Zum Inhalt springen

ADB:Hätzer, Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hätzer, Ludwig“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 29–31, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:H%C3%A4tzer,_Ludwig&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:49 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Hatto I.
Band 11 (1880), S. 29–31 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig Hätzer in der Wikipedia
Ludwig Hätzer in Wikidata
GND-Nummer 118719823
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|11|29|31|Hätzer, Ludwig|Gerold Meyer von Knonau|ADB:Hätzer, Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118719823}}    

Hätzer: Ludwig H. (so schrieb sich H. selbst, nicht Hetzer, wie allerdings schon die Zeitgenossen in nicht zu verkennender Beziehung den Namen umschufen), Wiedertäuferhaupt, geboren um 1500 in unbekanntem Jahre, gestorben am 4. Februar 1529 zu Constanz. – H. stammte aus dem bischöflich constanzischen, jedoch unter der Hoheit der regierenden eidgenössischen Orte stehenden Städtchen Bischofszell im Thurgau. Seine Jugendzeit liegt im Dunkeln. Sehr tüchtig gebildet – er weilte einige Zeit in Freiburg zum Besuche der dortigen Hochschule –, galt er den Mitlebenden als ein gelehrter Mann. 1523 begann er auf dem Boden des in voller reformatorischer Bewegung stehenden Zürich hervorzutreten, indem er als Caplan zu Wädenswil am Zürichsee in einer am 24. September in Zürich durch Froschauer gedruckten Flugschrift: „Ain urtail Gottes unsers eegemachels, wie man sich mit allen götzen und bildnussen halten sol“ sich als ein beredter und thatkräftiger, aber auch leidenschaftlicher Vorkämpfer der radicaleren Richtung darthat, wie dieselbe nun sogleich in kühneren und einschneidenderen bilderstürmerischen Handlungen zu Tage kam. Wie viel H. noch zu dieser Zeit bei den Urhebern der Reformation in Zürich selbst galt, zeigt seine Verwendung als Schreiber bei der zweiten eben über Bilder und Messe abgehaltenen Disputation zu Zürich, vom 26. bis 28. October gleich darnach, wo ihm die Genugthuung zu Theil wurde, daß einer der Hauptsprecher, Leo Jud, sich auf seine Schrift bezog. Er gab darauf im December diese „Acta oder geschicht“, das Protokoll des Gespräches, selbst im Drucke heraus. Aber wie nun H. nach Zürich, dem damaligen Mittelpunkt der wilden, weiter greifenden, auf völlige Aenderung abzielenden Bestrebungen, übersiedelte, kam auch er in das mystisch unklare, wild stürmische Treiben der täuferischen Bewegung hinein, so daß ein Bruch mit Zwingli und der aufbauenden, vorsichtig vorbereitenden Thätigkeit der Reformation vorauszusehen war. Von Unmuth und ungeduldigem Ehrgeize erfüllt, unbefriedigt wegen nicht in das Leben getretener Hoffnungen für eine bessere Stellung seiner eigenen Person, verließ H. Ende Juni 1524 Zürich und begab sich nach Augsburg. Noch gab ihm Zwingli einen Empfehlungsbrief – vom 16. Juni datirt – an Dr. Frosch mit; allein in seiner Gesinnung war der Empfohlene schon mit den radicalen Gegnern des Reformators, den „unerschrockenen Propheten“ gegenüber den zaghaften Auslegern des Gotteswortes und den oberflächlichen Führern des Schwertes, gänzlich einverstanden. In Augsburg fand H. eine günstige Aufnahme, verkehrte viel mit Urbanus Regius, setzte die litterarische Geschäftsverbindung mit dem Buchdrucker Ottmar fort und war auch in angesehenen Häusern, bei Andreas Rem, dem humanistisch angeregten Georg Regel, gerne gesehen. Allein die ihn erfüllende Unruhe trieb ihn schon gegen Ende des Jahres wieder nach Zürich zurück. Hier verkehrte er nun fast nur noch mit den inzwischen in die eigentlich revolutionäre Bahn eingetretenen täuferischen Genossen, Grebel (vgl. Bd. IX. S. 619), Manz und den anderen Stürmern, und betheiligte sich, obschon seine Forderung sich nur auf Aufhebung des Zwangs der Kindertaufe, nicht auf die Einführung der Wiedertaufe erstreckte, doch in einem Zwingli gegnerischen Sinne am Religionsgespräch über die Tauffrage, vom 17. Januar 1525, sodaß er vier Tage darauf mit den anderen Ausländern von der Obrigkeit ausgewiesen wurde. Er ging wieder nach Augsburg, trat von neuem in eine äußerlich allerdings eingeschränkte Stellung in Ottmar’s Geschäft ein, übernahm aber bis zum Herbste hin in immer [30] ausgesprochenerer Weise die Führung der Täufergemeinde zu Augsburg. Eine Schrift „Von den evangelischen Zehen und von der Christen Red aus hl. Geschrift“ (1525) legte hinsichtlich des Abendmahls die Anlehnung an Karlstadt’s Theorie dar. Aber durch seine schmähsüchtige, wühlerische und doch zugleich charakterlose Haltung verunmöglichte er sich auch die Fortsetzung des Lebens in Augsburg. Regius, der in H. einen gefährlichen Gegner erkennen gelernt hatte, forderte ihn zur Disputation heraus, und als er nicht erschien, verwies ihn der Rath wegen seiner unlauteren, aufrührerischen, dem Evangelium feindseligen Sinnesart. Nochmals wagte es H., in Zürich zu erscheinen, wohin er schon am 14. September, noch aus dem Bewußtsein seiner Siegesstellung heraus, einen hochfahrenden, unaufrichtigen Brief zum Behufe der Wiederanknüpfung der Verbindung an Zwingli geschrieben hatte. Die Beziehungen zwischen Zwingli und H., der sich dem Geiste des Reformators ein letztes Mal unterwarf, schienen hergestellt zu sein, als er als gelehrter Gehülfe, von Oekolampad dringend empfohlen, im Februar 1526 von Basel mit der Absicht eines längeren Aufenthalts nach Zürich kam, um in dem Nachtmahlskampfe gegen die Schwaben litterarisch den Schweizern zur Seite zu stehen. Im März 1526 erschien bei Froschauer die von H. besorgte deutsche Uebertragung der ersten Oekolampad’schen Nachtmahlschrift gegen die Schwaben („De genuina verborum Domini: Hoc est corpus meum“ etc.), mit einer Vorrede, in der der Herausgeber auch seine Uebereinstimmung mit Zwingli gegen die Täufer aussprach. Doch diese Herstellung der Beziehungen war nur von kurzer Dauer, da Zwingli, als nun endlich, eben im Frühjahr 1526, der Rath seine Langmuth in der Behandlung der Täufer mit schärferen Maßregeln vertauschte, H. nicht schützen wollte oder konnte, so daß dieser, jetzt von heißem Grimm gegen den Reformator erfüllt, Zürich wieder verlassen mußte. Er ging nach Straßburg, wo Capito ihm Obdach gewährte, da der Flüchtling geschickt seine Zugehörigkeit zu den Täufern wieder abwies. In Verbindung mit Denk (vgl. Bd. V. S. 53) nahm H. hier nochmals eine rege litterarische Thätigkeit auf und begann insbesondere in der Uebersetzung der Propheten die erste reformatorische Arbeit auf diesem Gebiete, deren Fleiß und Kunst auch von Luther anerkannt wurden. Im Frühjahr 1527 in der Pfalz vollendet und gedruckt, in Worms erschienen, in vielen Ausgaben wiederholt und von späteren Uebersetzern stark benutzt, behielt diese Hauptleistung des sprachgelehrten Theologen, den die hebräischen Studien und die jüdischen Fragen – 1524 ein Buch zur Judenbekehrung – schon längst beschäftigt hatten, einen bleibenden Werth. Allein der Anschluß an Denk, wie er in kühnen leugnerischen Aufstellungen der zum Theil verlorenen letzten dogmatischen Schriften Hätzer’s erschien – so das „Büchlein von Christo“ gegen die Gottheit Christi, da Gott nur ein Einziger sei –, verschloß dem gefährlichen „Kirchen-Hetzer“ auch das neue Asyl. Ein Vierteljahr nach Denk’s Ausweisung mußte H., im Februar 1527, dem Genossen nachfolgen. Das Auftreten der beiden religiösen Agitatoren, welches sich in einer Disputation der „Wormser Propheten“ über sieben ganz der Denk’schen Dogmatik entnommenen Thesen am 13. Juni gipfeln sollte, fand durch die Vertreibung derselben aus Worms Anfang Juli ihren Abschluß. Unstät verfloß die Frist eines Jahres für das flüchtige täuferische Haupt. Anfangs mit Denk gemeinsam, der aber noch im November 1527 in Basel starb, in Nürnberg und Augsburg, dann wieder hier allein, doch Ostern 1528 vom Rathe verbannt, kränkelnd und deßwegen nach Bischofszell auf kurze Zeit zu ruhiger litterarischer Arbeit sich zurückziehend, von hier aus auch mit Vadian in Verkehr tretend: so lebte H. bis in den Sommer 1528, worauf er nach Constanz sich begab. Kläglich endigte hier die Laufbahn des begabten und geistreichen, doch der Zucht seiner selbst in stets bedenklicherer Weise entbehrenden täuferischen Schwärmers. [31] Die aus Augsburg flüchtige Regel’sche Familie war nach Constanz dem geistigen Freunde gefolgt. Allein jetzt ergab sich die Hausfrau Anna Regel geradezu als Eheweib heimlich dem geistlichen Führer, der seinerseits deren Magd noch hinzunahm, weiterer Verführungen sich schuldig machte. Die Obrigkeit der durch das christliche Burgrecht seit dem 25. December 1527 mit Zürich enge verbundenen, durch Ambrosius Blarer und durch Zwick ganz für die Reformation und deren strenge Sittenordnung gewonnenen Reichsstadt ließ den der Doppelehe schuldigen Verbrecher im October verhaften und ihm am 3. Februar 1529 das Todesurtheil sprechen, welches übrigens der täuferischen Ansichten nicht gedachte. Am folgenden Tage endigte H. gefaßt, in seiner zur Schau gelegten Zerknirschung des „armen Werkzeuges Gottes“ einen erbaulichen Anblick darbietend und sogar Gegner dadurch versöhnlich stimmend, aus Gnade durch das Schwert, ein Blutzeuge in den Augen der Täufer. Der Rathsherr Thomas Blarer, Bruder des Ambrosius, welchem auch H. die Handschrift des Büchleins von Christo, froh, daß es nicht gedruckt sei, übergeben hatte – 1532 verbrannte Ambrosius Blarer das Manuscript dieser dogmatischen Hauptarbeit –, beschrieb in andächtiger Weise den Todesgang des armen Sünders (Straßburg 1529).

Ueber H. vgl. neben seinen noch vorhandenen Schriften vorzüglich seine eigenen, sowie Zwingli’s, Oekolampad’s, Regius’, Zwick’s Briefe. Die wichtigsten Erörterungen über diese Quellen, sowie eine Lebensgeschichte gab Th. Keim in dem Aufsatze: Ludwig Hetzer, in den Jahrbüchern für deutsche Theologie, 1856, S. 215 ff. (vgl. neuestens, 1879, aus Keim’s Nachlasse den Artikel in Herzog’s Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 2. Aufl., Bd. V. S. 527 ff.).