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ADB:Friedrich I. (König in Preußen)

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Artikel „Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg“ von x. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 627–635, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_I._(K%C3%B6nig_in_Preu%C3%9Fen)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 02:21 Uhr UTC)
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Band 7 (1878), S. 627–635 (Quelle).
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Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, seit 1701 König in Preußen, wurde am 11. Juli 1657 zu Königsberg in Preußen geboren, wohin seine Mutter, Louise Henriette von Oranien, ihren Gemahl Friedrich Wilhelm den Großen Kurfürsten während des nordischen Kriegs begleitet hatte. Der junge Prinz war von zartem Körperbau, dabei von lebhaftem, oft ungestümem Temperament. [628] Schon in seinem siebenten Jahre erhielt er gleich seinem zwei Jahre älteren Bruder, dem Kurprinzen Karl Emil, in Eberhard Dankelmann einen Erzieher und Lehrer, der es verstand, den Prinzen körperlich zu kräftigen und durch unablässige geistige Disciplin an feste Ordnung und Selbstbeherrschung zu gewöhnen. Der tiefe Eindruck, den Rath und Beispiel dieses Mannes auf ihn ausübten, wird dadurch bezeugt, daß F. ihn später zu seinem persönlichen Rath, als Kurfürst zum ersten Minister des Staats machte, bis unglückliche Irrungen nach Verlauf von 36 Jahren das feste Band lösten, das beide Männer verband. Als er durch den am 7. Decbr. 1674 erfolgten Tod seines Bruders Karl Emil Kurprinz geworden war, erhöhten sich die Bedeutung, damit aber auch die Ansprüche des Prinzen. Die weitverbreitete Meinung, daß der Große Kurfürst in seinem entschieden persönlichen Regimente keine Stelle für die Theilnahme seines Sohnes an den Staatsgeschäften gefunden habe und dies der erste Anlaß zu den Irrungen zwischen Vater und Sohn geworden sei, ist nicht ganz zutreffend. Schon seit 1685, drei Jahre vor seinem Regierungsantritt, sehen wir F. öfters als Vertreter seines Vaters dem Geheimen Staatsrath präsidiren; viele kurfürstliche Verordnungen aus diesen Jahren sind von seiner Hand unterzeichnet, zu einer Zeit, wo die Gicht seinen Vater an seine Gemächer gebannt hielt; auch mit den geheimeren politischen Intentionen dieses letzteren wurde er im allgemeinen vertraut gemacht. Um so mehr befremdet es zuerst, den Kurprinzen etwa ein Jahr vor seinem Regierungsantritt, Frühling 1687, in einem ernstlichen Conflict nicht mit dem Vater direct, wol aber dem väterlichen Hofe zu erblicken, der ihm ähnliche Fluchtgedanken nahe legte, wie sie 43 Jahre später sein großer Enkel hegte. Die Ursache hiervon war das Mißtrauen, mit dem F. besonders seit dem um diese Zeit erfolgten plötzlichen Tode seines einzigen rechten Bruders, des Prinzen Ludwig, den Hof seiner Stiefmutter, Dorothea geb. Prinzessin von Holstein-Glücksburg, zweiten Gemahlin des Großen Kurfürsten betrachtete, ein Mißtrauen, das durch Zwischenträgereien von Höflingen genährt den Prinzen zu dem Entschluß trieb, von Karlsbad aus, wohin er mit seiner Gemahlin Sophie Charlotte geb. Prinzessin von Hannover, zur Badekur gereist war, bei seinem Vater um die Erlaubniß anzuhalten, einen selbständigen Hof zu Cleve als Statthalter der westlichen Lande einzurichten. Diese Erlaubniß kam nicht. Doch trotz der gemessenen Befehle des Vaters, schleunig an den Hof nach Berlin zurückzukehren, schlug der übelberathene Sohn – Eberhard Dankelmann war nicht zur Stelle – den Weg nach Cleve ein. Erst im letzten Augenblick von des Prinzen Entschluß in Kenntniß gesetzt, gelang es Dankelmann, denselben zur Aenderung seiner Route zu bestimmen. Er ging Mitte Juli 1687 zu dem Bruder seiner ersten, verstorbenen Gemahlin, Landgraf Karl von Hessen-Kassel, und von hier aus gelang es dann wiederum durch Dankelmann’s Vermittlung, eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn herbeizuführen. Ende October d. J. kehrte F. nach Berlin zurück, jetzt in der That in einer unabhängigeren Stellung als er sie bis dahin eingenommen hatte. Wenngleich diese Art, eine in einer gewissen Beziehung nothwendige Aenderung hervorzubringen, bedenklich erscheinen muß, so kann man sich doch nicht verhehlen, daß die Dispositionen, die Friedrich Wilhelm unter der Einwirkung der Kurfürstin den Hausgesetzen zuwider zu Gunsten seiner Söhne zweiter Ehe getroffen – es handelte sich um die Abtrennung von Halberstadt, Minden, Ravensberg, Lauenburg und Bütow – nicht nur zu einer Minderung der Kräfte, sondern mehr noch zu Familienzerwürfnissen Anlaß boten, die für die Entwicklung des Hauses von bedenklichen Folgen hätten werden können. –

Als F. seinem Vater am 9. Mai 1688 auf dem Kurstuhl gefolgt war, war es daher eine seiner ersten Sorgen, die für das Staatswohl schädlichen [629] Bestimmungen des väterlichen Testaments von 1686 womöglich im Einvernehmen mit Mutter und Geschwistern abzuändern. Zunächst gelang es durch Vermittlung der bisherigen Minister, die F. beibehielt, Meinders, Fuchs, Rhetz, J. E. v. Grumbkow, denen jetzt Eberhard Dankelmann beigesellt wurde, mit der Kurfürstin Dorothea, die sich dabei in hohem Maße uneigennützig und patriotisch zeigte, ein Einvernehmen herbeizuführen. Schwerer ließ die Mutter die Ansprüche ihrer Söhne fallen. Es bedurfte mehr als dreijähriger Verhandlungen, bis auch diese sich den ihnen vom Kurfürsten gemachten Anerbietungen, statt Land und Leute ein Aequivalent an festen Einkünften anzunehmen bequemten. Der Vergleich vom 3. März 1692 führte diese Verhandlungen zu einem glücklichen Abschluß. Eben um diese Zeit tauchen die ersten Spuren jener Entwürfe auf, die den auf Glanz und Repräsentation gerichteten Sinn des jungen Fürsten schon seit seinem Antritt, vielleicht noch früher, beschäftigt haben mögen, die auf die Erlangung der Königskrone gerichteten. Zunächst als eine Idee, eine Möglichkeit warf er seinen vertrautesten Räthen gegenüber diese Frage hin, um ihr Gutachten darüber zu vernehmen. Und auch als sie sich dagegen erklärten, ließ er die Idee, die er in ihrer positiven Unschädlichkeit für andere als eine durchaus realisirbare betrachtete, nicht wieder fallen, bis achtjährige ununterbrochene Bemühungen und die günstigen Conjuncturen ihn zum gewünschten Ziele führten. Im innigen Zusammenhange mit den Verhandlungen hierüber steht eine Frage, die äußerlich damit nichts zu thun hat und mehr noch als Krieg und Politik dem Kurfürsten in den ersten 7 Jahren seiner Regierung Sorgen bereitete – die Retradition des 1686 von Oesterreich als Entschädigung für die Erbansprüche auf die Herzogthümer Liegnitz, Brieg, Wohlau und Jägerndorf an Friedrich Wilhelm abgetretenen Kreises Schwiebus. Durch die Vorspiegelungen des gewandten kaiserlichen Gesandten am Berliner Hof, Baron Fridag, irre gemacht, hatte F., gegen das Versprechen, ihn dereinst betreffs des väterlichen Testaments gewähren zu lassen, eben um die Zeit des Vertrags, der die Abtretung von Schwiebus an den Großen Kurfürsten bedang, ohne Wissen eines seiner Räthe einen Revers ausgestellt, worin er sich verpflichtete, Schwiebus nach seinem Regierungsantritt dem Kaiser zurückzucediren. Erst zwei Jahre nach diesem Ereigniß, 1690, als er von Baron Fridag immer ärger gedrängt wurde, sein verpfändetes Wort einzulösen, machte er, eben auf dem Wege nach dem Kriegsschauplatze am Rhein, seinem Minister Dankelmann die erste Mittheilung davon. Dieser wie die anderen ins Vertrauen gezogenen Räthe waren einig über die Unverbindlichkeit des von ihm als Kurprinz unter Verdunkelung der Sachlage erpreßten Reverses. Trotzdem hielt sich F. für moralisch gebunden und diese seine Ueberzeugung gab neben der Aussicht, seine Absichten auf die Erlangung der Königskrone dadurch beträchtlich gefördert zu sehen, den kaiserlichen Ministern gewonnenes Spiel. Nach mehr als dreijährigen Verhandlungen wurde endlich (Herbst 1694) die Retradition nachgegeben, freilich nur mit der bestimmt ausgesprochenen, wenngleich nicht acceptirten Clausel, daß dadurch die Erbansprüche auf die vier schlesischen Herzogthümer wiederauflebten – und am 10. Jan. 1695 wurde Schwiebus den österreichischen Commissarien wieder eingeantwortet. Der Blick auf die Königskrone war hierbei, wenn nicht das ausschlaggebende, doch ein maßgebendes Moment gewesen. Aus dieser Tendenz erklärt sich die Politik des ersten Jahrzehnts von F.’s Regierung, wie die der späteren Jahre durch die für diesen Preis übernommenen Verpflichtungen bedingt ward. Auf seine Armee und seinen Hof gedachte F. die Krone zu begründen. Eine starke, mehr als zur Sicherung seiner Lande genügende, in rühmlichen Kämpfen bewährte Armee und ein glänzender Hofhalt, der sich mit den reichsten Europas messen konnte, schienen ihm die äußere Verkörperung einer Würde, die ihn den Höchstgestellten unter den Herrschern [630] Europas gleichstellen sollte. Und diese hochstrebenden Tendenzen erhielten Vorschub durch die Zeitverhältnisse, die einem ruhmbegierigen Heer überreiche Gelegenheit boten, Lorbeeren zu erwerben, die Zeit des Krieges der großen Coalition Deutschlands und der Seemächte gegen Ludwig XIV., 1688–97. Es war nothwendig, hier mit der Darstellung in einzelnen Punkten vorzugreifen, um gleich einige der Momente hervorzuheben, die für die Politik Friedrichs als Kurfürsten mitbestimmend waren. Neben den erwähnten sachlichen und persönlichen Rücksichten muß indeß als das Grundprincip der Politik dieses ersten Jahrzehnts jene selbe großartige Auffassung hervorgehoben werden, die der Große Kurfürst als das Eintreten für die Staaten- und die Gewissensfreiheit der Universalmonarchie Ludwigs XIV. gegenüber bezeichnete. In dieser Beziehung folgte F. ganz den Ideen seines Vorgängers. Er war es, der durch die Ueberlassung des Marschall Schomberg an Wilhelm von Oranien die Befreiung Englands, und durch die Sendung einer Zahl seiner besten Regimenter nach Holland den Schutz der Staaten ermöglichte. Ueber den Vertrag mit dem Kaiser und Wilhelm III. von England hinaus gesellte er dem kaiserlichen und dem Reichsheer seine Auxiliarcorps zu. Mit dem Kern seines Heeres zog er selbst wiederholt an den Niederrhein, nach Brabant und Flandern, um, sei es allein oder an der Seite von Holländern und Engländern, die Reichsgrenze gegen Ludwigs Heere zu decken. Wie er 1689, im ersten Jahr des Krieges, mit den frischen Lorbeeren von Kaiserswerth und Bonn geschmückt in seine Residenz zurückkehrte – auch persönlich hatte er sich bei der Belagerung ausgesetzt – wie er im zweiten den Verlust der Schlacht von Fleurus (1. Juli 1690) durch das tapfere Eintreten der Brandenburger ausglich und dem Feinde das eroberte Terrain wieder streitig machte, so gelang auch die größte Waffenthat der späteren Jahre, der Sturm und die Wiedereinnahme des für unüberwindlich gehaltenen Namur (1694) durch die brandenburgischen Truppen vornehmlich, die gleichzeitig auf dem ungarischen Kriegstheater den Türken gegenüber, besonders zu Zenta, neuen Ruhm ernteten. Doch durch persönliche Rücksichten und Erwartungen an den Kaiserhof gebunden, zugleich durch die von den materiellen Verhältnissen gebotenen Subsidienforderungen in den Augen Wilhelms III. und Hollands discreditirt, und ohne jenen energischen Egoismus, der die Großmächte zur Ausbeutung des Friedensschlusses im eigenen Interesse drängte, sah sich F. auf dem Friedenscongreß zu Ryswick nicht nur in seinen Vertretern, denen kaum eine berathende Stimme gegeben ward, mißachtet, sondern geradezu in allen seinen Erwartungen getäuscht. Nicht einmal die ihm von den Westmächten und Spanien geschuldeten Subsidien gelang es einzutreiben. Mehr als seit 50 Jahren geschehen war, wurde Kurbrandenburg mit Nichtachtung behandelt, wie Jemand, dessen man von vornherein gewiß sei, und gerade dieser Lohn für treue Dienste berührte den überaus empfindlichen Fürsten aufs tiefste. Weder Reputation noch Vortheil, äußerte er sich in seinem Unmuth bald nach dem Friedensschluß gegen den englischen Gesandten am Berliner Hof, habe er dabei davongetragen, das werde ihm in Zukunft zur Warnung dienen, den Alliirten seine Dienste nicht zu eifrig anzubieten, er werde warten, bis man sich ihm mit soliden Bedingungen verbinde. Die politische Tendenz des Fürsten hatten also alle diese Demüthigungen doch nicht völlig geändert. Er hielt fest an der von seinem Vorfahr überkommenen Politik, im Bund mit dem Haus Oesterreich und den Seemächten für Deutschlands Sicherheit vor den Uebergriffen des französischen Nachbars einzustehen. Dabei wußte er aber die Stellung nicht zu wahren, die jener sich mühsam errungen hatte, als Gleicher neben Gleichen zu stehen und lieber ganz vom Kampfplatze abzutreten, als seiner Ehre zu nahe treten zu lassen. Großentheils aber entsprang Friedrichs unsichere Haltung aus der Verquickung dieser großen Motive mit Wünschen rein persönlicher und oft [631] unausführbarer Natur. Es galt ihm, vom Kaiser das Versprechen zu erlangen, sich der Annahme der Königskrone nicht entgegenzustellen und sie zu garantiren, und ebenso die Garantie der Seemächte zu erkaufen. Dann hoffte er, Wilhelm III. in jenen Intentionen zu erhalten, in denen er ihm einst auf einer Zusammenkunft im Haag die oranische Succession sogut wie zugesagt hatte, das Verhältniß zu den Staaten endlich so freundlich zu gestalten, daß sie ihm die Besetzung der oranischen Hausfestungen, Grave, Breda, Gertruydenburg etc., an der Grenze ihres Landes gestatteten, und einem seiner Brüder oder Verwandten nach Wilhelms Tod die Erbstatthalterwürde übertrügen. Daß ein Theil dieser Hoffnungen chimärisch war, mußte ferner blickenden Politikern von vornherein klar sein. F., nach dem Sturz Dankelmann’s (December 1697), den er fallen ließ, ohne den Versuch zu machen, ihn zu halten, eines festen und uneigennützigen Berathers beraubt, wurde erst durch bittere Erfahrungen zur Erkenntniß hiervon gebracht. Denn der Günstling, der an Dankelmann’s Stelle trat und 13 Jahre hindurch maßgebenden Einfluß auf die preußische Politik übte, der Oberkammerherr Kolbe v. Wartenberg verfolgte nur ein Ziel, sich in seiner Stellung zu erhalten, und hoffte dies am besten dadurch zu erreichen, daß er seines Herrn Pläne auf die Krone, auf militärischen Ruhm und etwa ein verhältnißmäßiges Entschädigungsobjekt am Niederrhein für die Subsidienforderungen an Spanien und die Staaten beförderte. Derjenige aber, der das Detail der politischen Geschäfte erledigte, Rüdiger v. Ilgen, begnügte sich zunächst, die ihm übertragenen Geschäfte möglichst geräuschlos zu erledigen, in der Hoffnung, mit der Zeit zu einer Stellung emporzusteigen, die ihm freie Hand ließ, eine Politik nach seinem Sinne zu führen und auch verantwortlich zu vertreten. Die Anerkennung der Königskrone seitens des Wiener Hofes erlangte F. mehr durch die Gunst der Umstände – die drohende Nähe des Krieges mit Frankreich um die spanische Monarchie, wobei dem preußischen Heere eine hervorragende Rolle zugedacht war – als durch die wohlerwogenen Deductionen und persönlichen Bemühungen des kurfürstlichen Gesandten am Wiener Hof, Christ. Fr. v. Bartholdi. Der geheime Vertrag vom 16. Novbr. 1700, der sogen. Krontractat, gewährte F. die Begründung der Krone auf das souveräne Herzogthum Preußen, gegen das Versprechen, im Krieg gegen Frankreich 8000 Mann über das Reichscontingent hinaus zu stellen, bei allen folgenden Kaiserwahlen Prinzen des Hauses Habsburg den Vorzug zu geben und in allen wichtigen Fragen auf Reichstagen mit Oesterreich zu stimmen, soweit die Interessen des Staats es gestatteten. Am 18. Januar 1701 setzte sich F. die Königskrone zu Königsberg in Preußen aufs Haupt. Noch vor Ablauf desselben Jahres begann die Concentrirung des für Oesterreich bestimmten Hülfscorps an der Westgrenze des Reichs. Als im folgenden Jahr der Reichskrieg an Ludwig XIV. erklärt wurde, war Preußen durch den Krontractat und als Reichsstand zur Stellung von zusammen etwa 14000 Mann verpflichtet. Bei einem Effectiv von gegen 35000 Mann blieb mithin eine Armee von 20000 Mann zur Deckung des Landes und sonstigen Zwecken verfügbar. F. erkannte indeß die Richtung, wohin ihn die Politik seines Vorgängers unzweideutig hinwies, nicht. Statt die Gelegenheit des Zerwürfnisses zwischen Karl XII. von Schweden und den Königen von Dänemark und Polen zu benutzen, um entweder im festen Bunde mit jenem die ihm von Karl schon zugesagten Stücke von Polnisch-Preußen dauernd zu erwerben oder gemeinsam mit August von Sachsen-Polen und Friedrich von Dänemark den Schwedenkönig zu bekämpfen und das schon einmal eroberte Vorpommern für immer mit seinem Staat zu vereinigen, wählte er hier die unbewaffnete Neutralität, die sich auf die Dauer, von allen Seiten verletzt, doch nicht behaupten ließ. Der einzige Preis dafür aber war die Anerkennung der Königskrone seitens Polens und [632] Dänemarks. Während er im Westen über 40000 Mann ins Feld stellte und seine Truppen zu Höchstädt und Blindheim (1704) und bei Turin (1706) unter Leopold von Dessau, zu Ramillies (1706) und Malplaquet (1709) unter Lottum und dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm die Entscheidung herbeiführen halfen, hatte er es nur Karls XII. gutem Willen zu danken, daß seine Stammlande nicht schon 1705 zum Tummelplatz schwedischer Einlager gemacht wurden. Bald mußte er zusehen, wie nach der Schlacht bei Pultowa und nach Karls Ablehnung der ihm im Haager Concert (1710) octroyirten Neutralität seiner Reichslande, der schwedische General Krassow, ein Jahr darauf Russen und Polen, die oft proclamirte Neutralität seiner Lande ungescheut verletzten. Ein Appell an den Kaiser und die Seemächte verhallte wirkungslos. Wehrlos lagen die Stammlande dem Einfall fremder Heerführer offen. Eine mildere Beurtheilung würde dieser Politik vielleicht zu Theil werden, wenn der Friede von Utrecht, dessen Abschluß F. nicht mehr erlebte, Resultate gebracht hätte, wie sie solchen Leistungen im Westen bei solchen Gefahren und Erniedrigungen im Osten entsprachen. Doch alles, was hier durchgesetzt wurde, beschränkte sich neben der Anerkennung der Königskrone seitens der Kriegführenden auf die Erwerbung des sogen. geldrischen Oberquartiers, das schon zu Ryswick dem Staate pfandweis zugesprochen, jetzt erst und auch nur durch das rücksichtslose Vorgehen Friedrich Wilhelms I. den Holländern gegenüber gesichert wurde. Auch in die Wirren des Ostens trat dieser Regent noch gerade rechtzeitig genug ein, um aus dem Zusammenbruch der Schwedenmacht in Deutschland einen Theil von Schwedisch-Pommern zu retten. Die Königskrone und die Niederwerfung Frankreichs waren mithin von F. mit Opfern erkauft, die zu weit mehr berechtigt hätten. Alle die Erwartungen aber, die er von der Ehrlichkeit und Dankbarkeit seines Vetters Wilhelm III., von dem Entgegenkommen der Staaten in der Erbstatthalterfrage gehegt, wurden bei Wilhelms Tode (1702) durch dessen Testament bitter enttäuscht. In demselben war der junge Prinz Wilhelm von Nassau-Friesland zum Universalerben eingesetzt. Es bedurfte mehrjähriger Verhandlungen mit diesem und der endgültigen Entsagung auf den eigentlichen Kern der Erbschaft, um nur die Cleve benachbarten Grafschaften Lingen und Mörs zu erhalten, die sich an das (1707) durch Kauf erworbene Tecklenburg anschlossen. Das Fürstenthum Neufchâtel, das Preußen im Vertrage von Utrecht zugesprochen wurde, erwies sich vom ersten Augenblicke bis zu seiner Aufgabe nur als eine Last, nicht als eine Verstärkung der Monarchie. Der Besitz Obergelderns, des bedeutendsten Erwerbungsobjects im Westen, blieb dagegen wie berührt, vorerst eine offene Frage. Noch eine andere ungleich einträglichere Erwerbung ermöglichte die Gunst der Zeit F. noch als Kurfürsten. Für die Summe von 340000 Thlrn. erkaufte er Anfangs 1698 von dem stets geldbedürftigen König August von Polen-Sachsen das reiche Amt Petersberg bei Halle, die Erbvogtei über die Abtei Quedlinburg, die Vogtei und das Schulzenamt der freien Reichsstadt Nordhausen und einige Aemter am Harz. Wenngleich die Gebiete von Quedlinburg und Nordhausen nicht gleich damals incorporirt wurden, so war damit doch der Grund zu der ein Jahrhundert später erfolgenden Einverleibung gelegt. Einen anderen Erwerb dagegen, den des handelsmächtigen Elbing im Polnischen Preußen mußte er, da von der Republik Polen die gezahlte Pfandsumme aufgebracht wurde, nach kurzem Besitz (1700) wieder aufgeben. Die Tendenz, sein Land auf jede Art durch Kauf, Pfandbesitz oder Eroberung zu arrondiren, fehlte F. also ebensowenig wie seinem Vorgänger; nur daß er nicht immer, wie jener, sein Augenmerk auf solche Landschaften richtete, auf die er einen Rechtsanspruch geltend machen konnte oder die in die Hand von Gegnern gerathend, die Unabhängigkeit und Entwicklung seiner eigenen Lande behindert [633] hätten. – Von bedeutenderer Einwirkung auf die Entwicklung der jungen Monarchie war Friedrichs innere Politik, die sich auf die Hebung der materiellen und geistigen Cultur seiner Unterthanen richtete, und für die die Erwerbung der Krone ein anstoßgebendes Moment von nicht zu unterschätzender Bedeutung wurde. Von Natur darauf angelegt, in dem Glanz seines Staates und dem Gedeihen seiner Unterthanen seinen Ruhm zu suchen, war F. von Dankelmann in dieser Richtung bestärkt, von Kolbe v. Wartenberg darin erhalten worden. An der Spitze eines in vollem Gedeihen kräftig aufstrebenden Volkes, konnte F. am schnellsten dazu gelangen, sich auf eine den Großmächten Europas ebenbürtige Stufe zu schwingen. Die Bedingungen zu einer solchen Stellung, materielle Macht und die Unabhängigkeit von jedem Anderen, suchte und fand er dann in der Aufstellung eines der größten Heere Europas, der Exemtion seines Staatsgebiets aus dem Reichsverband in staatsrechtlicher Beziehung, endlich der Hebung der Landescultur. Das Heer, das er in einer Stärke von etwa 30000 Mann von seinem Vorgänger überkommen hatte, wurde von ihm nach und nach (1701, 1704, 1707) bis auf nahezu 50000 Mann gebracht. Es wurde zugleich der Versuch gemacht, neben der Armee, der „regulären Miliz“, eine Landwehr oder „Landmiliz“ aufzustellen (1704), die in vier National-Regimenter getheilt etwa 10000 Mann betragen und zur Vertheidigung der Landesfestungen und der Grenze dienen sollte. Wenngleich dies letztere Institut von Friedrich Wilhelm I. bald wieder aufgehoben wurde, so diente es doch dazu, den militärischen Geist der Bevölkerung zu einer Zeit rege zu erhalten, wo die Staaten ringsum nur mit Söldnerheeren ihre Fehden auskämpften; daneben in der Bevölkerung den Gedanken wachzuhalten, daß sie auch persönlich für ihre Freiheit einzustehen verpflichtet sei. Die Heeresverwaltung machte während der großen Kriege im Westen wesentliche Fortschritte. An die Stelle des früheren Dualismus zwischen dem obersten Heerführer und dem Kriegsminister (Generalcommissar) trat die völlige Unabhängigkeit des letzteren und die trefflichen Persönlichkeiten, die diesen Ressort unter F. verwalteten, J. Ernst v. Grumbkow und Dan. Ludolf v. Dankelmann verstanden es, durch eine stetige, besonnene Reform des Bestehenden, Aushebung, Ausrüstung und Exercitium des Heeres mustergültig zu gestalten. Die in zahllosen Kämpfen und Siegen bewährte Armee war zugleich unwillkürlich das beste Organ für die Ausbreitung des Staatsgedankens, den die neue Monarchie verkörperte. Sie erschien seit 1701 nur noch unter dem Namen der königl. preußischen Armee, ihre Führer als preußische Officiere; die einzelnen Territorien, aus denen sie sich rekrutirte, wurden preußische Provinzen genannt, unbekümmert darum, daß dieser Name nur einem, nicht zum Reich gehörigen, Gebiet zukam, daß sämmtliche Reichslande aber rechtlich im Kaiser, nicht im Kurfürsten von Brandenburg ihren obersten Herrn hatten. Schon die Bedürfnisse eines so großen stehenden Heeres, dessen Unterhalt aus den Domäneneinkünften in erster Reihe zu decken war, führten mit Nothwendigkeit auf die Erhöhung der Einkünfte durch Verbesserung der Wirthschaft und Verbreitung der Cultur. Gerade in den Zeiten der Königskrönung, die den Sinn des jungen Monarchen für neue Ideen besonders empfänglich machten, war es, wo es dem genialen Kammerrath Chr. Fr. v. Luben gelang, mit seinen seit Jahren gehegten Plänen auf Aufhebung der Leibeigenschaft, Austhuung des gesammten Domänenbesitzes in Erbpacht, Colonisirung des unangebauten Landes in großem Maßstabe durchzudringen. Die meist richtigen Ideen Luben’s, die bei einer von engfiscalischen Gesichtspunkten freien Behandlung und einer uneigennützigen und wachsamen Verwaltung zu glänzenden Resultaten hätten führen müssen, hatten zwar den Erfolg, die Aufhebung der Erbunterthänigkeit für alle Folge als ein nothwendiges Postulat hinzustellen, auch [634] manche Wirthschaftsreformen den Anhängern des Alten gegenüber siegreich durchzuführen. Ihr eigentlicher Kern aber, die Parcellirung und die Vererbpachtung der Domänen, führte in der ihm gegebenen Ausdehnung, die die Grundlagen des Staatshaushalts zu erschüttern drohte, und unter der obersten Leitung des unredlichen Grafen Wittgenstein zu so bedrohlichen Folgen, daß der König nach Verlauf eines Jahrzehnts (Ende 1710) die Vererbpachtung sistirte und bald ganz zu dem alten System der Zeitpacht zurückkehrte. Abgesehen davon, daß diese Versuche für alle folgenden Zeiten wohlthätige Fingerzeige gaben, trugen auch sie zur Brechung des bisherigen starren Particularismus der einzelnen Provinzen mächtig bei. – Am kräftigsten, wenngleich am langsamsten und daher fast unmerklich vollzog sich dieser selbe Proceß durch die Reformen auf dem Gebiet des Rechts und der Rechtsverfassung. Die zehnjährigen Bemühungen Friedrichs, die Justizhoheit, die er für sein Kurland besaß, auf alle seine Lande auszudehnen, wurden durch die Ertheilung des privilegium de non appellando am 16. Dec. 1702 von Erfolg gekrönt. Von diesem Tage an datirt die eigentliche Loslösung der preußischen Monarchie aus dem Körper des deutschen Reichs, von dessen einzigem noch blühenden Institut, dem Reichskammergericht, die preußischen Lande damit abgelöst wurden, da das andere gemeinsame Reichsinstitut, die Reichskriegsverfassung, nur noch ein Scheinleben fristete. In dem Berliner Oberappellationsgericht (28. Nov. 1703), dessen Entscheidungen sich auf das ganze Gebiet der Monarchie erstreckten, kam die Souveränetät des Königs zum klarsten Ausdruck. – Seine lebhafte Empfindung für das Schöne und Große bethätigte F. in der Beförderung von Wissenschaften und Künsten. Wie sich die Einweihung der Friedrichs-Universität zu Halle an seinem Geburtstage (11. Juli 1694) zu einem bedeutsamen Moment für die künftige Entwicklung der Beamten und Geistlichen seines Landes gestaltete, wie er gleich nach seinem Regierungsantritt den großen Naturrechtslehrer und brandenburgischen Historiographen Samuel v. Pufendorf damit beauftragte, die Geschichte seines Vorgängers, dann die seiner eigenen Regierung zu schreiben, so bildete er aus dem reichen Kreis der an seinem Hof sich sammelnden Künstler die Akademie der Künste (1696). Vier Jahre später (1700) entstand dann auf die Anregung seiner Gemahlin Sophie Charlotte und des am Berliner Hof weilenden Leibnitz die Akademie der Wissenschaften zur Beobachtung der Natur, zur Ausdehnung des christlichen Glaubens bei den Völkern des Ostens und, nach des Königs eigenem Zusatz, „zur Erhaltung der Reinigkeit der teutschen Hauptsprache“. Von Bedeutung für diese Bestrebungen war die Gunst, die F. der Einwanderung fremder Colonisten, vor allem der der französischen Refugiés, zuwandte. Waren bis 1688 nur einzelne Schaaren von Flüchtlingen aufgenommen worden, so wuchs ihre Zahl bis zum Schluß des Jahrhunderts auf etwa 20000. Damals war es, wo die Residenz Berlin, durch die fremden Zuzöglinge um ein Fünftel ihrer Bevölkerung vermehrt, aus der Mischung des französischen mit dem märkischen Element den ihr eigenthümlichen Charakter entnahm, wo die Städte der Marken und Pommerns neue Industrien entstehen sahen, wo ein Theil der Moore und Brüche der östlichen Provinzen unter der Hand niederländischer und französischer Ansiedler der Cultur wieder gewonnen wurden. So kam es, daß die Bevölkerung am Schluß dieser 25jährigen Regierung, trotz der Theilnahme Preußens an verheerenden Kriegen und des Mißwachses und der Hungersnoth in den östlichen Gebieten 1709–12, dennoch im Ganzen gewachsen, die Staatseinkünfte von 2½ auf 4 Millionen Thaler jährlich gestiegen waren. Ein solches Resultat mochte in einer Epoche, in der viele Nachbarländer, Oesterreich und Frankreich allen voran, im Wohlstand nicht unerheblich zurückgingen, manche Mängel der inneren Verwaltung wieder aufwiegen. So ergibt [635] Friedrichs Regierung, Alles in Allem, immer noch ein Resultat, bei dem der Vortheil den Nachtheil weit überwiegt. Trotz der Verschleuderung eines Theils der königlichen Domänen und damit des Staatseinkommens, trotz aller Mißwirthschaft am Hof und in der Verwaltung ein Steigen der Bevölkerung und des Gesammteinkommens. Trotz der Abhängigkeit vom Haus Habsburg und den Westmächten in den Fragen der großen Politik die Gewinnung der staatlichen Unabhängigkeit vom Kaiser mit der Königskrone, deren Schatten sofort über das gesammte Staatsgebiet bis zum Rhein und der Maas fallen, und die Erwerbung eines so hellen Kriegsruhms, wie sich dessen kaum ein anderes deutsches Land rühmen konnte. Auch in materieller Beziehung immerhin einige Vortheile, in der Arrondirung der westlichen Besitzungen durch Mörs, Lingen, Tecklenburg, bald auch Geldern, der Zurückweisung aller Ansprüche Polens auf das Königreich Preußen. Daneben ist die Beseitigung des kaiserlichen Einflusses auf die inneren Angelegenheiten der Monarchie in staatsrechtlicher und jurisdictioneller Beziehung als ein Verdienst Friedrichs zu bezeichnen, dessen Größe erst recht nach den Erfolgen bemessen werden kann, die sein zweiter Nachfolger, Friedrich II., daraus zog. Als eines der schönsten Blätter in der Geschichte dieses Regenten ist endlich das zu betrachten, auf dem seine Leistungen für die Hebung der Landescultur verzeichnet stehen. An Stelle der alten Sittenrauheit trat eine auf solider Bildung basirende Verfeinerung, mit dem Steigen der Bedürfnisse wuchs auch die Kenntniß von der Art, sie am besten und reichlichsten zu befriedigen, und ohne die außergewöhnlichen Unfälle der letzten Jahre würde auch das materielle Wohlbefinden der Unterthanen mindestens nicht abgenommen haben gegen die Zeit seines großen Vorgängers. Nur daß dem Fürsten die feste Stetigkeit und Klarheit jenes abging, die allein noch im Stande war, den in der ersten Entwicklung begriffenen Staat ohne Gefährdung seiner Größe entgegenzuführen. F. war drei Mal vermählt. Seine erste Gemahlin, Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, starb nach vierjähriger Ehe (1683). Ihr einziges Kind, eine Tochter, 1700 mit dem Erbprinzen Friedrich von Hessen-Kassel vermählt, starb bereits 1705. Die Ehe mit Sophie Charlotte von Hannover ging F. 1684 ein. Nach 21 Jahren (1705) wurde auch sie ihrem Gemahl entrissen. Seine dritte ihn überlebende Gemahlin, Sophie Luise von Mecklenburg, war bald nach der Vermählung (1708) in Tiefsinn verfallen, der sie nie wieder verließ. Nur aus der Ehe mit Sophie Charlotte entsproß ein den Vater überlebender Sohn. Es ist Friedrich Wilhelm, der als der erste seines Namens bei seines Vaters Tod (25. Febr. 1713) den preußischen Thron bestieg.

Vgl. v. Ranke, Genesis des preußischen Staats. Droysen, Gesch. der preuß. Politik IV. 1. v. Noorden, Die preuß. Politik im spanischen Erbfolgekriege in Sybel’s Hist. Ztschr., Jahrg. 1867. S. 297–358. De l’Homme de Courbière, Gesch. der brandenburg.-preuß. Heeresverfassung, Berlin 1852. Förstemann, Zur Gesch der preuß. Monarchie, Nordhausen 1867.
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