Zum Inhalt springen

ADB:Harkort, Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Harkort, Friedrich Wilhelm“ von Otto Schell in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 1–6, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harkort,_Friedrich&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 08:05 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Hamberger, Julius
Nächster>>>
Harnack, Axel
Band 50 (1905), S. 1–6 (Quelle).
Friedrich Harkort bei Wikisource
Friedrich Harkort in der Wikipedia
Friedrich Harkort in Wikidata
GND-Nummer 118545973
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|1|6|Harkort, Friedrich Wilhelm|Otto Schell|ADB:Harkort, Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118545973}}    

Harkort: Friedrich Wilhelm H., gewöhnlich kurzweg Fritz oder „der alte Harkort“ genannt, erblickte am 22. Februar 1793 das Licht der Welt zu Harkorten an der industriereichen Ennepe zwischen Hagen und Gevelsberg. Harkorten war das alte Stammgut seiner Familie, welches letzterer muthmaßlich den Namen gab, seit uralter Zeit ein Freigut des Landes. Fritz Harkort’s Vater war Johann Kasper Harkort, einer dem höheren westfälischen Bürgerstande angehörenden Familie von bedeutendem Ansehen entstammend. Durch Einsicht, Rechtschaffenheit, Charakterfestigkeit, Erfahrung und gemeinnützige Wirksamkeit hatte er sich die allgemeinste Achtung weiter Kreise erworben. Seine Milde erwarb ihm die Liebe und Zuneigung der Seinigen. Die Erziehung unseres Fritz H. und seiner 5 Brüder ruhte hauptsächlich in der Hand der energischen Mutter, Henriette Elbers aus Hagen, wie der Vater aus einer alten märkischen Familie hervorgegangen. Das Hauswesen war von echt christlichem Geiste durchweht, der sich auch praktisch bethätigte, einfach, ernst, streng, gleichförmig und genau geregelt. Vergnügungen im Geschmack unserer Zeit waren äußerst selten. Doch bot das schöne Stammgut mit der näheren Umgebung der fröhlichen Kinderschaar einen geeigneten Tummelplatz berechtigter Kinderlust. Seinen ersten Unterricht empfing Fritz H. in der dicht beim väterlichen Stammgute gelegenen Volksschule am Quambusch. Nachdem er mit seinen Brüdern aus dieser Schule entlassen worden war, wurden sie der im J. 1799 in Hagen von Director Wiedemann aus Gummersbach im Oberbergischen errichteten „Handelsschule“ überwiesen Der fast 1½ stündige Schulweg wurde jeden Morgen und jeden Abend im Sommer und Winter zu Fuß zurückgelegt, wodurch der Körper abgehärtet und bis ins höchste Greisenalter widerstandsfähig wurde. Neben den auf der Schule in Hagen eifrig gepflegten Realien kam das Studium alter und neuer Classiker doch zu seinem Rechte und die „Harkorter Jungens“ bewahrten ihren dortigen Lehrern bis ins hohe Alter hinein ein dankbares Andenken. Im Jahre 1808 verließ H. die Hagener Handelsschule, um die kaufmännische Lehre bei Mohl in Barmen-Wichlinghausen anzutreten. Mohl’s Geschäft betrieb die Fabrikation von Teppichen und den Handel mit den Erzeugnissen der Weberei des Wupperthales. Hauptabsatzgebiet war die Schweiz. Die Comptoirarbeiten waren nicht nach Harkort’s Geschmack. Dadurch erregte er das Mißfallen des Principals ebenso sehr wie durch „das harte, unbeugsame Holz, aus dem der Charakter des jungen Markaners geschnitten war“. Seine mehr aufs Praktische gerichteten [2] Neigungen fanden in dem gewerbfleißigen Wupperthal einen dankbaren Nährboden. Als Napoleon zur Zeit der Continentalsperre für Verbesserungen bei der Zuckergewinnung aus Runkelrüben einen hohen Preis aussetzte, versuchte sich der kaum 18jährige H. mit Erfolg an der Lösung dieser Aufgabe. Nach beendeter Lehrzeit blieb er im Hause seines Principals und unternahm für denselben eine Reise nach der Schweiz. Der zu einem schönen, hünenhaften Jüngling herangewachsene H. verlobte sich bald darauf mit der einzigen Tochter seines Principals. Dann kam aber das Jahr 1813, welches die Markaner in hellen Haufen zu den Fahnen der Vaterlandsvertheidiger führte. H. fehlte nicht, zum Leidwesen seiner Braut. Für seine musterhafte Haltung und erfolgreiche Ausbildung der Rekruten wurde er noch während des Krieges zum Premierlieutenant befördert. Nach dem ersten Pariser Friedensschluß kehrte H. in seine Heimath zurück. Er führte dann vertretungsweise eine in Altena einquartirte Compagnie. Sein Abschiedsgesuch wurde im December 1814 abgelehnt. Nach Napoleon’s Rückkehr von Elba zog er abermals ins Feld. Am 15. Juni erlitt er zwei nicht unerhebliche Verwundungen und wurde nach Mastricht verbracht, später nach Aachen. Erst im September 1815 konnte er wieder zu seinem Truppentheil stoßen. Das eiserne Kreuz wurde ihm zuerkannt. Am Ende des Jahres erfolgte die Rückkehr in die Heimath. Drei Jahre später, am 10. Mai 1818, starb Harkort’s Vater. Da Harkorten Majorat war, so wurde er durch diesen Todesfall fast vermögenslos. Doch er verzagte nicht. Er richtete eine Gerberei für feinere Ledersorten auf Harkorten ein und übernahm unweit Langenberg ein Kupferhammerwerk. Nachdem er beide Anlagen in Flor gebracht hatte, überließ er sie jüngeren Verwandten und wandte sich einem neuen Industriezweige zu, der seiner Thatkraft einen gewaltigen Aufschwung verdanken sollte: der Maschinenfabrikation. Zu diesem Zweck trat er in Verbindung mit Heinrich Kamp aus Elberfeld. Kamp lieferte die erforderlichen Geldmittel, während H. die Leitung übernahm. Die Fabrik wurde in der alten Burg zu Wetter, welche 1818 von der Firma Harkort & Co. erworben wurde, eingerichtet. Dieses Jahr wurde auch in anderer Hinsicht für H. bedeutsam, da er sich am 21. September desselben mit Auguste Mohl vermählte. Das junge industrielle Unternehmen hatte außer mit den in der Sache selbst liegenden Schwierigkeiten aber auch mit solchen allgemeiner Art zu kämpfen. Gegner aller Art fanden sich ferner. Trotzdem setzte H. seine Pläne durch und sah bald seine Mühe mit Erfolg gekrönt. Vor allen Dingen bezogen die großen Fabrikstädte im Wupperthal ihre Dampfmaschinen von seinem Werk. Aber auch mechanische Webstühle nach englischem Muster lieferte das Werk in Wetter schon bald, dazu Heizapparate, hydraulische Pressen u. s. w. Bereits im J. 1822 wurde Harkort’s Werkstelle in der amtlichen Staatszeitung „unter die merkwürdigsten und bewundernswerthesten Anstalten in Deutschland“ gezählt. Um so überraschender waren diese Erfolge, als H. keineswegs der erste Unternehmer in Westfalen war, der Dampfmaschinen baute. Doch H. wurde nicht unthätig; mit neuem Eifer warf er sich nun auf eine bessere Methode der Eisenfabrikation, das sogen. Puddelverfahren. Er selbst legte 1826 neben der Burg Wetter ein Puddel- und Walzwerk an, welches bald in der Grafschaft Mark Nachahmung fand. Das war es, worauf H. hinzielte, nicht in engherziger Beschränktheit nur die eigene Tasche füllend. Als ihm seine nächsten Anverwandten über solche Selbstlosigkeit Vorwürfe machten, erwiderte er: „Mich hat die Natur zum anregen geschaffen, nicht zum ausbeuten; – das muß ich andern überlassen!“ Die Anlegung einer Dampfkesselschmiede folgte bald, und diese wurde schnell maßgebend für Rheinland und Westfalen. Dadurch wurde die deutsche Dampfmaschinenfabrikation eigentlich [3] erst ganz unabhängig von England. Im Jahre 1826 legte H. in Wetter auch einen Hochofen an und infolgedessen wurde der Bergbau auf Eisenstein in der Umgegend von Hagen neu aufgenommen. Auch durch Artikel, namentlich im „Westfälischen Anzeiger“, wies H. auf den Nutzen seiner Bestrebungen hin und mahnte die maßgebenden Kreise, seinem Beispiele zu folgen. Leider fand er für seine Pläne nicht immer das erforderliche Verständniß, wozu in erster Linie das Fehlschlagen zweier großartigen Unternehmungen mitwirkte, welche Elberfeld und vor allen Dingen Jakob Aders ins Leben gerufen hatte: die Errichtung der Rheinisch-Westindischen Compagnie und des Mexikanischen Bergwerkvereins.

Trotz seiner ausgedehnten Thätigkeit fand H. noch Muße, sich auch den öffentlichen Angelegenheiten zu widmen. Außer dem „Westfälischen Anzeiger“ ließ er seine Arbeitskraft dem „Hermann“ zukommen, welchem 1823 das Wiedererscheinen gestattet wurde. Gleich in der ersten Nummer trat H. gegen den am Bergischen Dom zu Altenberg verübten Frevel auf und lenkte die weiteste Aufmerksamkeit auf dieses erhabene Denkmal mittelalterlicher Architektur. Durch dieses mannhafte Eintreten war H. mit einem Schlage zum Ansehen eines unabhängigen Volksmannes gelangt. Seine Thätigkeit in der Presse über die wichtigsten Fragen, welche die öffentliche Meinung der Zeit bewegten, setzte er in den nächsten Jahren fort, theils in humoristischer Form unter dem Pseudonym Famulus. Auch für die Durchführung der Union der beiden evangelischen Kirchen innerhalb seines Wirkungskreises trat er lebhaft ein. In allen religiösen Fragen bewies er, trotzdem er mit Ueberzeugung dem protestantischen Bekenntniß zugethan war, die größte Toleranz.

Im Jahre 1819 trat er als Premierlieutenant wieder in das Officiercorps des zweiten Bataillons des 16. Westfälischen Landwehrregiments und wurde später Hauptmann und Compagnieführer; 1833 wurde ihm der erbetene Abschied zu theil.

Die Verfassungsfrage, deren Regelung durch die berühmte Verordnung vom 22. Mai 1815 zugesagt worden war, wurde bekanntlich nicht gelöst. Als aber H. auf dem 3. westfälischen Landtage im J. 1830 erschien, trat er sofort für die Einlösung des königlichen Wortes betreffs der Zusammenberufung von Reichsständen ein, ein Vorgehen, welches ihn fast in Conflict mit Stein gebracht hätte. Auch dem 1833 zusammentretenden 4. westfälischen Landtage gehörte H. an und zwar als eins der arbeitsfreudigsten und genialsten Mitglieder. Unter nichtigem Vorwande wurde dieser den Regierenden unbequeme Mann dann ausgeschlossen.

Schon lange vor diesem Zeitpunkt hatte H. eingehend die englischen Bestrebungen auf dem Gebiete der Eisenbahnen und Dampfschifffahrt verfolgt. Im Jahre 1825 schrieb er einen Artikel, welcher die Vorzüge seiner überzeugenden Schreibweise – lakonische Kürze – treffend widerspiegelte und die erste in einem öffentlichen Blatte Deutschlands erschienene Anregung gab. Er griff die Sache auch sofort praktisch an und ließ in Wetter eine kleine Probebahn erbauen und diese im Sommer 1826 im Garten der Museumsgesellschaft in Elberfeld aufstellen. Doch der Widerspruch und die Kurzsichtigkeit der Behörden ließ seine Pläne nicht so schnell, wie es zu wünschen gewesen wäre, zur Ausführung gelangen. Nur drei kleinere Eisenbahnen wurden im Märkischen bis zum Jahre 1830 angelegt, namentlich die Steele-Vohwinkeler Linie, welche erst zwei Jahrzehnte später zu einer Hauptbahn mit Locomotivenbetrieb umgewandelt wurde. Zu ihrer Herstellung bildete sich auf Harkort’s directes Betreiben die erste Eisenbahnactiengesellschaft in Deutschland. Gleich bei seinem Eintritt in den westfälischen Landtag reichte H. einen ausführlichen Antrag [4] auf „Verbindung der Weser mit der Lippe vermittelst einer Eisenbahn“ ein. Dieser Antrag fand eine günstige Aufnahme. Doch die Regierung war zu keinem energischen Handeln zu bewegen. Da ließ H. 1833 seine bekannte Schrift erscheinen: „Die Eisenbahn von Minden nach Köln“, in welcher er nicht nur die commerciellen u. s. w., sondern auch die strategischen Vorzüge dieser Bahn geschickt klarlegte. Seine Privatverhältnisse nöthigten H., nach dem Schlusse des 4. westfälischen Landtages von der Stelle des ersten Vorkämpfers für den Bau von Eisenbahnen in Westfalen allmählich zurückzutreten. Trotzdem ist er für den Bau der Bergisch-Märkischen Eisenbahn noch hervorragend thätig gewesen.

Seine geschäftliche Verbindung mit Kamp löste H. im J. 1832; „an Ansehen und Ehre hatten sie überall gewonnen, an Geld aber waren sie nicht reicher geworden“. H. war gezwungen, sich und den Seinen eine neue Heimstätte zu schaffen und er führte das in dem schon 1827 erworbenen, einst fiskalischen Walde im Hombruch bei Dortmund aus. Er wollte im Hombruch die rohen Gußtheile anfertigen und diese in Wetter vollenden und zu fertigen Maschinen zusammenstellen. Vor allen Dingen richtete er nun seine Thätigkeit auf die Herstellung von Schiffsdampfmaschinen. Das erste Dampfboot, für welches er die Maschine baute, war für die Weser bestimmt. In diese Zeit aufreibendster Thätigkeit fällt der Tod seiner Frau, Sylvester 1835. Sechs Kinder trauerten mit dem tiefbewegten Gatten an ihrem Sarge. Am 24. Januar 1836 lief das Boot, „Friedrich Wilhelm III.“ genannt, vom Stapel. Der Bau eines Rhein-Seeschiffes wurde unmittelbar darauf von H. ins Auge gefaßt, welches von Köln aus die transatlantischen Häfen anlaufen sollte. Schon 1837 war das Schiff fertiggestellt und trat seine erste Fahrt nach London an. Doch blieb der gehoffte Erfolg aus. Gegen Ende des vierten Jahrzehnts trat H. in Verbindung mit Matthias Stinnes in Mülheim, um eine Dampf-Schleppschifffahrt auf dem Rheine zu errichten. Neben dieser rastlosen Thätigkeit ruhte seine Feder nicht. So erschien 1841 von ihm: „Die Zeiten des ersten Westfälischen (16.) Landwehrregimentes. Ein Beitrag zur Geschichte der Befreiungskriege 1813, 1814, 1815.“ An den großen Zeitfragen, welche die Gemüther in Deutschland nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm’s IV. immer lebhafter bewegten, betheiligte sich H. nur wenig; immer klarer wurde es ihm, daß erst auf Grund eines besseren Volksunterrichtes und einer besseren wirthschaftlichen Lage der arbeitenden Classen eine Selbstregierung des Volkes anzustreben sei. Der socialen Frage und der Volksschulsache wandte er darum nun sein ganzes Interesse zu, wie es seine 1848 erschienene Schrift „Bemerkungen über die Preußische Volksschule und ihre Lehrer“ beweist, eine Schrift, welche noch heute Beachtung verdient und welche damals ungeheuern Erfolg hatte. Eine Frucht derselben war die Bildung des Vereins für die deutsche Volksschule und für Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, welche H. 1843 ins Leben rief. Zur Hebung des Nährstandes bildete H. den Gewerbeverein in Hagen und schrieb im Winter von 1843 auf 1844 das beachtenswertheste seiner Bücher: „Bemerkungen über die Hindernisse der Civilisation und Emancipation der unteren Classen“.

Ueber die Sorge für die Allgemeinheit hatte H. wie vordem die Sorge für sich und die Seinen vernachlässigt, und 1847 kam Hombruch unter den Hammer. Das folgende Jahr brachte den Ausbruch der Revolution. Da war es H., der die beiden bekannten Adressen der Markaner an den König verfaßte, in denen diese den Monarchen ihrer unwandelbaren Liebe und Anhänglichkeit versicherten. Seine berühmten „Arbeiterbriefe“ folgten unmittelbar darauf. H. war, wie es nicht anders zu erwarten, auch 1848 unter den [5] Mitgliedern der preußischen Nationalversammlung. „Kampf für die Ordnung, Kampf gegen die drohende Anarchie“ war seine Losung. Von Berlin aus erließ er seine „Briefe in die Provinzen“. Nach den unwürdigen Vorgängen vom 9. Juni reichte er im Einverständniß mit vielen westfälischen Collegen die Erklärung ein, daß sich die Nationalversammlung im Zustande der Unfreiheit befinde und daß deren Sitz nach einer andern Stadt zu verlegen sei. Der Antrag kam nicht zur Verhandlung. Im Verein mit gleichgesinnten Abgeordneten und unter Zuziehung von Diesterweg und Kapp aus Hamm stellte H. dann die Fundamente fest, auf denen das öffentliche Schulwesen in Preußen aufgebaut werden sollte. H. und seine Freunde gingen nun zur Gründung des sogenannten Centrums über, dessen Vorsitzender H. wurde; nach ihm wurde die Partei aber gewöhnlich genannt. In den Jahren 1849 und 1850 beschränkte H. seine Thätigkeit im wesentlichen auf die eifrige Mitarbeit an der „Deutschen Reform“, der „Parlamentscorrespondenz“ und auf die Veröffentlichung von Flugblättern. Am 5. Februar 1849 wurde er sowol in Hagen als Neustettin-Belgard-Schievelbein-Dramburg gewählt. Er nahm wieder für Hagen an. Am 21. April stimmte er dafür, daß die Kammer die beschlossene Reichsverfassung für rechtsgültig anerkenne. Die revolutionären Bewegungen in Berg und Mark riefen H. nach der Heimath. An den Arbeiten der neugewählten Kammer betheiligte sich H., abermals für Hagen gewählt, mit gewohntem Eifer. Auch im Erfurter Volkshaus stimmte er mit. Die Mußezeit füllte er mit Berichten an Zeitungen und der Abfassung der trefflichen Volkserzählung „Flachs-Martha“ aus. Im Jahre 1850 finden wir den Unermüdlichen in Schleswig-Holstein, für dessen „Rettung“ er eifrig eintrat. In demselben Jahre warf er sein Gewicht für ein gemäßigtes Freihandelsprincip in die Wagschale, wodurch er mit den Großkaufleuten Kölns u. s. w. in Conflict gerieth. Der schmachvolle Tag von Olmütz trennte im gleichen Jahre die verfassungstreue Partei vollständig von Herrn v. Manteuffel. Harkort’s parlamentarische Thätigkeit war inzwischen unausgesetzt den wirthschaftlichen Fragen zugewandt: Bergwesen, Banken, Geldinstitute u. s. w. Ein glänzender Redner war er nicht, trotzdem ein gefürchteter Feind, der oft des Eindrucks seiner Reden sicher sein konnte. Nach dem Sessionsschluß von 1851 schrieb er seinen „Bürger- und Bauernbrief“, welcher ihn vor das Criminalgericht brachte, das ihn aber frei sprach. Nun ging er nach Wetter zurück. Am 20. März 1852 kam es zwischen H. und v. Bismarck-Schönhausen anläßlich der Verhandlungen über das Armeebudget zu einem scharfen Zusammenstoß, einer Thatsache, die geeignet war, die Aufmerksamkeit der Behörden auf H. noch mehr zu lenken. Trotzdem blieb er seiner volksthümlichen Publicistik treu und ließ unter anderm 1852 in Elberfeld einen zweiten „Bürger- und Bauernbrief“ erscheinen. Präsident Grabow, Harkort’s alter Freund und politischer Kampfgenosse, stellte ihm für diesen Brief in Aussicht: entweder für einen Umsturzmann gehalten oder „höchstens bemitleidet“ zu werden. Seine Kampfeslust blieb jedoch ungeschwächt. Aus der Zahl seiner Broschüren und Artikel dieser Zeit ragt der „Wahlkatechismus pro 1852 für das Volk“ hervor. H. ward in den folgenden Jahren für Hagen immer wieder in das Abgeordnetenhaus gewählt und war dort unermüdlich in gewohnter Weise thätig, nicht zuletzt für die Schule. In der freien Zeit der Jahre 1855 und 1856 richtete er in Wetter Unterstützungscassen für Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen und Handwerksmeister u. s. w. ein. Im Jahre 1857 trat H. an die Spitze des Comités für die Errichtung eines Steindenkmals auf dem Kaisberge bei Herdecke an der Ruhr. Das neu erwachende politische Leben in Deutschland sah H. mit dem Flugblatt (Frühjahr 1859) „Eine Stimme aus dem Volk“ [6] auf dem Plan, welche sein Programm für die zu befolgende innere und äußere Politik Preußens darlegte. Nach der Königsberger Krönung (1861) wurde ihm der rothe Adlerorden 3. Classe verliehen, nachdem er nach Friedrich Wilhelm’s IV. Thronbesteigung die 4. Classe erhalten hatte. In der Frage der Armeereorganisation nahm H. eine Mittelstellung ein. Für die Entwicklung der deutschen Seemacht war er jederzeit eingetreten, in der Zeit nach 1861 mit besonderer Lebhaftigkeit. Doch zog er sich gerade dadurch eine Verurtheilung in Düsseldorf zu. Es war die einzige, die ihm je widerfuhr und wurde reichlich wett gemacht durch die Ueberreichung eines prachtvollen Tafelaufsatzes seitens seiner Wähler im J. 1865. In demselben Jahr sah H. seine durch ein Menschenalter hindurch verfochtenen Bemühungen um das Zustandekommen eines Berggesetzes (24. Juni) gekrönt. Sein letzter Antrag im Abgeordnetenhause galt der arbeitenden Bevölkerung, indem er für alle Eisenbahnzüge die Einrichtung besonderer Frauencoupés in der III. und IV. Classe, sowie die Heizung derselben im Winter forderte. Der Antrag wurde angenommen. Auf seine Anregung kam der Centralverein für Hebung der deutschen Fluß- und Canalschifffahrt zu Stande. Im norddeutschen Reichstage war H. besonders für die Fragen des See- und Eisenbahnwesens, des Schutzes der Auswanderer, des Kriegsschiffbaues im eigenen Lande thätig. Auch das Mandat für den ersten deutschen Reichstag 1871 übernahm H. noch auf das unablässige Andrängen seiner Freunde. In diesem war er einer der Ersten, der die Wichtigkeit betonte, deutsche Colonien zu besitzen. Mit dem Schluß der ersten Legislaturperiode des ersten Reichstags (24. Juni 1873) endigte Harkort’s parlamentarische Thätigkeit nach 25jährigen rastlosen Bemühungen. Er zog sich nach Hombruch zurück, doch nicht unthätig, besonders noch der Schule sein Interesse zuwendend. Er starb am 6. März 1880, nur in den letzten Lebensjahren das Ungemach des Alters spürend, in seinem äußerst bescheidenen Heim im Hombruch. Im Walde von Schede fand er seine letzte Ruhestätte. Eine von Afinger gefertigte Büste Harkort’s hat ihren Platz in der Halle des Steinthurmes gefunden. Am 19. October 1884 wurde ein Denkmal für ihn in der Form eines Thurmes auf dem Alten Stamm bei Wetter feierlich eingeweiht.

Der liebevolle Biograph Harkort’s, L. Berger, faßt die Uebersicht über sein thatenreiches Leben in folgende Sätze zusammen: „Er war ein Knabe, als der neue Beherrscher Frankreichs die Monarchie Friedrichs des Großen zu Boden schmetterte; ein Jüngling, als er die Waffen ergriff, um in einem Völkerkriege sondergleichen sein zertretenes Vaterland von der Fremdherrschaft befreien zu helfen. Als Mann stand er in der vordersten Reihe derer, welche durch Wort, Schrift und Beispiel die wirthschaftliche Entwicklung des Landes zu fördern trachteten, für die rechtzeitige Gewährung gesetzmäßiger Freiheit eintraten, und die Verbesserung der Schule und der Lage der arbeitenden Classen anstrebten. Der heranstürmenden Revolution leistete er ebenso mannhaften Widerstand wie der ihr folgenden Reaction. Er vertheidigte die Landwehr und verlangte die Schaffung einer Seewehr. Als Greis erlebte er die Gründung des neuen Deutschen Reiches durch Kaiser Wilhelm den Ersten und erblickte, nachdem er ein Vierteljahrhundert als erwählter Volksvertreter gewirkt, am Abend seines Lebens das geeinigte Deutschland auf einer früher nie geahnten Staffel der Macht und Größe“.

Nach L. Berger, Der alte Harkort, Leipzig 1890.