’s, hat er zugleich das uneingeschränkte Lob der Reichensperger erhalten (Vgl. die für diese bezeichnende Identificirung von Fractionsvorsitzendem und Fractionsführer bei Pastor, II, 308). Ein gutes Bild von Franckenstein’s Mitarbeit in Commissionen gibt der erste Band der Verhandlungen des Steuerausschusses der ersten Kammer 1881.

F. war der Typus des ernsten katholischen Edelmannes, ohne Tadel in seiner Lebensführung, ergreifend in der Innigkeit seines Familienlebens wie in seinem Verhältniß zu seinen Dienstleuten und den Bauern seines Landes, voll charitativer Interessen (namentlich als Großkanzler des St. Georgenordens), durchaus selbstlos und rührend herzlich in der Hingabe an den hl. Stuhl wie an sein Fürstenhaus. Sein bestimmtes katholisches Denken hinderte ihn indessen nicht, sich der Standesverwandtschaft gemäß dem nicht seiner Partei angehörenden Adel freundschaftlich zu verbinden; nach 1880 standen ihm die Deutsch-Conservativen, namentlich Levetzow und Kleist-Schmenzin[WS 2], sehr nahe. Sonst ist noch der frühere bairische Cultusminister v. Landmann hervorzuheben, aus der katholischen Geistlichkeit der Domcapitular Moufang. Mit dem bairischen Gesandten zu Berlin in der Culturkampfzeit Perger v. Perglas[WS 3] (vgl. [235] Bismarck, Gedanken und Erinnerungen II, 137) pflog F. rein gesellschaftliche Beziehungen. Ueber Bismarck ist sein Urtheil stets hart geblieben, ebenso über die Nationalliberalen. – Dem Toten huldigten alle Parteien. Ganz besonders zeichnete ihn Wilhelm II. durch eine in der deutschen Parlamentsgeschichte bis dahin unerhörte Weise aus, indem er an den Reichstag selbst ein Beileidsschreiben richtete, auch dem Prinzregenten den Ausdruck seines Schmerzes depeschirte, und dieser folgte dem kaiserlichen Beispiel in der Wärme der Worte, mit denen er Franckenstein’s Tod beklagte.

Vorzüglich die Verhandlungsberichte der bairischen Kammer der Reichsräthe und des Reichstags. – Stamminger, Ein wahrer Edelmann. Würzburg 1890 (Gedächtnißrede). – Fäh S. J., G. A. Freiherr von und zu Franckenstein. Freiburg 1891 (Sonderabdruck aus den „Stimmen aus Maria-Laach“). – Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier (für 16. Nov. 1881 auch: Bismarck und der Bundesrath). Pastor, August Reichensperger. – E. Richter, Erinnerungen aus dem alten Reichstag. – Pfülf S. J. , Mallinckrodt. – Busch, Tagebuchblätter. – Verhandlungen der XXII. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands zu Breslau am 8., 9., 10., 11. und 12. September 1872, S. 32, 46/48, 198, 201 u. 271 f. – Schultheß’ Europäischer Geschichtskalender u. dgl. – Außerdem schriftliche Mittheilungen der Familie.

*) Zu Bd. XLVIII, S. 682.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Heinrich von Poschinger (* 31. August 1845 in München; † 10. August 1911 in La Bollène, Frankreich), Journalist, Schriftsteller und Historiker.
  2. Conrad Adolph von Kleist (* 4. April 1839 in Tzschernowitz, Landkreis Guben; † 23. September 1900 in Schmenzin), Rittergutsbesitzer und Mitglied des Deutschen Reichstags.
  3. richtige Schreibweise: Pergler von Perglas; siehe den Artikel in der Wikipedia: gemeint ist der bairische Diplomat Maximilian Joseph Freiherr Pergler von Perglas (* 20. Mai 1817; † 6. Mai 1893).