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ADB:Greith, Carl Johann

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Artikel „Greith, Karl Johann“ von Friedrich Lauchert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 533–536, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Greith,_Carl_Johann&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 22:44 Uhr UTC)
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Greith: Karl Johann G., Bischof von St. Gallen, geboren am 25. Mai 1807 zu Rapperschwyl am Züricher See, Kanton St. Gallen, † am 17. Mai 1882. G. erhielt seine Gymnasialbildung in den Schulen seiner Vaterstadt und in der Kantonsschule zu St. Gallen. Die philosophischen und theologischen Studien absolvirte er von 1822–1827 am Lyceum zu Luzern, wo insbesondere die Professoren Gügler und Widmer Einfluß auf ihn gewannen. Als Gügler am 28. Februar 1827 starb, hielt G. bei der von der Studentenschaft abgehaltenen Trauerfeier die Rede, die als seine erste Schrift im Druck erschien: „Rede, gehalten bey der Trauerfeyer zu Ehren Aloys Gügler’s, weiland Professors der Theologie am Lyceum in Luzern“ (Luzern 1827). Im Herbst 1827 bezog er die Universität München, wo er weitere philosophische und historische Studien betrieb und, von Widmer empfohlen, insbesondere zu Görres und dessen Kreise in dauernde nähere Beziehungen trat. Im Herbst 1829 erhielt er von dem katholischen Administrationsrath in St. Gallen einen Ruf an die dortige Stiftsbibliothek als Gehülfe und künftiger Nachfolger des damaligen Stiftsbibliothekars P. Ildephons v. Arx. Vor Antritt dieser Stellung begab er sich, um sich für diese weiter auszubilden, nach Paris, wo er die Bibliotheken näher kennen lernte und die Vorlesungen von Guizot, Villemain und anderen Gelehrten hörte. Hier erst traf er endlich auch seine definitive Berufswahl, trat in das Seminar St. Sulpice, um sich nochmals durch gründlichere theologische Studien auf den Eintritt in den geistlichen Stand vorzubereiten und empfing am 28. Mai 1831 durch den Erzbischof de Quelen von Paris die Priesterweihe. Hierauf kehrte er nach St. Gallen zurück, trat das Amt des Unterbibliothekars an, wurde aber zugleich auch von dem Fürstbischof von Chur-St. Gallen, Karl Rudolph Grafen v. Buol-Schauenstein unter schwierigen Verhältnissen zum Subregens und Professor am Priesterseminar von St. Gallen ernannt. Aus dieser Zeit, durch die bibliothekarische Thätigkeit veranlaßt, datiren seine freundschaftlichen Beziehungen zu dem Freiherrn Joseph v. Laßberg, die bis zu dessen Tode (1855) gepflegt wurden. G. setzte dem Freiherrn später ein schönes litterarisches Denkmal: „Erinnerung an Joseph Freiherrn v. Laßberg auf der alten Meersburg“ (Historisch-politische Blätter, Bd. 53, 1864, S. 425–441; 505–522). Als Rathgeber des Bischofs wurde G. in die damaligen kirchenpolitischen Kämpfe hineingezogen, und als er nach dem Tode des Bischofs († am 30. October 1833) in der Schrift: „Allgemeine Grundzüge der Entwicklung und Reform der Kirche, zur Beurtheilung der neuesten kirchlichen Ereignisse im Bisthum St. Gallen in der [534] Schweiz, und in eigener Angelegenheit“ (Luzern 1834) gegenüber den Uebergriffen der Kantonsregierung und gegenüber den verworrenen unkirchlichen Anschauungen, die hier wie in Süddeutschland auch einen Theil des Clerus ergriffen hatten, muthig für die Rechte der Kirche eintrat, wurde er von der Regierung seiner Aemter enthoben. Da er unter diesen Verhältnissen in der Heimath vorläufig keine anderweitige Anstellung finden konnte, nahm er einen Auftrag des Board of Records, eines englischen Parlaments-Ausschusses, an, in den Bibliotheken zu Rom die auf die englische Geschichte bezüglichen Urkunden zu sammeln. Das Resultat dieser Arbeiten, eine umfangreiche „Bibliotheca Vaticano-Britannica“, wurde von G. nach London abgeliefert; die Drucklegung kam nicht zu Stande. Auch in anderer Hinsicht erwies sich indessen der römische Aufenthalt fruchtbar für Greith’s historische Studien. Die Ergebnisse seiner Forschungen in den dortigen Bibliotheken für die Geschichte der deutschen Litteratur des Mittelalters veröffentlichte er in dem Werk: „Spicilegium Vaticanum. Beiträge zur näheren Kenntniß der Vaticanischen Bibliothek für deutsche Poesie des Mittelalters“ (Frauenfeld 1838), in welchem unter anderem auch der „Gregorius“ des Hartmann v. Aue nach der Vaticanischen Handschrift zum ersten Mal gedruckt ist. Die Veröffentlichung dieser Arbeit erwarb ihm u. a. auch die Anerkennung von Pertz und Böhmer, mit denen er, 1837 zum Mitglied der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde ernannt, in dauernder Verbindung blieb. Ende 1836 aus Rom zurückgekehrt, versuchte er vergeblich, die inzwischen erledigte Bibliothekarstelle in St. Gallen zu erhalten und fand vorläufig gastliche Aufnahme bei Fr. H. Schlosser auf Stift Neuburg bei Heidelberg. Im Februar 1837 wurde er Pfarrer zu Mörschwyl am Bodensee; in demselben Jahre wurde er von dem Bezirk Rorschach auch zum Mitgliede des Großen Rathes des Kantons St. Gallen gewählt, wo er besonders für die Interessen der schon mit der Aufhebung bedrohten schweizerischen Klöster eintrat. Am 9. Januar 1839 wurde G. zweiter Pfarrer an der Stiftskirche in St. Gallen, im Juni desselben Jahres auch Mitglied des katholischen Erziehungsrathes und im November 1840 Präsident desselben, 1843 Decan des Landcapitels St. Gallen-Rorschach und geistlicher Rath des apostolischen Vicars Dr. Johann Peter Mirer. Nachdem durch die Circumscriptionsbulle vom 12. April 1847 das neue Bisthum St. Gallen errichtet war, wurde G., der an den vorausgehenden Unterhandlungen neben G. J. Baumgartner und L. Gmür hervorragenden Antheil genommen hatte, Domdecan und stand als solcher dem ersten Bischof Mirer „sechzehn Jahre lang mit Rath und That zur Seite, ein unermüdlicher Arbeiter auf dem Gebiete pastoraler Administration, ein ausgezeichneter Rathgeber in schwierigen Conflicten, ein ausgezeichneter Organisator im Schul- und Erziehungsfach, ein beredter und gewandter Apologet der Kirche nach jeder Richtung hin“ (Baumgartner). Von seiner bedeutenden kirchlichen Thätigkeit in diesen Jahren legen insbesondere die kirchenpolitischen Denkschriften Zeugniß ab: „Die Rechte des Bischofs und der Geistlichkeit nach der Verfassung der katholischen Kirche“ (St. Gallen 1855); „Zur Erhaltung der bisherigen katholischen Kantonsschule und gegen die Gründung einer paritätischen Lehranstalt“ (St. Gallen 1856); „Die Lage der katholischen Kirche unter der Herrschaft des Staatskirchenrechts im Kanton St. Gallen“ (St. Gallen 1858; davon auch eine französische Uebersetzung, Einsiedeln 1858); „Was uns zum Frieden dient. Vorstellungsschrift an den Verfassungsrath des Kantons St. Gallen“ (St. Gallen 1861). Aus seiner bedeutenden und wirksamen Thätigkeit als Prediger gingen neben zahlreichen einzeln gedruckten Gelegenheitspredigten (vgl. Histor.-polit. Blätter 90, S. 513 [535] bis 515) insbesondere die beiden werthvollen Sammlungen apologetischer Predigten hervor: „Apologien in Kanzelreden über katholische Glaubenswahrheiten gegenüber den Irrlehren alter und neuer Zeit, für Priester und Laien“ (Schaffhausen 1847); „Die katholische Apologetik in Kanzelreden“ (a. u. d. T.: „Neue Apologien in Kanzelreden über katholische Glaubenswahrheiten, gegenüber den Irrlehren alter und neuer Zeit“, 2 Bde., Schaffhausen 1849 und 1852; 2. Aufl. Regensburg 1885). Praktisch-liturgischen Zwecken diente die Herausgabe des „Cantuarium S. Galli“ (St. Gallen 1845), mit einer historischen Einleitung über den Choralgesang im Kloster St. Gallen, des „Rituale Romano-Sangallense“ (St. Gallen 1849) und des „Proprium Sangallense“ (St. Gallen 1858). Im J. 1849 gründete G. in Verbindung mit einigen Professoren der katholischen Kantonsschule ein katholisches Lyceum in St. Gallen, an welchem die Studirenden die Ausbildung in den philosophischen Wissenschaften sollten erhalten können; er selbst docirte die Philosophie an dieser Anstalt, bis dieselbe 1855 von der herrschenden radicalen Partei wieder unterdrückt wurde. Aus dieser Lehrthätigkeit ging das „Handbuch der Philosophie für die Schule und das Leben“ hervor, das G. in Verbindung mit dem Benedictiner P. Georg Ulber von Einsiedeln herausgab, von dem aber nur drei Abtheilungen erschienen („Propädeutik oder Einleitung in die Philosophie“, Freiburg i. B. 1853; „Anthropologie oder Lehre vom Wesen des Menschen“, 1854; „Logik oder Denklehre“, 1857). Inmitten einer so vielseitigen und verantwortungsvollen praktischen Wirksamkeit ließ der unermüdlich thätige Mann auch die seiner wissenschaftlichen Neigung am nächsten liegenden historischen Studien nicht ruhen. Für die erste Auflage des Kirchenlexikons von Wetzer und Welte lieferte er in den Jahren 1849–1858 mehrere größere Artikel zur schweizerischen Kirchengeschichte (über die Ekkeharde von St. Gallen, das Bisthum Lausanne-Genf, den hl. Lucius, Notker, den hl. Othmar, das Bisthum Sitten), die zum Theil, von anderen überarbeitet, auch in die zweite Auflage des Kirchenlexikons übergingen. Gegen Ende dieser Periode seines Lebens erschien noch als reife Frucht langjähriger germanistischer und historischer Studien das schöne Buch: „Die deutsche Mystik im Prediger-Orden (von 1250–1350) nach ihren Grundlehren, Liedern und Lebensbildern aus handschriftlichen Quellen“ (Freiburg i. B. 1861), ein Werk von bleibendem Werth auf diesem Gebiete.

Nach dem Tode des Bischofs Mirer wurde Domdecan G. am 29. August 1862 zum Capitelsvicar, am 11. September zum Bischof von St. Gallen gewählt; am 17. März 1863 wurde er von Papst Pius IX. präconisirt, am 3. Mai 1863 in der Kathedrale von St. Gallen von Bischof Feßler, der damals als Weihbischof für Vorarlberg in Feldkirch residirte, consecrirt, um nun die Diöcese, um deren Verwaltung er sich in seinem bisherigen Amte schon so große Verdienste erworben hatte, noch neunzehn Jahre als Bischof zu leiten. Durch die besonders schwierigen Zeitverhältnisse dieser Jahre führte er die St. Gallische Kirche glücklich hindurch, um sie in gutem Zustande seinem Nachfolger zu hinterlassen. Von seinen Kämpfen gegen den am Anfang der siebziger Jahre mit erneutem Eifer seine Macht zur Unterdrückung der Kirche gebrauchenden schweizerischen Radicalismus legen die Denkschriften Zeugniß ab, die er im Namen des schweizerischen Episcopates ausarbeitete: „Die Lehre von dem unfehlbaren Lehramte des römischen Papstes und ihr wahrer Sinn“ (1871); „Die Lage der katholischen Kirche und das öffentliche Recht in der Schweiz“ (1871); „Die Unterdrückung der katholischen Religion und Kirche durch die Staatsbehörden im Kanton Aargau“ (1872); „Die Kirchenverfolgung in der Schweiz, insbesondere in Genf und im Bisthum Basel“ (1873); und [536] die zu seiner Rechtfertigung gegen die gegen ihn persönlich gerichteten Angriffe veröffentlichte Schrift: „Licht und Recht zur Vertheidigung seiner bischöflichen Pflichtstellung von Dr. Carl Johann Greith, Bischof von St. Gallen“ (Einsiedeln 1874). Wie dem Schutze des Bestandes seiner Diöcese gegen die Angriffe von außen wandte er auch der Pflege des kirchlichen Lebens im Innern wie der Bildung seines Clerus die größte Sorgfalt zu. Zahlreiche Kirchen wurden in der Diöcese während seiner Amtsführung theils neu gebaut, theils renovirt, auch die Domkirche in St. Gallen renovirt und am 17. August 1867 neu consecrirt. Greith’s schöne, ebenso gedankenreiche wie formvollendete Hirtenbriefe, von denen es leider keine Sammlung gibt, behandeln theils Gegenstände des inneren kirchlichen Lebens, theils dienen sie der Belehrung über actuelle Fragen in den Stürmen der Zeit. (Vgl. die Verzeichnisse derselben bei Rothenflue in den Histor.-polit. Blättern 90, S. 524 f. und bei Baumgartner in der Litterar. Rundschau 1882, 390.) – Die historischen Arbeiten, die G. in den verhältnißmäßig ruhigeren ersten Jahren seines bischöflichen Wirkens noch vollenden konnte, dienen der Darstellung der Anfänge der St. Gallischen Kirchengeschichte. Zur Abwehr seichter und oberflächlicher Schreibereien über die älteste Geschichte St. Gallens veröffentlichte er die beiden kleineren Schriften: „Der heilige Gallus, der Apostel Alemanniens, nach den ältesten Quellen und den neuesten Fabeln“ (St. Gallen 1864), und: „Die heiligen Glaubensboten Kolumban und Gall und ihre Stellung in der Urgeschichte St. Gallens“ (St. Gallen 1865). Aus demselben Interesse für die Anfänge der St. Gallischen Kirche ging endlich das weiter zurückgreifende, in vieljähriger Arbeit vorbereitete wissenschaftliche Hauptwerk Greith’s hervor, das er seinem Domcapitel und dem Clerus seiner Diöcese zum Andenken an die Consecrations- und Säcularfeier der Domkirche (17. und 18. August 1867) widmete: „Geschichte der altirischen Kirche und ihrer Verbindung mit Rom, Gallien und Alemannien (von 430–630) als Einleitung in die Geschichte des Stifts St. Gallen. Nach handschriftlichen und gedruckten Quellenschriften“ (Freiburg i. B. 1867). Zweck und Charakter dieses Werkes, das sich als Greith’s „litterarisches Testament und Glaubensbekenntniß“ (Baumgartner) darstellt, kommt schon im Titel desselben zum Ausdruck. Durch die Darlegung des historischen Zusammenhanges, wonach „die Kirche des heiligen Gallus ein Zweig der irischen des heiligen Patrizius, diese aber eine Tochter der römischen Kirche, der Mutter und Lehrerin aller Kirchen der Welt ist“ (Vorrede), wollte G. zugleich den Nachweis liefern, „daß unsere Kirche von ihrem ersten Ursprunge an mit den ältesten Kirchen und mit der apostolischen Kirche Roms übereinstimmt“; aus dem kostbaren Schatze der Ueberlieferung der Kirche des hl. Gallus möge sein Clerus mit ihm „Stärkung in dieser schweren Zeit und immer neue Lebensfrische finden“. So wurde das Werk nicht nur zu einer historisch werthvollen Arbeit, sondern zugleich auch „zum bedeutsamen bischöflichen Manifest an den Clerus seiner Diöcese“.

Fr. Rothenflue, Dr. Carl Joh. Greith, Bischof von St. Gallen, Würzburg 1874. Mit Porträt (Deutschlands Episcopat, Bd. II, Heft 6); – Derselbe, Dr. Karl Joh. Greith, Bischof von St. Gallen; Historisch-politische Blätter, Bd. 90, 1882, S. 501–525. – A. Baumgartner, Erinnerungen an Dr. Karl Joh. Greith, Bischof von St. Gallen; Stimmen aus Maria-Laach, Bd. 24, 1883, S. 486–510; Bd. 26, 1884, S. 364–387, 479–501. Dasselbe separat in Buchform, mit einigen Zusätzen, Freiburg i. B. 1884. Mit Porträt; – Derselbe, Bischof Dr. Karl Joh. Greith; Litterarische Rundschau 1882, Nr. 13, Sp. 385–392.