Zum Inhalt springen

ADB:Gronovius, Johann Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gronovius, Johann Friedrich“ von Otto Beneke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 721–723, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gronovius,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 16. Dezember 2024, 03:37 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Gröning, Peter
Nächster>>>
Gronovius, Lorenz
Band 9 (1879), S. 721–723 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Friedrich Gronovius in der Wikipedia
Johann Friedrich Gronovius in Wikidata
GND-Nummer 119019906
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|9|721|723|Gronovius, Johann Friedrich|Otto Beneke|ADB:Gronovius, Johann Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119019906}}    

Gronovius: Johann Friedrich G., einer der ersten Philologen des 17. Jahrhunderts, geb. am 8. Septbr. 1611 zu Hamburg, gest. am 28. Decbr. 1671 zu Leyden. Von angesehenen Eltern stammend (sein Vater David war Rath des Erzbischofs von Bremen, Johann Friedrich, später Syndicus in Bremen), erhielt er eine gute Erziehung, und begab sich 1631 nach Altorf, um sich in der Jurisprudenz, deren Studium er schon in Bremen begonnen hatte, weiter auszubilden, betrieb aber auch eifrig allgemeine und humanistische Studien. Nach dem Tode seines Vaters kehrte er 1633 nach Bremen zurück, das Jahr darauf besuchte er Gröningen, um den berühmten Juristen Ant. Matthaeus zu hören. Von dort zurückgekehrt, machte er eine Reise nach verschiedenen Gegenden von Deutschland, und hatte bei einem Besuche seiner Vaterstadt Hamburg das Glück, den großen Hugo Grotius kennen zu lernen, der ihn in seinen Studien bestens förderte und fortan mit ihm in freundschaftlichem Verkehr blieb. Diese Bekanntschaft war wol von bestimmendem Einfluß, daß G. vor den Kriegsbedrängnissen ein Asyl in Holland suchte, das zu seinem zweiten Vaterland werden sollte. In den bedeutendsten holländischen Städten nahm er längeren oder kürzeren Aufenthalt, theils mit wissenschaftlichen Studien beschäftigt, theils als Privatlehrer thätig, und trat mit den großen Gelehrten der Zeit in persönliche Verbindung, bei denen er sich durch sein reiches Wissen bald ein hohes Ansehen erwarb. Durch die Empfehlung seiner neuen Freunde wäre es ihm ein [722] Leichtes gewesen, sich bald eine öffentliche Stellung zu verschaffen, hätte es ihn nicht gedrängt erst die Welt kennen zu lernen und auf ausländischen Bibliotheken neue Materialien zu gelehrten Arbeiten zu sammeln. So unternahm er von Holland aus längere Reisen nach England, nach Frankreich, wo er 1640 zu Angers den Doctorgrad in der Jurisprudenz erwarb, sodann nach Italien, wo er sich lange aufhielt, obwol ihm die Benutzung mancher Bibliothek sehr erschwert wurde. In Rom machte er nebst andern Arbeiten eine Abschrift von dem damals noch unedirten Geschichtswerk „Alexias“ der Anna Comnena, welche Arbeit des fleißigen Mannes erst in diesem Jahrhundert der Wissenschaft zu gute gekommen ist; s. die Ausgabe von Schopen, Vol. I. p. IX ff. Von Italien aus kehrte er 1642 durch Süddeutschland, die Schweiz und Frankreich nach Holland zurück, von wo aus er einen Ruf nach Deventer als Professor der Geschichte und Eloquenz auf der Reise erhalten hatte. In Deventer wirkte er im bescheidenen Kreise, aber hochgeachtet bis zum Jahre 1658, in welchem ihm die Ehre zu Theil ward an die berühmte Hochschule zu Leyden als Nachfolger Boxhorn’s berufen zu werden. In Leyden verwaltete er wiederholt das Rectorat und wurde 1665 auch zum Bibliothekar ernannt. Er war zweimal verheiratet, hatte aber das Unglück, beide Frauen durch die Pest zu verlieren, die erste 1656 zu Deventer, die zweite 1669 zu Leyden. Sein Privatcharakter wird allgemein als liebenswürdig geschildert, wie auch seine mit sauberer und zierlicher Hand geschriebenen Briefe eine anima candida verrathen. Auch war er im Gegensatz zur allgemeinen Streitsucht der damaligen Gelehrten, von der auch sein minder begabter Sohn Jacob angesteckt ist, ein Feind aller gelehrten Händel, wenn er auch zweimal bittere und unverdiente Angriffe mit Entschiedenheit abgewehrt hat. – Was seine wissenschaftlichen Leistungen betrifft, so haben sich wenige Gelehrte gleich große Verdienste um die römische Litteratur erworben. Gronov’s Hauptwerke sind die an scharfsinnigen Erörterungen und glänzenden Verbesserungen reichen Observationes, die noch im 18. und 19. Jahrhundert durch Fr. Platner (1755) und Frotscher (1831) wieder gedruckt worden sind, sodann die für seine Zeit epochemachenden Forschungen über das antike Münzwesen und seine Ausgabe des Livius, über welche hervorragende Leistung ein ebenbürtiger Meister, Madvig, in seinen Emendationes Livianae p. 34 das Urtheil gefällt hat: Livium post Rhenanum … stataria opera ac perpetua recensendum sibi sumpsit saeculo XVII, Io. Fred. Gronovius, vir ingenio, iudicio, eruditionis in latinis litteris copia praestans, arte nondum aut quod ad rem grammaticam attinet aut in critica factitanda plane perpolitus, plurimisque egregie e codicibus et coniectura emendatis, eam constituit Livii orationis formam, quae ad nostram aetatem fere servata est. Gronov’s Stellung in der Geschichte der Philologie bezeichnet Bernhardy (Röm. Litt.-Gesch. S. 129 der 3. Ausg.) treffend mit folgender Schilderung: „J. Fr. G. darf für den wahren Stifter der holländischen Latinisten-Schule gelten. Anerkannt der tiefste Kenner der Latinität, die er in ihrer weitesten Ausdehnung überblickt …, hat er als Lehrer und Herausgeber ein tüchtiges Studium der Grammatik und Kritik begründet, diese beiden auch auf antiquarische Forschungen (de pecunia veterum) methodisch angewandt. Vorzugsweise gelang ihm die Berichtigung und Interpretation der Prosa, während die Dichter seiner verstandesmäßigen Combination ferner lagen; die Texte weiß er besser durch Kenntniß des Sprachgebrauchs als mittelst einer zusammenhängenden Recension zu fördern; dagegen ist er überall dem schon damals wuchernden Unfug in seichtem Notengeschwätz (notae politicae) und in fabrikartigen Sammlungen entgegengetreten.“ – Ein Verzeichniß seiner Schriften lieferte G. selbst in einem 1670 an den Italiener Angelicus Aprosius geschriebenen Briefe mit folgenden (abgekürzten) Titeln: 1) „Diatribe in P. Papinii Statii Silvas“, [723] Hagae Com. 1637. 2) „Observationum libri III“, Lugd. Bat. 1639, iterum et locupletiores editi a. 1666. 3) „Elenchus Antidiatribes Mercurii Frondatoris, sive Emerici Crucis“ (sive E. Cr. erläuterndet Zusatz von G.). Mit Nr. 1 neu herausgegeben von F. Hand 1812. 4) „Commentarius de sestertiis, Daventriae 1643, qui deinde crevit in libros IV de sestertiis sive subsecivorum pecuniae veteris Graecae et Romanae a. 1656“ (am vollständigsten die Ausgabe von Jacob G. 1691. 4°). 5) „Livii historiarum libri cum annotationibus“ Lugd. 1643, 4 tom. 12°., ibid. tribus tom. sine notis. Rursus cum ipsius et variorum notis, 1665. 3 tom. 8°. 6) „L. et M. Annaeorum Senecarum opera“, 4 tom. Lugd. 1649; eadem Amstelod. notis auctis 1658; 7) „A Gellii Noctes atticae emendatae“, Amstel. 1650, sine notis, quae cum maxime parantur (der bis zu lib. IX cap. 15 fortgeführte Commentar erschien in der Ausgabe seines Sohnes Jacob 1706. 4°). 8) „Observationum liber novus sive IV“, 1652. 9) „Observatorum in scriptoribus ecclesiasticis monobiblos“, Daventriae 1653 (das seltene vortreffliche Werk neu gedruckt in Frotscher’s Ausgabe der Observationes). 10) „P. Papinii Statii opera recensita“, Amst. 1653; 11) „Senecae tragoediae cum notis variorum“, Lugd. 1661 (ed. II. 1682). 12) „Animadversiones in Martialis loca, sparsae per notas variorum“, ed. Lugd. 1661. 13) „De centesimis usuris et foenore unciario antexegesis adversus Martinum Schoquium“ (im Drucke heißt es: adversus Theologistorico-philosophologum, Lugd. 1661. 14) De iisdem antexegesis posterior, ibid. 1664. 15) „Plauti comoediae recensitae cum plurium locorum correctionibus et explicationibus inter notas variorum“, Lugd. a. 1664 et 1669 apud Franc. Hackium. 16) „Ad M. Fabii Quintiliani utriusque et Calpurnii Flacci declamationes notae“, Lugd. 1665. 17) „Sallustii opera, notis additis in notas variorum“, Lugd. 1665. 18) „Ad Hesychii Lexicon notae permixtae notis variorum“, Lugd. 1668. 19) „Liber singularis emendationum in Plinii Secundi nat. hist.“, 1669. 20) „Notae ad Plinii minoris epistolas immixtae variorum notis“, Lugd. 1669. 21) „Poemata varia per occasiones emissa, nondum tamen junctim in unum volumen conjecta“. 22) „Orationes“ (sex a. 1648–1669). Sudant hoc ipso tempore sub praelis notae ad Tacitum (erschienen in der Ausgabe 1673) et ad Suetonium (in der Ausgabe von Graevius, Utrecht 1672). – Aus seinem reichen Nachlaß wurden Lectiones oder Dictata zu verschiedenen Schriftstellern, wie zu Phaedrus, Plautus, Terentius, Cicero’s Briefen etc. noch bis in die neueste Zeit herausgegeben.

Kurze Autobiographie in Daventria illustrata, Lugd. 1651 p. 712. Leben von Wilkens, Hamb. 1723 und von Westerhof vor den Lectiones Plautinae p. IX–XXX, Amstel. 1740. Graevius in der Vorrede zu Suetonius S. 177. Eckstein in der Haller Encyklopädie.